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Über Elite PDF

322 Pages·2008·1.49 MB·German
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Über Elite Form und Funktion von Elite-Kommunikation in der Gesellschaft der Gegenwarten Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München vorgelegt von: Christine Kestel im März 2008 Erstgutachter: Prof. Dr. Armin Nassehi Zweitgutachterin: Prof. Dr. Paula-Irene Villa Disputation am 16.07.2008 Nebenfachprüfer: Prof. Dr. Dr. h. c. Lutz von Rosenstiel 2 Inhalt 1. Zirkuläre Gedanken zu elitären Zirkeln....................................................7 1.1. Problemstellungen der Elitedebatte...........................................................9 1.2. Ziele und Inhalte dieser Arbeit.................................................................12 2. Elitebegriff und Eliteforschung.................................................................16 2.1. Elite als Forschungsgegenstand................................................................17 2.1.1. Multi vocati sunt, pauci electi sunt: Begriffsgeschichte.........................................22 2.1.2. Eine Vorstellung von Perfektion: Elite als Idealtyp................................................24 2.1.3. Ordnungsbemühungen: Systematisierung des Begriffs.........................................32 2.2. Genese der Elitedebatte..............................................................................46 2.2.1. Vergangenheit: Elite als Naturgewalt.......................................................................46 2.2.2. Gegenwart: Elite als Verhandlungsgegenstand......................................................58 2.3. Problemfelder der Eliteforschung.............................................................70 2.3.1. Fragen nach der Legitimität von Eliten: Demokratie vs. Elite...............................72 2.3.2. Gesellschaft als Bezugspunkt: Differenzierung vs. Integration............................80 2.3.3. Sichtbarkeit als Notwendigkeit: Prominenz vs. Elite.............................................83 2.4. Thematisierung von Elite als Krisenindikator........................................89 3. Gesellschaftstheorien und die Frage nach Elite......................................95 3.1. Émile Durkheim und Thomas Schwinn: Differenzierung als Problem..........................................................................................................98 3.1.1. Émile Durkheim: Erhalt der Gemeinschaft trotz Differenzierung........................99 3.1.2. Thomas Schwinn: Gesellschaft umfassend theoretisch abbilden........................102 3.1.3. Steuerungschancen in einer differenzierten Gesellschaft....................................108 3.2. Ulrich Beck: Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe.............112 3.2.1. Die Unübersichtlichkeit der Weltrisikogesellschaft..............................................113 3.2.2. Schicksalsgemeinschaft Weltgesellschaft...............................................................116 3.2.3. Wer gestaltet die Zukunft und wer rettet die Gegenwart?..................................119 3.3. Hartmut Rosa: Die Zeit läuft uns davon................................................123 3.3.1. Kontrollverluste in der beschleunigten Moderne.................................................123 3.3.2. Steuerungschancen in verkürzten Gegenwarten..................................................127 3.3.3. Wer steuert die beschleunigte Moderne?...............................................................128 3 3.4. Dirk Baecker: Die Manager der Netzwerkgesellschaft........................131 3.4.1. Gesellschaft als Netzwerk........................................................................................132 3.4.2. Akteure der Netzwerkgesellschaft..........................................................................133 3.4.3. Wie ist postheroische Steuerung möglich?............................................................136 3.5. Armin Nassehi: Differenzierungsparasiten in Gegenwarten............140 3.5.1. Gesellschaft der Gegenwarten.................................................................................141 3.5.2. Differenzierungsparasiten an Schnittstellen..........................................................144 3.5.3. Findet Steuerung in Entscheidungen statt?...........................................................147 3.6. Fazit: Gesellschaftstheorie und Elitebegriff dieser Arbeit...................150 3.6.1. Herausforderungen bei der Beschreibung von Elite und Gesellschaft..............151 3.6.2. Systemtheoretische Beschreibung der Gesellschaft als Gesellschaft der Gegenwarten...........................................................................................153 3.6.3. Elite als performatives Phänomen in Situationen.................................................157 Exkurs: Ontologie spielt (k)eine Rolle, die Illusio zählt.............................161 4. Erkenntnissuche. Methodische Überlegungen.....................................164 4.1. Theoretischer Werkzeugkasten...............................................................166 4.2. Wider den Methodenzwang....................................................................169 4.3. Forschen ohne Geländer...........................................................................174 4.3.1 Unterscheidungen als Erkenntnischance................................................................174 4.3.2. Über die Unmöglichkeit, hinter die Kulissen der Kommunikation zu blicken176 4.3.3. Performanz der Situationen und Inszenierung als Naturzustand......................177 4.3.4. Forschende als Beobachter und ihr Irritationspotential im Feld.........................179 Exkurs: Authentizität. Desiderat der Moderne...........................................181 5. Untersuchungskonzept: Form und Funktion von Elite-Kommunikaton verstehen...................................................................201 5.1. Situationen mit Elite-Kommunikation als Forschungsfeld.................201 5.2. Erhobene Daten.........................................................................................207 5.3. Fragestellungen an das Datenmaterial...................................................207 6. Es spricht die Elite: Analyse der Situationen........................................211 6.1. Situationen als operativ hergestellte Gegenwart..................................212 6.1.1. Über die Funktion von Prominenz..........................................................................213 6.1.2. Elite-Kommunikation in Echtzeit............................................................................218 4 6.1.3. Ausbalancieren der Asymmetrie zwischen Elite und Publikum........................228 6.2. Gegenwart deuten und Zukunft gestalten............................................234 6.2.1. Elite-Kommunikation als Kompass: Orientierung geben....................................234 6.2.2. Diskussionen in der Gesellschaft lenken: Agenda-Setting..................................237 6.2.3. Gesellschaft als Bezugspunkt der Elite-Kommunikation....................................246 6.2.4. Ist Elite-Kommunikation politische Kommunikation?.........................................254 6.2.5. Gestaltung der Gesellschaft durch alle und mit offenem Ausgang....................259 6.3. Neutrale Sprecherpositionen als Voraussetzung.................................259 7. Fazit: Von Herrschaftskommunikation zu Möglichkeitskommunikation.......................................................................270 7.1. Die Adresse der Elite: Wo findet man Elite?.........................................274 7.2. Form und Funktion von Elite-Kommunikation...................................281 7.3. Autonomie aller als Naturzustand.........................................................289 7.4. Elite als Avantgarde..................................................................................295 8. Elite was nun? Abschließende Gedanken.............................................297 Anhang..............................................................................................................300 Liste der Interviewpartner.................................................................................................301 Gesprächsleitfaden ‚Einladende’.......................................................................................302 Gesprächsleitfaden ‚Eingeladene’.....................................................................................304 Transkriptionsregeln und Zitierweise der Interviews...................................................306 Literatur.............................................................................................................307 5 Danke. Ich danke Armin Nassehi für zahlreiche Diskussionen, inhaltlich rich- tungsweisende Hinweise und forschungspraktische Ratschläge. Den Teilnehmern des Colloquium Sociologicum danke ich für anregende Auseinandersetzungen und das beruhigende Gefühl, nicht alleine mit den Herausforderungen einer Forschungsarbeit zu ringen. Meinen Eltern, Rosemarie und Gottfried Kestel, danke ich für Ihren steten Glauben an meine Fähigkeiten und für ihre vielen Hilfestellungen auf meinem Weg. Für kontroverse Diskussionen, kritische Nachfragen und vor allem unein- geschränkte Unterstützung danke ich Frank Solf. Stellvertretend für die vielen Freunde, die mir durch Diskussionen und Korrekturschleifen geholfen haben, möchte ich an dieser Stelle dreien danken: Heike S. Zeller, die das Entstehen dieser Arbeit mit klugen Kom- mentaren konstant begleitet hat, Miriam Sewalski, die viele ertragreiche Fragen an meine Texte gestellt und mich stets ermutigt hat und Jürgen Bätz, der durch einen distanzierten Blick und sein gutes Sprachgespür half, Dinge auf den Punkt zu bringen. München, im März 2008 Christine Kestel 6 1. Zirkuläre Gedanken zu elitären Zirkeln Da die Menschen von Natur aus mehr oder weniger zur Sünde neigen, ist es angebracht, dass die weniger Schuldigen die Führung der Herde wachsam, liebevoll und gehorsam übernehmen. (Georges Duby) Organisationen suchen sie. Die Gesellschaft braucht sie. Ihre Leistungen werden streng beobachtet und ihre Privilegien kritisch beäugt. Die Elite als Kreis ausgewählter Personen, die besonderen Einfluss auf die Entwick- lung einer Gesellschaft haben, steht unter ständiger Beobachtung: Wissen- schaftler1 untersuchen sie, Journalisten schreiben über sie, man spricht über sie, zweifelt an ihren Fähigkeiten – und vertraut doch auf ihre Leis- tungen2. Die „Elite stellt zwar nur eine kleine Gruppe innerhalb der Ge- sellschaft dar, sie ist aber zu wichtig, um sie nur sich selbst zu überlassen“ (Gabriel et al. 2006: 16). Also wendet man sich ihr zu, erforscht sie, kriti- siert sie und stellt Forderungen an sie. Betrachtet man die öffentliche sowie die wissenschaftliche Debatte um Eliten im 20. und 21. Jahrhundert, so lassen sich drei Argumentations- stränge identifizieren, welche die Diskussion prägen. Beklagt wird zunächst ein Mangel an Eliten, wie ihn José Ortega y Gasset schon 1930 formuliert hat: „Es gibt keine Helden mehr; es gibt nur noch den Chor“ (Ortega y Gasset 1957: 72). Die Elite nehme zahlenmäßig ab und damit sänken die Chancen auf gelingende Steuerung der Gesellschaft hin zu einer besseren Zukunft. 1 An Stellen, wo es nicht möglich war, eine geschlechtsneutrale Formulierung zu finden, wird die männliche Form verwendet und schließt die weibliche ein. 2 Zwei zu Beginn 2008 erschienene Bücher spiegeln Eliten-Kritik und die mit Eliten ver- bundenen Hoffnungen wieder. Als Kritik an der bestehenden Elite zu lesen ist Julia Friedrichs’ Buch Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von Morgen (Friedrichs 2008). Positiver gestimmt ist Heike Schmolls Buch Lob der Elite. Warum wir sie brauchen (Schmoll 2008). 7 Alternativ konstatiert man, dass es zwar eine ausreichend große Gruppe gibt, die unter dem Label Elite ansprechbar ist, dass diese jedoch nicht die Erwartungen hinsichtlich der Qualität ihrer Leistung erfüllt. Man moniert Elitenversagen, wenn es darum geht, den Status quo wie auch die Zukunft der Gesellschaft nachhaltig zu verbessern und sieht nur mehr die – augen- scheinlich unverdienten – Privilegien der Elite. Im dritten Argumentationsstrang wird eine wesentlich grundsätzlichere Frage gestellt. Man bezweifelt, dass Elite als Bestandteil der Struktur der Gesellschaft überhaupt mit den Prinzipien einer demokratischen Gesell- schaft vereinbar ist. Man fragt hier also nicht wie Elite sein soll oder ist, sondern ob es Elite geben sollte. „Als der Nobelpreis noch recht jung war, hat sich der erste schwedische sozial-demokratische Premierminister gegen den Preis ausgesprochen, denn der ging gegen das Gleichheitsdenken der schwedischen Sozialdemokratie“ (Jakob von Uexküll in Lau 2003: 102). Es gehört sich nach dieser Demokratieauffassung nicht, besondere Leis- tungen hervorzuheben. Zur demokratischen Verfasstheit einer Gesell- schaft und dem damit verbundenen Ideal von Chancengleichheit passt ebenso wenig die Beobachtung, dass bestimmte Elite-Positionen nicht von allen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit erreicht werden können, son- dern dass etwa eine bestimmte Herkunft einen großen Startvorteil dar- stellt. Alle drei Diskussionsstränge fokussieren auf einen bestimmten Aspekt der Elitedebatte und bei allen ist der Tonfall in der Tendenz kritisch. Ein Lob der Eliten ist selten zu vernehmen. Gerade in dieser kritischen Diskussion schwingen jedoch Erwartungen an Elite als Gestalter, Lenker und Verant- wortungsträger in der Gesellschaft mit. Auch die Forschung zur Elite kommt offensichtlich nicht umhin, wertend Position zu beziehen. Man ist entweder kritisch oder sieht die Elite als naturgegeben an und fühlt sich bemüßigt, ihr Ratschläge zu geben, wie sie ihre Funktion besser erfüllen kann. 8 1.1. Problemstellungen der Elitedebatte In den letzten Jahren erscheinen wieder vermehrt wissenschaftliche Un- tersuchungen zur Elite und auch die öffentliche Diskussion in den Medien ist von nicht geringem Umfang. Ist also schon alles gesagt? Dem ist nicht so, denn es wird zwar vieles über Elite geschrieben, jedoch lassen sich die meisten Texte entlang der oben genannten drei Diskussionsstränge grup- pieren. Grundsätzlich ist im Folgenden von der Debatte in Deutschland die Rede und auch die Untersuchung bewegt sich innerhalb der nationalen Gren- zen. Dies ist der Besonderheit der Elitedebatte in Deutschland3 geschuldet, die wesentlich und anhaltend durch die Diskreditierung des Begriffs in der NS-Zeit geprägt ist. Die Debatte um Elite begann nach dem zweiten Weltkrieg zögerlich, sowohl was die Zahl der Studien anbelangt, wie deren Tonalität. Provokante Fragen wurden wenig verhandelt und das gezeichnete Bild von Elite war nahezu stets ein idealer Entwurf einer Wertelite. Man beschrieb, wie Elite sein sollte und wie ein Ausleseprozess Elite hervorbringen sollte und stellte die geäußerten hohen moralischen Erwartungen an (Chancen-) Gleichheit nicht in Frage. Im Rahmen dieser Arbeit wird Elite von einer systemtheoretischen Per- spektive aus untersucht. Damit bewegt sie sich bewusst außerhalb der gängigen soziologischen Eliteforschung, die sich zumeist unter dem Blickpunkt sozialer Ungleichheit damit auseinandersetzt, wer ab welchem Grad an Reichtum, Bekanntheit oder Macht zur Elite zu zählen ist, wie man an solche Positionen gelangt und welcher Art die Rückbindung an die Gesellschaft ist. Soziologen interessieren sich, wenn sie Elite untersu- chen, typischerweise für Milieustudien oder für Fragen sozialer Ungleich- heit wie etwa die Frage nach Aufstiegsmöglichkeiten in die Elite oder die Frage nach der Verteilung von Reichtum und Bildung in der Gesellschaft. Politologen wie Soziologen fragen zudem nach der Vereinbarkeit von Demokratie mit der Existenz einer Elite und die Rückbindung dieser Elite an ihr Volk. Die Bezugsprobleme der Texte sind dabei durchgehend die Legitimität der Elite sowie die Ungleichheit in der Gesellschaft und die 3 Einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Deutschen Elite vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bietet Wolfgang Zapf (Zapf 1965a). 9 Integration derselben. Die Brisanz, die dem Elite-Thema innewohnt, liegt in der Verbindung von Ungleichheitsbeobachtungen mit der Frage nach Macht über die Mitglieder einer Gesellschaft. Oder anders formuliert: Auf welche Weise kann und soll Gesellschaft von wem gestaltet werden und wie kann die Gestaltungsmacht legitim in Anspruch genommen und ver- antwortungsvoll ausgeübt werden? Wir leben heute in einer Gesellschaft, die sich als vielschichtig beschreibt, charakterisiert ist durch die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeiten, und die in einem beständigem schnellem Wandel begriffen ist, dessen Tempo das Erstellen von Prognosen erschwert. Jenseits der oben genannten Fra- gen nach der eher statischen Verfasstheit einer Gesellschaft und ihrer Elite erscheint es spannender, schlicht danach zu fragen, wie Elite ganz prak- tisch und je in Echtzeit in bestimmten Situationen hergestellt wird. Diese neue Perspektive wird nicht eingenommen, um die vorliegenden un- gleichheitssoziologischen oder demokratietheoretischen Untersuchungen zur Elite zu widerlegen. Es geht vielmehr um einen anderen Zugang, mit dem sich Einsichten über das operative Funktionieren von Elite und Elite- Kommunikation in der Gesellschaft heute erarbeiten lassen. Für die Bearbeitung dieser Frage nach der Praxis von Elite- Kommunikation bieten sich verschiedene theoretische Ausgangspunkte an. Mit Pierre Bourdieus Ansatz ließe sich trefflich nach der praktischen Her- stellung von gesellschaftlichen Positionen fragen. Bourdieu zeigt in seinen Texten, dass jegliche Position praktisch hergestellt, aktualisiert und erhal- ten werden muss. Die Perspektive Bourdieus schränkt sich jedoch selbst ein, durch die beständige Konzentration auf die Frage nach sozialer Un- gleichheit, nach Machtmechanismen und der Etablierung von Strukturen in den verschiedenen Feldern der Gesellschaft. Denn damit sind mit Bourdieu auch immer nur Machtstrukturen und ihre Herstellung beob- achtbar. Eine zweite mögliche theoretische Herangehensweise stellt die Wahl eines ethnomethodologischen Zugangs dar. Eine solche Untersuchung brächte manch spannende Situationsbeschreibung zu Tage. Ethnomethodologen nehmen bewusst einen naiven Standpunkt ein und betrachten von diesem aus das Funktionieren der Situationen als geschlossene Einheiten. Die Unvoreingenommenheit der Forschenden ist hier jedoch hier der Aus- blendung des Rahmens der Gesellschaft geschuldet. Diese ist eine Verkür- 10

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3.6.1. Herausforderungen bei der Beschreibung von Elite und Gesellschaft wie etwa analytische Fähigkeiten, Intuition im Umgang mit der Masse.
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