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Über die Reaktion von Chlor, Natriumsulfit und Natriumdithionit mit Wollkeratin: Ein Beitrag zur Chemie der Antifilzausrüstung von Wolle PDF

59 Pages·1968·1.73 MB·German
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Preview Über die Reaktion von Chlor, Natriumsulfit und Natriumdithionit mit Wollkeratin: Ein Beitrag zur Chemie der Antifilzausrüstung von Wolle

FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr. 1935 Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt Priv.-DoZ' Dr. rer. nat. Giseiber Valk Deutsches Wollforschungsinstitut an der Rhein.-WestJ. Technischen Hochschule Aachen Über die Reaktion von Chlor, Natriumsulfit und Natriumdithionit ruit Wo llkeratin Ein Beitrag zur Chemie der Antifilzausrüstung von Wolle Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-663-06438-1 ISBN 978-3-663-07351-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-07351-2 Verlags-Nr.011935 © 196 8 b Y Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprunglich erschienen bei Westdeutscher Verlag G m bH, Köln und Opladen 1968 GesamthersteIIung: Westdeutscher Verlag' lnhalt 1. Einführung .......................................................... 5 2. Diskussion der aus der Literatur bekannten Ergebnisse .................... 6 2.1 Reaktion von Chlor mit Wolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.1.1 Reaktivität und Reaktionsgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2.1.2 Charakteristische Veränderungen der chlorierten Wolle ............. 7 2.1.3 Veränderungen einzelner Aminosäuren ........................... 9 2.1.4 Reaktion von N-Halogenverbindungen mit Wolle .................. 12 2.1.5 Untersuchung der Chlorierungsbäder ............................. 12 2.2 Reaktion von Natriumsulfit und Natriumdithionit mit Wolle ........ 13 2.2.1 Unbehandelte Wolle ............................................ 13 2.2.2 Chlorierte Wolle ............................................... 16 3. Problemstellung ..................................................... . 17 4. Ergebnisse ......................................................... . 18 4.1 Reaktion von Chlor mit Wolle .................................. . 18 4.1.1 Charakteristische Veränderungen der chlorierten Wolle ............. 18 4.1.2 Cystin und Cysteinsäure ........................................ 20 4.1.3 Reduktion chlorierter Wolle mit Natriumborhydrid ................ 20 4.1.4 Tyrosin und Chlortyrosine ...................................... 22 4.1.5 Tryptophan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23 4.1.6 Aminoendgruppen und Seitenketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 4.1. 7 V oUständige Aminosäureanalyse ................................. 25 4.1.8 Untersuchung der Chlorierungsbäder ............................. 27 4.2 Reaktion von Natriumsulfit und Natriumdithionit mit WoUe ........ 28 4.2.1 Chlorierte Wolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28 4.2.2 Unbehandelte Wolle .... . . . . . . ..... . . . . ..... . . . .... . . . .... . . . . .. 29 4.2.2.1 Reaktion mit Natriumsulfit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 29 4.2.2.2 Reaktion mit Natriumdithionit 32 5. Diskussion .......................................................... 33 5.1 Reaktion von Chlor mit WoUe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33 5.2 Reaktion van Natriumsulfit und Natriumdithionit mit WoUe ........ 35 3 6. Experimentelle Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37 6.1 Material ...................................................... 37 6.2 Methoden.. . ...... . . . . . . ..... . . ..... . . .. .. . ... . . . . .... . . . . . .. 37 6.2.1 Chlorierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37 6.2.2 Nachbehandlung alkalisch chlorierter Wolle mit Natriumsulfit und Natriumdithionit .............................................. 38 6.2.3 Reaktion unbehandelter Wolle mit Natriumsulfit und Natriumdithionit 38 6.3 Analytische Methoden ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39 6.3.1 Aminosäureanalysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39 6.3.2 Bestimmung wollgebundener Buntesalzgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40 6.3.3 Säure-Base-Eigenschaften ............. " . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40 6.3.4 Chromatographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 6.3.5 Gelfiltration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 6.3.6 Löslichkeiten.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 6.3.7 Farbsäureaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 6.3.8 Technologische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 6.3.8.1 WeiBgrad ...... . ...... . . . . .... . . . . .. .. . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . .. 41 6.3.8.2 Filzschrumpfung .............................................. 41 6.3.8.3 Zugversuche an Gewebestreifen ................................. 41 7. Zusammenfassung .................................................... 42 8. Literaturverzeichnis ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 43 Anhang................................................................ 49 4 1. Einführung Im Jahre 1839 beobachtete der Engländer JOHN MERCER, daB die Farbstoffaufnahme von Wolle durch eine Chlorierung beschleunigt wird. Seither werden W ollgewebe vor dem Bedrucken chloriert, damit sie bei der kurzen Dauer des Arbeitsgangs eine aus reichende Farbstoffmenge von den Druckwalzen aufnehmen. Erst viele Jahre später erkannte man, daB durch die Chlorierung das Filzvermögen der Wolle herabgesetzt wird. Die Beschleunigung der Farbstoffaufnahme und die Erniedrigung des Filzver mögens waren der Grund für die groBe technologische Bedeutung, welche die Chlorie rung von Wolle seit der Beobachtung von JOHN MERCER erlangt hat. Das Filzvermögen der Wolle besitzt zur Herstellung von Maschinenfilzen und dichten Tuchen groBe technische Bedeutung. Beim Waschen von Textilien aus Wolle kann es jedoch ein groBer Nachteil sein, da bei nicht sachgemäBer Durchführung der Wäsche eine irre versible Schrumpfung und eine Verschlechterung des Warenbildes eintreten. Gegen Ende des vorig en J ahrhunderts begann man mit der Entwicklung industrielIer Chlorierungsverfahren zur Filzfreiausrüstung von Wolle, die bis 1920 schon weit ver breitet waren. Alle Verfahren basierten jedoch auf empirischen Rezepten. Über die chemischen Reaktionen, welche die Ausrüstungsverfahren begleiten, war nahezu nichts bekannt. Das hatte zur Folge, daB Wolle bei der Antifilzausrüstung oft unnötig geschädigt wurde oder daB das Gelingen einer Ausrüstung häufig nur Zufall war. Die ältesten und auch heute auf Grund ihrer Wirtschaftlichkeit noch wichtigen Ver fahren zur Antifilzausrüstung von Wolle, denen im Rahmen· moderner Pflegeleicht~ ausrüstungen eine enorme Bedeutung zukommt, arbeiten auf der Basis von Chlor oder Chlorverbindungen, welche das Halogen in positiven Oxydationsstufen enthalten. In dies en Oxydationsstufen reagiert das Chlor vornehmlich als Oxydationsmittel. AuBer Chlor können auch andere Oxydationsmittel, zum Beispiel Kaliumpermanganat, Peroxysäuren, zur Antifilzausrüstung von Wolle verwendet werden. Diese oxydativen Ausrüstungsverfahren erfordern eine reduktive Nachbehandlung. Dabei erfüllen vor allem die Natriumsalze der schwefligen Säure sówie der dithionigen Säure zwei Aufgaben: Entfernung des auf der Faser verbliebenen überschüssigen Oxydationsmittels sowie Verbesserung des Antifilzeffektes [1-11]. In vielen Fällen wird der eigentliche Antifilzeffekt erst bei der reduktiven Nachbehandlung erzielt [4], [8-10]. Bei der Behandlung mit Natriumsulfit und Natriumdithionit kann gleichzeitig eine Bleiche der durch die Oxydation verfärbten Wolle erfolgen. Nach L. MEUNIER und H. LATREILLE [12] sowie J. B. SPEAKMAN et al. [13], [14J ist zur Erzielung von Antifilzeffekten auf Basis einer oxydativen Behandlung einè Spaltung von Cystin-Disulfid-Bindungen erforderlich. Bei der Behandlung der Wolle mit Reagenzien, welche spezifisch Disulfidbindungen spalten, zum· Beispiel Peroxysäuren, Sulfit und Dithionit, wird das Filzvermögen jedoch nicht erniedrigt. Führt man die Sulfit- oder Dithionitbehandlung aber im AnschluB an eine Peroxysäureoxydation durch, so wird die Filzfähigkeit der Wolle herabgesetzt. Die Ausfiihrung der beiden Operationen in umgekehrter Reihenfolge ergibt je doch keinen Effekt. Bei der Oxydation von Wolle mit Chlor ist die reduktive Nachbehandlung zur Erzielung eines Filzfrei effektes nicht notwendig. Diese Beispiele machen deutlich, daB die V orstellung, eine Antifilzausrüstung durch oxydative Behandlung sei lediglich an die Spaltung von Disulfidbindungen geknüpft, den Mechanismus der Reaktion zu sehr vereinfacht. Die Spaltung von Cystinbindungen 5 bildet dabei offensichtlich eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung. Für das Verständnis des Mechanismus der chemischen Antifilzausrüstung ist die Kenntnis aller die Ausrüstung begleitenden Reaktionen erforderlich. Dazu gehören die Reaktionen von Chlor, Natriumsulfit und Natriumdithionit mit Wollkeratin. 2. Diskussion der aus der Literatur bekannten Ergebnisse 2.1 Reaktion von Chlot mit Wolle In wäBrigen Chlorlösungen liegt ein pH-abhängiges Gleichgewicht zwischen freiem Chlor, undissoziierter unterchloriger Säure und Hypochloritionen vor [18], [19]. Da gleichzeitig das Oxydationspotential des Chlors pH-abhängig ist [20-22], wird auch der Ablauf der Reaktionen zwischen Chlor und Wollkeratin vom pH-Wert des Chlorie rungsmediums beeinfluBt. Diese chemischen Reaktionen werden eine Oxydation aller peptidgebundenen oxydationsempfindlichen Aminosäuren, zum Beispiel Cystein, Cystin, Methionin, Tryptophan, Tyrosin und Histidin, die Substitution aromatischer Aminosäurereste, Chloraminbildung an freien Aminogruppen sowie Chloramidbildung an primären und sekundären Carbonamidbindungen einschlieBen. Auf Grund einer Spaltung von Cystin- und Peptidbindungen kann ein Teil des Keratins während der Chlorierung gelöst werden. Unter diesen Gesichtspunkten sollen die bisher aus der Literatur bekannten Ergebnisse über die Reaktion wäBriger Chlorlösungen mit Wolle diskutiert werden. 2.1.1 Reaktivität und Reaktionsgeschwindigkeit WäBrige Chlorlösungen enthalten unterhalb pH 3 überwiegend freies Chlor, zwischen pH 3 und 7 undissoziierte unterchlorige Säure, während sie oberhalb pH 8 nahezu ausschlieBlich aus Hypochloritionen bestehen. Reaktivität und Reaktionsgeschwindig keit von Chlor mit Wolle sind stark abhängig davon, in welcher Form das Halogen angewendet wird. Chlorgas reagiert langsamer mit Wolle als wäGrige Chlorlösungen [12]. Die Reaktionsfähigkeit von Chlorgas gegenüber Wolle ist stark von deren Feuchtigkeits gehalt abhängig. Vollkommen trockene Wolle wird von trockenem Chlorgas nicht verändert [12], [23]. Das gleiche gilt für die Reaktion von Chlot mit Wolle in organi schen Lösungsmitteln [24]. Die pH-Abhängigkeit sowohl der Zusammensetzung als auch des Oxydationspotentials wäBriger Chlorlösungen führt dazu, daG Reaktionsgeschwindigkeit und Reaktions ergebnis bei verschiedenen pH-Werten recht unterschiedlich sind. So beobachtete schon S. R. TROTMAN [25-27], daG wäGrige Lösungen von freiem Chlor anders mit Wolle reagieren als unterchlorige Säure. Nach der Umsetzung mit unterchloriger Säure reagierte Wolle nicht mehr mit Semicarbazid, während nach einer Chlorbehandlung die Kondensation ebenso eintrat wie bei unbehandelter Wolle. Die gleiche Beobachtung machte J. L. RAYNES [28], der wie S. R. TROTMAN annimmt, daG durch unterchlorige Säure Carbonylgruppen oder deren Nachbargruppen angegriffen werden, wodurch die Kondensationsfähigkeit herabgesetzt wird. Im Arbeitskreis von M. HARRIS wurde die pH-Abhängigkeit der Chlorierung von Wolle erstmals systematisch untersucht [31-33]. Substanzverluste und oxydative 6 Schädigung zeigten eine starke pH-Abhängigkeit mit einem Maximum im pH-Bereich der unterchlorigen Säure. Ähnliche Ergebnisse erhielt später M. DOMINIK [84]. P. ALEXANDER, M. Fox und R. F. HUDSON [29] fanden 1951, daG saure Chlorlösungen das gesamte Wo11cystin oxydieren, während alkalische (pH 10) zur Bildung von 30% Lanthionin führen. Beim vergleichenden Studium der Reaktion verschiedener Oxyda tionsmittel mit Wolle und Mode11peptiden zeigte sich, daG Chlor und unterchlorige Säure das gesamte Wo11tyrosin oxydieren, während Hypochloritlösungen nur etwa 30% abzubauen vermögen [30]. Neben der Reaktivität ist auch die Aufnahmegeschwindigkeit von Chlor und unter chloriger Säure bei der Umsetzung mit Wo11e verschieden. Freies Chlor zieht rascher aus den Behandlungsbädern auf die Wolle als unterchlorige Säure. Die Aufziehge schwindigkeit, die zu Beginn der Umsetzung sehr groG ist, nimmt mit fortschreitender Reaktionszeit ab [34]. Durch Desaminierung der Wolle wird sie nicht verändert [34], jedoch in Gegenwart von Salzen auf Grund einer geringeren Faserque11ung beträchtlich erniedrigt [35]. Unterhalb pH 8 so11 nach P. ALEXANDER, D. GOUGH und R. F. HUDSON [36] die Diffusion von Chlor bzw. unterchloriger Säure in die gequo11ene Faser der geschwindigkeitsbestimmende Reaktionsschritt sein. In stärker alkalischen Lösungen verzögert die negativ geladene Subcuticula die Wanderung der Hypochloritanionen. Damit wird die Diffusion durch diese Schicht geschwindigkeitsbestimmend. Die Epicuticula sol1 die Reaktionsgeschwindigkeit nicht beeinflussen [36]. 2.1.2 Charakteristische Veränderungen der chlorierten Wolle In der ers ten bedeutenden Arbeit über die NaGchlorierung bemerken L. VIGNON und J. MOLLARD 1906, daG Wo11e bei der Chlorierung an Gewicht verliert [37]. Diese Be obachtungen wurden später von C. COURTOT und A. BARON [38] sowie M. HARRIS und A. L. SMITH [31] bestätigt. Nach K. v. ALLWÖRDEN [40] bilden sich bei der Behandlung von Wolle mit wäGrigen Chlorlösungen auf der Faseroberfläche bläschenartige Aus stülpungen. Beim Studium dieser Reaktion beobachteten K. STIRM und H. COLLE [39] die Ablösung dieser Bläschen, ein Effekt, der bei ungeschädigter Wo11e stärker war als bei geschädigter, mit Brom ausgeprägter als mit Chlor. M. HARRIS und D. FRISHMAN [32] bestimmten den Substanzverlust in Abhängigkeit vom pH-Wert, bei dem die Chlorierung durchgeführt wurde. Höchste Gewichts verluste zeigten die im sauren und alkalischen Medium chlorierten Proben, während bei pH 4-6 eine geringe Gewichtszunahme auftrat. Diese Substanzverluste wurden ab er nur durch eine Bestimmung der Gewichtsveränderung der W olle während der Chlorierung ermittelt, nicht aber durch Stickstoffbestimmungen in den Behandlungs flotten. Sie entsprechen somit wahrscheinlich nicht dem bei der Umsetzung gelösten Teil des Keratins. Der Substanzverlust ist nicht nur vom pH-Wert, sondern auch von der Menge des eingesetzten Chlors abhängig [41]. Durch eine Vorbehandlung der Wo11e mit Form aldehyd kann der Gewichtsverlust bei der Chlorierung erniedrigt werden [25]. Auf Grund der Substanzverluste treten bei der Elementaranalyse mehr oder weniger groGe Änderungen, vor a11em der Stickstoff- und Schwefelwerte, auf. Die Stickstoffwerte sind jedoch normalerweise nur geringfügig, die Schwefelwerte besonders nach einer sauren Chlorierung erniedrigt [33]. AuGer den bis her beschriebenen Substanzverlusten, die ein MaG für die »Löslichkeit in den Behandlungsflotten« sind, wird durch eine Chlorierung die Löslichkeit von Wolle in anderen Medien beträchtlich verändert. Chlorierte Wolle besitzt eine erhöhte Löslichkeit in verdünnten Säuren, Alkalien und Salzlösungen [25], [31], [42]. Durch 7 »Überchlorieren« wird Wolle in Alkalien und Soda vollkommen löslich [38]. Oxydative W ollschädigungen können durch Bestimmung des Gewichtsverlustes bei einstündiger Behandlung mit nj10 Natronlauge von 65°C nachgewiesen werden. Diese von M. HARRIS und A. L. SMITH [31], [43] ausgearbeitete »Alkalilöslichkeitsmethode« wurde auch auf chlorierte Wolle angewendet [32]. Die höchste Alkalilöslichkeit zeigten die bei pH 3-4 chlorierten Proben. Die Löslichkeit chlorierter Wolle in konzentriertem Ammoniak wurde zur ExtraktÎon von Wollproteinen benutzt [45]. Da die Quervernetzung der Polypeptidketten des Keratins durch Disulfidbrücken für die Unlöslichkeit der Wolle verantwortlich ist, werden die bei der Chlorierung auf tretenden Substanzverluste und die erhöhte Löslichkeit der chlorierten Wolle ihre Ursache vornehmlich in einer oxydativen Spaltung dieser Querbrücken haben. Darüber hinaus ist aberauch eine Spaltung von Peptidketten möglich. V. DU VIGNEAUD et al. [46] zeigten am Oxytocin, daB zum Beispiel Bromwasser in der Lage ist, Peptid biridungen zu spalten. P. ALEXANDER, M. Fox und R. F. HUDSON [29] beobachteten 1951, daB sich Wolle, in der 80% der Disulfidbindungen durch Chlor oxydiert waren, besser in Ammoniak löste als solche, in der mit Peroxyessigsäure die Disulfidbindungen quantitativ zerstört wareli. Diese Beobachtung weist auf eine nicht spezifische Reaktion des Chlors hin, die einen Hauptkettenabbau einschlieBen kann. Einen weiteren Hinweis auf die oxydative Spaltung von Peptidketten durch Hypohalogenit und Chlordioxid J. erbrachten kürzlich MEYBECK und A. MEYBECK [85]. Sie konnten in Hydrolysaten von mit diesen Halogenverbindungen behandelter Wolle eine Reihe von o:-Ketosäuren nachweisen. Sorgfältig gewaschene chlorierte Wolle verhält sich wie ein Oxydationsmittel. Diese schon sehdrüh beobachtete Erscheinung [38] wurde später mehrfach bestätigt [47], [48]. Da bei der Chlorierung reaktionsfähige Gruppen des Keratins abgebaut werden, ist die Reaktivität der Wolle verändert. Oxydierte Wolle ist zum Beispiel weniger diazotier bar und acetylierbar als unbèhandelte [49]. Zur Erklärung dieses Verhaltens nimmt K. GEBHARD [49] die Bildung einer Imidazolverbindung an. In dies er Arbeit befindet siCh auch der Hinweis, daB durch die Oxydation die Affinität für Säurefarbstoffe herab gesetzt wird. Durch Bildung der schon erwähnten Imidazolgruppen sollte die Wolle einen Teil ihrer basischen Eigenschaften einbüBen. A. L. SMITH und M. HARRIS [50] zeigten später, daB das Säurebindevermögen der Wolle mit zunehmender lntensität der Oxydation abnimmt. lm Arbeitskreis 'von M. HARRIS wurden auch die Säure-Base Eigenschaften chlorierter Wolle untersucht [33]. Dabei ergab sich, daB das Säure bindevermögen der 'chlorierten Wolle erniedrigt, das Alkalibindevermögen erhöht ist. Maximalwerte wurden bei pH 5 gefunden. Die erniedrigte Säureaufnahme oxydierter Wolle ist auf die Einführung stark saurer Sulfonsäuregruppen zurückzuführen. Dies führt dazu, daB ein Teil der in Salzbrücken befindlichen Carboxylationen protonisiert wird, da die Sulfonsäuregruppen auf Grund ihres rtiedrigeren pK-Wertes einen Teil der kationischen Wollgruppen (Lysin, Histidin, Arginin) kompensieren. Man kann diesen Vorgang als Umwandlung einer »Ammonium acetatbrücke« in eine »Ammoniumsulfatbrücke« beschreiben : e e (i) (i) -NH3 OOC- -NH3 03S- HOOC a) b) Salzbrücken zwischen Polypeptidketten des Keratins a) »Ammoniumacetatbrücke« b) »Ammoniumsulfatbrücke« 8 Die Bildung starker Salzbrücken zwischen Sulfonsäureresten und kationischen Woll gruppen wurde von C. EARLAND und C. S. KNIGHT [51] postuliert, weil oxydierte Wolle unter Bedingungen, unter denen Cysteinsäure ein Ammoniumsalz bildet, kein solches zu bilden vermag. Die Bindung in Salzbrücken hindert die Sulfonsäurereste an normalen Reaktionen. E. O. P. THOMPSON und I. J. O'DoNNELL [52] konnten später die Existenz von Sulfonsäureanionen und undissoziierten Carboxygruppen in oxydierter Wolle nachweisen. Es wurde noch nicht geprüft, ob bei chlorierter Wolle zusätzlich zur Einführung stark saurer Gruppen noch ein teilweiser Abbau basischer Reste für die erniedrigte Säureaufnahme verantwortlich ist. Ein solcher Abbau basischer Gruppen könnte zum Beispiel über eine Chloraminbildung erfolgen. 2.1.3 Veränderungen einzelner Aminosäuren L. MEUNIER und H. LATREILLE [12] erkannten schon 1923, daB durch eine oxydative Veränderung der Wolle ein Antifilzeffekt erzielt werden kann. Auf diese oxydativen Veränderungen ist in allen späteren Publikationen immer wieder hingewiesen worden. Die Chlorierung von Wolle ist im wesentlichen eine Oxydation. Hauptangriffspunkt J. eines Oxydationsmittels sind die Cystin-Disulfid-Bindungen. B. SPEAKMAN et al. [13] haben 1938 darauf hingewiesen, daB zur Erzielung eines Antifilzeffektes die Spaltung von Disulfidbindungen in der Faseroberfläche erforderlich sei. Diese Behauptung wird dadurch gestützt, daB Wolle, in der ein Teil der Cystinbrücken durch stabilere Thio ätherbrücken ersetzt ist, zur Erzielung eines bestimmten Filzfreieffektes mehr Oxyda tionsmittel benötigt als unbehandelte Wolle [53]. Eine Kaliumcyanidbehandlung erhöht auf Grund einer Lanthioninbildung die Stabilität von Wolle gegen unterchlorige Säure [54]. Beim Studium der Reaktion von Aminosäuren und Proteinen mit Oxydationsmitteln fanden E. SCHMIDT und K. BRAUNSDORF 1922, daB Cystin durch Chlordioxid rasch oxydativ abgebaut wird [55]. Bei O°C ist die Oxydation in 15 Minuten vollständig [56]. S. R. TROTMAN [25] beschreibt den Abbau von Wollcystin bei der Chlorierung. K. STrRM und H. COLLE [39] nehmen an, daB Wollcystin an der v. Allwörden-Reaktion [40] beteiligt ist. Z. STARY [57] führt die erhöhte Löslichkeit und Trypsinverdaubarkeit von Keratin nach einer Oxydation (zum Beispiel mit Brom) auf eine oxydative Spaltung von Cystinbrücken, welche die Polypeptidketten quervernetzen, zurück. In vielen späteren Publikationen ist der Abbau von W ollcystin durch Chlor, Chlordioxid, Chlorit, Bromat und Jod beschrieben worden [31], [48], [58-60]. Der Abbau von Wollcystin erreicht in Abhängigkeit vom pH-Wert des Chlorierungs mediums bei etwa pH 5 ein Maximum [33], [84]. Endprodukt der Cystinoxydation ist die Cysteinsäure. Diese Endstufe 5011 wie bei der Oxydation mit Wasserstoffperoxid [63], [64] und Peroxysäuren [65], [66], [67] über Sulfoxid- und Sulfonzwischenstufen er folgen [48], [68]. Die Oxydationszwischenstufen komplizieren das analytische Bild vom Ablauf der Chlorierung dadurch, daB sie bei der Hydrolyse disproportionieren und neben Cystin Cysteinsäure und andere Substanzen bilden können. P. ALEXANDER et al. [29] schlieBen aus der Tatsache, daB der Cystingehalt chlorierter Wolle nach einer milden Alkali behandlung erhöht ist, auf die Anwesenheit von Cystinsulfoxidgruppen. Der bei der Alkalibehandlung auftretende Gewichtsverlust der Wolle, der unter Umständen be trächtlich sein kann, wurde jedoch dabei nicht berücksichtigt. Das AusmaB der Oxydation scheint nicht nur durch die Reaktionsbedingungen be einfluBt zu werden, sondern auch durch die dem Cystin benachbarten Aminosäuren. Nach P. ALEXANDER et al. zum Beispiel vermögen Hypochloritionen nur 25% des 9 Wollcystins abzubauen, obwohl das gesamte Cystin durch Chlor, unterchlorige Säure und Peroxyessigsäure oxydiert wird [29], [36], [69], [70]. Eine charakteristische Än derung im Reaktionsablauf solI bei pH 8-9 erfolgen. Oberhalb pH 8-9 liegen in wäBri gen Chlorlösungen überwiegend Hypochloritionen vor. Bei pH 10 werden ca. 30% des Wollcystins in Lanthioninreste umgewandelt [29]. P. ALEXANDER und M. Fox [71] fan den bei der Chlorierung von Modellpeptiden, daB sich peptidgebundenes Cystin in allen Verbindungen, welche kein Tyrosin enthalten, gleich leicht oxydieren lieB. In Ge genwart von Tyrosinresten war die Oxydation erschwert, besonders dann, wenn sich diese in Nachbarschaft zum Cystin befanden. Eine befriedigende Erklärung für das Ver halten von Wolle bei der Chlorierung konnte aus diesen Resultaten je doch nicht abgeleitet werden. Wolltyrosin kann bei der Chlorierung sowohl oxydativ abgebaut als auch am Benzolkern substituiert werden. Die Bildung von peptidgebundenen Chlortyrosinresten wurde schon in den ersten Arbeiten über die Chlorierung von Wolle postuliert, jedoch nicht nachgewiesen [12], [23]. Aus peptidgebundenem Tyrosin können 3-Mono-chlor- und 3,5-Di-chlortyrosinreste entstehen. E. SCHMIDT und K. BRAUNSDORF [55] zeigten den schnellen oxydativen Abbau des Tyrosins durch Chlordioxid. Der gleiche Abbau erfolgt durch Chlor [71], Natrium chlorit [72] und Bromat [60]. Farbänderungen bei der Reaktion von Chlordioxid mit Wolle werden auf einen Abbau von Tyrosinresten zurückgeführt [58], [59]. Dieser Abbau solI über das entsprechende o-Chinonderivat führen [58]. Für diese Annahme sp richt die Beobachtung, daB die Farbreaktion ausbleibt, wenn die Nachbargruppen der phenolischen Hydroxygruppe blockiert werden [72]. Nach K. STIRM und H. COLLE [39] sollen Wolltyrosin und -cystin an der v. Allwörden-Reaktion [40] beteiligt sein. F. SANGER und H. Tuppy [73] fan den nach der Peroxysäureoxydation von Insulin in den salzsauren Hydrolysaten der Phenylalaninkette ein unbekanntes Tyrosinderivat, das sie Tyrosin-X nannten. Die Herkunft dieses Tyrosinderivats konnte später von E. O. P. THOMPSON [74] aufgeklärt werden. Bei der salzsauren Hydrolyse von mit Peroxysäuren oxydierten Proteinen können Chlortyrosine gebildet werden, wenn die Proteine vor der Hydrolyse nicht völlig peroxidfrei sind. Aus den Peroxidresten und Salzsäure bildet sich während der Hydrolyse Chlor, welches Tyrosin zu Mono- und Di-chlortyrosin substituiert. Wird die Hydrolyse mit Schwefelsäure durchgeführt, so entstehen diese Tyrosinderivate nicht. Ihre Bildung bei der NaBchlorierung von Wolle ist bis her noch nicht nachgewiesen worden. Bei der Jodierung von Proteinen werden peptidgebundene Mono- und Di-jodtyrosin reste gebildet [75], [76]. Die Jodierung von Tyrosinresten in Keratin ist jedoch lösungs mittelabhängig. Nicht in allen Lösungsmitteln wird Wolltyrosin merklich jodiert [62]. Das AusmaB des Abbaus von Wolltyrosin ist vom Oxydationsmittel abhängig. So reagieren zum Beispiel nur 30% des Tyrosins mit Hypochlorit, während das gesamte Tyrosin durch Chlor oxydiert wird [30], [69]. Bei pH 10 ist mehr als die doppelte Menge Chlor nötig als bei pH 2, um die gleiche Menge an Tyrosinresten in Seide und IX-Keratose zu oxydieren, während sich freies Chlor und unterchlorige Säure bei der Oxydation von W ollproteinfraktionen gleich ver halten [30]. Mit wäBrigen Lösungen von Peroxyessigsäure kann Wolle nicht filzfrei ausgerüstet werden. Daraus schlieBen P. ALEXANDER, D. CARTER und C. EARLAND [15], daB zum Nichtfilzendmachen von Wolle durch eine oxydative Behandlung auBer einem Abbau von Cystingruppen noch andere Reaktionen, vor allem an Tyrosinresten, erforderlich sind. Diese Auffassung ist jedoch schwer zu akzeptieren, da mit Peroxyessigsäure in organischen Lösungsmitteln Antifilzeffekte erzielt werden können. In dies en Lösungs mitteln ist der Angriff des Oxydationsmittels auf die Faseroberfiäche beschränkt. Nach 10

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