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Ungeduld des Herzens PDF

468 Pages·2004·43.83 MB·German
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.*=?-: I "' Stefan Zweig Ungeduld des Herzens Der einzige Roman Stefan Zweigs handelt von »zweierlei Mit- leid«: dem echten, »das entschlossen ist, geduldig und mitdul- dend alles durchzustehen«, und dem falschen, das nur »Unge- duld des Herzens« ist, »sich möglichst schnell freizumachen sucht von der peinlichen Ergriffenheit vor einem fremden Un- glück«. In solche peinliche Ergriffenheit gerät im Sommer 1914 der in einer ungarischen Kleinstadt in Garnison liegendejunge Leutnant Hofmiller. Die leidenschaftliche Liebe, die ihm die ge- lähmte Edith entgegenbringt, erwidert er nur halben Herzens, aber das Hochgefühl ihrer Zuneigung, die Bitten des Vaters und das ZuredendesArztesDr. Condor, dersichvonHofmillersEin- fluß heilende Wirkungverspricht, bestimmen ihn amEnde, sich mitdemMädchenzuverloben. Ertutes aus Mitleid, das eigent- lich »Ungeduld des Herzens« ist. In einem Anfall von Feigheit läßt er sich hinreißen, seine Verlobung öffentlich abzuleugnen. DensittlichenZusammenbruch,dendiesfürihnbedeutet,willer durch Selbstmord sühnen, doch das Eingreifen eines Vorgesetz- ten erwirkt statt dessen seine Versetzung. Zwar will er, durch seelische Erschütterung geläutert, die Bindung an Edith erneu- ern, doch kommtihmder FreitodderFreundin zuvor. Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren, lebte von 1919 bis 1935 in Salzburg, emigrierte von dort nach England und 1940 nach Brasilien. Früh als Übersetzer Verlaines, Baudelaires und vor allem Verhaerens hervorgetreten, veröffent- lichteer 1901 seineerstenGedichteunterdemTitel>SilberneSai- ten<. Sein episches Werk machte ihn ebenso berühmt wie seine historischen Miniaturen und die biographischen Arbeiten. Post- hum erschienen seine Erinnerungen, das von einer vergangenen Zeit erzählende Werk >Die Welt von Gestern<. Im Februar 1942 schied Stefan Zweig in Metropolis, Brasilien, freiwillig aus dem Leben. Sein Werk ist im FischerTaschenbuch Verlaglieferbar. (JnsereAdresse im Internet: www.fischerverlage.de Stefan Zweig Ungeduld des Herzens Roman Fischer Taschenbuch Verlag 32. Auflage: Februar2004 UngekürzteAusgabe Veröffentlichtim FischerTaschenbuchVerlag, einem UnternehmenderS.FischerVerlagGmbH, Frankfurtam Main,Januar 1976 Lizenzausgabc mit Genehmigung desS.FischerVerlags GmbH, Frankfurtam Main Die Erstausgabe erschien 1939 im Bermann-FischerVerlagzu Stockholm Copyright Bermann-Fischer VerlagA.B., Stockholm 1939 Druck und Bindung: ("lausen & Bosse, 1 eck Printed in Germany ISBN 3-596-21679-6 »Werdahat, dem wirdgegeben«,dieses WortausdemBucheder Weisheit darfjeder Schriftstellergetrost in dem Sinne bekräfti- gen: »Werviel erzählt hat, dem wirderzählt.« NichtsIrrtüm- licheres als die allzu umgängliche Vorstellung, in dem Dichter arbeite ununterbrochen die Phantasie, er erfinde aus einem unerschöpflichen VorratpausenlosBegebnisseundGeschichten. In Wahrheitbrauchternur, stattzuerfinden,sichvonGestalten und Geschehnissenfinden zu lassen, die ihn, sofern ersich die gesteigerte Fähigkeit des Schauens und Lauschens bewahrthat, unausgesetzt als ihren Wiedererzähler suchen; wer oftmals Schicksale zu deuten versuchte, dem berichten viele ihr Schicksal. Auch dieses Begebnis ist mirbeinahe zurGänze in derhier wiedergegebenen Form anvertraut worden undzwaraufvöllig unvermuteteArt. DasletzteMalin Wiensuchteichabends, von allerhand Besorgungen abgemüdet, ein vorstädtisches Restau- rant auf, von dem ich vermutete, es sei längst aus der Mode geraten und wenigfrequentiert. Doch kaum eingetreten, wurde ich meines Irrtums ärgerlich gewahr. Gleich von dem ersten Tisch stand mit allen Zeichen ehrlicher, von mirfreilich nicht ebenso stürmisch erwiderter Freude ein Bekannteraufund lud mich ein, bei ihm Platzzunehmen. Eswäreunwahrhaftig, zu behaupten, daßjener beflissene Herran sich ein unebeneroder unangenehmer Menschgewesen wäre; ergehörte nur zujener Sorte zwanghaft geselliger Naturen, die in ebenso emsiger Weise, wieKinderBriefmarken, Bekanntschaftensammelnund deshalbaufjedesExemplarihrerKollektioninbesondererWeise stolz sind. Fürdiesengutmütigen Sonderling- im Nebenberuf -5- ein vielwissenderundtüchtigerArchivar- beschränktesich der ganze Lehenssinn aufdie bescheidene Genugtuung, beijedem Namen, derab undzuineinerZeitungzulesen war, miteitler Selbstverständlichkeit hinzufügen zu können: »Ein guter Freund vonmir«oder»Ach, denhabeicherstgesterngetroffen« oder »Mein Freund A hat mirgesagt und mein Freund B hat gemeint«, und so unentwegt das ganze Alphabet entlang. Verläßlich klatschte er bei den Premieren seiner Freunde, telephonierte jede Schauspielerin am nächsten Morgen glück- wünschend an, er vergaß keinen Geburtstag, verschwieg uner- freuliche Zeitungsnotizen undschickte einem die lobenden aus herzlicher Anteilnahme zu. Kein unebener Mensch also, weil ehrlich beflissen undschon beglückt, wenn man ihn einmal um eine kleine Gefälligkeitersuchte odergardas Raritätenkabinett seiner Bekanntschaften um ein neues Objekt vermehrte. Aber es tut nicht not, Freund »Adabei« - unter diesem heiteren Spottwortfaßt man in Wienjene Spielartgutmütiger Parasiten innerhalb der buntscheckigen Gruppe der Snobsfür gewöhnlichzusammen-näherzubeschreiben, dennjederkennt sie und weiß, daß man sich ihrer rührenden Unschädlichkeit ohne Roheitnichterwehren kann. Sosetzte ich mich resigniert zu ihm, und eine Viertelstunde liefschwatzhaftdahin, als ein Herr in das Lokal eintrat, hochgewachsen und auffällig durch sein frischfarbiges, jugendliches Gesicht mit einem pikanten Grau an den Schläfen; eine gewisse Aufrechtheit im Gang verriet ihn sofort als ehemaligen Militär. Eifrig zuckte mein Nachbar mit derfür ihn typischen Beflissenheitgrüßend auf, welchen ImpetusjedochjenerHerrehergleichgültigals höflich erwiderte, undnochhattederneueGastnichtrechtbeidemeilig zudrängenden Kellner bestellt, als mein FreundAdabei bereits anmichheranrückteundmirleisezuflüsterte: »WissenSie, wer das ist?« Da ich seinen Sammelstolz, jedes halbwegs inter- essante Exemplar seiner Kollektion rühmend zur Schau zu stellen, längst kannte und überlange Explikationen fürchtete, äußerte ich bloß ein recht uninteressiertes »Nein« undzerlegte -6- weitermeineSachertorte. DiesemeineIndolenzabermachteden Namenskuppler nur noch aufgeregter, unddie Hand vorsichtig vorhaltend, hauchteermirleisezu: »DasistdochderHofmiller von derGeneralintendanz-Siewissendoch-derim Kriegden Maria Theresienorden bekommen hat.« Weil nun dieses Fak- tum mich nicht in der erhofften Weise zu erschüttern schien, begann er mit der Begeisterung eines patriotischen Lesebuchs auszupacken, wasdieserRittmeisterHofmillerim KriegGroß- artigesgeleistet hätte, zuerst beiderKavallerie, dannbeijenem Erkundungsflug über die Piave, wo er allein drei Flugzeuge abgeschossen hätte, schließlich bei der Maschinengewehrkom- pagnie, wo er drei Tage einen Frontabschnitt besetzt und gehalten hätte - all das mit vielen Einzelheiten (die ich hier überschlage) und immer dazwischen sein maßloses Erstaunen bekundend, daßich vondiesemPrachtmenschenniegehörthatte, dendoch KaiserKarlinPersonmitderseltenstenDekorationder österreichischen Armee ausgezeichnet habe. Unwillkürlich ließ ich mich verleiten, zum andern Tisch hinüberzuschauen, um einmal einen historisch abgestempelten Helden aus Zweimeterdistanz zu sehen. Aberda stieß ich auf einen harten, verärgerten Blick, deretwa sagen wollte: Hatder Kerl dir etwas von mir vorgeflunkert? An mir gibt's nichts anzugaffen! Gleichzeitig rückte jener Herr mit einer unver- kennbar unfreundlichen Bewegung den Sessel zur Seite und schob uns energisch den Rücken zu. Etwas beschämt nahm ich meinen Blick zurück und vermied von nun an, auch nur die Deckejenes Tischs neugierig anzustreifen. Balddaraufverab- schiedeteich mich von meinembravenSchwätzer,beimHinaus- gehen jedoch schon bemerkend, daß er sich sofort zu seinem Helden hinübertransferierte, wahrscheinlich um einen ebenso eifrigen Bericht übermich zu erstatten wiezu mirüberjenen. Das waralles. Ein Blick hin und her, und ich hättegewiß dieseflüchtigeBegegnungvergessen, dochderZufallwollte,daß ich bereitsamnächsten Tage, ineinerkleinen Gesellschaftmich neuerdings diesem ablehnenden Herrngegenübersah, der übri- -7- gens im abendlichen Smoking noch auffallender und eleganter wirkte als gestern in dem mehr sportlichen Homespun. Wir hatten beide Mühe, ein kleines Lächeln zu verbergen, jenes ominöse Lächeln zwischen zwei Menschen, die inmitten einer größeren Gruppe ein wohlgehütetes Geheimnis gemeinsam haben. Ererkanntemichgenauwieich ihn, undwahrscheinlich erregtenoderamüsierten wirunsauch ingleicher Weiseüberden erfolglosen Kuppler von gestern. Zunächst vermieden wir, miteinanderzusprechen, wassichschondeswegenalsaussichts- loserwiesenhätte, weilringsumunseineaufgeregteDiskussion im Gange war. Der Gegenstand jener Diskussion ist im voraus verraten, wenn ich erwähne, daß sie im Jahre 1938 stattfand. Spätere Chronisten unsererZeitwerdeneinmalfeststellen, daßimJahre 1938 fast jedes Gespräch in jedem Lande unseres verstörten Europa von den Mutmaßungen über Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit eines neuen Weltkrieges beherrscht war. Unvermeidlich faszinierte das Thema jedes Zusammensein, und man hatte manchmal das Gefühl, es seien gar nicht die Menschen, die in Vermutungen und Hoffnungen ihre Angst abreagierten, sondern gleichsam die Atmosphäre selbst, die erregte und mit geheimen Spannungen beladene Zeitluft, die sich ausschwingen wollte im Wort. Der Hausherr führte das Gespräch an, Rechtsanwalt von Berufundrechthaberischdem Charakternach;erbewiesmitden üblichen Argumenten den üblichen Unsinn, die neue Genera- tionwisseumden Kriegundwürdeineinenneuennichtmehrso unvorbereitet hineintappen wie in den letzten. Schon bei der Mobilisierung würden die Gewehre nach rückwärts losgehen, und insbesondere die alten Frontsoldaten wie er hätten nicht vergessen, wassieerwarte. DieflunkerndeSicherheit,mitderer in einer Stunde, wo in zehntausenden und hunderttausenden Fabriken Sprengstoffe und Giftgase erzeugt wurden, dieMög- lichkeit eines Krieges ebenso lässig wegstreifte wie mit einem leichten Klaps des Zeigefingers die Asche seiner Zigarette,

Description:
Der Biograph, der Erzähler, der Menschenschilderer Stefan Zweig hat nur einen einzigen Roman geschrieben. Er greift darin die Thematik des Mitleids auf, deren falsche Form den jungen Leutnant Anton Hofmiller in einen Konflikt bringt. Edith von Kekesfalva, ein siebzehnjähriges gelähmtes Mädchen v
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