Universität Trier Fachbereich II: Sprach- und Literaturwissenschaften Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät Der spanische Humanismus und die Kolonialethik - Die Antike Welt in der Neuen Welt – Pedro Mártir de Anglería und seine Nachfolger vorgelegt von Claudia Schelp aus Landau Betreuer: Prof. Dr. Karl Hölz Meiner Familie, vor allem meinen lieben Eltern Inhalt Vorwort: Intention und kurzer Forschungsbericht 1 I. Der Europäische Humanismus 4 I.1. Einleitung 4 I.2. Die studia humanitatis 5 I.3. Das neue Geschichtsbewusstsein 8 I.4. Die humanistische Diskussion um die Geschichtsschreibung 9 I.5. Die Geschichtsschreibung in Konkurrenz zur Philosophie 11 I.6. Die besonderen Merkmale der humanistischen Geschichtsschreibung 12 I.7. Exkurs: Stimmen zur griechischen Geschichtsschreibung 16 II. Spurensuche einer Kolonialethik 19 II.1. Einleitung 19 II.2. Zwischen Mittelalter und Neuzeit / Die Dreiheit als Ganzheitsbegriff 20 II.3. Antike Fremderfahrung und ihr Einfluss auf die Abendländische Kultur 25 II.3.1. Odysseus und die Begegnung mit dem Fremden 25 II.3.2. Die Anthropologie des Aristoteles 28 II.3.3. Polyphem, Vorbild für die Konzeption des wilden Kannibalen 29 II.3.4. Der Humanist als Anthropologe 32 III. Der Blick auf Spanien 34 III.1. Pedro Mártir de Anglería (1457-1526), der erste offizielle Chronist nach der Entdeckung der Neuen Welt 34 III.1.1. Leben und Werk 34 III.1.2. Die humanistische Geschichtsschreibung des Pedro Mártir 39 III.1.2.a) Pedro Mártir, ein „ineptus Phaëton“ ? 39 III.1.2.b) Der Anspruch der Wahrheit 46 III.1.2.c) Das Problem der Wahrheitsfindung am Beispiel der Wunderquelle Floridas 51 III.1.3. Anfänge einer Kolonialethik bei Pedro Mártir 58 III.1.3.1. Die Konfrontation mit Las Indias 58 III.1.3.1.a)Die Erfahrung des Fremden 58 III.1.3.1.b)Der Kannibalismus 62 III.1.3.1.c)Die Frauen: Von der Amazone zur Märtyrerin 67 - Die indianische Amazone 67 - Die tapfere Indiofrau 70 - Die indianische Verräterin 72 - Die kluge Indiofrau 73 - Die indianische Märtyrerin 74 III.1.3.1.d)Zusammenfassung 78 III.1.3.2. Das Goldene Zeitalter 79 III.1.3.3. Christliche Spuren in der Neuen Welt: Vom nackten Philosophen bis zur Indianischen Kreuzverehrung 87 III.1.3.4. Naive Gastfreundschaft der Indios - skrupellose Goldgier der Spanier 99 III.1.3.5. Pedro Mártir in der Nachfolge epischer Dichter der Antike 111 III.1.3.6. Der kolonial-ethische Ansatz 113 III.1.4. Zusammenfassung 114 III.2. Gonzalo Fernández de Oviedo (1478 - 1557) 117 III.2.1. Leben und Werk 117 III.2.2. Der Humanist 118 III.2.2.a) Humanistisches Geschichtsbewusstsein bei Oviedo 118 III.2.2.b) Oviedos Vorbild: Plinius 127 III.2.2.c) Aufbau und Ziel des Werkes 128 III.2.2.d) Der Unidad-Gedanke 133 III.2.3. Die Kolonialethik Oviedos 140 III.2.3.a) Der äußere Eindruck der Indios 140 III.2.3.b) Der Indio - ein Vernunftwesen ? 148 III.2.3.c) Die Rettung der Indios 156 III.2.3.d) Kritik am spanischen Vorgehen 158 III.2.4. Zusammenfassung 163 III.3. Francisco López de Gómara (1511 - 1566) 165 III.3.1. Leben und Werk 165 III.3.2. Der Humanist 167 III.3.2.a) Humanistische Rhetorik 167 III.3.2.b) Geschichtliches Nationalbewusstsein 172 III.3.2.c) „el mundo es uno“ - Weltkonzeption und Unidad – Gedanke 176 III.3.2.d) Die Naturlandschaft Amerikas 179 III.3.3. Die Kolonialethik 183 III.3.3.a) Die Einwohner Amerikas 183 - Der äußere Eindruck 183 - Indianische Charaktereigenschaften 189 - Unmenschliche und barbarische Gewohnheiten 190 - Animalische Sexualität 193 III.3.3.b) Die Religion 197 III.3.3.c) Die Legitimierung des Krieges 200 III.3.4. Zusammenfassung 202 III.4. Fray Bernardino de Sahagún (1499 - 1590) und der Ausblick 203 III.4.1. Historia de las cosas de la Nueva España 206 III.4.2. Absicht des Autors 207 III.4.3. Die Naturlandschaft 211 III.4.4. Die Einheimischen 212 III.4.5. Die Religion 215 III.4.6. Zusammenfassung 216 III.5. Fray Bartolomé de las Casas (1484 - 1566), ein Leben für die Indianer 218 III.5.1. Der Humanist Las Casas 220 III.5.2. Die utopische Anthropologie 224 III.5.3. Die Disputation über den gerechten Krieg 230 III.5.4. Zusammenfassung 238 IV. Schlussbetrachtung (Ergebnisse) 239 V. Literaturverzeichnis 252 Anmerkung Die Arbeit enthält an einigen Stellen griechische Zitate, die jedoch aufgrund des eingesetzten Textverarbeitungsprogramms weder mit Spiritūs noch mit Akzenten versehen werden konnten. 1 Vorwort: Intention und kurzer Forschungsbericht Die Wende vom Mittelalter zur so genannten Neuzeit stand unter dem Zeichen eines europäischen Aufbruchs. Umwälzungen und Neuerungen trugen dazu bei, Europa ins Zentrum der gesamten historischen Dynamik zu stellen. Besonders motiviert wurde dieser Prozess durch die vielen Erfindungen und Entdeckungen, das neugewonnene Naturwissen, den Humanismus und die Renaissance, ebenso auch durch Reformation und soziale bzw. politische Umwälzungen, die zu einem neuen Rechts- und Staatsdenken führten. Die Entdeckung der so genannten Neuen Welt im Jahre 1492 durch den Italiener Kolumbus veränderte nicht nur den geographischen Weltblick, sondern konfrontierte den Europäer mit einem neuen und anderen Menschentypus, der sich auf den ersten Blick nicht in die normalen Kategorien einschließen ließ, da er sich von den drei bisher bekannten Menschentypen (Europäer, Asiate und Afrikaner) sehr unterschied. Die Geschichtsschreibung, die sich unter den Auswirkungen des Humanismus vielen Diskussionen stellte wie z.B. der Frage, ob sie sich als „Kunst“ verstehe, und so zu einer neuen (aus dem antiken Geist erweckten) Definition gelangte, widmete sich schon bald ebenfalls den anthropologischen Themen. Insofern darf es nicht verwundern, dass man seit der Entdeckung Amerikas gerade auch in Spanien das neue Geschichtsbewusstsein mit dem Interesse am neuen und fremdartigen Menschen verband. Die zahlreichen Chroniken und Geschichtswerke über die „Neue Welt“ bezeugen diese neue Motivation, anthropologische Studien in die Geschichtsdarstellungen mit einzubeziehen. Mit der vorliegenden Arbeit soll der Blick für die Problematik geschärft werden, inwiefern Humanismus und Kolonialethik ineinander greifen. Bei den ausgewählten Autoren ist anhand ihrer Werke zum einen nachzuweisen, wie intensiv sie von antikem Gedankengut beseelt sind und dementsprechend ihre historiographische Methode wählen. Zum anderen gilt es, ihre Sichtweise auf den Indio, den Einwohner der Neuen Welt, im Besonderen einzufangen. Das jeweilige Darstellungsvermögen und die kritische Auseinandersetzung mit der anthropologischen Problematik sollen Grundlage für die Kolonialethik bilden. 2 Wenn sich hinsichtlich des Geschichtsbewusstseins der einzelnen Autoren noch keine klare Tendenz oder Differenz zeigen sollte, so wird spätestens die Frage nach der Kolonialethik die verschiedenen Standpunkte offen legen. Die folgende Arbeit behandelt eine in der bisherigen Lateinamerika-Forschung vernachlässigte Fragestellung. Im Mittelpunkt steht das argumentative Zusammenspiel der Conquista-Ideologie mit philosophischen, moralisch- didaktischen und formal-ästhetischen Fragestellungen des Humanismus, das an einem Korpus von 3 Chronisten (Pedro Mártir, Fernández de Oviedo, Francisco López de Gómara) entwickelt wird. Zwei weitere Autoren (Fray Bernardino de Sahagún, Bartolomé de Las Casas) werden nur exemplarisch, bezogen auf die weitere Entwicklung hin, betrachtet. In meiner Analyse greife ich in detaillierter Weise auf humanistische Grundpositionen zurück, die für die Frage der Kolonialethik eine Rolle spielen. Dazu gehört aus dem Bereich der Rhetorik die Konzeption des edlen Wilden sowie generell die topische Thematik. Die Arbeiten u.a. von Zoraida Vázquez (1957 u. 1962), Todorov (1982), Monegal (Hg., 1982), Gewecke (1986), Gil (1989), Strosetzki (Hg., 1990), Molina Martinez (1991), Pagden (1996), Llinares (1996), Röckelein (Hg., 1996) zeigen exemplarisch am Prozess der Begegnung mit der Fremdkultur, mit welchen stereotypen Vorstellungen und Vorurteilen aus europäischer Perspektive die neue Welt wahrgenommen wurde. Eine sehr umfassende Beschäftigung mit dem Topos des „Wilden“ liegt uns in den Arbeiten von Bartra (1996 und 1997) vor. Auf die humanistische Geschichtstheorie, die in den Werken von Kessler (1971), Landfester (1972), Kristeller (1973) und Buck (1991) überblicksmäßig abgehandelt wird, stützt sich die inhaltliche Begründung der Kolonialethik. Während Höffner (1947) die Anfänge der Kolonisation und ihre Ursachen vor allem aus einem religiös-historischen Blickwinkel reflektiert, setzt die vorliegende Arbeit ihren Schwerpunkt darauf, die Bedeutung des antiken Einflusses hinter den verschiedenen Themenkomplexen wie Naturdarstellung, Menschenbild, Missionsgedanke und Zivilisierung sichtbar zu machen. Einzelarbeiten von Ferrando (1957), Abellan (1976), Sanchez-Blanco (1985),
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