D E U T S C HE A K A D E M IE DER W I S S E N S C H A F T EN ZU B E R L IN SCHRIFTEN DER SEKTION FÜR ALTERTUMSWISSENSCHAFT 6 ÜBER JAHRESPUNKTE UND FESTE INSBESONDERE DAS WEIHNACHTSFEST VON WILHELM HARTKE 1956 A K A DE M I E - V E R L AG . B E R L IN Wilhelm Hartke ist Mitglied der Sektion für Altertumswissenschaft Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Redaktor dieses Bandes: Gisela Arnberg Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin W 8, Mohrenstraße 39 Lizenz-Nr. 202/100/505/56 Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer'1 Bad Langensalza Bestell- und Verlagsnummer: 2067/6 - Printed in Germany Inhalt Einleitung: Der 84jährige Ostercyclus als Vorlage der 112jährigen Osterperiode des Hippolytos; sein Ursprung in Antiochia 7 I. Die Jesus-Chronologie des Theophilos von Antiochia und ihre Wirkungen 13 II. Die Jesus-Chronologie des Clemens Alexandrinus 18 III. Umrechnungen zwischen dem festen und dem wandelnden ägyptischen Kalender im Clemenstext und beiEpiphanios; ein Hemerologion des alex- andrinischen Bischofs Dionysios als deren Grundlage 21 IV. Die Jesus-Chronologie der ägyptischen Basilidianer; ihr Fest der Genesis des Christus in der Taufe am 11. Tybi 27 V. Daten und Festgedanken heidnisch-ägyptischer Feste 31 1. der 11. Tybi = 6. Januar der Tag eines alten Osirisfestes und des städtischen Alexander-Aion-Festes am Sarapeion in Alexandria . . . 31 2. Der 1. Tybi = 27. Dezember der Tag des eponymen Reichskultes am Heroon und am Grabe Alexanders in Alexandria 37 3. Der 29. Chojak = 25. Dezember der Tag der Kykellia-Kikillia = „Riten der Isis" = Isia 39 4. Das Tempelweihfest in Jerusalem am 25. Dezember 48 VI. Das christliche Epiphanienfest am 11. Tybi = 6. Januar 50 1. Bei den gnostischen Basilidianern 50 2. In der alexandrinischen Großkirche; seine dogmatische Grundlage und seine Festgedanken 51 3. Seine Einführung durch den alexandrinischen Bischof Dionysios im Einverständnis mit dem römischen Bischof Dionysius um die Mitte des dritten Jahrhunderts 55 VII. Das Weihnachtsfest am 25. Dezember 62 1. Interpretation der Daten des Danielkommentars, der Ostertafel und der Chronik des Hippolytos 62 2. Einführung des Festes durch Hippolytos als Protest gegen die von Kaiser Heliogabalus (218—222) aufgezwungene Reichsfeier des Sol am 25. Dezember und zur Bekämpfung der seit langem der Kirche ge- fährlichen Isia-Kikillia am 25. Dezember 70 4 Inhalt 3. Das Weihnachtsfest das ältere Geburtsfest Christi. Das Epiphanien- fest der Gegenzug der Großkirche gegen das Weihnachtsfest der Sepa- ratisten 73 4. Fortführung des Weihnachtsfestes durch Novatianus und dessen separierte Gemeinden 73 5. Der Traktat De pascha computus 74 6. Der Traktat De solstitiis et aequinoctiis 75 7. Das Weihnachtsfest bei den Donatisten 76 8. Der Chronograph von 354 76 a) Der 29. Juni und der 22. Februar als Protestfeiern gegen den durch die Millenniumsfeier im J. 248 belebten Quirinuskult eingeführt durch Novatianus 77 b) Der novatianische Grundstock der Depositio martirum im Chrono- graphen von 354 mit dem 25. Dezember als Anfang des Kirchen- jahres 85 c) Die vier Entwicklungsstadien des Chronographen 88 9. Das Bündnis des Athanasios mit den Novatianern auf Grund des ho- mousios-Bekenntnisses 95 10. Vorübergehende Anerkennung des Weihnachtsfestes durch Kaiser Constantius im J. 360 95 11. Verbreitung des Festes im Westen durch Bischof Damasus von Rom 96 12. Versuch des Epiphanios, den 6. Januar als Geburtsfest zu halten und die Taufe Christi am 8. November zu feiern 96 13. Verbreitung der seit Damasus begründeten Kombination: Geburtsfest am 25. Dezember und Epiphanienfest am 6. Januar im Osten, zuerst in Konstantinopel, dann Antiochia u. w 98 14. Träger der Propaganda des Weihnachtsfestes auch im Osten die im Proletariat verwurzelten Novatianer 98 Schluß: Über die allgemeine Bedeutung der Novatianer. Ausblick auf die Gegenwart 102 Verzeichnis der Abkürzungen RE PAULY-WissoWA- KROLL-ZIEGLER Realenzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft GdAK Geschichte der alten Kirche ZNW Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft ARW Archiv für Religionswissenschaft RhM Rheinisches Museum für Philologie ThLZ Theologische Literaturzeitung RAC Reallexikon für Antike und Christentum. N Nilsson, Geschichte der griechischen Religion, München 1950 H Hopfner, Plutarch über Isis und Osiris, Prag 1941 Us. Usener, Das Weihnachtsfest, 2. Aufl., Bonn 1911 Einleitung Der heutige Stand der Forschung über das Geburtsfest Jesu am 25. De- zember und über Epiphanias ist von L. FENDT in der Theol. Literatur- zeitung 1953, Nummer 1, gezeichnet worden. Um sie weiterzuführen, möchte ich von einem Ostercyclus ausgehen, dem sogenannten 84jährigen Cyclus, der nach E. SCHWAKTZ, Christliche und jüdische Ostertafeln, Abhdlg. d. Göttinger Ges. d. Wiss. N. F. 8, 6, S. 44. schon im J. 243 in Rom gebraucht wurde. Der in diesem Jahre schreibende Verfasser der pseudocyprianischen Schrift De pascha computus (der „Komputist von 243") polemisiert gegen die Ansetzung des Schaltmonats vor dem römischen Neujahr, ferner gegen die Epaktenrechnung und die Ansetzung der Ostervollmondgrenzen auf den 15. März und den 13. April, welche drei Momente unter sich zusammen- hängenund alle für den 84j ährigen Cyclus charakteristisch sind (E. SCHWARTZ, a. 0. S. 40). Die Begriffe „Epakte" und „Ostergrenzen" sollen vorab geklärt werden. Das aus zwölf natürlichen Mondmonaten zusammengesetzte Mondjahr von 354 Tagen ist um elf Tage kürzer als das Sonnenjahr von 365 Tagen. Neh- men wir an, daß in einem Jahr x das Mondjahr und das Sonnenjahr beide am 1. Januar beginnen, so ist das Mondjahr mit seinen zwölf Mondmonaten schon am 20. Dezember abgeschlossen. Der Neumond am 21. Dezember, der den ersten Monat des neuen Mondjahres beginnt, hat dann am folgen- den 1. Januar, dem Beginn des neuen Sonnenjahres, schon das Mondalter oder die Epakte 12. Von diesem 1. Januar aus kann man den folgen- den Neumond berechnen nach der Formel: 1 plus (30 minus e), wobei e die Epakte bedeutet; in unserem Falle, wo e = 12 ist, kommt heraus: 1 plus 30 minus 12 = 19. Januar. Suche ich den darauf folgenden Voll- mond, so rechne ich 14 Tage hinzu, also 19 plus 14, und finde 33 oder unter Weglassung der 31 Tage des Januar den 2. Februar. Dieser wie jeder Vollmondtag ist und heißt „der vierzehnte Tag des Mondes" = XIV lunae. Wir haben gesehen, daß im angenommenen Jahre x die Epakte oder das Mondalter des 1. Januar = 1, im folgenden Jahre = 1 plus 11 = 12 war; in den weiter folgenden Jahren wäre sie 12 plus 11 = 23, dann 23 plus 11 = 34 oder unter Weglassung eines Mondmonats von 30 Tagen = 4, weiter = 15, weiter 26, dann 7 und so fort. Die Epakte kann alle Zahlen von 1 8 WILHELM HABTKE bis 30 durchlaufen. Mit jedem Jahre wächst die Epakte des 1. Januar um elf Tage; nur nach je zwölf Jahren „springt" sie einmal um 12 (statt 11), weil sonst die cyclischen, d. h. nach dem Epaktencyclus berechneten Neu- monde hinter den wirklichen astronomischen zurückbleiben würden; das nennt man den saltus lunae; solche sind im Verlaufe von 84 Jahren sechs- mal nötig. Auf 84 Jahre aber ist der Cyclus deshalb gestellt, weil nach 84 Jahren infolge der Epaktenrechnung zusammen mit den sechs saltus der 1. Januar dieselbe Epakte 1 hat, wie im ersten Jahre des Cyclus, und weil zugleich nach zwölfmal sieben Jahren derselbe Sonntagsbuchstabe wie im ersten Jahre des Cyclus auftritt, d. h. der 1. Januar wieder auf den- selben Wochentag (dieselbe feria) fällt, wie im ersten Jahre des Cyclus; so kann dann der Cyclus „von vorn" beginnen. Um die Ostervollmondgrenzen zu verstehen, die vom März-Neumond aus berechnet werden, muß man sich klar machen, daß ein Mondumlauf etwas mehr als 29 und etwas weniger als 30 Tage beträgt; man läßt deshalb „volle" Monate von 30 und „hohle" von 29 Tagen abwechseln. Je ein voller und hohler zusammen ergeben die (leidlich) richtige Summe der Tage von zwei Mondmonaten. 59 Tage zusammen zählen aber auch im gemeinen Sonnen- jahre die beiden Monate Januar = 31 Tage und Februar = 28 Tage. Folg- lich steht an jedem 1. März der Mond genau so wie am 1. Januar desselben Jahres. Uns interessiert der März-Neumond, von dem aus die Vollmond- Ostergrenzen berechnet werden. Wie die Epakten des 1. Januar = 1. März zwischen den Grenzen 1 und 30 verlaufen, so erhält man auch Grenzen, eine vordere und eine hintere, des März-Neumondes und des von diesem aus berechneten Ostervollmondes: Ist die Epakte des 1. Januar bzw. des 1. März = 1, so fällt der März-Neu- mond nach der Formel 1 plus 30 minus (Epakte) 1 = 30 auf den 30. März, der Ostervollmond 14 Tage später, also auf den 13. April. Ist die Epakte des 1. Januar bzw. des 1. März = 30, so fällt der März- Neumond nach der Formel 1 plus 30 minus 30 auf den 1. März (und wieder auf den 31. März). Vom 1. März aus gerechnet, fällt der Ostervollmond 14 Tage später auf den 15. März. Der 15. März ist die vordere, der 13. April die hintere Ostergrenze. Das gilt für den 84jährigen Cyclus, weil dieser einzig auf der Epaktenrechnung aufgebaut ist. Da der „Komputist von 243" die Epaktenrechnung und die aus ihr ab- geleiteten Ostergrenzen bestreitet, ist der 84jährige Cyclus älter als 243. Ist er auch älter als die Ostertafel des Hippolytos, die aus dem Jahre 222 stammt ? Hippolytos oder einer seiner astronomisch interessierten Freunde hat eine 112jährige Osterperiode, bestehend aus sieben Cyclen zu je 16 Jahren oder sieben Sedecennitates entwickelt. Nach E. Schwartz soll der oben dar- Einleitung 9 gestellte 84jährige Cyclus von der 112jährigen Osterperiode des Hippolytos abhängig sein (a. 0. S. 41 und 43). Diese Meinung stützt E. Schwartz mit zwei Gründen: Der siebenmal zwölfjährige Cyclus werde aus der sieben- mal 16jährigen Osterperiode abgeleitet sein, weil die Siebenzahl in beiden die wichtige Rolle spiele — aber das Moment der Siebenzahl allein läßt sich ebensogut für die umgekehrte Ableitung geltend machen. Zweitens habe der saltus lunae, der in 84 Jahren sechsmal nötig ist, im 84j. Cyclus alle 14 Jahre stattfinden können, tatsächlich aber finde er alle zwölf Jahre sechsmal hintereinander statt und unterbleibe beim siebten Male; das sei ein Beweis dafür, daß der 84j. Cyclus ohne inneren Grund, nur aus Nach- ahmung in sieben Gruppen eingeteilt sei — aber der saltus lunae kann doch nicht Strukturprinzip eines Ostercyclus sein, da der saltus nur eine Neben- erscheinung der Epaktenrechnung ist. Es muß gefragt werden, welche Rolle die Epaktenrechnung beim 84j. Cyclus und bei der 112j. Osterperiode spielt und ob sich Indizien finden lassen, die beweisen, daß die Epakten- rechnung bei dem einen Partner ursprünglich ist, bei dem andern nicht. Ein aus E. SCHWARTZ, Ostertafeln S. 35 und 46 ff entnommenes Schema möge die erste Sedecennitas der seit dem J. 222 laufenden Osterperiode des Hippolytos, also die Gruppe der 16 Jahre 222—237, sowie die ersten Jahre der zweiten Sedecennitas darstellen und deren Beziehungen zum 84j. Cyclus aufweisen; die Erklärung folgt. Jahre d. Jahre d. XIV lunae Epakte XIV lunae Das Datum des 112j. C. 112j. C. 84j. C. d. 84j. C. d. 112j. C. verglichen mit d. 84j. C. 1. 1. 13. IV. 1 13. IV. 222 = 2. 2. 2. IV. 12 2. IV. 223 = 3. 3. 22. III. 23 21. III. 224 minus 1 (julian. Schaltj.) 4. 4. 10. IV. 4 9. IV. 225 minus 1 5. 5. 30. III. 15 29. III. 226 minus 1 6. 6. 19. III. 26 18. III. 227 minus 1 7. 7. . 7. IV. 7 5. IV. 228 minus 2 (julian. Schaltj.) 8. 8. 27. III. 18 25. III. 229 minus 2 9. 77. 11. IV. 3 13. IV. 230 plus 2 10. 78. 31. III. 14 2. IV. 231 plus 2 11. 79. 20. III. 25 21. III. 232 plus 1 (julian. Schaltj.) 12. 80. 8. IV. 6 9. IV. 233 plus 1 13. 81. 28. III. 17 29. III. 234 plus 1 14. 82. 17. III. 28 18. III. 235 plus 1 15. 83. 5. IV. 9 5. IV. 236 = (julian. Schaltj.) 16. 84. 25. III. 20 25. III. 237 =