Hermann Appel I Gerald Krabbel I Dirk Vetter Unfallforschung, Unfallmechanik und Unfallrekonstruktion Kraftfa h rzeugtech n i k Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion herausgegeben von H. Burg und A. Moser Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen von F. Kramer Leichtkollisionen von K. Schmedding www.viewegteubner.de __________________- -' I I Hermann Appel Gerald Krabbel Dirk Vetter Unfallforschung, Unfallmechanik und Unfallrekonstruktion 2. Auflage Mit 145 Abbildungen PRAXIS 11 VI EWEG+ TEUBNER Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb~d-nb.de> abrufbar. Die Abbildung auf der Umschlagseite wurde uns freundlicherweise von TRW zur Verfügung gestellt. Prof. Dr.-Ing. H. Appel studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Braunschweig und war von 1960 bis 1964 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Mechanik. Nach Tätigkeiten bei der deutschen Forschungsanstalt für Luft-und Raumfahrt, der Rheinstahl-Hanomag AG und der Volks wagen AG wurde er 1972 zum ordentlichen Professor an der Technischen Universität Berlin, Fach gebiet Kraftfahrzeuge, berufen. Lehr-und Forschungsfelder waren Unfallforschung, Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen, Schadstoffemissionen, Fahrzeugkonzepte, CAE im Automobilbau. Appel ist zusammen mit Prof. Tscherne Gründer der in der Vergangenheit stetig erweiterten nVerkehrsunfall forschung" der Medizinischen Hochschule Hannover( 1973) sowie der "Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr mbH Berlin" (1983), die sich mit etwa 2000 Mitarbeitenden heute zu einem mittelständischen Entwicklungspartner der Automobilindustrie entwickelt hat. Appel wurde u.a. 1980 mit dem Safety Award of Excellence Engineering des DOT (USA), 1990 mit der Benz-Daimler-Maybach-Ehrenmedaille des VDI und 1998 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Dr.-lng. G. Krabbel studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung Kraftfahrwesen an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Anschließend war er von 1990 bis 1997 Wissen schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität Berlin. Seitdem ist er in Dachau bei der Autoliv GmbH tätig und dort für Airbag-Entwicklungen mitverantwortlich. Dipl.-Ing. D. Vetter studierte Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität Berlin und war dort von 1995 bis 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Straßen- und Schienenverkehr. Der Schwerpunkt in der Lehr-und Forschungstätigkeit war die Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen. Nach seiner Tätigkeit am Institut wechselte er im Frühjahr 2001 in die Firma IAT mbH in Berlin und arbeitet auf dem Gebiet des Insassenschutzes und des Fahrzeugsicherheitsversuchs. Das Buch erschien bis 2002 unter dem gleichen Titel im Verlag INFORMATION Ambs GmbH, Kippenheim 2. Auflage 2002 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+ Teubner Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2002 Lektorat: Ewald Schmitt Vieweg+ Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN-13: 978-3-528-04123-6 e-ISBN-13: 978-3-322-83030-2 001: 10.1007/978-3-322-83030-2 Vorwort zur zweiten Auflage VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Dieses Buch bezieht sich auf den Pkw-Unfall im Straßenverkehr und behandelt die Themenkreise Unfallforschung, Unfallmechanik und Unfallrekonstruktion. Vorangestellt wird, um Begriffe eindeutig festzulegen, ein Kapitel zur Unfallsystematik. Im Vordergrund stehen technische Aspekte der Unfallaufklärung. Auf medizimsche und rechtliche Fragestellungen wird nur soweit wie nötig eingegangen. Zentrales Anliegen des Buches Ist die Erläuterung moderner technischer Rekonstruktionsverfahren vor dem Hinter grund der klassischen Mechanik mit Impulssatz, Drehimpulssatz und Zusatzhypothesen. Grundlagen und Anwendung, Theorie und Praxis sollen verbunden, Prinzipielles und Methodisches betont werden. Die Grundlagen für das Verständnis von modernen Unfallrekonstruktionsverfahren, ob analytisch, grafisch oder rechnergestützt angelegt, ob in Vorwärts- oder Rückwärtsrechnung gehalten, ob auf Stoßrechnung oder Kraftrechnung basierend, werden dargestellt und an anwendungsnahen Beispielen demonstriert. Die technische Unfallrekonstruktion ist ein vergleichsweise junger Wissenschaftsbereich. Sein Anfang liegt in den vierzig er Jahren und hat mit den Arbeiten von Brüderlin begonnen. Die stetige Weiterentwicklung der Verfahren bis in die heutige Zeit der pe-Unterstützung wird in diesem Buch nachgezeichnet. In dieser zweiten Auflage des erstmals im Jahre 1994 erschienenen Buches werden die Abschnitte Unfallsystematik und Unfallforschung neu gestaltet, der Abschnitt Unfall mechanik verbessert und der Abschnitt Unfallrekonstruktion erweitert. Definitionen werden präzisiert, Daten aktualisiert, zwischenzeitlich erschienene Veröffentlichungen und Bücher werden berücksichtigt. Behandelt werden in diesem Buch auch - nur scheinbar - nachgeordnete Fragen, über die oft hinweggegangen wird, so zum Beispiel: Wo verstecken sich bei dem grafischen Verfahren der Unfallrekonstruktion die Zusatzhypothesen? Wie ist bei rechnerischen Verfahren das Koordinatensystem zu legen? Wie unterscheidet sich die Vorzelchenfestlegung bei vorgegebenen und gesuchten Größen, z.B. Geschwindigkeiten? Warum ist zwischen eingeprägten Kräften und Reaktionskräften zu unterscheiden? Zu welcher Gruppe gehört die Stoßkraft bzw. der Stoßantrieb, welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Das Buch basiert auf langjähriger Forschung und Lehre im Fachgebiet Kraftfahrzeuge der Technischen Universität Berlin. Den Studenten der Fachrichtungen Fahrzeugtechnik, Sach verständigenwesen oder Fahrzeugsicherheit dient es als Vorlesungsskript zu den Vorle sungen "Unfallforschung und Unfallmechamk" und "Biomechanik und Kraftfahrzeugsicher heit". Das Buch wendet sich vornehmlich an Unfall-und Kraftfahrzeug-Sachverständige, selen sie selbstständig oder für Versicherungen bzw Überwachungsvereine tätig. Gerade dem erfahrenen, in der PraxIs tätigen Unfallgutachter soll mit dem Buch die Rückbesinnung auf die physikalischen Grundlagen der von ihm entweder expliZit oder, in Software eingebunden, impliZit angewandten Verfahren erleichtert werden. Darüber hinaus möge das Buch den Studenten an Universitäten und Hochschulen bei ihrer Ausbildung behilflich sein. Das Buch eignet Sich hier als Grundlage und Leitfaden bel Vorlesungen und Übungen. Auch den Sicherheitslngemeuren bei Automobllherstellern und Sicherheltszulleferern Wird das Buch nützlich sein Schließlich soll das Buch jungen Ingenieuren den Einstig in die techmsche Unfallrekonstruktion, Unfallanalyse und Unfallforschung erleichtern und deren Verbindungen zur Sicherheitsforschung aufzeigen. -5 - Vorwort zur zweiten Auflage Bei der Fortschreibung des Vorlesungsskriptes haben über 25 Jahre hinweg wissenschaft liche Mitarbeiter und Studenten mitgewirkt, so die Herren Prof. Dr.-Ing H. Rau, Dr.-Ing A Kühnei, Prof. Dr -Ing. FI. Kramer, Dipl.-Ing. D. Otte, Dlpl.-Ing. G. Schockenhoff, Dipl.-Ing. U Wanderer, Dipl.-Ing. Th. Deter u.a .. Bei der vorliegenden Überarbeitung und Neugestaltung des Buches haben Frau E. Trebbin und Herr cand.-ing. W. Winata tatkraftlg mitgeholfen Ihnen allen haben wir sehr zu danken. Berlin, den 30. September 2001 Hermann Appel, Gerald Krabbel, Dlrk Vetter -6 - o Inhaltsverzeichnis VORWORT ... .................................................................................................... 5 o INHALTSVERZEICHNIS .................................................................................. 7 1 EINLEITUNG .................................................................................................... 11 2 UNFALLSYSTEMATIK 2.1 Definitionen: Unfall, Risiko, Sicherheit... ............................................................. 13 2.2 Zeitliche Phasen des Unfalls .............................................................................. 18 2.3 Unfallart und Unfalltyp ....................................................................................... 19 2.4 KollisIonsart und KOllisIonstyp ........................................................................... 22 2.5 Aufprallart und Aufpralltyp .................................................................................. 24 2.6 Belastungs-und Verletzungsarten des Menschen ........................................... 27 3 UNFALLFORSCHUNG 3.1 Bearbeitungskette von der Unfallerhebung bis zur Unfallforschung ................... 29 3.2 Unfallerhebungen .......................................................................................... 30 3.2.1 Polizeiliche Unfallerhebungen ....................................................................... 32 3.2.2 Erhebungen am Unfallort durch spezielle Forschungsteams ........................ 33 3.2.3 Retrospektive Unfalluntersuchungen ............................................................ 35 3.3 Unfallrekonstruktion und Unfallaufklärung, Rechtsprechung ............................... 39 3.4 Unfallanalyse ..................................................................................................... 42 3.5 Unfallschwere, Unfallfolgenschwere ................................................................. .43 3.5.1 Unfallschwere, Unfallkenngröße ................................................................. 44 3.5.2 Unfallfolgen, Unfallfolgenschwere ........................................................... 50 3.6 Unfallforschung, Sicherheitsforschung ............................................................... 55 3.7 Ausgewählte Ergebnisse der Unfallanalyse, Unfallforschung und Sicherheitsforschung . .. .............................................................................. 56 4 UNFALLMECHANIK 4.1 Kinematische Grundlagen ............................................................................... 79 4.2 Crashkinematik, Crashpulse, Stoßziffer {Stoffgesetze )... ......................... ..82 4.2.1 Crashkinematik, Deformationskennungen .................................................. 82 4.2.2 StoßZIffer. ......................................................................................... 88 4.3 Kraftrechnung .. ......................... ...... .. ..................... .......... . ....... 90 4.3.1 Schwerpunktsatz .......... ......... ....... ... . .... . ........................................... 92 4.3.2 Drallsatz . ....... . ... .... ..... .... ................. ..................................... 93 4.4 Stoßrechnung . .. ..... . ....... ....... ...... . . . ... . . ... ... .... .... ..... .... ....... .. . 94 -7 - o Inhaltsverzeichnis 4.4.1 Stoßarten ........................ . ..... . ............... . ......... .. ...... .. ......................... 94 4.4 2 Stoßtheonen .. ............................................................ ..... ........ ...... 95 4.4.3 Ergänzungshypothesen ... ........ ............... .................................. . .......... 96 4.4.4 Impulssatz...... ............ ....... ... ........... ......... .......... ....... . ................. 97 4.4.5 Drehimpulssatz . ...... ....... ......................................... ........ .. .............. 98 4.4.6 Stoßgleichungen für die ebene Scheibe ..... ... ................... .. .............. 98 4.4.7 Gerader zentrischer Stoß zweier Scheiben .............................................. 100 4.4.8 Schiefer exzentrischer Stoß zweier Scheiben ...... .... ........... ... .. ......... 103 4.5 Arbeitssatz (Energiesatz)......... ........ .............. . ............................................. 105 4.5.1 Arbeitssatz für starre Körper ................ ............................... .. .................. 105 4.5.2 Arbeitssatz für deformierbare Körper im statischen Gleichgewicht ............. 10 6 4.5.3 Arbeitssatz allgemein .................................................................................. 107 4.5.4 Arbeitssatz für den Wandaufprall eines Fahrzeugs ... ....... ... ..... ......... . ... 107 4.5.5 Arbeitssatz fOr die gerade, zentrische Kollision zweier Fahrzeuge ............ 108 4.5.6 Arbeitssatz für den exzentrischen Aufprall eines Fahrzeugs auf einen starren Pfahl........ ....... ..... ....... . ............................................ 10 9 4.5.7 Arbeitssatz für die Auslaufbewegung nach dem Stoß ............................. 109 4.5.8 Berechnung der Stoßziffer fOr einen Wandaufprall.. ................................ 111 4.6 Anwendungsbeispiele zur Kraftrechnung ................................................. 112 4.6.1 Physikalisches Pendel......... ............................ ................. ....... .... . ...... 112 4.6.2 Frontalkollision zweier Fahrzeuge.... ... ...... ... ... ... ................ . ............ 113 4.7 Anwendungsbeispiele zur Stoßrechnung ................................................... 118 4.7.1 Exzentrischer Stoß gegen eine drehbar gelagerte Scheibe ....................... 118 4.7.2 Kollision Pkw-Baum .............................................................................. 121 4.7.3 Pkw-Pkw-Seitenkollision ....................................................................... 128 4.7.4 Pkw-Pkw-Offset-Frontalkollision ...... ....... .. ..... .. ..... .. ......... ...... . ....... 130 4.7.5 Kollision Pkw-Fußgänger ....................................................................... 133 4.7.6 Frontalaufprall ohne und mit Abgleiten, Einfluss auf GeschwindIgkeIts- änderung und Energieabsorption ......................................................... 139 4.8 Festlegung der Unbekannten in Ersatzsystemen ....................................... 141 5 UNFALLREKONSTRUKTION 5.1 Unfallrekonstruktionsverfahren .................................... . .. 143 5.1 1 ROckwärts-Unfallrekonstruktion, insbesondere Rückwärts-Kollisionsrekonstruktion .. .. . .......................................... 147 -8- o Inhaltsverzeichnis 5.1.2 Vorwärts-Unfallrekonstruktion, insbesondere Vorwärts-Kollisionsrekonstruktion....................................... . ..................... 150 5.1.3 Kontrollmöglichkeiten ................................................................................ 153 5.1.4 Unfalldatenspeicher ...................... .. ........... ...... .................................... .. .. 154 5.2 Grafische Rekonstruktionsverfahren ................................................................ 155 5.2.1 Antriebs-Balance-Verfahren ........................................................................ 157 5.2.2 Impuls-Spiegelverfahren .............................................................................. 159 5.2.3 Drehimpuls-Spiegelverfahren ...................................................................... 162 5.2.4 Energie-Ringverfahren ............................................................................. 165 5.2.5 Rhomboid-Schnittverfahren ........................................................................ 167 5.2.6 Band-Schnittverfahren ................................................................................. 169 5.3 Rechnerische Rekonstruktionsverfahren ......................................................... 172 5.4 Anmerkungen und Ergänzungen zu den vorgestellten Rekonstruktionsverfahren ................................................................................. 179 6 ABKÜRZUNGEN, FORMELZEICHEN, BEZEICHNUNGEN 6.1 Abkürzungen .................................................................................................... 185 6.2 Formelzeichen, Bezeichnungen ................................................................... 188 7 LITERATUR ................................................................................................ 191 8 ANHANG 8.1 Energieraster von Fahrzeugen beim Frontalaufprall, unterschiedliche Massen, unterschiedliche Motoranordnungen ............................................................... 201 82 Ausgewählte Erhebungsbogen der Verkehrsunfallforschung Hannover ........... 203 8.3 Klassifizierung der Fahrzeugbeschädigungen nach dem Gesamtverband der Deutschen VersicherungswIrtschaft ............................................................... 208 8.4 Schutzkriterien und Belastungsgrenzen unter stoßartiger Belastung (Inoffizielle Zusammenstellung der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik der ETH Zürich) .... 209 8.4.1 Schutzkntenen und Belastungsgrenzen des erwachsenen Menschen ....... 209 8.4.2 Schutzkriterien und Belastungsgrenzen des Kindes ............................... 211 8.5 Verletzungsschutz der Insassen, Ausblick ................................................ 212 9 SACHWORTVERZEICHNIS ..................................................................... 213 -9 - Einleitung 1 EINLEITUNG Die Unfallforschung im Straßenverkehr geht von dem einzelnen Unfall aus und dient mit Unfallerhebung, Unfallrekonstruktion, Unfallaufklärung und Unfallanalyse einerseits der Rechtssicherheit, sowohl in strafrechtlicher als auch zivilrechtlicher Hinsicht, andererseits der Verkehrssicherheit, sowohl Im Hinblick auf die aktive als auch die passive Sicherheit. Die Unfallforschung basiert letztlich auf dem einzelnen, in der Realität abgelaufenen Unfall. Sämtliche Einzelheiten eines Unfalls sind so zu erfassen, zu analysieren und zu bewerten, dass die einzelnen Phasen des Unfallablaufes in ihrer räumlichen und zeitlichen Zuordnung bestimmt und beurteilt werden können. Aus der Sicht der beteiligten DiSZiplinen (Medizin, Psychologie, Technik ... ) ist für die Unfallkomponenten (Mensch, Fahrzeug, Umfeld) in den einzelnen Unfallphasen (Einlauf-, KOllisions-, Auslauf-, Folgephase) die gesamte Kausal und Wirkungskette eines Unfalls nachzuvollziehen. Im Bereich des Verkehrsstrafrechtes wird von der Unfallaufklärung die Klärung der Ver meidbarkeit erwartet, im Bereich des Zivilrechtes interessiert, wer für den Schaden aufzu kommen hat und In welchem Umfang Schäden eingetreten und zu ersetzen sind. Unfall sachverständige sind hierbei Dienstleister der Straf- und Zivilgerichte, für außergerichtliche Schadensregulierungen liefern sie die maßgeblichen Begründungen. Im Bereich der Verkehrssicherheit zielt die Unfallforschung auf Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen und auf Maßnahmen zur Minderung der Unfallfolgen. Unfall ursachen im Regelkreis Mensch-Fahrzeug-Umfeld sind ebenso wie Zusammenhänge zwischen technischer Ausführung und Unfallfolgen, ZWischen konstruktiver Gestaltung von Fahrzeugen und Verletzungsfolgen zu identifizieren. Daraus sind Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitssysteme abzuleiten, nach ihrer Einführung sind Bewertungen vorzunehmen Ob im Bereich Strafrecht, ziviles Haftpflichtrecht oder Sicherheit, die Aufklärung von Un fallvorgängen ist zunächst nur Mittel zum Zweck und erst dann eigener Forschungsbereich im Sinne der Erarbeitung, Weiterentwicklung und Verbesserung von Aufklärungsmethoden. Die technische Unfallrekonstruktion ist Tell der Unfallaufklärung, diese Teil der Unfall analyse, und diese wiederum Teil der Unfallforschung. Die Unfallmechanik stellt den Bereich der klassischen Mechamk dar, der für die technische Unfall rekonstruktion benötigt und zielgerichtet aufbereitet wird. Heute bedient sich der mit technischen Unfallrekonstruktionen von Straßenverkehrsunfällen befasste Gutachter oder Sicherheitsingenieur verstärkt rechnergestützter Verfahren unter Verwendung kommerziell verfügbarer "Standardsoftware". Diese Programme Sind zwel oder dreidimensional angelegt, sie behandeln die Vorwärts oder/und die Rückwärts rechnung, die Kraft- oder/und die Stoßrechnung. Sie sind schnell, komfortabel und genau im Rahmen der Vorgaben. Sie ermöglichen es, in kurzer Zelt viele Varianten durch zurechnen und dabei einflussreiche Eingangsparameter zu variieren. Außerdem erlaubt die heute allseits verfügbare Software die grafische Darstellung von kontinuierlichen Zeitverläufen (z.B. von Weg, Geschwindigkeit) oder die Zeitschrittdarstellung von Fahrzeug positionen vor, während und nach der Kollision. In ganz besonderer Weise trägt die bildllche Animation von Fahrzeugbewegungen zur Veranschaulichung, Verständllch machung und Plausibihtätsüberprüfung bel. Die Genauigkeit und Wiedergabetreue eines Rekonstruktionsverfahrens sollte eigentlich nur der Genauigkeit und Verlässlichkeit der jeweiligen Eingangsparameter entsprechen. So wirkungsvoll ein Rekonstruktionsprogramm In der Hand des "Fachmannes" sein kann, so irreführend, weil mcht vorhandene Exaktheit vortäuschend und zu Falschaussagen verfüh rend, kann die Computer-Software In der Hand dessen werden, der die hinter den Pro grammen stehende Mathematik und Mechamk mcht einschätzen kann, der die enthaltenen Annahmen und Voraussetzungen nicht beachtet und der sich keine Rechenschaft über die -11 - H. Appel et al., Unfallforschung, Unfallmechanik und Unfallrekonstruktion © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2002
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