Theoretische und experimentelle Untersuchung zum Strahlausbreitungs- und Verdampfungsverhalten aktueller Diesel-Einspritzsysteme Von der Fakultät für Energietechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung vorgelegt von Claus-Oliver Schmalzing aus Biberach an der Riß Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. H. Stetter Mitberichter: Prof. Dr.-Ing. R. Maly Tag der mündlichen Prüfung: 12.02.2001 Institut für Thermische Strömungsmaschinen und Maschinenlaboratorium der Universität Stuttgart 2001 Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit im Ressort Forschung und Technologie der DaimlerChrysler AG in Stuttgart-Untertürkheim. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr.-Ing. Heinz Stetter für seine Bereitschaft, die wissen- schaftliche Betreuung für diese Arbeit zu übernehmen und für seine wohlwollende Unterstützung. Herrn Professor Dr.-Ing. Rudolf Maly danke ich herzlich für sein Interesse an der Arbeit und die freundliche Übernahme des Korreferats. Frau Dr.-Ing. Petra Stapf und Herrn Dr.-Ing. Gregor Renner danke ich für die anregenden und wertvollen Gespräche, die wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Für die vielfältige Unterstützung bei der Durchführung der experimentellen Untersuchungen, Auswertungen und für die anregenden Diskussionen danke ich den Herren Dr.-Ing. Alexander Wolf, Dipl.-Ing. Rüdiger Stei- ner, Dr.-Ing. Roger Busch, Dipl.-Ing. Ralf Weiler und Dipl.-Ing. Frank Keller. Allen Kollegen und Mitarbeitern des Ressorts Forschung und Technologie der DaimlerChrysler AG und des Instituts für Thermische Strömungsmaschinen der Universität Stuttgart, die mich in vielfältiger Weise unterstützt haben, gilt mein besonderer Dank. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinen Eltern Sybille und Heinrich Schmalzing und meiner Freundin Martina Helmstädt für deren Unterstützung bedanken. Claus-Oliver Schmalzing Ulm, im Februar 2001 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung............................................................................................................................ 1 2 Motivation und Stand der Technik.................................................................................... 3 2.1 Strahlaufbruch...................................................................................................................... 4 2.1.1 Primärzerfall............................................................................................................... 4 2.1.2 Sekundärzerfall..........................................................................................................12 2.2 Strahlausbreitung..................................................................................................................15 2.3 Modellvorstellungen der Tropfenverdampfung.......................................................................17 3 Das Modell – Physikalische Grundlagen..........................................................................23 3.1 Das Hydraulik-Simulationsprogramm ISIS............................................................................24 3.1.1 Anforderungen............................................................................................................24 3.1.2 Bausteine/Module........................................................................................................24 3.1.2.1 Berechnung des effektiven Düsenquerschnitts....................................................24 3.1.3 Modellplan..................................................................................................................28 3.2 Berechnung der Tropfenverdampfung....................................................................................30 3.2.1 Zeitliche Änderung der Tropfentemperatur................................................................30 3.2.2 Berechnung der Massenbrüche an der Tropfenoberfläche ........................................32 3.2.3 Zeitliche Änderung der Tropfengeschwindigkeit .......................................................33 3.2.4 Zeitliche Änderung der Tropfenmasse .......................................................................34 Inhaltsverzeichnis iii 3.3 Berechnung der Fluid-Eigenschaften......................................................................................36 3.3.1 Die gasförmige Phase.................................................................................................36 3.3.1.1 Dichte..................................................................................................................36 3.3.1.2 Wärmekapazität..................................................................................................37 3.3.1.3 Viskosität............................................................................................................37 3.3.1.4 Thermische Leitfähigkeit....................................................................................38 3.3.1.5 Diffusionskoeffizient...........................................................................................38 3.3.1.6 Berücksichtigung realer Brennraumbedingungen...............................................39 3.3.2 Die flüssige Phase.......................................................................................................40 3.3.2.1 Verdampfungsenthalpie......................................................................................40 3.3.2.2 Wärmekapazität..................................................................................................41 3.3.2.3 Oberflächenspannung.........................................................................................42 3.3.2.4 Dynamische Viskosität........................................................................................44 3.3.2.5 Dampfdruck........................................................................................................45 3.4 Berechnung der Strahlausbreitung ........................................................................................46 3.4.1 Kegelwinkel................................................................................................................46 3.4.2 Strahlaufbruch ...........................................................................................................47 3.4.3 Anfangsbedingungen .................................................................................................49 3.4.4 Strahlausbreitung und Verdampfung ........................................................................51 4 Versuchsapparatur.............................................................................................................53 4.1 Einspritzsysteme...................................................................................................................54 4.1.1 Pumpe-Leitung-Düse..................................................................................................54 4.1.2 Common Rail..............................................................................................................55 4.2 Die Einspritzdüse..................................................................................................................57 4.3 Messung der Einspritzrate.....................................................................................................58 4.4 Die Hochdruck-Hochtemperaturkammer..............................................................................59 4.5 Darstellung motortypischer Temperaturen und Drücke...........................................................60 4.6 Optik...................................................................................................................................61 Inhaltsverzeichnis iv 4.6.1 Die Schlierenmeßtechnik............................................................................................61 4.6.2 Zweidimensionale integrale Streulichttechnik............................................................62 4.6.3 Kombinierte Schlieren-/Streulichttechnik...................................................................62 4.7 Ablaufsteuerung und Meßdatenerfassung...............................................................................64 5 Versuchsdurchführung und Auswertung............................................................................66 5.1 Meßprogramm.....................................................................................................................66 5.2 Auswertung..........................................................................................................................67 6 Ergebnisse und Bewertung.................................................................................................71 6.1 Vergleichende Betrachtung von Rechnung und Messung........................................................72 6.2 Einfluß der Düsengeometrie..................................................................................................75 6.3 Einfluß der Kraftstoffeigenschaften........................................................................................78 6.4 Einfluß der Umgebungsbedingungen/Zylinderladung...............................................................81 6.5 Einfluß des Einspritzsystems..................................................................................................84 7 Zusammenfassung..............................................................................................................87 Anhang A Einspritzdüse DLLA142....................................................................................................89 B PLD-Meßprogramm.........................................................................................................90 C CR-Meßprogramm...........................................................................................................91 D Hydraulik des CR-Systems...............................................................................................92 E Hydraulik des PLD-Systems.............................................................................................98 F Verdampfungsverhalten des CR-Systems.......................................................................103 G Verdampfungsverhalten des PLD-Systems.....................................................................109 H Lösung der Differentialgleichungen..................................................................................115 I Algorithmus zur Berechnung der Strahlausbreitung..........................................................117 J Durchflußbeiwert...........................................................................................................118 Literaturverzeichnis.............................................................................................................119 Formelzeichen Zeichen Einheit Bedeutung A m² Fläche A m² Effektiver Spritzlochquerschnitt eff A m² Geometrischer Querschnitt der Spritzlöcher d A m² Tropfenoberfläche sur drp A m² Projizierter Tropfenquerschnitt prj drp b Massentransferparameter m c Widerstandsbeiwert drag c J/(mol K) Spezifische Wärmekapazität Kraftstoff pL c J/(mol K) Spezifische Wärmekapazität ideales Gas pG (bei konstantem Druck) c J/(mol K) Spezifische Wärmekapazität ideales Gas vG (bei konstantem Volumen) D m²/s Diffusionskoeffizient G d m Spritzlochdurchmesser d m Effektiver Spritzlochdurchmesser eff d m Tropfendurchmesser drp d m Sauterdurchmesser 32 d m Mittlerer Tropfendurchmesser 10 F m² Ringspaltquerschnitt R F m² Innerer Ringspaltquerschnitt Ri F m² Äußerer Ringspaltquerschnitt Ra F m² Geometrischer Querschnitt Sacklocheintritt S D H J/kg Verdampfungsenthalpie vp D H J/kg Verdampfungsenthalpie unter Normbedingungen vpb H J/(m² s K) Wärmetransferkoeffizient h m Nadelhub ` kg m/s² Impuls K Kavitationszahl K m²/s Verdampfungsrate v k 1/m Wellenzahl L m Leitungslänge Formelzeichen vii Zeichen Einheit Bedeutung M Massentransferzahl u m kg Masse m kg Tropfenmasse drp m& kg/s Dampfstrom vp Nu Nusseltzahl n Isentropenenexponent n(d ) Tropfenhäufigkeit als Funktion des Durchmessers d drp drp Oh Ohnesorgezahl Pr Prandtlzahl p bar Druck p bar Umgebungsdruck amb p bar Kritischer Druck K p bar Raildruck rail p bar Dampfdruck vp p bar Reduzierter Dampfdruck vp r Q m³/s Einspritzrate/Volumenstrom & Q J/s Wärmestrom in den Tropfen drp & Q J/s Wärmestrom aus dem Tropfen (Massenverlust) vp r m Innerer Schwerpunktsdurchmesser (Ringspalt) mi r m Äußerer Schwerpunktsdurchmesser (Ringspalt) ma r m Tropfenradius drp Re Reynoldszahl Re Reynoldszahl Gas G Re Reynoldszahl Flüssigkeit L ´ kJ/(kmol K) Universelle Gaskonstante S m Strahlspitzenweg • S m/s Zeitliche Änderung der Strahlspitzengeschwindigkeit Sc Schmidtzahl t s Zeit T K Temperatur T K Umgebungstemperatur amb T K Tropfentemperatur drp T K Gefriertemperatur bei Normbedingungen F T sur K Temperatur der Gasphase an der Tropfenoberfläche G T ¥ K Temperatur der Gasphase im Unendlichen G T K Kritische Temperatur K T K Siedetemperatur S Ty Taylorzahl V m³ Tropfenvolumen drp Formelzeichen viii Zeichen Einheit Bedeutung v m/s Strahlaustrittsgeschwindigkeit aus v m/s Tropfengeschwindigkeit drp v m/s Paketgeschwindigkeit parc v m/s Relativgeschwindigkeit rel We Weberzahl We Weberzahl Gas G We Weberzahl Flüssigkeit L x Molbruch x Molbruch Kraftstoffdampf vp x Molbruch Gasphase G X kg/mol Molekulargewicht mol y Massenbruch y Massenbruch Kraftstoffdampf vp y Massenbruch Gasphase G z Spritzlochanzahl Griechische Buchstaben Zeichen Einheit Bedeutung a Drosselbeiwert Spritzloch d a Drosselbeiwert Ringspalt R a Drosselbeiwert Sackloch S W m/s Maximales Amplitudenwachstum pro Zeit w Pitzerfaktor w m/s Amplitudenwachstum pro Zeit s s N/m Oberflächenspannung r kg/m³ Dichte r¥ kg/m³ Dichte des Gasgemisches im Unendlichen G rsur kg/m³ Dichte des Gasgemisches an der Tropfenoberfläche G r kg/m³ Gemittelte Dichte des Gasgemisches L m Maximale Wellenlänge einer Störung l J/(m s K) Wärmeleitfähigkeit l¥ J/(m s K) Wärmeleitfähigkeit des Gasgemisches im Unendlichen G lsur J/(m s K) Wärmeleitfähigkeit des Gasgemisches an der Tropfen- G oberfläche l J/(m s K) Gemittelte Wärmeleitfähigkeit Formelzeichen ix Zeichen Einheit Bedeutung l * Rohrreibungszahl l m Wellenlänge einer Störung s h N/m² s Dynamische Viskosität h¥ N/m² s Viskosität des Gasgemisches im Unendlichen G hsur N/m² s Viskosität des Gasgemisches an der Tropfenoberfläche G h N/m² s Gemittelte Viskosität n m²/s Kinematische Viskosität m Drosselbeiwert der Düse Q Grad Strahlkegelwinkel (cid:209) Nabla-Operator k Polytropenexponent Abkürzungen Abkürzung Bedeutung PLD Pumpe-Leitung-Düse Einspritzsystem CR Common-Rail Einspritzsystem 1 Einleitung Der Dieselmotor nimmt in Europa einen festen Platz als Antrieb für Personenwagen, Nutzfahrzeuge und als Schiffsmotor ein. Die Entwicklung von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung führte zu einer weiteren Wirkungsgradsteigerung und damit verbunden, zu geringen CO -Emissionen. Die Neu- und 2 Weiterentwicklung von Dieselmotoren wird 0,25 jedoch, außer von der Forderung nach einer hohen Wirtschaftlichkeit, in zunehmendem 0,2 h] Maß von der Abgasgesetzgebung W k beeinflußt. Das nebenstehende Diagramm g/ 0,15 M [ EURO II zeigt die gegenwärtig gültigen Grenzwerte P kel 0,1 bezüglich Stickoxide und Partikel (EURO arti II), und die zu erwartende Reduzierung die- P EURO III 0,05 ser Limits (EURO III). Durch den Einsatz modernster Einspritz- und Aufladesysteme 0 scheint es möglich, Brennverfahren zu ent- 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 wickeln, mit denen die nächste Stufe der NOx [g/kWh] Gesetzgebung allein mit innermotorischen Abgasgrenzwerte für PKW-Motoren Maßnahmen erfüllt werden kann. Bei der Entwicklung solcher Brennverfahren ist jedoch der Kundenwunsch nach einem möglichst geringen Kraftstoffverbrauch zu berücksichtigen. Die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs führt nicht zwangsläufig zu geringeren Emissionen, da für deren Entstehung nicht nur die absolut eingespritzte Menge, sondern auch der zeitliche Verlauf des Einspritzvorgangs von Bedeutung ist. Beim direkteinspritzenden Dieselmotor wird der Kraftstoff unter hohem Druck in den Brennraum eingespritzt und zerstäubt. Unmittelbar nach Einspritzbeginn setzt der Verdampfungsvorgang der sich im Brennraumgas ausbreitenden Tröpfchen ein. Die Zerstäubung, Ver-dampfung und Durchmischung des Kraftstoffs mit dem Umgebungsgas wird als Gemischbildung bezeichnet, der Zeitraum der dafür zur Verfügung steht wird durch die Motordrehzahl bestimmt. Die Güte der Gemischbildung ist ab- hängig vom Einspritzverlauf, der Düsengeometrie und der Wechselwirkung des Kraftstoffsprays mit dem ihn umgebenden Strömungsfeld und der Kolbenmulde. Um Hinweise geben zu können, wie eine optimierte Verteilung des Kraftstoffs im Brennraum auszusehen hat, müssen die für die Gemischbil- dung verantwortlichen Phänomene analysiert werden. So kann z.B. nur durch Vermeidung von global überfetten Zonen eine vollständige Verbrennung des Kraftstoffs sichergestellt werden (Partikel Re- duktion). Dies darf aber nicht dazu führen, daß der Homogenanteil so groß wird, daß hohe Verbren-
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