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Verbreitung und Bestandsentwicklung des Seeadlers Haliaeetus albicilla in der Steiermark, im südlichen Burgenland (Österreich) sowie im grenznahen Örség Nationalpark (Ungarn) PDF

2009·4.6 MB·German
by  SamwaldOtto
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Preview Verbreitung und Bestandsentwicklung des Seeadlers Haliaeetus albicilla in der Steiermark, im südlichen Burgenland (Österreich) sowie im grenznahen Örség Nationalpark (Ungarn)

© Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Verbreitung und Bestandsentwicklung des Seeadlers Haliaeetus albicilla in der Steiermark, im südlichen Burgenland (Österreich) sowie im grenznahen Örség Nationalpark (Ungarn) Otto SAMWALD & Agnes GRUBER Abstract: The status, geographical distribution and population development of the White-tailed Eagle (Haliaeetus albicilla) in Styria, southern Burgenland (Austria) and in the Örség National Park (Hungary), is briefly reviewed. The White-tailed Eagle has never been a common raptor species in the study area and until the late 1980s it was considered as extremely rare. From that time onwards regular sightings occurred and the number of records increased steadily. Up to February 2008 741 observations were analysed for this article. Approximately in the year 2002 a breeding territory was established in Styria (Austria) for the first time and in 2005 the first successful brood fledged. In southern Burgenland no White-tailed Eagle eyrie has been found but the species (primarily adult birds) has been observed hunting regularly at the fishponds near Güssing since 1992 all season with up to 30 ob- servations every year. During the breeding period the fishponds are perhaps the most important feeding grounds for one pair breed- ing in neighbouring Hungary (>20 kilometres away). In total, up to three pairs have been observed hunting at the fishponds near Güssing in recent years. In the Örség National Park the first occupied eyrie was found in 1996 and the number of nesting terri- tories has increased to three in 2008. Data for White-tailed Eagle productivity in the study area are shown. 79 food items of the White-tailed Eagle have been determined by visual observations aside from the breeding sites. Fish constituted >86% of the prey. Due to the low number of larger water bodies, the study area is probably not really suitable for the species. The colonisation of the Austrian-Hungarian border presumably results from the considerable increase of the Hungarian White-tailed Eagle popula- tion in the 1990s. However, the species also exhibits a large degree of flexibility and also smaller water bodies have been visited for hunting regularly. Additionally, flush distance has decreased noticeably during the last decades. Due to the current population development in large parts of Central Europe further settlements in the border triangle of Austria, Hungary and Slovenia may be expected. Key words: White-tailed Eagle, Haliaeetus albicilla, Austria, Hungary, Styria, Burgenland, Örség National Park, distribution, pop- ulation development, breeding, diet composition. Einleitung SAMWALD 1993). Mittlerweile ist der Seeadler im Un- tersuchungsgebiet ein regelmäßiger Brutvogel und wird Vom Seeadler (Haliaeetus albicilla) liegen aus Süd- auch abseits der Brutgebiete mit zunehmender Tendenz ostösterreich und den angrenzenden Gebieten in Un- beobachtet. In der vorliegenden Abhandlung werden garn auch aus historischer Zeit keine Bruthinweise vor die Verbreitung und Bestandsentwicklung in der Steier- (DVORAK et al. 1993, GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. mark und im Südburgenland detailliert dargestellt. Das 1971). Dieser Status ist auch nicht weiter verwunder- Auftreten der Art in Südostösterreich kann allerdings lich, denn das ursprüngliche für Mitteleuropa gültige nur in Zusammenhang mit der Situation im angrenzen- Brutplatzschema, große und störungsarme Waldgebiete den Ungarn (Komitat Vas) betrachtet werden und wird in gewässerreicher Landschaft, sind im hier behandel- daher in diesem Artikel gemeinsam mit den österrei- ten Gebiet eigentlich nicht in einem entsprechenden chischen Vorkommen dokumentiert. Angaben zur Er- Umfang vorhanden. Erst seit Anfang der 1980er Jahre nährung und Gefährdung werden ebenfalls kurz darge- werden Seeadler in der Steiermark und im südlichen stellt. In der Diskussion wird auf mögliche Hintergrün- Burgenland regelmäßig beobachtet. Etwa um 1990 sie- de dieser rezenten Brutansiedelungen (Lebensraumaus- delte sich das erste Brutpaar, wahrscheinlich infolge der stattung, Nahrungsverfügbarkeit, Populationsentwick- langsamen Zunahme des Brutbestandes in Ungarn im lung) und Perspektiven im Großraum des Dreiländer- Grenzgebiet Südburgenland/Ungarn an (SAMWALD & ecks Österreich/Ungarn/Slowenien eingegangen. Denisia 27(2009): 51–64 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Material und Methode BirdLife Österreich/Landesgruppe Steiermark und sämt- liche verfügbare Literaturquellen über den Seeadler in Das in der vorliegenden Untersuchung behandelte der Steiermark und im südlichen Burgenland ausgewer- Gebiet umfasst in Österreich die gesamte Steiermark, tet. Um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten, das südliche Burgenland (politische Bezirke Jennersdorf, wurden zusätzlich zahlreiche Beobachter bezüglich See- Güssing, Oberwart) und im angrenzenden Ungarn den adlerdaten kontaktiert. Schlussendlich standen bis Feb- Örség Nationalpark im südwestlichen Komitat Vas. Die ruar 2008 741 Einzelbeobachtungen für diese Publikati- Steiermark ist zum überwiegenden Teil ein Gebirgsland on zur Verfügungen, die sich wie folgt verteilen: Steier- und zwei Drittel des Landes sind von Ausläufern der Al- mark (316), Südburgenland (374), Komitat Vas (51). pen bedeckt. Nur das südöstliche Alpenvorland (West- Soweit notwendig und möglich wurden für die Auswer- und Oststeirisches Hügelland) kommt daher für eine Be- tung (Anzahl Nachweise, Phänologie) Einzelbeobach- siedelung durch den Seeadler in Frage. Dieser Land- tungen zu Nachweisen zusammengefasst (ausgenommen schaftsteil wird von bis zu 300 bis 600 Meter hohen Hü- Güssinger Fischteiche), wenn offensichtlich einzelne gelzügen durchzogen und von mehreren, großteils begra- Exemplare über einen längeren Zeitraum hindurch im digten Flüssen entwässert. Die größte Flussniederung bil- selben Gebiet festgestellt wurden. Für die phänologi- det der ursprünglich von einem ausgedehnten Auwald- schen Darstellungen wurden diese länger verweilenden gürtel begleitete Unterlauf der Mur. Stehende Gewässer Exemplare nur einmal für jeden Monat erfasst. Die Be- gibt es nur in Form von Fischteichen und Kiesgruben, obachtungsintensität hat sich seit 1970 in der Steier- welche nur in Ausnahmefällen eine Größe von mehr als mark und im südlichen Burgenland nicht grundlegend zehn Hektar erreichen. Geologisch findet das Oststeiri- verändert, sodass Einflüsse auf die Anzahl der Beobach- sche Hügelland im Südburgenland seine Fortsetzung, tungen ausgeschlossen werden können. wobei die Hügelzüge nur mehr eine Seehöhe von 400 Die Beobachtungen aus dem Komitat Vas in Ungarn Meter erreichen. Die größeren Fließgewässer sind Lafnitz stammen ausschließlich von Mitarbeitern des Örség Na- und Raab, ausgedehnte natürliche stehende Gewässer tionalparks. In diesem Gebiet wurden bislang keine re- sind auch im Südburgenland nicht vorhanden. Das größ- gelmäßigen und gezielten Untersuchungen der Greifvo- te stehende Gewässer bilden die unmittelbar am südli- gelvorkommen durchgeführt. Nur in einigen kleinen chen Ortsrand von Güssing gelegenen Fischteiche, eine Waldbereichen wurden die oftmals nur zufällig gefunde- der gegenwärtig größten Anlagen Österreichs (66 ha). nen Horste von den Nationalparkaufsehern regelmäßig Vor allem am Süd- und Westufer befindet sich ein ausge- kontrolliert. Die Seeadlerhorste wurden vor der Eiabla- dehnter Röhrichtgürtel mit einer anschließenden Ge- ge, während der Brutzeit (zu Beginn und kurz vor dem büsch- und Baumzone. Aufgrund seiner reichhaltigen Ausfliegen der Jungen) und auch danach, wenigstens Avifauna zählt das Gebiet zu den national bedeutenden vier Mal pro Jahr kontrolliert. Wasservogelbrutgebieten Österreichs (DVORAK et al. Zur Ernährung des Seeadlers wurden keine systema- 1994). Die Güssinger Fischteiche gehören vermutlich zu tischen Erhebungen durchgeführt, es handelt sich den am besten ornithologisch bearbeiteten Feuchtgebie- durchwegs um zufallsbedingte Sichtbeobachtungen ab- ten Österreichs. Seit Anfang der 1980er Jahre werden seits der Nistplätze. Die altersmäßige Zuordnung der In- hier durchschnittlich ca. 35 Exkursionen/Jahr (11–85) dividuen erfolgte bei eigenen Beobachtungen (O. S.) alleine nur von F. & O. Samwald durchgeführt. Das Un- nach HELANDERet al. (1989), für die Auswertung wird tersuchungsgebiet in Ungarn schließt unmittelbar an das zumeist nur zwischen adulten und immaturen (inkl. ju- Südburgenland an und deckt sich großteils mit dem süd- venilen) Exemplaren unterschieden. lich des Raabtales zwischen Szentgotthárd (St. Gott- hard) und Körmend gelegenen Örség Nationalpark, wel- Ergebnisse cher eine Fläche von ca. 440 km2umfasst und 2002 ge- gründet wurde. Der mäandrierende 40 bis 80 Meter brei- Verbreitung und Bestandsentwicklung te Flusslauf der Raab (Rába) ist im südwestlichen Komi- Historische Nachweise tat Vas noch naturbelassen, begleitet von einem sehr aus der Steiermark bis 1970 schmalen Auwaldgürtel. Das in Ungarn nur mehr maxi- Vom Seeadler liegen auch aus historischer Zeit bis mal 300 Meter hohe Hügelland wird großteils von ausge- zum Ende des 20. Jahrhunderts, keine Angaben über dehnten Wäldern (63%) bedeckt und abgesehen von ei- Brutvorkommen oder nur Brutverdacht in der Steier- nigen sehr kleinen Fischteichen sind nur zwei größere mark vor, die Art war bis Anfang der 1990er Jahre ledig- (>10 ha) stehende Gewässer vorhanden. lich ein seltener Durchzügler und Wintergast (SACKL& Datengrundlage für Österreich sind umfangreiche SAMWALD 1997). Ein erster Hinweis auf das Vorkom- Aufzeichnungen des Erstautors und von F. Samwald. men des Seeadlers findet sich bei SEIDENSACHER(1859), Weiters wurden Informationen aus dem Archiv von dass die Art bisweilen im Winter an Flüssen festgestellt 52 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at 9 Abb. 1:Anzahl der Seeadlernachweise in der West- und 8 Südsteiermark (rot, n = 31) sowie in der Oststeiermark (türkis, 7 n = 45) von 1976 bis 2007. Das erstmalige 6 Auftreten des Paares e im späteren Brutrevier s ei ist mit einem Pfeil w 5 h markiert. — Number c Na of White-tailed Eagle hl 4 records in Western a z and Southern Styria n A (red columns, n = 31) 3 and in Eastern Styria (turquoise columns, n = 45) from 1976 to 2 2007. The breeding pair is not included 1 and its first occurrence in the breeding territory is 0 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 mararorkwe.d with an wird und schon mehrfach in der südlichen Steiermark West- und Südsteiermark erlegt wurde. Dieser Hinweis bezieht sich wahrschein- Nach 1970 wurde erstmals am 5. Dezember 1976 ein lich auf das heutige Staatsgebiet von Slowenien. Aus immaturer Seeadler am Murstausee Gralla beobachtet der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es Belege (STANI1977), die Art blieb jedoch bis Mitte der 1990er vom 17. Dezember 1892 und 3. November 1893 aus der Jahre weiterhin ein seltener Gast. Erst seit 1995 werden Umgebung von Graz (Zusammenstellung bei PRÄSENT Seeadler fast alljährlich vor allem im Bereich des Mur- 1974). Für die Fischteiche im Kaiserwald südlich von tales festgestellt, mit über 70 Prozent der Nachweise Graz findet sich bei BESSERER(1903) nur ein allgemein (Abb. 1, 2). Als bevorzugte Aufenthaltsgebiete (11 gehaltener Hinweis über das vereinzelte Vorkommen Nachweise) haben sich die zahlreichen Fischteiche im der Art. In der Obersteiermark erlegte man erstmals um unteren Murtal zwischen Spielfeld und Mureck heraus- Allerheiligen des Jahres 1915 einen juvenilen Seeadler kristallisiert, mit den meisten Beobachtungen an den bei Schladming (HÖPFLINGER 1958) und ein weiterer beiden größeren Gewässern der Region, dem Weinbur- Beleg liegt vom Oktober 1960 bei Straßegg nordwest- ger Teich (8,5 ha) und dem Schwabenteich (12 ha). lich von Birkfeld vor (ANSCHAU1971). Im weststeirischen Fischteichgebiet zwischen Pre- ding und Deutschlandsberg wurde erstmals am 12. Juni Obersteiermark 1999 ein adulter Seeadler am Spiegelteich beobachtet In der Obersteiermark ist der Seeadler nach wie vor (H. Reinbacher †), der mit acht Hektar bereits zu den ein seltener Durchzügler. Von 1980 bis 1982 liegen drei größten Teichanlagen der Region zählt. Bis einschließ- Beobachtungen aus den Bezirken Judenburg und Murau lich 2007 liegen fünf Nachweise von Einzelexemplaren von nicht ornithologisch versierten Beobachtern vor, aus diesem Gebiet vor. Abseits dieser beiden Verbrei- die nach Ansicht des Erstautors als nicht ganz gesichert tungsschwerpunkte wurden überfliegende, offenbar dem anzusehen sind (Details bei HABLE1986). Vom 24. De- Flusslauf der Mur folgende Individuen auch im Stadtge- zember 1982 bis 6. März 1983 überwinterte ein juveni- biet von Graz und im angrenzenden Hügelland beob- ler Seeadler an der Mur bei St. Stefan ob Leoben und achtet. Erstaunlich wenige Seeadler wurden entlang der nutzte regelmäßig einen Luderplatz im Bereich einer il- Grenzmurstrecke von Spielfeld bis Bad Radkersburg ge- legalen Mülldeponie (H. Köhler, HABLE 1984, 1986). sichtet, ein Flussabschnitt mit noch größeren Auwald- Bemerkenswert ist eine Zugbeobachtung aus den Niede- bereichen und Altwässern. Nur in den Wintermonaten ren Tauern, als am 6. April 1993 ein adulter Seeadler Jänner und Februar konnte hier die Art bislang fünfmal bei Stadl an der Mur Richtung Süden abgezogen ist beobachtet werden. (SACKL& ZECHNER1995). Zuletzt wurde ein Individu- um vom Murstausee Fisching gemeldet (13.4.1998, J. Ausgenommen April liegen aus allen Monaten See- Porkristl). adlerbeobachtungen vor, ein klares phänologisches 53 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at tet werden: Am 9. September 2004 kreisen zwei Adulte östlich von Graz bei Ragnitz (H. Pfeifhofer) und am 5. August 2007 wird ein fast Ausgefärbter und ein Vor- jähriger bei Hainsdorf festgestellt (W. Stani & S. Zin- ko). Fast 50 Prozent der Beobachtungen betreffen adul- te Individuen (vgl. Abb. 3). Oststeiermark In der Oststeiermark wurde ein Seeadler (4./5. Ka- lenderjahr) an den Kirchberger Teichen am 6. Dezem- ber 1970 beobachtet (SAMWALD1972) und am Burgau- er Waldteich verweilte ein immatures Individuum am 16. und 17. Oktober 1978 (G. Schmidl). Die nächste Feststellung folgte 1982, als sich zwei fast adulte Exem- plare an den Neudauer und Burgauer Fischteichen vom 8. bis 15. Mai aufhielten. Bis Anfang der 1990er Jahre war die Art immer noch ein seltener Gast und die ein- zelnen Nachweise bis 1993 wurden von SAMWALD & Abb. 2:Verbreitung des Seeadlers in der West-, Süd- und Oststeiermark, im SAMWALD (1993) zusammengestellt. Danach setzte al- südlichen Burgenland (Österreich) und im angrenzenden Komitat Vas (Örség lerdings eine positive Bestandsentwicklung ein, welche Nationalpark, Ungarn) von 1981 bis 2007. Rastergröße 10 x 10 km, UTM mit der ersten erfolgreichen Seeadlerbrut in der Steier- Koordinatensystem (l1–3 Nachweise; l > 3 Nachweise; sBrutnachweise). — mark im Jahre 2005 ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Distribution of White-tailed Eagle in the western, southern and eastern parts Bis 1996 wurden Seeadler noch nicht alljährlich beob- of Styria, southern Burgenland (Austria) and in the Komitat Vas (Örség National Park, Hungary) from 1976 to 2007 (grid unit 10 x 10 km; (cid:0)l1–3 achtet und erst ab 1997 gibt es jedes Jahr ein bis drei records; l> 3 records; (cid:0)sbreeding). Nachweise, ausgenommen sind die Daten des seit 2002 vorhandenen Revierpaares (Abb. 1). Muster ist bislang nicht erkennbar nur eine leichte Häufung der Nachweise von Juli bis zu einem kleinen Die Verbreitungsschwerpunkte der Nachweise lie- Maximum im November (Abb. 3). Mehrfach wurde in gen an der Landesgrenze zum Burgenland im Bereich den letzten Jahren auch eine längere Verweildauer von des unteren Lafnitz- und Feistritztales (Abb. 2). Vor al- bis zu zwei Wochen im Gebiet festgestellt und erst zwei- lem an den Fischteichen bei Burgau und Neudau ist der mal konnte mehr als ein Exemplar zeitgleich beobach- Seeadler mittlerweile ein regelmäßiger Nahrungsgast. Abb. 3:Jahreszeitliche Verteilung der adult immatur indet. Seeadlerbeobachtungen 7 in der West- und Südsteiermark von 1976 bis 2007 (n = 36). — 6 Seasonal abundance of White-tailed Eagles in Western and Southern 5 Styria from 1976 to 2007 (n = 36). n e u d4 vi di n hl I a3 z n A 2 1 0 Jänner Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 54 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Bemerkenswerterweise gibt es von den vier größeren Tab. 1:Ansiedelungshistorie und Bruterfolg des in der Steiermark brütenden Fischteichgebieten (7 bis 46 ha) im Raabtal zwischen Seeadlerpaares. — Colonization history and reproductive success of the White- tailed Eagle pair breeding for the first time in Styria. Feldbach und Kirchberg an der Raab nur eine neuere Beobachtung. Am 1. Mai 2007 kreiste ein Altvogel über 1997 15.8.-17.10. 1 ad. (5. Kalenderjahr?/K5); 27.8.-6.9. 1 juv. (K1) den Saazer Teichen (S. Zinko). An der Raab bei Feld- 1998 26.02. 1 ad. bach wurde zwischen 18. Jänner bis zum 20. Februar 1999 21.9.-30.10. 1 ad. 2007 mehrfach ein adulter Seeadler beobachtet (A. & 2000 1.-27.4. 1 ad.; 16.7.-2.9. 1 ad. M. Tiefenbach). 2001 12.8.-6.10. 1 ad. (K5) 2002 8.3.-1.12. 1 Paar (Weibchen adult, Männchen K4); 8.3.-7.4. 1 juv. (K2); Abgesehen vom Brutpaar kann man zum gegenwär- 5.10.-3.12. 1 juv. (K1); 20.12. 1 immat. (K4) tigen Zeitpunkt auch in der Oststeiermark Seeadler 2003 20.4.-9.11. 1 Paar (Weibchen adult, Männchen K5); 19.3. 1 immat. (K3); 9.9. 1 juv. (K1) - Paar zeitgleich anwesend, allerdings kein Zusammen- ganzjährig beobachten. Die Nachweise verteilen sich hang erkennbar; 27. & 30.11. 1 ad. fast gleichmäßig übers ganze Jahr, ausgenommen Juni 2004 18.3.-4.4. 1 ad.; 18.4.-18.6. 1 Paar (beide adult); 11.7.-21.8. 1 ad. und Juli (Abb. 4, ohne Daten aus dem Brutrevier). Die 2005 erfolgreiche Brut (1 juv.) Art wird in der Oststeiermark nur geringfügig häufiger 2006 26.3.-1.5. 1 ad.; 11.5.-26.11. 1 Paar (beide adult) - keine Brut als in der West- und Südsteiermark beobachtet, gesamt 2007 erfolgreiche Brut (2 juv.) betrachtet ergibt sich seit Anfang der 1990er Jahre eine 2008 keine erfolgreiche Brut - Brutabbruch nach Eiablage stetige Zunahme der Seeadlernachweise (vgl. Abb. 1). In der Oststeiermark kommen jedoch deutlich mehr tober ein fast adulter Seeadler anwesend, bei dem es sich adulte Seeadler (56%) als in der West- und Südsteier- vom Alter her (5. Kalenderjahr) um das Weibchen des mark (49%) zur Beobachtung (vgl. Abb. 3 und 4). späteren Brutpaares gehandelt haben könnte. Im darauf folgenden Jahr war das Paar von Anfang März bis An- Brutnachweise in der Steiermark fang Dezember durchgehend gemeinsam anwesend, das Bereits vor der festen Etablierung des späteren Brut- Männchen konnte noch bis Ende Dezember festgestellt paares waren einzelne immature und adulte Seeadler werden. Das Weibchen war 2002 bereits voll ausgefärbt, oftmals über einen längeren Zeitraum in der weiteren das Männchen befand sich im 4. Kalenderjahr. Im Jahr Umgebung des späteren Brutreviers anwesend (Tab. 1). 2003 und 2004 war vermutlich dasselbe Paar ebenfalls Die Ansiedelung lässt sich mit einiger Sicherheit bis ins im Sommerhalbjahr durchgehend anwesend. Es ergaben Jahr 2001 zurückverfolgen, zweifelsfrei war das Brutre- sich jedoch noch keine Hinweise auf ein erfolgreiches vier erstmals 2002 besetzt, es muss sich aber natürlich Brüten, obwohl am 9. September 2003 ein Jungvogel nicht immer um dieselben Individuen gehandelt haben. gemeinsam mit den Adulten beobachtet wurde. Auf- Im Herbst 2001 war von Mitte August bis Anfang Ok- grund der durchgehenden Beobachtungsreihen in die- Abb. 4:Jahreszeitliche adult immatur Verteilung der 10 Seeadlerbeobachtungen in der Oststeiermark von 9 1970 bis 2007 (n = 55, ausgenommen 8 Beobachtungen im Brutrevier). — Seasonal abundance of White- 7 tailed Eagles in Eastern n Styria from 1970 to 2007 e u 6 (n = 55), observations d vi from the breeding ndi 5 territory are not hl I included. a z 4 n A 3 2 1 0 Jänner Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember 55 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at sem Jahr, kann aber ausgeschlossen werden, dass der Jungadler hier erbrütet wurde. Im Jahr 2005 konnte dann erstmals eine erfolgrei- che Seeadlerbrut in der Steiermark nachgewiesen wer- den, wobei der Horst von den Adlern selbst errichtet wurde. Im folgenden Jahr gab es aus nicht genauer be- kannten Gründen keinen Bruterfolg. Möglicherweise erfolgte ein Partnerwechsel, denn bis Anfang Mai wur- de bei sechs Begegnungen immer nur ein Altadler beob- achtet (vgl. Tab. 1). 2007 gab es neuerlich eine erfolg- reiche Brut im selben Horst, wobei diesmal zwei Jungvö- gel ausflogen. 2008 wurde ein neuer Horst errichtet und es kam auch zur Eiablage. Bedingt durch zwei Sturmtiefs (26./27.1.2008 „Paula“, 1./2.3.2008 „Emma“) kam es in der Steiermark zu schweren Sturmschäden in den Wald- gebieten. Durch die Umsiedelung des Seeadlerpaares war der neue Horststandort zunächst nicht bekannt und es erfolgten unwissentlich Forstarbeiten in unmittelba- rer Horstnähe. Als der neue Brutplatz entdeckt wurde, wurden die Arbeiten auch sogleich eingestellt, die Brut verlief aber nicht erfolgreich. Einzelbeobachtungen ab dem Winterhalbjahr 2004/2005 belegen, dass das steirische Adlerpaar an eis- freien Fließgewässern der Region regelmäßig anwesend Abb. 5:Erster in der Steiermark erbrüteter juveniler Seeadler, 20.8.2005 (Digiskopie, O. Samwald). — The first juvenile White-tailed Eagle from an ist und somit wohl in der Umgebung des Brutplatzes eyrie in Styria. auch überwintert. 120 35 30 100 25 80 %] mplare 20 vögel [ aimdmulattur xe 60 Alt fischend hl E de a 15 n z e n h A c 40 Fis 10 20 5 0 0 Jänner Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Abb. 6:Jahreszeitliche Verteilung der Seeadlerbeobachtungen an den Güssinger Fischteichen von 1988 bis 2007 (n = 483 Individuen). Auf der rechten y-Achse ist der Anteil fischender Altvögel aufgetragen. — Seasonal abundance of White-tailed Eagle at the fish-ponds near Güssing from 1988 to 2007 (n = 483 individuals). The line indicates the percentage of fishing adults. 56 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at Südburgenland Tab. 2:Entwicklung des Seeadlerbrutbestandes in der Steiermark (Österreich) und im Örség Nationalpark (Ungarn) von 2002 bis 2008. — Population Erstmals wurde im Südburgenland im Jahre 1955 ein development and productivity of the White-tailed Eagle in Styria (Austria) and Seeadler an den Güssinger Fischteichen beobachtet in the Örség National Park (Hungary) from 2002 to 2008. (KEPKA 1996). Danach erfolgte 1988 die nächste Fest- Paar/Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 stellung, obwohl die Teiche seit mindestens 1968 regel- I (seit 1996) 1 1 0 1 2 2 1 mäßig von zahlreichen Ornithologen aufgesucht wur- II 2 2 2 - - 0 den. Das gelegentliche Auftreten im Südburgenland bis III (Steiermark) 1 0 2 0 1993 wurde von SAMWALD& SAMWALD(1993) zusam- IV 1 0 0 mengestellt. Seitdem gehört der Seeadler zu den regel- Summe Jungvögel1 3 2 4 3 4 1 mäßigen Erscheinungen an den Fischteichen bei Güs- Brutgröße 1 1,5 2 1,3 1,5 2 0,3 sing und diese sind für die Adlerreviere im Grenzgebiet Fortpflanzungs- Österreich/Ungarn eines der wichtigsten Nahrungsge- ziffer 1 1,5 1 1,3 1 1,3 0,3 biete im Sommerhalbjahr. Von 1992 bis 2007 gelangen jährlich 9 bis 31 Beobachtungen, im Durchschnitt wur- 2002 – ein Jungvogel festgestellt. Nach dem Ende der de in etwa bei jeder zweiten bis dritten Exkursion zu- Aufzuchtperiode, suchen die in der weiteren Umgebung mindest ein Seeadler an den Teichen festgestellt. Abge- erfolgreich brütenden Adlerpaare offensichtlich nicht sehen von geringen beobachterbedingten Schwankun- regelmäßig die Fischteiche gemeinsam mit ihren Jung- gen hat sich die Antreffwahrscheinlichkeit in diesem vögeln auf. In dem Zeitraum, an dem die meisten Jun- Zeitraum nicht grundlegend verändert. Seeadler kön- gen den Horst verlassen (v. a. Juni) liegen daher auch nen an den Fischteichen ganzjährig beobachtet werden sehr wenige Seeadlerbeobachtungen von den Teichen mit einem Minimum von Dezember bis März (Abb. 6). vor. Erst im August erfolgt dann eine starke Zunahme Im Winterhalbjahr sind die Teiche entweder ohne Was- der Adlerbeobachtungen, wobei in diesem Monat bis- ser oder/und mit Eis bedeckt und es ist kein leicht ver- lang nur Altvögel festgestellt wurden (vgl. Abb. 6). fügbares Nahrungsangebot (siehe Kapitel „Nahrung“) Spätestens seit 1993 gehören adulte Seeadlerpaare für die Adler vorhanden. Im Frühjahr zeichnet sich ein zu den regelmäßigen, ganzjährigen Besuchern der Güs- kleines Maximum im April und Mai ab, jedoch erst singer Fischteiche. Daher wurde zurecht vermutet, dass nach Ende der Brutzeit ab August steigt die Anzahl der die Art eigentlich in der Umgebung horsten müsste Beobachtungen bis in den Oktober hinein stark an. (SAMWALD & SAMWALD 1993, KEPKA 1996). Trotz oft- Über 90 Prozent der an den Güssinger Fischteichen be- mals intensiver Nachsuche konnte bislang im südlichen obachteten Seeadler waren voll ausgefärbt, zeitgleich Burgenland noch kein Seeadlerhorst gefunden werden. anwesende adulte Paare wurden in 122 Fällen beobach- Die Abflugrichtungen Beute tragender Seeadler von tet. Die Paare haben somit einen Anteil von 56 Prozent den Güssinger Teichen während der Jungenaufzucht an den adulten Seeadlern. In den 1990er Jahren wurden von März bis Juni wiesen auch in den meisten Jahren die Teiche mit ziemlicher Sicherheit nur von einem ein- auf Brutplätze im benachbarten Ungarn hin (siehe Ka- zigen Paar zum Nahrungserwerb aufgesucht, doch spä- pitel „Ungarn“). Es kann natürlich nicht ausgeschlossen testens seit 2003 jagen zwei verschiedene Paare und werden, dass es in der Vergangenheit zumindest Brut- 2006 waren es Partner von sogar drei Paaren. Die Un- versuche auf österreichischem Staatsgebiet gegeben hat. terscheidung einzelner Individuen war aufgrund des un- Besonders 1998, 1999 und vor allem 2003 bestand – auf terschiedlichen Mauserzustandes sowie von Färbungs- Grund der mehrfach an den Güssinger Teichen beob- merkmalen und verschiedenen Abflugrichtungen Beute achteten Abflugrichtungen von zum Teil Beute tragen- tragender Seeadler möglich. den Altvögeln – Brutverdacht in den ausgedehnten Für die Seeadler sind die Güssinger Fischteiche Waldgebieten nördlich und östlich von Güssing. nicht nur ein sehr wichtiges Jagdgebiet sondern auch ei- Abgesehen von diesen Brutzeitbeobachtungen ist ne wichtige Ruhezone und dies trotz der unmittelbaren der Seeadler ein fast alljährlicher Wintergast vor allem Stadtrandlage. Bevorzugte Ruhebäume befinden sich in im unteren Strem- und Pinkatal. Im Rahmen von regel- erster Linie am störungsarmen von einem Erlenwald mäßig im Dezember und Jänner durchgeführten syste- eingesäumten Südufer, oftmals rasten allerdings die Ad- matischen Greifvogelzählungen (n = 23) wurden von ler stundenlang auch am Teichdamm auf einer kleinen 1988 bis 2008 an fünf Terminen Seeadler gesichtet. Da- Baumgruppe. neben liegen allerdings für dieses Gebiet noch weitere Juvenile Seeadler werden relativ selten (9% der In- 15 Zufallsbeobachtungen von ein bis zwei Individuen dividuen) an den Güssinger Fischteichen beobachtet, aus diesem Zeitraum vor. Seit dem Winterhalbjahr zumeist erst ab September/Oktober. Unmittelbar nach 2004/05 werden auch im unteren Lafnitztal von der Fei- der Brutzeit (Juni/Juli) wurde erst einmal – am 28. Juli stritzmündung bis zur ungarischen Staatsgrenze einzelne 57 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at überwinternde Seeadler beobachtet. Es ist davon auszu- der Brutzeit – von Dezember bis Anfang August – im gehen, dass der größte Teil dieser Winterbeobachtungen Gebiet anwesend, vermutlich ist das Nahrungsangebot auf die in der Region brütenden Paare zurückzuführen über das gesamte Jahr zu gering. Es wäre daher durchaus ist und nicht auf Zuwanderung aus anderen Gebieten. denkbar, dass dieses Paar zur deutlichen Zunahme der Die Jännerbestände sind deshalb im Vergleich zu den Seeadlerbeobachtungen an den Güssinger Fischteichen Hauptüberwinterungsgebieten in den gewässer- und ab August beiträgt (vgl. Abb. 6). Während der letzten nahrungsreichen Regionen Ostösterreichs sehr gering 13 Jahre, seitdem man dieses Brutpaar kennt, fand zu- (vgl. PROBST 2003 und in diesem Band). Im Winter- mindest einmal ein Partnerwechsel (Weibchen) statt. halbjahr 2007/08 wurde in der Oststeiermark und im Bereits seit 1993 besteht im unmittelbaren Grenzge- südlichen Burgenland der bisherige Höchstwert von biet Südburgenland/Ungarn Brutverdacht (vgl. Kapitel sechs Seeadlern erreicht. „Südburgenland“). Durch die zu diesem Zeitpunkt noch etwas schwierige politische Situation war dieser Bereich Ungarn schwer zugänglich. Aufgrund der großen Entfernung Der erste besetzte Horst wurde 1996 im Südteil des (>30 km) der Güssinger Fischteiche zu dem seit 1996 Örség Nationalparks gefunden, bis 2001 liegen aller- bekannten Brutplatz im Südteil des Nationalparks, dings keine genauen Angaben zum Bruterfolg vor. In kann davon ausgegangen werden, dass dieses Paar zu- den letzten sieben Jahren hat dann der Bestand des See- mindest nicht regelmäßig die Fischteiche während der adlers im Nationalpark kontinuierlich zugenommen (Tab. 2). Südlich und südöstlich des Untersuchungsge- Brutperiode aufsucht. Erst im Jahr 2003 wurde im bietes, in den Komitaten Vas und Somogy findet man Grenzgebiet ein besetzter Horst (Paar II) in einem Au- allerdings weit größere Brutbestände. Vor allem im Ko- waldbereich gefunden und bis 2005 kamen alljährlich mitat Somogy bestehen offensichtlich weit mehr geeig- zwei Jungvögel zum Ausfliegen. Seit 2006 war dieser nete und auch viel größere Nahrungshabitate (TEVELY Brutplatz verwaist und zeitgleich wurde ein neuer Horst 1996). Die Seeadler verhalten sich im Bereich der be- (Paar IV) in der Nähe entdeckt. Erst 2008 wurde Revier kannten Brutplätze ganzjährig sehr unauffällig und zu- II von einem neuen Paar wieder besetzt, es kam auch zur meist kann man die Paare nur im unmittelbaren Horst- Eiablage im alten Horst, die Brut wurde aber abgebro- bereich beobachten. Das südlichste Brutpaar (Paar I) ist chen. Bei Paar IV handelte es sich vermutlich nicht um im Gegensatz zu den anderen Brutpaaren, nur während eine Umsiedelung von Paar II im Jahr 2006, denn vom 18 16 14 12 e r e eti 10 Sonstige ut Fische e B hl 8 a z n A 6 4 2 0 Jänner Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Abb. 7:Saisonale Änderung der Nahrungszusammensetzung des Seeadlers in der Steiermark und im südlichen Burgenland von 1992 bis 2007 (n = 79 Beutetiere). — Seasonal change in diet composition of the White-tailed Eagle in Styria and southern Burgenland from 1992 to 2007 (n = 79). 58 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at beachtlichen Umfang her war dieser Horst schon älter. Aufgrund einer Recherche der Beobachtungsdaten aus dem südlichen Burgenland und den Güssinger Fischtei- chen, könnte es sich um das seit Mitte der 1990er Jahre vermutete Grenzpaar handeln. In diesem Jahr (2008) sind erfreulicherweise alle drei bekannten Horste im Örség Nationalpark besetzt (vgl. Tab. 2). Nahrung Die Seeadler konnten im Untersuchungsgebiet 79- mal beim erfolgreichen Jagen oder Fressen beobachtet werden und die Beute bestand zu über 86 Prozent aus Fi- schen (Abb. 7). Knapp 80 Prozent aller Daten stammen von den Güssinger Fischteichen und hier wurden aus- schließlich lebende oder tote Fische erbeutet. Bei den wenigen identifizierten Fischen handelte es sich um Karpfen (Cyprinus carpio, 3x) und Hecht (Esox lucius, 1x). Es konnten in Güssing auch nie wirklich ausdau- ernde Attacken auf Vögel beobachtet werden, obwohl von Februar/März bis Oktober/November mehrere hun- Abb. 8:Seeadlerpaar sonnt sich auf einer Kiefer am Rande eines kleinen Waldteiches (Zeichnung: M. Tiefenbach angefertigt nach einer Digiskopie von dert bis oft weit über tausend Individuen diverser Was- O. Samwald, Oststeiermark, 20.8.2005). — A pair of White-tailed Eagles sun- servogelarten (v. a. Stockenten Anas platyrhynchos und bathing on a pine near a small forest pond. Blässhühner Fulica atra) anwesend sind (SAMWALD & SAMWALD 1990). Als weitere Beutetiere konnten Gefährdung Stockente (2x), Fasan (Phasianus colchicus, 1x) und Störungen und Verfolgungen aller Art stehen in Feldhase (Lepus europaeus, 1x) nachgewiesen werden, Österreich beim Seeadler leider noch immer an der Ta- wobei jedoch in all diesen Fällen offen bleiben muss, ob gesordnung. Alleine von etwa 1989 bis 2002 wurden diese Tiere von den Adlern selbst erbeutet wurden. mindestens 14 Vergiftungsfälle bekannt (PROBST & Dreimal wurden verendete Säugetiere (u. a. Reh Ca- SCHMID 2002). In unserem Untersuchungsgebiet sind preolus capreolus) als Nahrung festgestellt. Mehrfach bis jetzt durch menschliche Eingriffe bekannt geworde- ne Verluste ausgeblieben. Allerdings wurde am 27. De- wurden erfolglose Jagdversuche auf Graureiher (Ardea zember 2006 in einem Waldgebiet im unteren Stremtal cinerea) und im Winterhalbjahr auf Kormorane (Phala- (Österreich) ein toter Altvogel gefunden, welcher mit crocorax carbo) beobachtet. Zusammenfassend kann ziemlicher Sicherheit zu einem in Ungarn brütenden man allerdings sagen, dass trotz zahlreicher ernährungs- Paar (IV) gehörte. Im Jahr 2007 fand dann auch in die- biologischer Daten, systematische Erhebungen zu die- sem Brutrevier keine erfolgreiche Brut statt, denn es war sem Thema bei den einzelnen Paaren fehlen. immer nur ein Altvogel anwesend. Der Vogel wurde an Aus Ungarn liegen bis jetzt nur wenige Zufallsfunde der Veterinärmedizinischen Universität in Wien obdu- zur Ernährung des Seeadlers vor. Im Horstbereich des ziert und es konnten weder Anzeichen einer Schussver- Brutpaares I im Südteil des Nationalparks wurden Fisch- letzung, noch Hinweise auf eine Carbofuran-Vergiftung skelette (Karpfen, Wels Silurus glanis), Überreste von gefunden werden (G. Loupal, mdl. Mitt.). Auch Spuren Hausschafen (Ovies orientalis aries) und einmal ein jun- einer langfristigen Vergiftung waren nicht feststellbar, ger „Bussard“ (vermutlich Wespenbussard Pernis apivo- die Todesursache blieb somit unklar. rus) gefunden. Vermutlich ernährt sich dieses Paar Ein weit größeres Gefährdungspotential besteht hauptsächlich von Fischen, sowie toten Hausschafen durch die Forstwirtschaft, Pilzesammler und die Jagd. und neugeboren, zuvor meist auf natürliche Weise ver- Vor allem in Ungarn hat sich der Druck durch die Forst- endete Lämmer. Im Revier von Brutpaar I befindet sich wirtschaft in den letzten Jahren stark vergrößert, wobei ein großer Schafzuchtbetrieb, wo naturgemäß Alttiere zum Teil hektargroße Kahlschläge entstehen. Genauere verenden und bei den Lämmern Totgeburten vorkom- Untersuchungen liegen dazu nicht vor, aber Paar I hat men. Laut Auskunft des Besitzers ist dieser über die na- wohl aufgrund dieser Störungen bereits mehrfach den türliche Entsorgung dieser Tiere durch die Seeadler er- Horst gewechselt und 2004 keinen Bruterfolg gehabt. freut, erspart er sich doch die kostenpflichtige Entsor- Das Jahr 2008 hat weiters gezeigt, dass orkanartige Früh- gung verendeter Schafe. jahrsstürme indirekte Auswirkungen auf den Bruterfolg 59 © Biologiezentrum Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at haben können (vgl. Kapitel „Brutnachweise in der Stei- Gebiet von rund 3.000 km2 (Teile der Oststeiermark, ermark“). In diesem Fall wurden gerade in einer äußerst südliches Burgenland und Örség Nationalpark), mit ge- sensiblen Phase der Brutzeit (Eiablage, beginnende Be- genwärtig (Stand März 2008) mindestens vier Seeadler- brütung) Forstarbeiten in Horstnähe durchgeführt und paaren (0,1 Paare/100 km2), sind die Güssinger Fischtei- dies führte vermutlich zum Brutabbruch. Aufgrund ge- che mit 66 Hektar. Abgesehen davon ist die Region genwärtiger Prognosen ist in Zukunft vermehrt mit der- nicht unbedingt reich an stehenden und vor allem auch artigen Sturmereignissen in unseren Breiten im Früh- nahrungsreichen Gewässern. Es bestehen noch acht jahr zu rechnen („Klimawandel“). Dadurch entsteht ein weitere stehende Gewässer (Fischteiche, Hochwasser- zusätzliches Gefährdungspotenzial für den Seeadler ei- Rückhaltebecken), die größer als zehn Hektar (10– nerseits durch direkte Einflüsse (Horstabstürze), als 40 ha) sind, von denen aber – soweit bisher bekannt – auch durch Störungen im Zuge von Aufräumungsarbei- nur drei von den Seeadlern regelmäßig zum Nahrungs- ten durch die Forstwirtschaft. erwerb aufgesucht werden. Weiters finden sich noch mehr als 30 kleinere Fischteiche und Kiesgruben (zu- meist kleiner als 5 ha), die aber schon aufgrund ihres ge- Diskussion ringen Nahrungsangebotes (kaum Wasservögel) bzw. Die historischen Brutvorkommen des Seeadlers be- sehr großer menschlicher Störungen vor allem durch schränkten sich in Österreich weitestgehend auf den Sportangler für die Adler nur bedingt nutzbar sind. Von niederösterreichischen Donauraum und die Art wurde den Fließgewässern kommt aufgrund seiner schon etwas nur selten im Untersuchungsgebiet beobachtet bzw. zu- größeren Ausmaße nur der naturbelassene Abschnitt meist erlegt. Gerade Greifvögel haben in der zweiten der Raab (Rába) in Ungarn als Jagdgebiet in Frage. Hälfte des 19. Jahrhunderts große Aufmerksamkeit er- Die Seeadler haben im Untersuchungsgebiet einen regt, sodass ein häufigeres Auftreten sicherlich „doku- mentiert“ wäre. In Ungarn fanden sich ebenfalls bis An- sehr großen Aktionsradius und Beuteflüge zu den Hors- fang der 1970er Jahre Brutvorkommen nur in den Au- ten können mitunter 15 bis 20 Kilometer und noch wäldern entlang der Flüsse Theiß, Donau und Drau. mehr erreichen. Auch in NW-Ungarn brütet seit dem Auch das in Handbüchern (GLUTZ VON BLOTZHEIM et Jahr 2000 ein Seeadlerpaar in einem offensichtlich we- al. 1971, CRAMP 1980) und Greifvogelmonographien niger geeigneten Lebensraum und die Beuteflüge erstre- (MEBS& SCHMIDT2006) genannte ursprüngliche Habi- cken sich auf einen Umkreis von 20 Kilometern und tatschema für Mitteleuropa (große, ungestörte Waldge- mehr (VÁCZI 2006). In optimalen besiedelten Lebens- biete zur Horstanlage und zahlreiche fisch- und vogel- räumen Schleswig-Holsteins führen die Nahrungsflüge reiche größere Gewässer zum Nahrungserwerb) ließen zumeist nur in Entfernungen bis fünf Kilometer, die ma- Bruten des Seeadlers im Untersuchungsgebiet nicht er- ximal festgestellten Distanzen liegen bei 10 bis 13 Kilo- warten. Ungestörte Brutgebiete in großen zusammen- meter (STRUWE-JUHL1996). hängenden Waldgebieten wären noch vorhanden, doch Obwohl in den letzten Jahren bis zu drei Brutpaare eine größere Anzahl nahrungsreicher Gewässer keines- die Güssinger Fischteiche während der Brutzeit zum wegs. Im Bezirk Güssing befindet sich eines der größten, Nahrungserwerb nutzen, jagt aufgrund bisheriger Zu- zusammenhängenden Waldgebiete des Burgenlandes fallsbeobachtungen mit Sicherheit, durch individuelle (Punitzer Wald, >40 km2), das auch sehr störungsarm, Merkmale (in erster Linie Mauserzustand, Abflugrich- teilweise öffentlich nicht zugänglich ist und dem Seead- tungen mit Beute zur Brutzeit) erkennbar, nur ein Paar ler durchaus geeignete Nistmöglichkeiten bieten würde. regelmäßig an den Teichen. Zeitgleich wurden auch nie Die Seeadler nutzen auch seit der Besiedelung der Regi- mehr als zwei Altvögel beobachtet, maximal drei ver- on (Ende der 1980er Jahre) regelmäßig dieses Waldge- schiedene an einem Tag. Die anderen Altvögel besu- biet als Ruhezone und es wäre in der Zukunft vielleicht chen die Teiche demnach nur gelegentlich. Dies deckt ein potentielles Brutgebiet. Die waldreichen Grenzre- sich mit den Feststellungen von STRUWE-JUHL (1996) gionen in Ungarn waren aufgrund des Eisernen Vor- aus Norddeutschland, wonach potentielle Nahrungsge- hangs (bis 1989) und noch in den Jahren danach wei- wässer in der Nähe der Nistplätze normalerweise nicht terhin sehr störungsarm. Vor allem südlich des Raabta- aufgesucht werden, wenn dort bereits ein anderes Paar les, im Gebiet des heutigen Örség Nationalparks gibt es intensiv jagt. In den Save-Auen (Kroatien) wird ein al- ausgedehnte Waldgebiete. In diesen Bereichen fanden lerdings weit größeres Teichgut von drei und mehr Paa- dann schlussendlich die ersten Ansiedelungen des See- ren genutzt, der Seeadler erreicht in diesem Gebiet auch adlers statt. eine Siedlungsdichte von 2,5–3,3 Brutpaaren/100 km2 Gänzlich anders ist die Situation im Untersu- (SCHNEIDER-JACOBY1996). Während der Nestlingsperi- chungsgebiet bei Betrachtung der verfügbaren Nah- ode (hauptsächlich April/Mai) nutzen die an den Güs- rungsgewässer. Das größte stehende Gewässer in einem singer Fischteichen anwesenden adulten Seeadler an- 60

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