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Unterrichtsgestaltung unter den Bedingungen zentraler Abiturprüfungen. Differenzielle Analysen PDF

21 Pages·2011·0.54 MB·German
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Maag Merki, Katharina; Klieme, Eckhard; Holmeier, Monika Unterrichtsgestaltung unter den Bedingungen zentraler Abiturprüfungen. Differenzielle Analysen auf Schulebene mittels Latent Class Analysen Zeitschrift für Pädagogik 54 (2008) 6, S. 791-808 urn:nbn:de:0111-opus-43778 in Kooperation mit / in cooperation with: http://www.beltz.de Nutzungsbedingungen / conditions of use Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Die Nutzung stellt keine Übertragung des Eigentumsrechts an diesem Dokument dar und gilt vorbehaltlich der folgenden Einschränkungen: Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. We grant a non-exclusive, non-transferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, non-commercial use. Use of this document does not include any transfer of property rights and it is conditional to the following limitations: All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use. Kontakt / Contact: peDOCS Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft Informationszentrum (IZ) Bildung Schloßstr. 29, D-60486 Frankfurt am Main E-Mail: [email protected] Internet: www.pedocs.de Jahrgang54–Heft6 November/Dezember2008 Inhaltsverzeichnis Thementeil: SystemederRechenschaftslegungundSchulentwicklung KatharinaMaagMerki/KnutSchwippert SystemederRechenschaftslegungundSchulentwicklung.Editorial ......................... 773 DanielKoretz Test-basedEducationalAccountability.ResearchEvidenceandImplications .......... 777 KatharinaMaagMerki/EckhardKlieme/MonikaHolmeier UnterrichtsgestaltungunterdenBedingungenzentralerAbiturprüfungen. DifferenzielleAnalysenaufSchulebenemittelsLatentClassAnalysen ..................... 791 LudgerWößmann ZentraleAbschlussprüfungenundSchülerleistungen.Individualanalysen anhandvonvierinternationalenTests ........................................................................ 810 HansAnandPant/MiriamVock/ClaudiaPöhlmann/OlafKöller OffenheitfürInnovationen.BefundeauseinerStudiezurRezeptionderBildungs- standardsbeiLehrkräftenundZusammenhängemitSchülerleistungen.................. 827 DeutscherBildungsserver LinktippszumThema„Accountability–Schulentwicklung“.................................... 846 AllgemeinerTeil Klaus-JürgenTillmann Schulreform–undwasdieErziehungswissenschaftdazusagenkann ...................... 852 KathrinDedering DerEinflussbildungspolitischerMaßnahmenaufdieSteuerungdes Schulsystems.NeueErkenntnisseausempirischenFallstudien................................. 869 I JürgenReyer/DianaFranke-Meyer MussderBildungsauftragdesKindergartens„eigenständig“sein? ........................... 888 Besprechungen Hans-ChristophKoller Heinz-ElmarTenorth/RudolfTippelt(Hrsg.):BeltzLexikonPädagogik ................. 906 FritzOsterwalder HolgerBöning/HannoSchmitt/ReinhartSiegert(Hrsg.):Volksaufklärung ............. 909 UlrichHerrmann HannoSchmitt/AnkeLindemann-Stark/ChristopheLosfeld(Hrsg.):Briefevon undanJoachimHeinrichCampe................................................................................ 913 RolandReichenbach EckartLiebau/JörgZirfas(Hrsg.):UngerechtigkeitderBildung–Bildungder Ungerechtigkeit HeinerDrerup/WernerFölling(Hrsg.):GleichheitundGerechtigkeit ..................... 915 EwaldTerhart MarilynCochran-Smith/SharonFeiman-Nemser/D.JohnMcIntyre/ KellyE.Demers(Eds.):HandbookofResearchonTeacherEducation TonyTownsend/RichardBates(Eds.):HandbookofTeacherEducation MarilynCochran-Smith/KennethM.Zeichner(Eds.): StudyingTeacherEducation................................................................................... 921 Dokumentation PädagogischeNeuerscheinungen ............................................................................... 928 II Wößmann:ZentraleAbschlussprüfungenundSchülerleistungen 791 KatharinaMaagMerki/EckhardKlieme/MonikaHolmeier Unterrichtsgestaltung unter den Bedingungen zentraler Abiturprüfungen DifferenzielleAnalysenaufSchulebenemittelsLatentClassAnalysen Zusammenfassung:DieEinführungzentralerPrüfungenisteinwesentlichesElementvonStan- dardsicherung in den neu eingesetzten Output-Steuerungsmodellen. Inwiefern diese Prüfungen allerdingsfunktionalsindfürdieZielerreichung,istinsbesonderefürdiedeutschsprachigenLän- derempirischnurungenügenduntersucht.IndervorliegendenStudiewerdenEffektederImple- mentationzentralerAbiturprüfungenaufwesentlicheDimensionenderUnterrichtsqualitätana- lysiert.BasissindstandardisierteBefragungenbeiAbiturientinnenundAbiturientenindenbei- denBundesländernHessenundBremenimAbiturjahr2007.MittelsLatentClassAnalysenwer- denunterschiedlicheErgebnisstrukturenzwischendenGymnasienunddenBundesländernher- ausgearbeitet,dieinTeilenfürdasLernenderSchüler/innenalsproduktivinterpretiertwerden können. Forschungsbefunde verweisen auf die aktuell nur geringe Standardsicherung im deut- schen Schulsystem und auf eine hohe diesbezüglicheVarianz zwischen den Bundeslän- dern und Schulen (vgl. Baumert/Watermann 2000; Köller u.a. 2004; Köller/Baumert/ Schnabel 1999).Dies deutet darauf hin,dass zwischen den verschiedenen Schulen und BundesländernsubstanzielleUnterschiedebestehen,beigleichenTestleistungenjenach Schulebzw.BundeslandunterschiedlicheNotenvergebenwerdenunddieKriterienfür dieVergabederNotennichteinheitlichsind.UmUnterschiedehinsichtlichdesNiveaus der fachlichen Anforderungen, der Maßstäbe zur Beurteilung von Schülerleistungen und letztendlich des erreichten Niveaus auszugleichen,werdenVerfahren gefordert,die eine höhere Standardsicherung bewirken (vgl.Klieme 2004).Ein wesentliches Element von Standardsicherung im Rahmen der Output-Steuerungsmodelle ist die Einführung zentraler Prüfungen. Inwiefern dieses Steuerungskonzept allerdings funktional ist für die Zielerreichung, ist insbesondere für die deutschsprachigen Länder empirisch nur ungenügend untersucht. Die wissenschaftliche Diskussion verweist darauf, dass die Wirkung standardbezogener Zertifizierungs-,Selektions- undAllokationsprozesse hin- sichtlich der Zielerreichung fraglich ist. So zeigen beispielsweise die PISA-Ergebnisse 2000 (vgl. Baumert u.a. 2003, S. 330ff.), dass es auch innerhalb der Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg, in denen nach Klasse 10 zentrale Prüfungen durch- geführt werden, zwischen den Gymnasien beachtliche Leistungsunterschiede oder Un- terschiedebeimZusammenhangzwischenderLeistungundderBenotunggibt. Zudem muss die Funktionalität in Abhängigkeit zentraler Aspekte des implemen- tierten Monitoringkonzeptes beurteilt werden, da standardbasierte Monitoringsysteme unerwünschte Folgen wie beispielsweise teaching-to-the-test oder korrumpierende Z.f.Päd–54.Jahrgang2008–Heft6 792 Thementeil Handlungsweisen der Lehrpersonen zur Folge haben können. Dies ist der Fall insbe- sondere im Kontext eines rigiden, mit starken Kontrollmechanismen, geringen Un- terstützungs- und Förderleistungen sowie mit massiven negativen Konsequenzen für dieSchüler/innen,LehrpersonenoderSchulleitungenausgestaltetenMonitoringsystems (vgl.Amrein/Berliner2002;Au2007;Hamiltonu.a.2007;Herman2004;Jacob2005;Ja- cob/Levitt 2003; Nichols/Berliner 2007; Ryan u.a. 2007; Schwartz Chrismer/Hodge/ Saintil 2006; Stecher 2002). Unter weniger restriktiven und punitiven Bedingungen können sich hingegen eher produktive Handlungs- und Erlebensmuster bei Schü- ler/innen,Lehrpersonen und Schulleitungen einstellen und funktionale Entwicklungen zur Steigerung der Qualität des Unterrichts beobachtet werden (vgl. Abrams/Madaus 2003;Brozo/Hargis2003).Auf dieBedeutungdesBildungsmonitoringkontextesfürdie BestimmungderFunktionalitätvonzentralenPrüfungendeutenauchdieAnalysenvon Fuchs/Wößmann (vgl. 2007) hin, in denen die Effekte zentraler Prüfungen in Abhän- gigkeit anderer Steuerungselemente wie beispielsweise Schulautonomie untersucht wordensind.Hamiltonu.a.(vgl.2007)wiederumfandeninihrenvergleichendenAna- lysen zur Implementation und zu den Effekten standardbezogener Accountability- SystemendeutlicheUnterschiedezwischendenStaaten,diesieindenunterschiedlichen Konzeptionen begründet sehen.Diese sind zudem auch fachspezifisch ausgeprägt (vgl. Hamiltonu.a.2007,S.130). DieImplementationneueroutput-orientierterSteuerungsstrukturenimSchulwesen kannzurzeitidealtypischimRahmenderEinführungzentralerAbiturprüfungeninver- schiedenen Bundesländern, in dieser Studie in Bremen und Hessen, untersucht wer- den.1InzweifacherHinsichtwirdesmöglichsein,dieEffektederEinführungunterdif- ferenziellerPerspektivezuuntersuchen.ZumeinenhatdasBundeslandBremenzentra- le Abiturprüfungen schrittweise für die drei schriftlichen Prüfungsfächer eingeführt, wobeiim ersten Jahr der Durchführung (2007) einzig dasdrittePrüfungsfach(Grund- kurs), in 2008 auch die beiden ersten schriftlichen Prüfungsfächer (Leistungskurse) zentral geprüft werden.DerVergleich der Effekte in Grund- und Leistungskursen wird sodanninBremenzusystematischen ErkenntnissenhinsichtlichderEffektederImple- mentation innerhalb eines Jahrganges und zwischen den verschiedenenAbiturjahrgän- genführen. Zum anderen können die Effekte in Hessen und Bremen vergleichend miteinander untersuchtwerden.ImGegensatzzuBremenführteHessenin2007gleichzuBeginnin allen drei schriftlichen Prüfungsfächern zentrale Abiturprüfungen ein.Hier sind somit differenzielleAnalysenaufBundeslandebenerealisierbar,wobeidieaufdergymnasialen Stufe durch die bundesländerübergreifenden Vereinbarungen für die Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfungen einen solchen empirischenVergleich trotzländerspezifischerRahmenbedingungenlegitimieren. 1 Zentral vorgegeben sind in diesen beiden Ländern die Abituraufgaben. Die Korrektur und Benotung erfolgt wie im dezentralen Abitur dezentral in den Schulen durch die Lehrer/- innenselber,allerdingsmiteinemdetailliertbeschriebenenErwartungshorizontundBeurtei- lungsraster. Wößmann:ZentraleAbschlussprüfungenundSchülerleistungen 793 Im Rahmen dieses Beitrages steht insbesondere die zweite Analysestrategie im Fokus. DiezentraleFragestellunglautet,inwiefernesauf SchulebeneHinweisezuEffektender Einführung zentraler Abiturprüfungen auf das verständnisorientierte, unterstützende Lernen der Schüler/innen gibt und inwiefern sich die diesbezüglicheVarianz zwischen SchulenimBundesländervergleichunterscheidet. 1. TheoretischesAnalysemodell,aktuellerForschungsstandund Hypothesenbildung 1.1 EducationalGovernance Die Analyse der Effekte neuer Steuerungsstrukturen und -mechanismen lässt sich auf dem Hintergrund der Educational Governance-Forschung realisieren. Dabei wird das Bildungssystem als Mehrebenensystem beschrieben, in dem verschiedene Akteure, die in einem spezifischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, die Leistungen kol- lektiv bzw. ko-produktiv erzeugen (vgl. Altrichter/Brüsemeister/Wissinger 2007; Kus- sau/Brüsemeister 2007b; Schimank 2007). Dies führt dazu, dass Steuerung nur inner- halbeinesdoppeltenindirektenVerhältnisseszwischendenAkteurendenkbarist.Steu- erung ist damit nicht ein deterministischer top-down Prozess, bei dem mit Sicherheit dieVorgabenundRegelungenvondenAkteurenumgesetztwerden,sonderneinproba- bilistischertop-downundbottom-up-Prozess,wobeiErwartungennurunterbestimm- ten Umständen und in Abhängigkeit verschiedener mediierender Faktoren erreicht werdenkönnen.Untersuchtwirddabei,wiedieverschiedenenAkteureimMehrebenen- systemdieverschiedenenAbhängigkeitenbearbeitenundwiesicheineveränderteRege- lungsstruktur auf die Leistungsstruktur im Mehrebenensystem auswirkt (vgl. Altrich- ter/Heinrich 2007; Kussau/Brüsemeister 2007a). Ergebnisse aus der Implementations- forschung verweisen auf differente Mechanismen der Verarbeitung externer Vorgaben. So formulieren Spillane/Reiser/Reimer (vgl. 2002), dass in den Schulen nicht nur eine mitdenZielenderInnovationkongruente,sondernauchmitdenZielenwenigerkom- patibleUmsetzung realisiertwird.Fend(vgl.2006)bezeichnetdieentsprechenden Me- chanismen als Rekontextualisierung.„Rekontextualisierung meint deshalb Handeln im Rahmen von Ordnungen des Zusammenhandelns angesichts gegebener Umwelten, vermittelt durch die Selbstreferenz, die Interessen und Ressourcen der Handelnden“ (Fend 2006, S. 181). Dies bedeutet für die Implementation zentraler Abiturprüfungen, dass diese topdown im Bildungswesen eingeführte administrative Reform aufgrund komplexer Transformationsprozesse je nach Schulkultur, professionellen Orientierun- gen, individuellen Handlungsabsichten oder Ressourcen der Handelnden unterschied- lichaufgenommen,abgewehrtoderumgeformtwerden.Diesimpliziert,dasssichdiese Transformationsprozesse im Sinne vorstrukturierender Prozessfaktoren auf spezifische DimensionenschulischenHandelnssowieaufdieLernleistungenderSchüler/innenab- bildenundUnterschiedezwischendenSchulenerzeugenwerden.ImRahmenderAna- lysen in diesem Beitrag interessieren insbesondere die Effekte auf das kognitiv aktivie- 794 Thementeil rende, verständnisorientierte und unterstützende Lernen der Schüler/innen. Diese As- pekte haben sich im Kontext der Lehr-Lernforschung als zentrale Qualitätsindikatoren herausgestellt(vgl.Klieme2006)undwurdeninbisherigenStudienzurAnalysederEf- fektezentralerAbiturprüfungenerstansatzweiseauf individuellerEbeneuntersucht,so dass Erkenntnisse darüber fehlen, inwiefern sich Schulen darin unterscheiden, ein für denLernprozessderSchüler/innenfunktionalesbzw.wenigerfunktionalesUnterrichts- handelnzurealisieren. 1.2 EffektezentralerPrüfungenaufdasLernenderSchüler/innen Auf individueller Ebene verweisen die Ergebnisse der TIMSS-Analysen von Bau- mert/Watermann (vgl. 2000) darauf, dass sich das Zentralabitur nicht negativ auf das individuelle Lern- und Motivationsgeschehen der Schüler/innen auswirkt und vor al- lemimunterenLeistungsbereichstandardsicherndwirkenkann.AllerdingssinddieEr- gebnissefachspezifischzubetrachten:EinverständnisorientiertesLernenimMathema- tikunterricht wird tendenziell häufiger von Schülerinnen und Schülern berichtet, die unter den Bedingungen eines Zentralabiturs lernen. Im Physikunterricht zeigen sich zwischen den beiden Prüfsystemen keine Unterschiede. Andere Fächer wurden nicht untersucht.DieStudienvonBishop(vgl.1999S.391)auf derBasisinternationalerVer- gleichsdatenweisenebenfallsdaraufhin,dassdasLernenderSchülerinnenundSchüler in Ländern mit zentralen Abschlussprüfungen nicht mit einem geringeren Ausmaß an kognitiver Aktivierung im Unterricht einhergeht. Vielmehr zeigt sich, dass Schü- ler/inneninLändernmitzentralenAbschlussprüfungenwenigerhäufigMemorierenals notwendigeStrategiebetrachten,ummathematischesundnaturwissenschaftlichesWis- sen zu erwerben,Lehrpersonen häufiger mit ihren Schüler/innen Experimente im Un- terricht durchführen und dass zentrale Abschlussprüfungen zudem die Durchführung von Gruppenarbeiten oder die zeitliche Intensität in der Bearbeitung von mathemati- schenProblemennichteinschränken. DieeigenenAnalysenlassenvermuten,dassdieEinführungzentralerAbiturprüfun- gen einzig im dritten Prüfungsfach,wie dies Bremen im ersten Jahr der Durchführung realisiert worden ist, zu einer Stärkung der kognitiven Aktivierung und Unterstützung durch die Lehrpersonen in den Grundkursen geführt hat (vgl. Maag Merki/Holmeier 2008). Dieser Effekt scheint auszubleiben, wenn, wie in Hessen, alle drei schriftlichen Prüfungsfächer zentral geprüft werden. Insbesondere zeigt sich in Hessen auch unter zentralem Prüfsystem die bereits in der TIMS-Studie (vgl. Baumert/Köller 2000a, 2000b) festgestellte substanzielle Differenz zwischen dem Niveau der kognitiven Akti- vierung in den Grund- und Leistungskursen – mit einem höherenAnteil an kognitiver Aktivierung in Leistungskursen – während dem diese Differenz in Bremen nicht mehr signifikantist. Wößmann:ZentraleAbschlussprüfungenundSchülerleistungen 795 1.3 FragestellungundHypothesen Es stellt sich die Frage, inwiefern sich die auf individueller Ebene festgestellten Effekte auch auf Schulebene abbilden. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse und Theorien der Implementationsforschung (vgl.Spillane/Reiser/Reimer2002;Fend2006)kann da- von ausgegangen werden, dass es zwischen den Schulen innerhalb eines Bundeslandes systematische Differenzen hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung in den zentral geprüf- tenKursengibt.DieErgebnissevonBaumert/Watermann(vgl.2000),dieaufstandardi- sierende Effekte zentraler Prüfungen in den Grundkursen hinweisen, lassen zudem vermuten,dassdieUnterschiedebesondersimdrittenPrüfungsfach(Grundkurs)sicht- bar werden. Für die Überprüfung dieser Hypothese dienen insbesondere die Analysen in Hessen, wo zentrale Abiturprüfungen sowohl in den Leistungs- wie auch in den Grundkurseneingeführtwordensind. Da in Bremen einzig das dritte schriftliche Prüfungsfach zentral geprüft wird, in HessenaberalledreischriftlichenPrüfungsfächer,bestehtaufgrundderErgebnissevon Hamilton u.a.(vgl.2007) desWeiteren dieAnnahme,dass sich diese unterschiedlichen Konzeptionen in unterschiedlichen Ergebnisstrukturen zwischen den Bundesländern abbilden werden, wobei die Varianz in Bremen aufgrund des Vorfindens von zentral unddezentralgeprüftenPrüfungsfächerngrößerseinwirdalsinHessen. 2. ForschungsdesignundStichprobe Basis der nachfolgenden Auswertungen sind schriftliche standardisierte Befragungen von Schülerinnen und Schülern aus vier Kursen pro Gymnasium mit gymnasialer Oberstufe(jeeinGrund-undLeistungskursinMathematikundEnglisch),diekurzvor denschriftlichenAbiturprüfungenimFrühjahr2007indenSchulenbzw.indenjewei- ligen Kursen durchgeführt worden sind. Im Falle mehrerer entsprechender Kurse pro SchuleerfolgtedieAuswahlzufällig. Vondeninsgesamt20GymnasienmitgymnasialerOberstufeinBremenhabensich andenErhebungenbeidenSchüler/innenvordemAbitur18Schulenbeteiligt.Beiden SchülerinnenundSchülernkonnteeinRücklaufvon49,6%(N=751)realisiertwerden. In Hessen beteiligten sich 18 Gymnasien mit gymnasialer Oberstufe an den Erhebun- gen.DieseSchulenwurdennachbestimmtenKriterienausgesucht(Region,Stadt-Land, GrößederSchule,ProfildesGymnasiums),umeinemöglichstrepräsentativeStichpro- be innerhalb des Bundeslandes zu erhalten. Konkret gehören zur Stichprobe zwölf Gymnasien,zweiGymnasiennurmitgymnasialerOberstufe,dreiKooperativeGesamt- schulen mit gymnasialer Oberstufe sowie eine Integrierte Gesamtschule mit gymnasia- ler Oberstufe. Bei den Schülerinnen und Schülern in Hessen beträgt der Rücklauf 67,5%(N=973).DamitergibtsichfürBremenundHesseneinesolideDatengrundlage fürdieInterpretationderErgebnisse. 796 Thementeil 2.1 Erhebungsinstrumente Zur Erfassung eines lernförderlichen undkognitiv anspruchsvollen Unterrichts werden zweizentraleAspekteberücksichtigt:diekognitiveAktivierungunddiewahrgenomme- neUnterstützungdurchdieLehrperson(vgl.Deci/Ryan1993;Klieme2006).Insgesamt wurden dazu vier Skalen eingesetzt,wobei die Schülerinnen und Schüler die einzelnen Items jeweils für ihre drei Kurse eingeschätzt haben, die sie als ihre drei schriftlichen Prüfungsfächer für das Abitur gewählt haben. Damit wird es möglich sein, die Unter- richtsgestaltung in den Leistungskursen (1. und 2. Prüfungsfach) mit der Unterrichts- gestaltung in den Grundkursen (3. Prüfungsfach) zu vergleichen. Differenzielle Analy- sen haben gezeigt, dass durch das gewählte Erhebungsdesign – Beschränkung auf Grund- und Leistungskursen in den Fächern Englisch und Mathematik – dennoch alle Prüfungsfächer repräsentativ entsprechend der Grundgesamtheit abgebildet werden können. Die einzelnen Items wurden von den Schüler/innen auf einer viergestuften Antwortskalaeingeschätzt(1=trifftgarnichtzu…4=trifftgenauzu). Elaboration (4 Items):„Wir haben im Unterricht immer wieder Gelegenheit,die im Fach erworbenen Kenntnisse mit Kenntnissen aus anderen Fächern zu verknüpfen.“ Cronbachs Alpha = .73 (Bremen)/.70 (Hessen); Quelle: Leutwyler/Maag Merki (vgl. 2005) Kompetenzunterstützung (5 Items): „Im Unterricht informiert mich die Lehrperson regelmäßig über meine Fortschritte.“ Cronbachs Alpha = .80 (Bremen)/.76 (Hessen); Quelle:Prenzelu.a.(vgl.1996). Autonomieunterstützung (4 Items): „Im Unterricht habe ich die Möglichkeit, neue Themen selbstständig zu erkunden.“ Cronbachs Alpha = .68 (Bremen)/.67 (Hessen); Quelle:Prenzelu.a.(vgl.1996). Motivierungsfähigkeit/inhaltliches Interesse (5 Items): „Unsere Lehrperson kann Schülerinnen und Schüler manchmal richtig begeistern.“ CronbachsAlpha = .81 (Bre- men)/.82(Hessen);Quelle:Leutwyler/MaagMerki(vgl.2005) 2.2 Auswertungsstrategien UmSchulunterschiedezuuntersuchen,wurdenLatentClassAnalysenmitHilfedesSta- tistikpaketes „Latent GOLD 4.0“ (vgl. Vermunt/Magidson 2005) durchgeführt. Latent Class-Analysen sind multivariateprobabilistische Klassifikationsverfahren,dieeserlau- ben,Personen/Objekten(indiesenAnalysen:„Schulen“)inlatenteKlassenkriterienba- siert zu kategorisieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass Klassen disjunkt und ex- haustivsind,jedePerson/jedesObjekteinerKlasseangehörtundnureinerKlasseange- hörenkann(vgl.Rost2004).FürdieIdentifikationderangemessenenAnzahlvonKlas- sen wurde das Bayes’sche Informationskriterium (BIC) herangezogen (vgl.Rost 2004). Niedrigere Werte beim BIC weisen auf eine bessere Modellanpassung hin. Zusätzlich wirdderKlassifikationsfehleralsGütekriteriumherangezogen,dereserlaubt,dieWahr- scheinlichkeit einer Fehlzuordnung der Objekte zu den einzelnen Clustern zu bestim- Wößmann:ZentraleAbschlussprüfungenundSchülerleistungen 797 men. Basis für die Analysen sind die auf Schulebene aggregierten Individualdaten der Schüler/innen zu den in Abschnitt 3.1 beschriebenen Indikatoren. Die Daten entspre- chen einem kontinuierlichen Skalentyp. Zur detaillierten Beschreibung der Kategorien werdenvarianzanalytischewieauchinferenzstatistischeVerfahrenherangezogen. 3. Ergebnisse 3.1 VarianzzwischendenSchulen InbeidenBundesländernunterscheidensichdieSchuleninallenuntersuchtenDimen- sionen signifikant voneinander (vgl. Tabelle 1). Der Vergleich zwischen Grund- und LeistungskurseninnerhalbeinesBundeslandeszeigt,dassderAnteilanerklärterVarianz aufgrund der Schulzugehörigkeit insbesondere beim Indikator „Elaboration“ in den GrundkursenhöherliegtalsindenanderenDimensionen.InBremenbeträgtderVari- anzanteilindieserDimensionaufgrundderSchulzugehörigkeit8.1%,inHessen7.3%. Tab.1: AnteilanerklärterVarianzzwischendenSchulen;Einfaktorielleunivariate Varianzanalyse Hessen Bremen Leistungskurs Grundkurs Leistungskurs Grundkurs Elaboration F=3,47*** F=4,34*** F=5,47*** F=3,79*** (3,0%) (7,3%) (5,9%) (8,1%) Motivierungsfähigkeit F=4,80*** F=3,51*** F=6,34*** F=2,58*** (4,1%) (5,9%) (6,8%) (5,7%) Autonomieunterstützung F=6,31*** F=3,04*** F=5,60*** F=2,92*** (5,3%) (5,2%) (6,0%) (6,4%) Kompetenzunterstützung F=6,24*** F=3,29*** F=3,83*** F=1,87* (5,3%) (5,6%) (4,2%) (4,2%) ***p<.000, **p<.01, *p<.05 3.2 LatentClassAnalyseninBremenundHessen 3.2.1 Hessen InTabelle2sinddieWertezurModellgütederLatentClassAnalyseninHessenangege- ben.Dabeizeigtsich,dassdieZwei-KlassenlösungdiebesteModellgüteanpassung(BIC = –100.35) und gleichzeitig einen geringen Klassifikationsfehler von 0.04% aufweist (vgl.Tabelle 2).DieWald-Statistiken verweisen außer beim Indikator„Motivierungsfä- higkeit/inhaltliches Interesse der Lehrpersonen“ im Grundkurs auf signifikante Unter- schiedezwischendenbeidenClustern,wobeiCluster2jeweilssignifikanthöhereWerte erreichtalsCluster1(vgl.Tabelle3bzw.Abbildung1).

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Differenzielle Analysen auf Schulebene mittels Latent Class Analysen. Zeitschrift für Pädagogik 54 (2008) 6, S. 791-808 urn:nbn:de:0111-opus-43778.
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