ukraine- analysen

14 Pages·2006·0.2 MB·German

NR. 15 14.11.2006
uukkrraaiinnee--
aannaallyysseenn
ukraine-analysen.de
UKRAINE UND EU
POLITISCHE KULTUR
SPRACHENFRAGE
■ ANALYSE
Perspektiven der ukrainischen Beziehungen mit der EU: Freihandel statt Mitgliedschaft.
David Lane, Cambridge 2
■ TABELLEN UND GRAFIKEN ZUM TEXT
Die Wirtschaftsbeziehungen der Ukraine mit der EU 5
■ DOKUMENTATION
Kommentar von Ministerpräsident Viktor Janukowitsch zur außenpolitischen
Orientierung 8
■ KOMMENTAR
Postkommunistische politische Kultur als Hindernis auf dem Weg zur Demokratie.
Gerhard Simon, Köln 9
■ ANALYSE
Bis auf weiteres zweisam: Russisch in der Ukraine. Mariya Kopylenko, Kiew 11
■ CHRONIK
Chronik vom 24. Oktober bis zum 13. November 2006 13
■ LESEHINWEIS
Polen-Analysen 14
Die nächsten Ukraine-Analysen erscheinen am 28. November 2006. Th ema werden informelle Netzwerke und Korruption sein.
Forschungsstelle Deutsche Gesellschaft für Otto Wolff -
Osteuropa Osteuropakunde Stiftung
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Analyse
Perspektiven der ukrainischen Beziehungen mit der EU:
Freihandel statt Mitgliedschaft
Von David Lane, Universität Cambridge
Zusammenfassung
Für die Ukraine stellen sich die Vorteile eines EU-Beitritts ähnlich dar, wie für die neuen post-sozialistischen
EU-Mitglieder. Die stärkeren wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen, die während der
Sowjetzeit geknüpft wurden, würden jedoch bedeuten, dass ein Bruch mit Russland für die Ukraine eine viel
größere Bedeutung hätte als für die bisherigen post-sozialistischen Mitgliedsstaaten. Die Führung der EU
hat der Ukraine niemals einen Beitrittsstatus versprochen. Das für die Ukraine derzeit günstigste Szenario
wären begrenzte Freihandelsabkommen sowohl mit der EU als auch mit Russland. Die Ukraine könnte in
diesem Fall die Vorteile beider Seiten in Anspruch nehmen.
Der ukrainische Wunsch nach EU-Integra- des Warschauer Paktes hatten. Die EU möchte ihre
tion Aussengrenzen gegen unerwünschte Immigration und
Die Ukraine ist ein sehr großes Land, mit einer „weiche“ Sicherheitsrisiken schützen.
Bevölkerungszahl, die der Großbritanniens oder Für die Ukraine stellen sich die Vorteile eines
Frankreichs vergleichbar ist. Ein großer Teil der Be- EU-Beitritts ähnlich dar, wie für die neuen post-so-
völkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt, es gibt zialistischen EU-Mitglieder. Für die Juschtschenko-
auch problematische Industriezweige in Schwerindus- Administration zählen eine symbolische Anbindung
trie und Maschinenbau. Das Land hat sich seit dem an die EU auf politischem und wirtschaftlichem
Zusammenbruch des kommunistischen Regimes als Gebiet und eine Distanzierung von Russland zwei-
instabil erwiesen; es gibt ernsthafte interne Konfl ikte fellos zu den Attraktionen einer EU-Mitgliedschaft.
zwischen Ost und West. Die umstrittenen Präsiden- Die Möglichkeit der ungehinderten Bewegung nach
tenwahlen im November und Dezember 2004 sind ein Westen ist ein positives Angebot an die Bevölkerung.
Beispiel für diese interne Instabilität. Die stärkeren wirtschaftlichen, kulturellen und
Seit 1994, unter Präsident Leonid Kutschma, hat politischen Beziehungen, die während der Sowjetzeit
die Ukraine ihre Absicht erklärt, der EU beizutreten; geknüpft wurden, würden jedoch bedeuten, dass ein
1998 schlug Kutschma eine „Strategie der Integration Bruch mit Russland für die Ukraine eine viel größere
der Ukraine in die Europäische Union“ vor. Nach Bedeutung hätte als für die bisherigen post-sozialis-
der Orangen Revolution und dem Aufstieg Viktro tischen Mitgliedsstaaten. Die ehemaligen baltischen
Juschtschenkos, der seinen Wahlkampf mit der Losung Sowjetrepubliken waren klein und wurden durch die
„Bewegung nach Westen“ führte, ist der EU-Beitritt zu baltischen Nachbarstaaten aufgefangen. Russland ist
einem prioritären Ziel der ukrainischen Außenpolitik nach wie vor der größte Handelspartner der Ukraine.
geworden. Die offi zielle Mission der Ukraine bei Im Gegensatz zu Polen, das bereits vor dem Fall des
den Europäischen Gemeinschaften erklärt dies deut- Staatssozialismus Wirtschaftsbeziehungen mit dem
lich: „Europäische Integration ist eine irreversible Westen gepfl egt hatte, war die Ukraine ein integraler
Schlüsselpriorität der ukrainischen Außenpolitik“. Teil der sowjetischen Wirtschaft und wird eine um-
Die erneute und lautstarke Forderung nach EU- fangreiche und sozial schmerzhafte Umstrukturierung
Mitgliedschaft ist nicht nur eine ideologische Haltung, benötigen, um Teil eines gemeinsamen EU-Marktes
die sich Juschtschenkos Orange Führung zu eigen ge- zu werden.
macht hat, sie wird auch durch die Konsequenzen des Die öff entliche Meinung in der Ukraine ist geteilt:
EU-Beitritts der westlichen Nachbarn der Ukraine Umfragen zufolge haben 53% der Ukrainer eine „eher
verursacht. Die Ukraine wird jetzt mit einem gemein- positive“ Haltung gegenüber „der Vorstellung, dass
samen EU-Handelstarif konfrontiert, während sie die Ukraine der Union Russlands mit Belarus beitritt“,
vorher spezielle Vereinbarungen mit Handelspartnern während 47 % „eher positiv“ zu einem EU-Beitritt
wie Polen und Ungarn hatte. Ihre Bürger müssen eingestellt waren. Auf die Frage, welche Allianz sie
sich jetzt auch nach den gemeinsamen Visaregeln der bevorzugen, antwortete der größte Teil (29%), dass
EU richten, während sie vorher (nach dem Fall des sie „zuallererst dafür sind, den ostslawischen Block
Staatssozialismus) freie Einreise in ehemalige Länder (Ukraine, Russland und Belarus) zu stärken“; nur
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18 % optierten dafür, „zuallererst Beziehungen zu ent- Agrarsubventionen profi tieren, würden an die Ukraine
wickelten Ländern des Westens aufzunehmen“. als Mitgliedsland viel verlieren. Solange aber klar ist,
dass zentrale EU-Akteure einen ukrainischen Beitritt
Die Position der EU nicht unterstützen stellt die Forderung nach einer
Für die EU würde ein Kandidatenstatus der Ukrai- Aufnahme der Ukraine kein politisches Risiko dar.
ne gewissen Vorteile bringen. Wenn die Ukraine Die erhöhten Belastungen für das Budget der
die Bedingungen des acquis communitaire erfüllen EU durch ein weiteres Land, dessen Bevölkerung
könnte, wären die politischen und wirtschaftlichen so groß ist wie zwei Drittel der Bevölkerung aller
Strukturen des Landes stabiler und EU-kompatibler. Beitrittsländer von 2004 und eine weitere Ausdehnung
Die Ukraine würde einen Markt für Direktinvestitio- der Grenzen nach Osten würden unter den jetzigen
nen, eine gut ausgebildete Erwerbsbevölkerung und Umständen aus Sicht der EU schwerer wiegen als der
eine Niedriglohnwirtschaft in die EU einbringen. Es politische Gewinn durch die Aufnahme eines neuen
könnten Produktionsstandorte in die Ukraine ausge- Mitgliedsstaates. Die Führung der EU hat der Ukraine
lagert werden. Eine Mitgliedschaft in der EU würde dementsprechend niemals einen Beitrittsstatus ver-
die Ukraine aus ihrer engen wirtschaftlichen und poli- sprochen. Die Beziehungen werden zurzeit durch
tischen Beziehung zu Russland herauslösen und dieje- Europäische Nachbarschaftsvereinbarungen geregelt.
nigen beruhigen, die Russland als Bedrohung ansehen. Aus der Sicht der EU bedeuten die Vorschläge für
Kulturell gesehen gibt es in der Ukraine nationale und ein „Größeres Europa“, dass das mittelfristige Ziel
ethnische Spannungen, aber (im Gegensatz zur Türkei) der Nachbarschaftspolitik „keine Beitrittsperspektive
keine muslimische Bevölkerungsgruppe, die von vielen und keine Rolle in den Institutionen der Union be-
Entscheidungsträgern in der EU Argument gegen die inhaltet“.
türkische EU-Mitgliedschaft angeführt wird.
Mit dem Anreiz der Mitgliedschaft könnte die Zollunion
EU in der Ukraine ihre Vorgaben zur Schaff ung einer Welche Alternativen zu einer Mitgliedschaft in der
Marktwirtschaft durchsetzen. Wohingegen es eine EU gibt es für die Ukraine? Bis zu welchem Gra-
Schwäche der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist, de entsprechen sie den Interessen des Landes? Es gibt
dass sie keine Sanktionen verhängen kann, wenn ihre viele Szenarien, die als Modelle für solche Beziehungen
Bedingungen nicht respektiert werden. dienen könnten. Andere Länder, wie Norwegen, die
Einige der neuen EU-Mitgliedsländer haben Schweiz und die Türkei haben mit der EU günstige
sich für eine ukrainische EU-Mitgliedschaft aus- Bedingungen ausgehandelt, nehmen vielleicht sogar
gesprochen: Polen und Litauen sind lautstarke die meisten Vorteile der EU in Anspruch und bewah-
Unterstützer eines Beitritts der Ukraine zur EU. Nach ren die politische Kontrolle über ihre Volkswirtschaft.
der Orangen Revolution hat es im EU-Parlament Nicht-Mitgliedschaft ist nicht notwendigerweise eine
große Mehrheiten für Verhandlungen über einen Katastrophe – es kommt auf die Alternative an.
EU-Beitritt der Ukraine gegeben. Allerdings haben Zwischen der Türkei und der EU ist eine
weder der Rat der Europäischen Union (der aus den Zollunion für Industriegüter in Kraft, die die freie
Staatsoberhäuptern der Mitgliedsländer besteht) noch Bewegung von Waren zu gleichen Bedingungen zwi-
die EU-Kommission einen Beitrittsstatus versprochen, schen der Türkei und der EU zulässt. Eine Zollunion
und unter den alten Mitgliedsländern gibt es hierfür legt gemeinsame Tarife mit Drittländern fest, in
wenig Unterstützung. anderen Worten, die Türkei akzeptiert die externen
Die mangelnde fi nanzielle Unterstützung für die Import- und Exporttarife der EU, wofür sie Zugang
neuen Mitglieder von 2004 verheißt außerdem nichts zum EU-Markt erhält. Für die Ukraine wäre dies kein
Gutes für eine weitere EU-Erweiterung. So ist Spanien, gutes Geschäft. Während die Ukraine die Vorteile
das etwa 63 % der Struktur- und Kohäsionsfonds einer Freihandelszone für einige ihrer bedeutend-
der EU erhält, unwillig, seinen Anteil zugunsten der sten Exportgüter (vor allem Stahl und Kohle) erhal-
neuen Mitglieder zu verringern, auch Großbritannien ten würde, könnten andere Industriezweige, die auf
wollte seinen Sonderrabatt nicht aufgeben. Da es in einem niedrigeren technischen Niveau als diejenigen
den entscheidenden Institutionen der EU ein solches in der EU sind, ein Opfer dessen werden, was groß-
Maß an Opposition gegen eine weitere Erweiterung zügig als „kreative Zerstörung“ umschrieben wird.
gibt, ist es gut möglich, dass die Fürsprache für eine Die Ukraine würde auch ihre Flexibilität in Bezug auf
EU-Mitgliedschaft der Ukraine im EU-Parlament Drittländer verlieren, da deren Importe den externen
und bei den neuen Mitgliedsländer nur politisches Tarifen der EU unterliegen würden. Die Ukraine hat
Kalkül ist. Länder, die etwa wie Polen von den EU- wichtige Handelsbeziehungen zu Russland und treibt
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wachstumsstarken Handel mit Entwicklungsländern. von Firmen in der verarbeitenden Industrie und sowie
Die Ukraine könnte keine bilateralen Vereinbarungen die nationalen Forschungskapazitäten erhalten, ob-
mit Drittländern aushandeln. Das Land würde wohl auch ein WTO-Beitritt hier Grenzen setzen
vielleicht auch seine Überlegenheit auf russischen würde. Ein solches Szenario würde auch bedeuten,
Märkten für Industriegüter und Maschinen verlieren. dass die Ukraine ihre Exportmärkte in Russland, der
Die kürzlich erfolgte Preiserhöhung für russische GUS und anderen Märkten außerhalb der EU zu ei-
Energielieferungen ist ein Beispiel dafür, was ohne genen Bedingungen beibehalten könnte.
besondere Tarifregelungen passieren würde: die Preise Neben den wirtschaftlichen Vorteilen ständen aber
würden weiter steigen, bis auf das Niveau der übrigen auch politische Nachteile. Die Außengrenze der EU
EU. würde eine neue Visaregelung bedeuten, aber ukrai-
Es gibt noch weitere Implikationen. Die Kernländer nische Bürger würden kein Recht auf freie Ein- und
der EU würden ihren Entwicklungsvorsprung aus- Ausreise in die EU haben. Die Ukraine wird nicht mit
bauen und Forschung, Finanzen und Patentrechte dem dynamischsten politischen und wirtschaftlichen
kontrollieren, während die Länder an der Peripherie Gebilde assoziiert sein, das es in Europa gibt. Das Land
Produktionsstandorte und sowie Lieferanten für wird nicht direkt mit der Globalisierungsrhetorik
Rohstoff e und Halbfertigwaren würden. Die Länder von Wahldemokratien verbunden sein. Es wird
an der Peripherie würden einen Abfl uss von Profi t sich auch nicht von den Aufl agen der internatio-
und Arbeitskraft erfahren, wofür sie im Gegenzug nalen Organisationen wie WTO, Internationalem
ausländische Direktinvestitionen und Industriegüter Währungsfonds (IMF) und Weltbank befreien kön-
erhalten würden. nen, es wird jedoch auch nicht an die Bedingungen
des acquis communautaire der EU gebunden sein.
Freihandelsabkommen Positiver betrachtet, würde ein freier ukrainischer
Das für die Ukraine günstigste Szenario wären des- Markt außerhalb der EU diejenigen nicht vor den
halb begrenzte Freihandelsabkommen sowohl Kopf stoßen, die die historischen Verbindungen mit
mit der EU als auch mit Russland. Die Ukraine könn- Russland erhalten möchten. Er würde der Ukraine
te in diesem Fall die Vorteile beider Seiten in Anspruch auch die Entwicklung günstiger Handelsbeziehungen
nehmen. Die Ukraine könnte der EU Produktions- sowohl mit dem asiatischen Entwicklungsmarkt
standorte für die elektronische Industrie und mög- – China, Japan, Indien – als auch mit der EU erlauben.
licherweise auch für die Textilindustrie anbieten, ob- Darüber hinaus könnte die Ukraine dem Beispiel
wohl steigende Löhne solche Möglichkeiten begrenzen Norwegens folgen und in Osteuropa ein ähnliches
und die Wertschöpfungskette in Entwicklungsländer unabhängiges Image projizieren.
verlagern könnten. Der große Vorteil einer Nicht-Mit- Ob dies gut oder schlecht ist, hängt von der
gliedschaft in der EU läge im Bereich der Währungs- in der Ukraine gewählten Politik ab: Diejenigen,
politik, da die Ukraine ihre Währung abwerten könnte, die eine schnellere Bewegung hin zu einer freien
um ihre eigenen Exporte billiger und Importe teurer Marktwirtschaft wollen, könnten enttäuscht werden,
zu machen. Die Ukraine könnte auch ihre technisch diejenigen, die ein Regime möchten, das mehr dirigis-
nicht fortschrittlichen Industriezweige vor einer De- tisch und korporatistisch ist, werden sich freuen. Es ist
Industrialisierung schützen, wie sie anfänglich die möglich, dass die Ukraine sich so auf eine andere Art
neuen Mitgliedsstaaten der EU erlitten. Kapitalismus, möglicherweise vom korporatistischen
Die Ukraine wäre auch nicht der Kontrolle ihrer Typ, festlegt.
Staatsfi nanzen durch die EU unterworfen und könn- Übersetzung aus dem Englischen: Matthias Neumann
te so mit verstärkter Schuldenaufnahme den Bestand
Über den Autoren:
Dr. David Lane ist Senior Research Associate an der University of Cambridge. Er ist Autor und Herausgeber zahlrei-
cher Bücher zur politischen Ökonomie der post-sowjetischen Transformation.
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Tabellen und Grafi ken zum Text
Die Wirtschaftsbeziehungen der Ukraine mit der EU
Grafi k 1: Ukrainische Handelspartner 2004
60
50
40
Anteil am ukrainischen Import
% 30
Anteil am ukrainischen Export
20
10
0
EU-25 GUS Sonstige
Tabelle 1: Ukrainische Handelspartner: Tabelle 2: Ukrainische Handelspartner:
Exporte 2004 Importe 2004
Land Anteil Land Anteil
EU gesamt 29,9% EU gesamt 34,0%
Davon: Deutschland 5,8% Davon: Deutschland 9,4%
Italien 5,0% Polen 3,3%
Polen 3,0% Italien 2,8%
GUS gesamt 26,2% GUS gesamt 51,3%
Davon: Russland 18% Davon: Russland 40,7%
Türkei 5,7% Turkmenistan 6,7%
USA 4,6% Sonstige 14,7%
Sonstige 33,6%
Quelle: Bundesinstitut für Außenwirtschaft, www.bfai.de
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Tabelle 3: Ausländische Direktinvestitionen in der Ukraine (akkumuliert)
1.1.2003 1.1.2004 1.1.2005 1.1.2006 1.1.2006
In Mrd. US-
Anteil Anteil Anteil Anteil
Dollar
Deutschland 5,8% 6,6% 7,6% 33,6%1 5,51
Zypern 12,3% 11,7% 12,4% 9,5% 1,6
Österreich 3,9% 3,8% 4,1% 8,7% 1,4
USA 16,3% 16,1% 13,8% 8,4% 1,4
Großbritannien 9,8% 10,3% 10,7% 7,1% 1,2
Russland 5,9% 5,7% 5,5% 4,9% 0,8
Niederlande 7,2% 7,0% 6,6% 4,4% 0,7
Virgin Islands (British) 6,3% 5,7% 6,5% 4,2% 0,7
Schweiz 5,0% 4,8% 4,9% 2,7% 0,4
Polen 1,8% 2,3% 2,3% 1,4% 0,2
Ungarn 1,5% 1,9% 2,1% 1,2% 0,2
Republik Korea 3,1% 2,6% 2,1% 1,1% 0,2
Andere Länder 16,5% 17,0% 21,4% 12,8% 2,1
Gesamt 100% 100% 100% 100% 16,4
Anmerkung: 1 Die Zahlen für Deutschland enthalten den Erwerb des ukrainischen Stahlwerkes KryvorizhStal durch die Mittal Steel
Germany GmbH, eine Tochterfi rma der indischen Mittal Stahlholding, im Herbst 2005. Der Kaufpreis betrug 4,8 Mrd. US-Dollar.
Quelle: Ukrainisches Staatliches Komitee für Statistik, http://www.ukrstat.gov.ua/
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d
n
utschla 2.740,6 2.335,5 28.303 1,5% 4,8% 8,7% 2,5% 38% 33% - 1,3% 6,0% 3,2% 7.258 0,16 9,3% 0% 36,9% 78,7 0,006%
e
D
Polen 242.3 495.4 12.974 4,0% 5,8% 4,5% 0,6% 39% 41% 5,2% k.A. 1,2% 3.702 0,22 17,8% 10% 42,2% 74,3 0,032%
)
4
0
len (20 Russland 581.4 1.424,4 9.902 - 0,6% 3,7% 3,3% 1,3% 35% 22% 2,1% 31,0% 5,9% 6.303 0,53 8,7% 53% 46,6% 65,4 0,160%
h
a
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n
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K
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a
r
t
n
e
ich: Z Ukraine 64.8 303.4 6.394 - 3,2% 4,6% 3,8% 1,2% 61% 54% 2,6% 2,0% 1,3% 3.683 0,53 8,6% 25% 37,5% 66,1 0,151%
e
l
g
r
e
V
m
Tabelle 4: Ukraine, Russland und EU-Länder i Produktion BIP in Mrd. US-Dollar BIP in Mrd. US-Dollar (Kaufkraftparität) BIP pro Kopf in US-Dollar (Kaufkraftparität) BIP-Wachstumsrate 1990–2004, pro Jahr Geld und Finanzen Staatsausgaben für Bildung (als Anteil am BIP) (2002–2004) Staatsausgaben für das Gesundheitswesen (als Anteil am BIP) (2003–2004) Ausgaben für Forschung & Entwicklung (als Anteil am BIP) (2000–2003) Außenwirtschaft Exporte (als Anteil am BIP) Importe (als Anteil am BIP) Ausländische Direktinvestitionen (als Anteil am BIP) Anteil an den weltweiten Rüstungsexporten (2001–2005) Ökologie -Ausstoß (2003)Anteil am weltweiten CO2 Stromverbrauch pro Kopf (in Kwh) (2003) Energieverbrauch pro BIP-Einheit (Kaufkraftparität) (2003) Soziales Arbeitslosenquote (2005) Bevölkerungsanteil mit einem Tageseinkommen von weniger als 4 US-Dollar (1996–99) Anteil der reichsten 20% am Gesamtkonsum Gesundheit Lebenserwartung Anteil der Tuberkulose-Kranken an der Bevölkerung Quelle: UNDP Human Development Report 2006
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Dokumentation
Kommentar von Ministerpräsident Viktor Janukowitsch zur
außenpolitischen Orientierung
Die Entscheidung der Ukraine: nach Europa
Im Verlauf der europäischen Geschichte ist mein Land, die Ukraine, in westlichen Hauptstädten sehr missverstanden
worden. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es „die Okraina“ genannt, was wörtlich das Grenzland zwischen
der europäischen Zivilisation und einem fernen und unergründlichen Russland bedeutete. Es gibt vielleicht viele Men-
schen in Europa, die uns immer noch so sehen, aber in Wirklichkeit hat sich in der Ukraine einiges verändert, in einem
Maße, das sogar diejenigen von uns erstaunt, die eine Rolle beim Zustandekommen dieser Veränderungen gespielt
haben.
Am 2. August [2006] haben der Präsident der Ukraine Viktor Juschtschenko und ich zusammen mit anderen
führenden Politikern eine Erklärung der Einheit unterzeichnet, von der wir glauben, dass sie der Grundstein einer
modernen Ukraine sein wird. Diese Erklärung wird eine Blaupause für die Regierung und eine Richtlinie für die
Reformen, denen wir verpfl ichtet sind, darstellen. Zu den Hauptpunkten dieser Erklärung gehören:
• Wirtschaftsreformen. Unsere Bürger haben den Anschluss an die wirtschaftliche „Schocktherapie“ und die da-
rauff olgende Welle des Reichtums, die Osteuropa seit 1989 überschwemmt hat, verpasst. Wir haben gesehen, was
Steuersenkungen, die Sicherung von privatem Reichtum und Liberalisierung des Handels für unsere Nachbarn in
Europa getan haben. Unsere Regierung wird pro-Business sein und verpfl ichtet sich, eine Wirtschaft aufzubauen,
die auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig ist. Unser erster Schritt auf diesem Weg wird die Annahme von
Gesetzen sein, die nötig sind, um der Welthandelsorganisation (WTO) beizutreten.
• Politischer Pluralismus. Die Kompetenzen unserer Regierung sind fair aufgeteilt und spiegeln das Ergebnis der
Parlamentswahlen im März getreu wider. Die Partei Juschtschenkos – Unsere Ukraine – stellt weiterhin den
Präsidenten und die Minister für Äußeres, Verteidigung, Innere Angelegenheiten und den Nationalen Sicherheitsrat.
Meine Partei, die Partei der Regionen, stellt den Premierminister und die Mehrheit der Minister insgesamt (sie
konzentrieren sich sehr auf die Wirtschaft). Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Alexander Moros, ist
Parlamentssprecher und Mitglied der regierenden Koalition. Meine politische Gegnerin Julia Timoschenko ist
Chefi n des größten Oppositionsblocks im Parlament und ist jetzt schon Kandidatin für die Präsidentenwahlen
2009. Das Parlament mag manchmal etwas lärmvoller sein als der Kongress der USA, ist aber nicht weniger re-
präsentativ.
• Konstruktive Beziehungen zu Russland und wo immer möglich eine Ausweitung der Kooperation. Wir glau-
ben, dass das Hauptprinzip sowohl der Th eorie des freien Handels wie auch der Diplomatie Respekt für den
politischen Charakter und die souveräne Unabhängigkeit anderer Staaten ist. Wir glauben, dass diese Prinzipien
unsere Beziehungen zu Russland bei einer Reihe von bilateralen Th emen leiten werden, darunter auch unsere
Verhandlungen über Energiesicherheit und grenzüberschreitende Investitionen.
Präsident Juschtschenko und ich sind uns außerdem einig, dass die Ukraine sich für Europa ausgesprochen hat
und enge Beziehungen zu allen europäischen und euro-atlantischen Institutionen pfl egen wird. Mit der Europäischen
Union arbeiten wir an einem Aktionsplan für Reformen unter den Auspizien der Europäischen Nachbarschaftspolitik,
die, wie wir hoff en, zu Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine führen
wird. Mit den USA entwickeln wir einen Aktionsplan über Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption und zu
einer Reform der Justiz, mit Hilfe von Fördermitteln der Millenium Challenge Corporation. Darüber hinaus haben
wir uns verpfl ichtet, unsere aktive Zusammenarbeit mit der NATO fortzusetzen.
Da unsere Beziehungen zur NATO zu einiger Verwirrung geführt haben, möchte ich mich klar ausdrücken. Der
Präsident und ich haben für Gesetze gesorgt, die die Beteiligung von ukrainischen Truppen an NATO-Manövern
erlauben, in der Ukraine und anderswo. Wir beabsichtigen eine Verteidigungsreform. Wenn aber eine Einladung aus-
gesprochen wird, werden wir ein Referendum abhalten, bei dem das ukrainische Volk seine Wahl treff en kann. Was
immer auch in dieser Hinsicht geschieht, es sollte keinen Zweifel an der europäischen Ausrichtung unserer Nation
geben.
Zu guter Letzt ist und bleibt die Ukraine ein Land mit großer Vielfalt. Wir haben den größten jüdischen
Bevölkerungsanteil in Europa. Ich habe viele enge Freunde, die Anhänger des islamischen Glaubens sind, und wir
haben zahllose christliche Konfessionen, darunter mindestens drei orthodoxe Konfessionen.
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Wie Kanada und die Schweiz sprechen wir zwei Sprachen, ukrainisch und russisch. Ich komme aus der Ostukraine,
wo die Muttersprache vieler Menschen russisch ist. Auch dies ist ein Quell für Missverständnisse gewesen. Manche
Menschen haben angedeutet, dass der kulturelle Einfl uss Russlands und der sprachliche Hintergrund von Menschen
wie mir Beweis dafür sind, dass die Partei der Regionen pro-russisch ist. Sie ist es nicht. Die Tatsache, dass spanisch-
sprechende Amerikaner Mitglieder der Republikanischen und Demokratischen Partei sind, führt nicht dazu, dass
diese Parteien pro-spanisch oder „für“ sonst irgendein anderes Land sind. Gleichermaßen sollte das amerikanische
Volk nicht glauben, dass meine Partei, und im Grunde jede Partei, die sich an der ukrainischen Politik beteiligt, nicht
völlig der kulturellen Einheit und politischen Unabhängigkeit einer souveränen ukrainischen Nation verpfl ichtet
ist.
Übersetzung aus dem Englischen: Matthias Neumann
Quelle: Persönliche Website von Viktor Janukowitsch, http://www.ya2006.com.ua/eng/press-center/digest/4524d5f40f5e1/
veröff entlicht in der Washington Post vom 5. Oktober 2006, Seite A33
Kommentar
Postkommunistische politische Kultur als Hindernis auf dem Weg zur
Demokratie
Von Gerhard Simon, Köln
Die Demokratie hat sich in den Ländern Ostmitteleuropas rascher durchgesetzt als in der Ukraine, obwohl
auch in Polen Züge postkommunistischer Mentalität off ensichtlich sind. In Russland wird das Ziel der
Integration nach EU-Europa von einer deutlichen Mehrheit der politischen Klasse abgelehnt. Die Ukraine
befi ndet sich also in einer Art Äquidistanz zwischen Russland und Polen; das ist ja auch der historische Ort,
von dem sie herkommt.
Wie ist die Orangene Revolution unter der hier der Idee von der Einheit. Die Demokratie lebt aber
behandelten Fragestellung einzuordnen? Sie war von Diff erenzierung und Konfl ikt; nur unter dieser
eine Bürgerbewegung mit einer breiten gesellschaftli- Voraussetzung können nämlich Präsidenten und
chen Basis und ein großer Schritt nach vorn auf dem Parlamente abgewählt werden, darin besteht schließ-
Weg zur Demokratie. Sie hat allerdings lich eine zentrale Funktion der
nicht zu einem Wechsel der politischen Unter postkommunistischer Demokratie. In der Ukraine wird
und wirtschaftlichen Eliten geführt. Kultur werden hier mentale demgegenüber der Idee der Einheit–
Inzwischen haben diejenigen, gegen Prägungen und Verhaltensweisen häufi g in manipulatorischer Absicht
die sich die Orangene Revolution ge- der politischen Akteure verstan- – eine weit überzogene Bedeutung
richtet hatte, eine Mehrheit im Par- den, die am besten als Erbe aus der beigemessen.
lament und sie stellen die Regierung. kommunistischen und vorkom- Im Präsidentschaftswahlkamp
Der Verlierer der Orangen Revolution munistischen Zeit erklärt werden f 2004 hatte Viktor Janukowitsch
scheint paradoxerweise Präsident Vik- können. Demokratie wird in vorgeschlagen, Juschtschenko solle
tor Juschtschenko zu sein, obwohl er diesem Zusammenhang defi niert Präsident werden, und er werde
von ihr in das Präsidentenamt getragen als das von den Akteuren in der Ministerpräsident bleiben, dann
wurde. Die Kluft zwischen den Regie- Ukraine selbst gewählte Ziel der würde man zusammen eine Einheit
renden und den Regierten besteht fort, Anpassung und der Übernahme bilden. So ist es auch gekommen, was
die Gesellschaft bzw. die Wähler sind von normativen politischen Werten allerdings während der Orangenen
in ihrer Mehrheit weiter auf dem Weg und Institutionen, wie sie in EU- Revolution niemand für möglich
der Demokratie vorangeschritten als Europa als Leitbilder gelten. gehalten hatte. Juschtschenko sei-
große Teile der politischen und wirt- nerseits hat in einem „Universal“
schaftlichen Eliten. Anfang August 2006 versucht, alle
Im Folgenden werden einige Beispiele für das politischen Kräfte auf eine einheitliche Linie fest-
Fortbestehen überkommener Mentalitäten und zulegen, obwohl alle wissen müssen, dass ein solches
Verhaltensweisen skizziert: „Universal“ keine rechtlich bindende Wirksamkeit
1. Es gibt eine beinahe religiöse Hypostasierung hat.
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Die zweifellos realen regionalen Zerklüftungen der 5. In ähnlicher Weise gibt es auch keine Trennung
Ukraine können nicht durch die Idee von der Einheit von Politik und Wirtschaft. Die Orange Revolution
überwunden werden, weil diese Idee eben nicht real, hatte hehre Versprechungen gemacht; sie haben sich
sondern eine Chimäre ist, die das Land auf dem Weg nicht realisieren lasse. Dabei überzieht die Wirtschaft
der Demokratie nicht voranbringt. sowohl die Legislative wie die Exekutive mit einem
2. Wenn die Einheit die Voraussetzung und das undurchschaubaren Netz von Lobbyaktivitäten und
Ziel politischen Handelns ist, dann ist Opposition Korruption. Zwar bleiben Wirtschaft und Politik stets
überfl üssig. In der Tat gilt Opposition noch immer und auch in westlichen politischen Ordnungen auf-
als etwas Widernatürliches, wenn auch nicht mehr einander bezogen. Was aber in einem demokratischen
als Verrat und kriminelles Delikt wie in der kom- System gefordert werden muss, ist Transparenz.
munistischen Vergangenheit. Zwar hat der Block Gewaltenteilung ist eine der großen
Julia Timoscheko sich nach dem Ende der orangenen Errungenschaften der westlichen Demokratie. Sie in
Koalition im Parlament beherzt und entschlossen zur der Ukraine zu verankern, bleibt eine Aufgabe der
Opposition erklärt, zugleich aber ein Gesetzprojekt ein- Zukunft.
gebracht, das mit einer detaillierten Quotenregelung 6. Zum postkommunistischen Erbe gehört auch
eine Art Mitregierung der Opposition verlangt. Wie ein Hang zur Superdemokratie. Die Schüler wollen die
kann eine Opposition Alternative sein, wenn sie mit- Meister übertreff en, häufi g erweist sich das jedoch als
regiert? Flop. Ein Beispiel ist die Einführung einer prozentua-
Die Vorstellung, dass Regierung und Opposition len Mindestbeteiligung bei Wahlen. Das hat dazu ge-
gleichberechtigte Voraussetzungen in einem demo- führt, dass sich Nachwahlen manchmal über Jahre hin-
kratischen Ordnungsgefüge sind, aber ganz unter- zogen, weil die erforderliche Mindestwahlbeteiligung
schiedliche Funktionen zu erfüllen haben, muss sich nicht zustande kam. Inzwischen wurden diese
erst noch in den Köpfen durchsetzen. Bestimmungen in den Wahlgesetzen abgeschaff t.
3. Die Missachtung und der Missbrauch von 7. Im Zusammenhang mit superdemokratischen
Prozeduren und Regeln durch die politischen Akteure Bestimmungen steht die Tendenz, Fehlentwicklungen
sind weit verbreitet. Im Parlament werden Stimmen durch den Rekurs auf das andere Extrem ent-
von Abgeordneten abgegeben, die gar nicht anwesend gegenzusteuern. Ein Beispiel dafür bietet das neue
sind. Der Parlamentsvorsitzende lässt Abstimmungen Wahlgesetz. Weil die politischen Parteien nicht in der
so oft wiederholen bis das gewünschte Ergebnis he- Gesellschaft verankert sind, wurde das Wahlrecht auf
rauskommt. ein reines Verhältniswahlrecht umgestellt, das nun of-
Die Verchovna Rada hat ihre formale Pfl icht zur fenbar ein Spektrum von Parteien hervorbringen soll.
Vereidigung der Verfassungsrichter dazu missbraucht, Auch die jetzt wirksam gewordenen
die Tätigkeit des Verfassungsgerichts seit dem Sommer Verfassungsänderungen enthalten Bestimmungen,
2005 lahmzulegen, weil der Parlamentspräsident die mit einer Art Overkill früheren Missbrauch ab-
die Vereidigung der Verfassungsrichter nicht auf die schaff en sollen. So verbietet die revidierte Verfassung
Tagesordnung setzte. faktisch den Austritt von Abgeordneten aus ihrer
Regionale und kommunale Parlamente verabschie- Parlamentsfraktion, er führt zum Verlust des Mandats.
den Normativakte über Sachverhalten, die nicht in Generell setzt die Verfassungsreform einen gefestigten
ihre Kompetenz fallen, z. B. die Sprachenfrage oder Parlamentarismus voraus, den es nicht gibt und den
die Verteidigungspolitik. die Reform erst noch schaff en müsste.
4. Die Unabhängigkeit der Justiz wird off en in Frage 8. Nach allgemeiner Ansicht sind kommunis-
gestellt. So verabschiedete das Parlament im August tische und postkommunistische Mentalitäten und
2006 ein Gesetz, wonach dem Verfassungsgericht Verhaltensweisen im Osten stärker prägend als im
untersagt wird, die Verfassungsmäßigkeit der Westen und in der Zentralukraine. Eine detaillierte
Verfassungsänderungen vom Dezember 2004 zu prü- Forschung müsste diesen Sachverhalt erhärten, der als
fen. Hypothese plausibel erscheint.
Eingriff e der Exekutive in staatsanwaltliche
Ermittlungen sind gang und gäbe. Deshalb ist es nicht Wie kann das postkommunistische Erbe über-
gelungen, auch nur einen einzigen großen Fall von wunden und der Weg in eine demokratische Zukunft
Wirtschaftskriminalität aus der Kutschma-Ära vor erleichtert werden? Eine wichtige Voraussetzung
Gericht zu bringen. Die Ausnahme bildet der ehema- dafür wäre zu allererst die Einsicht, dass es sich
lige Ministerpräsident Lazarenko, der in der Schweiz um Fehlentwicklungen handelt und dass sie einer
und in den USA wegen Geldwäsche verurteilt wurde. Korrektur bedürfen. Die Orange Revolution hatte in
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