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Urgeschichten der Moderne: Die Antike im 20. Jahrhundert PDF

288 Pages·2001·10.04 MB·German
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Bernd Seidensticker Martin Vöhler (Hrsg.) Urgeschichten der Moderne Die Antike im 20. Jahrhundert Urgeschichten der Moderne Urgeschichten der Moderne Die Antike im 20. Jahrhundert Herausgegeben von Bernd Seidensticker und Martin Vöhler Mit 50 Abbildungen Verlag J.B.Metzler Stuttgart Weimar Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Urgeschichten der Moderne : die Antike im 20. Jahrhundert / hrsg. von Bernd Seidensticker und Martin Vöhler. –Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001 ISBN 978-3-476-01859-5 ISBN 978-3-476-01859-5 ISBN 978-3-476-02809-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-02809-9 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2001Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbHinStuttgart, ausgenommen: BeitragLaermann, Der Anteil der List2001 …: ©Klaus Laermann www.metzlerverlag.de [email protected] Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Albert Henrichs: Götterdämmerung und Götterglanz: Griechischer Polytheismus seit 1872 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Glenn W.Most: Die Entdeckung der Archaik. Von Ägina nach Naumburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Michael Diers: Die Erinnerung der Antike bei Aby Warburg oder Die Gegenwart der Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Uwe Steiner: »Urgeschichte der Moderne«. Walter Benjamin und die Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Michael Theunissen: Heideggers Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Klaus Laermann: Der Anteil der List an der Subjektwerdung des Opfers. Max Horkheimer und Theodor W.Adorno:Dialektik der Aufklärung . . . . . 98 Hubert Cancik: Jugendbewegung und klassische Antike (1901–1933) . . . . . 114 Alexander Demandt: Hitler und die Antike. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Pascal Weitmann: Von Akademismus bis zur Abstraktion. Antiken in derbildenden Kunst der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts . . . . 158 Philip Ursprung: Gelagerte Zeit – Spuren der Antike in der Architektur des zwanzigsten Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Hans-Joachim Hinrichsen: »Vernichtendes« und »vernichtetes« Gefühl. Antike Heroinen im Musiktheater der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . 197 VI Inhalt Peter Sprengel: Wiener Moderne und Wiener Antike: von Hofmannsthal bis Ehrenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Gert Mattenklott: »Die Griechen sind zu gut zum schnuppern,schmecken und beschwatzen«. Die Antike bei George und in seinem Kreis . . . . . . . . 234 Bernd Seidensticker: Aufbruch zu neuen Ufern. Transformationen der Odysseusgestalt in der literarischen Moderne . . . . . 249 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Vorwort Am Ende des 19.Jahrhunderts entwickelt die griechische Antike eine besondere Fas- zination. Künste und Wissenschaften entdecken (vor allem im deutschen Sprach- raum) die Archaik. Die fruchtbare Auseinandersetzung mit der lange unbekannten oder ignorierten Frühzeit der Antike prägt auch ihre weitere Rezeption im 20.Jahr- hundert. Die Beiträge dieses Bandes widmen sich der folgenreichen Verschiebung des Inte- resses von der klassischen auf die archaische Antike, indem sie einerseits den Voraus- setzungen und Ursachen nachgehen und andererseits prominente theoretische und künstlerische Entwürfe vorstellen, die auf die Frühzeit der Griechen rekurrieren. Exemplarische Analysen gelten Nietzsches Konzeption des Archaischen, Heideggers Hinwendung zur frühgriechischen Philosophie, Benjamins Antikerezeption, Hork- heimers und Adornos Exkurs zu Odysseus und Warburgs Projekt der ›Mnemosyne‹. Zugleich wird der Blick auch auf künstlerische und politische Aspekte der Auseinan- dersetzung mit der Antike gelenkt. Denn das Archaische wurde nicht nur zum Ge- genstand theoretischer Reflexionen, es beflügelte vor allem auch die künstlerischen Phantasien von Inzest und Tabu, von Grauen, Lust und sexueller Promiskuität oder von Ich-Übersteigerung und hysterischem Ich-Zerbrechen, die in der Literatur der Jahrhundertwende, im Musikdrama oder in der Bildenden Kunst zum Ausdruck kommen. Als gemeinsamer Ausgangspunkt der interdisziplinär gefächerten Beiträge dient der Kontinuitätsbruch, der sich gegen Ende des 19.Jahrhunderts immer deutlicher abzeichnet und der in den Schriften Friedrich Nietzsches grundlegend reflektiert wird. Nietzsche bricht radikal mit dem Griechenbild seiner Vätergeneration, wenn er (in den Notizen zuWir Philologen)behauptet: »DasMenschliche, das uns das Alther- tum zeigt, ist nicht zu verwechseln mit demHumanen.« Die ›Verwechslung‹ von An- tike und Humanität, die Nietzsche moniert, war charakteristisch für das Griechen- bild, das Winckelmann und seine Zeitgenossen entworfen hatten. Die Züge dieses klassizistischen Griechenbilds hatte insbesondere Schiller in seinen Schriften entfal- tet und geschichtsphilosophisch begründet. In der Elegie Die Götter Griechenlands wird sein idealisierendes Verfahren besonders deutlich: Schiller entwirft einen star- ken Kontrast von Ideal (Antike) und Wirklichkeit (Moderne), mit dessen Hilfe er das Leiden an der Moderne verdeutlicht und zugleich die Sehnsucht nach dem verlore- nen Ideal bekräftigt. Dabei hebt er den (vermeintlich) humanen Charakter der An- tike nachdrücklich hervor, wenn er behauptet: »Da die Götter menschlicher noch waren,/waren Menschen göttlicher.« Das Gedicht zeigt, wie die »schöne Welt« der Griechen zerbricht und der entfremdeten Welt der Moderne weicht; die unumkehr- bare Entwicklung verbietet jedoch die Rückkehr zur harmonischen Einheit von Mensch und Natur. Die idealisierte Anschauung der Griechen wird in dem Gedicht Zug um Zug entfaltet, bis endlich die Klage um ihren Untergang übermächtig her- VIII Vorwort vorbricht und das hymnisch entworfene Bild der »schönen Welt« in das Gefühl seines unwiederbringlichen Verlustes umschlägt. Während dieses Bild der Antike im 18.Jahrhundert wesentlich mit dem Anspruch auf Freiheit und Schönheit verbun- den ist, verliert es im 19.Jahrhundert seinen emanzipatorischen Charakter. Die zum Bildungsgut der bürgerlichen Elite verflachte ›antiquierte Antike‹ (W.Jens) wird in erster Linie an den humanistischen Gymnasien tradiert und konserviert. Nietzsche diagnostiziert diese Entwicklung und unterwirft sie einer vernichten- den Kritik. Dabei hält er jedoch an der Antike fest. Seine Kritik richtet sich nicht gegen die Orientierung an der Antike; sie zielt vielmehr auf die Wiedergewinnung ihres kritischen Potentials: Die Antike soll ihren paradigmatischen Stellenwert für die gegenwärtige Bildung und Wissenschaft beibehalten. Dies setzt jedoch eine tief- greifende Umwertung voraus. Anstelle des idealistischen Kanons der klassischen Au- toren und Meisterwerke entwirft Nietzsche einen neuen Zugang zur Antike. Sein Interesse gilt den Anfängen der griechischen Kunst und Kultur: der Heroik Homers, der vorsokratischen Philosophie, der frühen Lyrik und dem tragischen Zeitalter. Indem er den Sündenfall der Antike bereits bei Sokrates ansetzt, kann Nietzsche alle späteren Zeugnisse der griechischen und römischen Kultur vernachlässigen. Sie ge- raten unter das Verdikt des Verfalls und werden zu Vorstufen der modernen Deka- denz. Die von Nietzsche vollzogene Umwertung bildet die Grundlage für einen neuen Kanon, der die moderne Auseinandersetzung mit der Antike nachhaltig be- stimmt. Die ›Entdeckung der Archaik‹ wird zu einem Grundzug der Antikerezep- tion im 20.Jahrhundert. Die von Nietzsche angeregten Rekurse nutzen die archai- sche Frühzeit der Griechen für vielfältige Zwecke und Projektionen, die sehr unterschiedliche ›Urgeschichten‹ konstruieren. Die einzelnen Beiträge verdeutli- chen gerade die Vielstimmigkeit der Konzeptionen des Archaischen. Albert Henrichs (Harvard) behandelt im ersten Beitrag Nietzsches Schlüsselstel- lung für das Nachleben der Götter Griechenlands in der Moderne: Hat er einerseits mit der dynamischen Polarisierung von Apollon und Dionysos ein neues Verständnis des griechischen Polytheismus geschaffen, so fördert er andererseits mit seinen »Göt- terverflüchtigungsstrategien« die zunehmende Verdrängung der Götter. Glenn W.Most (Heidelberg/Chicago) geht in seinem Beitrag dem Interesse an der archai- schen Kunst nach, deren Zeugnisse Winckelmann noch kaum kannte, die aber schon bald nach ihrer Entdeckung durch die Klassische Archäologie des 19.Jahrhunderts eine bemerkenswerte Beachtung erfahren, bis sie schließlich, durch Nietzsche ge- adelt, zum Gegenstand allgemeiner Bewunderung werden. Signifikant für diesen Wandel erscheint RilkesArchaischer Torso Apolls, der an die Stelle des Apoll von Bel- vedere tritt, dem Winckelmanns Enthusiasmus gegolten hatte. Michael Diers (HU- Berlin) behandelt Warburgs Konzept der ›Mnemosyne‹, dessen Erschließungskraft er in seiner Deutung der Video-InstallationEver is Over All (P.Rist, 1996/97) erprobt. Sechs Auszüge aus dieser Video-Installation sind auf dem Umschlag dieses Bandes abgebildet: Sie zeigen eine moderne Mänade, wie sie auf ihrem Zug durch die tristen Straßen Zürichs leicht und lustvoll mit ihrem gelbrot glühenden Thyrsosstab die Scheiben geparkter Autos zertrümmert. Der philosophiegeschichtlich relevanten Antikerezeption gelten drei Beiträge: Uwe Steiner (Rice University, Texas) stellt Benjamins Konzept der »Urgeschichte der Moderne« ins Zentrum seiner Analyse, wobei er die grundlegenden Aspekte der Vorwort IX Antikerezeption in Benjamins Werk behandelt. Michael Theunissen (FU-Berlin) untersucht Heideggers Rekurs auf die vorsokratische Philosophie, indem er die ›Entdeckungen‹ und ›Verdeckungen‹ Heideggers gegeneinander abwägt. Klaus Laer- mann (FU-Berlin) diskutiert dieDialektik der Aufklärung mit ihrem berühmten Ex- kurs zu Odysseus. Hatte Nietzsche seine Aufklärungskritik an Sokrates gebunden, den er als den »Typus des theoretischen Menschen« und damit als Exponenten einer höchst »zweifelhaften Aufklärung« vorstellte, so greifen Horkheimer und Adorno ih- rerseits (noch) weit hinter Sokrates zurück, wenn sie Odysseus auswählen, um an seinem Beispiel ihre Kritik der Aufklärung zu formulieren. Es folgen zwei politische Analysen: Hubert Cancik (Tübingen) stellt den bislang weitgehend unerforschten Antikebezug der Jugendbewegung in exemplarischen Fallstudien vor, die den Bezug zur Antike als ein bedeutsames Ferment der ›Bewe- gung‹ erkennen lassen. Alexander Demandt (FU-Berlin) untersucht die konstitutive Bedeutung der Antike für Hitlers Selbstverständnis und zeigt, wie sich in seinem Geschichtsbild die Faszination an der Antike mit der Obsession des Rassenkampfes verbindet. Aus der Fülle der künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Antike wurden drei Aspekte gewählt: Pascal Weitmann (HU-Berlin) untersucht Stationen der An- tikerezeption in der bildenden Kunst, die ihn von den mythologischen Bildern Franz von Stucks bis zu der charakteristischen Verbindung von Antike und Chri- stentum im Werk Brancusis führen. Philip Ursprung (ETH-Zürich) konzentriert sich bei seiner Behandlung der Antikerezeption in der zeitgenössischen Architektur auf neue Museumsbauten, die als Orte gelagerter Zeit eine bemerkenswerte Anzie- hungskraft ausüben. Hans-Joachim Hinrichsen (Universität Zürich) untersucht die Wendung zur Archaik im Musiktheater, das am Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder große heroische Frauengestalten wie Elektra oder Penthesilea the- matisiert. Eine ebenso reizvolle Vielstimmigkeit der Interessen und Bezüge wie in Musik und bildender Kunst konstatiert Peter Sprengel (FU-Berlin) im Blick auf die literari- sche Antikerezeption der Wiener Moderne, die er in exemplarischen Analysen vor- stellt. Gert Mattenklott (FU-Berlin) konturiert die Stationen von Stefan Georges Auseinandersetzung mit der Antike, die vom frühen Dilettantismus und Ästhetis- mus zum späten, pädagogisch motivierten Platoninteresse führen, das den gesamten George-Kreis, aus dem zahlreiche Platon-Studien hervorgehen, auszeichnet. Bernd Seidensticker (FU-Berlin) geht im abschließenden Beitrag des Bandes den Transfor- mationen der Odysseusgestalt in der europäischen Literatur nach: Der ›allround cha- racter‹ des Odysseus wie auch seine nicht unproblematischen Überlebensstrategien machen ihn zu einer zentralen Gestalt für die literarische Rezeption des 20.Jahrhun- derts. Zu danken ist: Mark-Georg Dehrmann, der die Durchsicht und Computerbear- beitung der Beiträge umsichtig besorgte, Dr. Oliver Schütze, der die Entstehung und Herstellung des Bandes mit seinem Lektorat maßgeblich förderte, derFreien Univer- sität Berlin, die die Durchführung der Universitätsringvorlesung im WS 2000/01 er- möglichte, aus deren Zusammenhang die Beiträge dieses Bandes hervorgegangen X Vorwort sind, dem Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, der einen namhaften Druckkostenzuschuß bewilligte, sowie schließlich derBerliner Zeitung,die durch in- tensive journalistische und finanzielle Unterstützung maßgeblich zum Erfolg der Ringvorlesung beigetragen hat. Berlin im August 2001 Bernd Seidensticker Martin Vöhler

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"Edle Einfalt", "stille Größe" nach dem Bruch mit diesem Antikebild des 19. Jahrhunderts entfaltete die Antike in der Moderne größte Wirkung. Beispiele aus Politik, Literatur, Musik, Architektur und bildender Kunst sowie ein breites Spektrum theoretischer Konzeptionen werden hier in 15 Beiträge
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