Die Methode des quantitativen Liindervergleichs 101 me des Pradiktors zu einer Verkleinerung der Werte der Kriteriumsvariablen fuhrt. 1m Gegensatz zu den Beta-Gewichten sind konditionale Regressions koeffizienten jedoch variabel. Welchen Wert der konditionale Regressions koeffizient von XI annimmt, hangt vom jeweiligen Auspragungsgrad der Pradiktorvariablen X2 abo Er muss fUr jeden moglichen Auspragungsgrad von X2 einzeln berechnet (und auf seine Signifikanz hin gepruft) werden. Der Wert des konditionalen Regressionskoeffizienten von X2 wird wiederum durch den jeweiligen Auspragungsgrad des Pradiktors XI bestimmt. Zur Interpretation bedingter Regressionskoeffizienten schreibt Friedrich (1982: 804): "The key to understanding regression coefficients in models with multiplicative terms lies in seeing that the inclusion of a multiplicative term converts a general statement of relationship into a conditional statement of relationship. That is, whereas the coefficients in an additive model describe the effects of each independent variable as constant, regardless of the level of the other independent variable, the coefficients in an interactive model describe the effects of each independent variable on the dependent variable as varying, according to the level of the other independent variable." Die Signifikanz konditionaler Regressionskoeffizienten wird analog zur Signifi kanz der Beta-Gewichte im additiven Modell bestimmt. In einem ersten Schritt werden die VarianzeniKovarianzen der Koeffizienten b), b2 und b3 berechnet, urn daraus den Standardfehler s des bedingten Regressionskoeffizienten zu ermitteln. Fur den bedingten Regressionskoeffizienten von Xl gilt:47 s=(var[bl]+X22*var[b3]+2x2*COv[bl,b3])O.5 Fur den Koeffizienten von X2 hingegen gilt: In einem weiteren Schritt wird nun die t-Ratio des Koeffizienten bestimmt, indem man den Wert des Koeffizienten durch seinen Standardfehler teilt. Mit Hilfe einer t-Tabelle Hisst sich schliesslich ermitteln, mit welcher Wahrschein Iichkeit ein solcher Wert selbst dann entsteht, wenn in der Grundgesamtheit aller interessierenden Faile fur den jeweiligen Wert der Variable X2 (bzw. Xl) kein Zusammenhang zwischen Xl (bzw. X2) und Xc herrscht. 47 Hier zeigt sich klar, dass auch der Standardfehler des bedingten Regressionskoeffizienten von X, in Abhiingigkeit von x, variiert und fur jeden Auspriigungsgrad von X2 einzeln berechnet werden muss. 102 Die Methode des quantitativen Uindervergleichs Aiken und West (1991: 18) zeigen anhand eines praktischen Beispiels, wie die Signifikanz eines bedingten Regressionskoeffizienten mit Hilfe des Com puters berechnet werden kann. Urn etwa den bedingten Regressionskoeffizien ten von XI (und dessen Signifikanz) fUr x2=2,2 zu bestimmen, sind drei Schritte notig: 1. Man schafft eine neue Variable X2': X2'= x2-2,2 2. Man bildet das Produkt von XI und X2'; es entsteht eine weitere Variable X3: X3= XI* X2'. 3. Man liisst die multiple Regression vom Kriterium Xc auf die Priidiktoren XI. X2' (=x2-2,2) und X3 (=XI*X2') berechnen: Xc= blx\+b2(X2')+b3 X3 Der Koeffizient b entspricht dann dem bedingten Regressionskoeffizienten von l XI fUr x2=2,2. Und: Die Signifikanz des Koeffizienten bi. welche bei Statistik program men wie SPSSx zum Standard-Output gehort, entspricht der Signifi kanz des bedingten Regressionskoeffizienten von XI fUr x2=2,2. 7. Die neuen empirischen Ergebnisse Die in Kapitel 5 dokumentierten Oberlegungen haben gezeigt, dass sich der Eintluss transnationaler Konzerne auf die wirtschaftliche Entwicklung ihrer GastHinder alleine mit Hilfe theoretischer Betrachtungen nicht eindeutig be stimmen Hisst. Vielmehr stehen sich radikal widersprUchliche Vorhersagen gegenUber, die trotz ihrer gegenlaufigen Inhalte allesamt eine gewisse Plausibi Iitat beanspruchen konnen. Ziel der nachfolgenden Analysen muss es darum sein, den Entwicklungsbeitrag transnationaler Konzerne und damit die Validitat der abweichenden theoretischen Aussagen Uber ein empirisches Vorgehen zu beurteilen. 7.1 Sample uod Operatiooalisieruogeo 7.1.1 DasSamp/e Urn die EintlUsse transnationaler Konzerne auf den wirtschaftlichen Erfolg von Entwicklungslandern empirisch zu erfassen, werden hier Daten aus einer Stich probe von 82 Landern analysiert. Namentlich umfasst das Sample folgende Faile: Agypten, Algerien, Angola, Argentinien, Bangladesch, Barbados, Benin, Bolivien, Botswana, Brasilien, Burkina Faso, Burundi, Chile, China, Costa Rica, Cote d'Ivoire, Dominikanische Republik. Ecuador, EI Salvador, Fidschi. Gabon, Gambia, Ghana, Guatemala, Guinea Bissau, Guyana, Haiti, Honduras, Hong Kong, Indien, Indonesien, Iran, Jordanien, Kamerun, Kenia, Kolumbien, Komoren, Korea (SUdkorea), Lesotho, Madagaskar, Malawi, Malaysien, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mauritius, Mexiko, Mosambik, Namibia, Nica ragua, Niger, Nigeria, Oman, Pakistan, Papua Neu Guinea, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Ruanda, Sambia, Saudi Arabien, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Singapur, Sri Lanka, SUdafrika, Sudan, Swasiland, Syrien, Thailand, Togo, Trinidad und Tobago, Tschad, Tunesien, Ungarn, Uruguay, Venezuela und die Zentralafrikanische Republik. Diese Auswahl von Fallen ist nicht primar auf theoretische Oberlegungen, sondern auf praktische GrUnde zurUckzufiihren. Dass hier nur ein Drittel samtli cher aktuell existierenden Entwicklungslander untersucht wird, liegt lediglich 104 Die neuen empirischen Ergebnisse daran, dass die benotigten Daten fLir die restlichen Lander nicht vollstandig verfLigbar sind. So bleiben insbesondere die Transformationslander des ehema ligen Ostblocks allesamt von der Untersuchung ausgenommen, zumal sie erst im Verlauf der untersuchten Periode entstanden sind. Sieht man vom Fehlen der Transformationslander ab, handelt es sich bei dem untersuchten sample jedoch urn eine fLir das Gros der Entwicklungslander weitgehend reprasentative Auswahl von Fallen, die samtliche Kontinentalregio nen umfasst. So ist die Region Stid-, Ost- und Stidostasien mit insgesamt zwolf Fallen vertreten, das stidliche Afrika mit 34 Fallen, Nordafrika und der Nahe Osten mit total zehn Fallen. 22 der untersuchten Lander stammen aus dem lateinamerikanisch-karibischen Raum und zwei aus Europa. 7.1.2 Indikatoren und Kontrollvariablen Kriteriumsvariable samtlicher Regressionsmodelle, mit deren Hilfe hier die Hypothesen der konventionellen und der TNC-kritischen Position tiberprtift werden sollen, ist das Wirtschaftswachstum in der Periode von 1985 bis 1993 (GROWTH). Dieses wird tiber die durchschnittliche (reale) Jahreswachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP) pro Kopf erfasst, welche hier als Differenz logarithmierter Werte konzipiert ist. Die entsprechenden Daten sind den World Development Indicators 1999 der Weltbank (Weltbank 1999, CD-Rom) ent nommen. (Detaillierte Angaben zur Konstruktion dieser und aller nachfolgend genannten Variablen finden sich im Annex 1). Zentrale unabhangige Grosse samtlicher Berechnungen ist die relative Bedeutung transnationaler KonzemtOchter in den untersuchten Landem, wie sie tiber die Variable PEN abgebildet wird. PEN wird analog zum Vorgehen von Dixon und Boswell (l996a, 1996b) konstruiert, indem der Gesamtwert des auslandischen Kapitalstocks von 1985 durch einen Schatzwert des Gesamtkapi tal stocks von 1985 geteilt wird. Letzterer wiederum wird erfasst, indem die Bruttoinvestitionen der vorangehenden zehn Jahre unter Berticksichtigung eines kontinuierlichen Abschreibungsfaktors zusammengezahlt werden. Die Angaben zum Auslandkapitalstock hingegen stammen aus dem World Investment Report 1995 (UNCTAD 1995: Annex, Tabelle 3); sie beruhen freilich in vielen der untersuchten faile eben falls auf Schatzungen. Zum Verfahren, das den Schatzungen des Auslandkapitalstocks zugrunde Iiegt, heisst es bei der UNCTAD lakonisch, man habe jeweils die FDI-Zufltisse jedes Landes tiber eine gewisse Reihe von Jahren zusammengezahlt. In den Fussnoten der entsprechenden Tabelle und in den Beschreibungen des vorgela gerten FDI-Konzepts finden sich freilich diverse Hinweise auf mogliche Pro bleme dieses Verfahrens und der daraus abgeleiteten Werte. Die Problemfelder Die neuen empirischen Ergebnisse 105 sind zahlreich und betreffen, wie zu zeigen sein wird, die Messung von FDI Fltissen eben so wie deren Kumulation. Dass die Messung von auslandischen Direktinvestitionen nur bedingt relia ble Resultate ergeben kann, ist bereits mehrfach erwahnt worden. So haben die bisherigen AusfUhrungen insbesondere gezeigt, dass die FDI-Konzepte, die die verschiedenen statistischen Amter bei der Datenerhebung zur Anwendung bringen, sehr stark variieren, was Landervergleiche betrachtlich erschwert. Das Datenmaterial der UNCT AD leidet allerdings unter zwei weiteren, vermutlich eben so gravierenden Mangeln: Einerseits 'vergisst' die UNCTAD, dem Phano men altersbedingter Wertverluste adaquat Rechnung zu tragen, so dass FDI Zufltisse zu historischen Preisen in die Berechnung der sogenannten FDI inward stocks einfliessen. Andererseits variiert die Peri ode, tiber die die FDI-Zufltisse kumuliert werden, recht deutlich. So zahlt die UNCTAD im Faile Kenyas samtliche FDI-Zufltisse nach 1970 zusammen, urn den FDI-Stock von 1985 zu schatzen, wahrend z.B. fUr Lesotho nur FDI inflows nach 1980 in die Berech nung einfliessen.48 Die Schatzungen fUr die Seychellen wiederum beziehen sich auf FDI inflows nach 1976 (UNCTAD 1999: Fussnoten zur Tabelle B.3 im Annex).49 Urn die Unwagbarkeiten des Datenmaterials in den Griff zu bekommen und Verzerrungen zu vermeiden, folgt die vorliegende Arbeit Scheuchs Empfehlung, fehlerhafte Daten auf einem tieferen Skalenniveau zu recodieren und auf diese Weise die darin enthaltene Fehlinformation zu entkraften (Scheuch 1966; vgl. Kap. 4.2.3). So wird PEN hier in einigen Berechnungen durch die entsprechen de dichotome Variable PEN-Dummy ersetzt. Diese nimmt den Wert' l' an, wenn der PEN-Wert eines Landes tiber dem Median Iiegt, wahrend Lander mit tiefen PEN-Werten mit '0' codiert werden. Urn die von Firebaugh (1992) entdeckten Nenner-Effekte frtiherer Studien zu vermeiden und Produktivitatsunterschiede zwischen in- und auslandischen Investitionen statistisch zu kontrollieren (Dixon und Boswell 1996a, 1996b), enthalten die Testmodelle auch die durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate des auslandischen Kapitalgtiterstocks von 1985-1993 (FIR: foreign investment rate) und die durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate des einheimischen Kapitalgtiterstocks von 1985-93 (DIR: domestic investment rate). Mit der 48 Dies liegt nicht etwa daran, dass die entsprechenden Lander erst seit 1980 existieren: Der Beispielfall Lesotho ist bereits 1966 unabhangig und damit auch eigenstandiges Mitglied der UNO geworden (www.un.org/Overview/unmember.html). 49 Angesichts all dieser Mangel drangt sich die Frage auf, warum in der vorliegenden Arbeit dennoch mit den Daten der UNCT AD gearbeitet werden 5011. Die Antwort ist einfach: Andere Datenquellen sind entweder noch weniger verlasslich oder enthalten fur die Mehrzahl der interessierenden Faile und Jahre keine Angaben. 106 Die neuen empirischen Ergebnisse Variable FIR soli insbesondere der von Konventionalisten und TNC-Kritikern gleichermassen erwartete kurzJristige Wachstumsbeitrag ausHindischer Direk tinvestitionen modelliert werden. Neben diesen fUr die Fragestellung besonders relevanten Priidiktoren fliesst eine ganze Reihe von weiteren Kontrollvariablen ins Testmodell ein: So wird auch die Grosse des Binnenmarktes - gem essen anhand des durchschnittlichen Bruttoinlandprodukts (in absoluten Werten) der Jahre 1985, 1990 und 1993 - mituntersucht (SIZE). Aufgabe dieser Variable ist es, Skaleneffekte zu modellie ren, die grosseren Okonomien bessere Spezialisierungsmoglichkeiten und dam it Wachstumsvorteile bescheren. Weitere Kontrollgrosse ist die durchschnittliche Handelsquote (prozentualer Anteil der Exporte und Importe am BIP) der Jahre 1985, 1990 und 1993 (OPEN), die die Wachstumsvorteile offener Okonomien zum Ausdruck bringt. Nicht zuletzt wird auch der Entwicklungsstand zu Beginn der untersuchten Peri ode kontrolliert (DEV). Indikatorgrosse ist das BIP pro Kopf von 1985, das in kautkraftbereinigten Werten ausgedrUckt wird. Das Quadrat dieser Variable wird hier - im Unterschied zur BCD-Stud ie, aber analog zu Dixon und Boswell (l996a, 1996b) - nicht ins Modell aufgenommen, zumal das untersuchte sample nur aus Entwicklungsliindern besteht und ein Iinearer Zusammenhang zwischen dem ursprUnglichen Entwicklungsstand und dem Wirtschaftswachstum ange nommen werden kann. Eine kurvilineare Beziehung, wie sie auch die BCD Studie postuliert, zeigt sich nur dann, wenn Entwicklungsliinder und fortge schrittene Industrienationen gemeinsam untersucht werden.50 50 Sobald die 13 Industrienationen der BCD-Studie von der Analyse ausgeschlossen bleiben, wird der l<.egresslOnskoetTizlent der Vanable YN' - das Pendant zum l.1uadrat von DE V in der vorliegenden Studie - dort eben falls nicht mehr signifikant (Bomschier/Chase-Dunn 1985: Tab. 5). Auch Dixon und Boswell (l996a), welche nur Daten aus Entwicklungsliindem analysieren, schliessen die quadrierte Form der Entwicklungsvariable aus der Untersuchung aus: "Squared GNP per capita ( ... ) is omittted because it was never consequental to our estimations" (ebd.: 552). Wird das Quadrat der Variable DEV trotzdem in die Untersuchung aufgenommen, entsteht aus der urspriinglichen additiven Regressionsgleichung letztlich ein interaktives Modell: Die Gleichung GROWTH=bo+b,*DEV+b2*DEV*DEV+h.*K misst die Interaktion der Variable DEV mit sich selbst. In der Analyse des Datenmaterials zeigt sich jedoch, dass keine derartiger Effekt besteht: Der Regressionskoeffizient der Variable DEV*DEV erweist sich als statistisch nicht signifikant. Die Quadratvariable kann deshalb von der Untersuchung ausgeschlossen bleiben. Die neuen empirischen Ergebnisse 107 7.1.3 Die Logik der Replikationsstudie Mit der genannten Auswahl an Pradiktoren gleicht das hier vorgeschlagene Grundmodell den herkommlichen Wachstumsregressionen, wie sie auch in der okonomischen Standardliteratur zur Erklarung von wirtschaftlichem Erfolg herangezogen werden. Vor allem jedoch wird auf diese Weise auch unmittelbar die Testanordnung reproduziert, mit der bereits Dixon und Boswell (1996a) operiert haben. Der einzige nennenswerte Unterschied zur Vorgangerstudie von Dixon und Boswell betrifft den Umstand, dass samtliche Daten nunmehr rund zwei Jahrzehnte spater erhoben werden. Wahrend Dixon und Boswell Daten zu den Jahren 1965-77 untersuchen, betrifft das Datenmaterial der vorliegenden Studie die Jahre 1985-93.51 Wei! die beiden Studien auf derselben Untersuchungsanordnung beruhen, werden direkte Vergleiche der Ergebnisse von Dixon und Boswell mit den Resultaten der vorliegenden Untersuchung moglich sein. Sollten die Resultate stark voneinander abweichen, kann dies nicht auf Modellunterschiede zurtickge fUhrt werden, sondern es gilt, nach 'realen' Ursachen fUr die Abweichungen zu fragen. Auch konnen direkte Vergleiche mit den Ergebnissen bei de Soysa und Oneal (1999) angestellt werden, deren Modelle sich ebenfalls stark an den Untersuchungen von Dixon und Boswell orientieren.52 Erst in einem zweiten und dritten Schritt der Analyse wird das beschriebene Grundmodell um zusatzliche wachstumsrelevante Grossen erweitert. Beispiels weise gerat dort dann auch die Bedeutung der Sekundarbildung ins Blickfeld (SEC). Diese wird gemessen tiber den Anteil an der gesamten Erwachsenenbe volkerung eines Landes, der die Sekundarschule begonnen oder auch abge schlossen hat, ohne spater in die Tertiarstufe tiberzuwechseln (Que lie: Barro und Lee 2000; Konstruktion s. Annex). We iter werden im Annex 2 interaktive Modellspezifikationen untersucht, die tiber eine Reanalyse des interaktiven Modells bei Dixon und Boswell (1996b) hinausgehen. 51 Ein weiterer Unterschied betrifft die Variable OPEN, die den gesamten Aussenhandel - also Exporte und importe - eines Landes erfasst. Die Handelsvariable, mit der Dixon und Boswell (l996a und 1996b) operieren, misst lediglich die relative Bedeutung der Exporte. 52 Eine sehr deutliches PUldoyer fOr die Durchflihrung solcher Reanalysen findet sich bei Deutsch (1966: 46). Fiir diesen ist der Zwang zur originellen Erweiterung von Testmodellen eher Fluch denn Segen: "We suffer from the curse of enforced originality which makes it a crime for a graduate student to replicate somebody else's experiment and forces the unhappy man to think up a new wrinkle on every experiment. i wish we could get an interuniversity agreement that we expect everybody who earns a degree to do two things: first, to replicate honestly one experiment in social science and then, if he must, invent a new one. If physicists and chemists had not replicated each other's experiments, they would still be in the age of alchemy." 108 Die neuen empirischen Ergebnisse 7.2 Bivariate Zusammenhange Tabelle I enthalt die bivariaten Korrelationskoeffizienten fUr samtliche Varia bien, die in den nachfolgenden regressionsanalytischen Tests mit untersucht werden. Die aufgefUhrten Werte lassen erkennen, dass keine der beteiligten Grossen in sehr enget statistischer Beziehung zu anderen Variablen steht. Unter jenen Grossen, die als unabhangige Variablen in die spateren Regressionsmo delle einfliessen, weist die engste der gefundenen Korrelationen (zwischen dem Entwicklungsstand und der Marktgrosse) lediglich einen Wert von r= .49 auf. Die Gefahr, dass die multiplen Regressionsanalysen des nachsten Kapitels durch multikollineare Beziehungsgeflechte verzerrt werden konnten, scheint somit gering (wenngleich sie selbstverstandlich auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden kann). Tabelle 1: Matrix der bivariaten Korrelationen FIR DIR DEV SIZE OPEN Sekundarbildung (SEC) me-Penetration -.26 - .10 .09 -.23 .26 .16 (PEN) ( .02) ( .39) ( .45) ( .04) ( .02) ( .16) Ausl.lnvestitionen .14 .13 .17 .07 .25 (FIR) ( .22) ( .26) ( .12) ( .54) ( .02) Lokale Investitionen .00 .04 .20 -.03 (DIR) ( .98) ( .70) ( .08) ( .78) Entwicklungss1and .43 .39 .49 (DEV) ( .00) ( .00) ( .00) MaIktgr6sse -.28 .30 (SIZE) (.01) (.01) Handelsquote .24 (OPEN) ( .03) Pearsons R (p-Werle in Klammern) Ein interessanter Befund der bivariaten Korrelationsanalysen betrifft die Kon vergenzthese bzw. den Unterschied zwischen konditionaler und absoluter Konvergenz. Die spateren multivariaten Regressionsanalysen werden als Teilbe fund der Untersuchung jeweils einen (nur schwach signifikanten) negativen Effekt vom ursprtinglich erreichten Entwicklungsstand auf das Wirtschafts wachstum ergeben (vgl. insbesondere Tab. 3). Dies kann dahingehend interpre tiert werden, dass die am wenigsten entwickelten Okonomien tiber ein Die neuen empirischen Ergebnisse 109 tiberdurchschnittlich hohes Wachstumspotential verfligen und oft beinahe kostenlos von den technologischen Errungenschaften weiter fortgeschrittener Lander profitieren konnen. Waren Bildungsniveaus, Investitionsraten und weitere Faktoren in allen untersuchten Fallen identisch, dann wOrden die am wenigsten entwickelten Lander gem ass den nachfolgenden multivariaten Ergeb nissen deutlich die hOchsten Wachstumsraten des gesamten Samples aufweisen. Die in Tabelle I aufgelisteten bivariaten Zusammenhange sprechen jedoch eine ganz andere Sprache. Die einfache Korrelation zwischen Entwicklungsstand und Wirtschaftswachstum fallt signifikant positiv aus und widerlegt damit sehr deutlich die Hoffnung, dass sich die Situation der allerarmsten Lander inzwi schen tatsachlich der Lage weiter fortgeschrittener Lander angenahert haben konnte. Trotz konditionaler (und in gewissem Sinne 'virtueller') Konvergenz potentiale ist es in absoluter Hinsicht sogar zur Divergenz von Entwicklungs wegen gekommen. Es gilt das Matthausprinzip: Obwohl sie tiber ein grosseres Wachstumspotential verfligen, verzeichnen die rtickstandigsten aller Lander im Durchschnitt ein noch geringeres Wirtschaftswachstum als diejenigen Lander, die bereits von vomherein tiber einen hoheren Entwicklungsstand verfligen. Wie aber steht es urn die Zusammenhange zwischen der TNC-Penetration (PEN) und den restlichen Grossen? Hinsichtlich dieser eigentlichen Fragestel lung der Arbeit sind zwei Ergebnisse von besonderem Interesse: namlich die negative Korrelation zwischen PEN und dem Wirtschaftswachstum sowie die negative Beziehung zwischen PEN und der einheimischen Investitionsrate. Wenngleich beide Befunde aus teststatistischer Sicht nicht signifikant sind, tragen sie doch immerhin die von der kritischen Position erwarteten Vorzeichen. Vorderhand scheint sich also die kritische Sicht auf TNC-Aktivitaten besser zu behaupten als die konventionelle Sicht: Je starker ein Land (im Verhaltnis zu seiner Wirtschaftsgrosse) von TNCs durchdrungen ist, desto schwacher fallt die lokale Investitionstatigkeit aus und desto weniger Wachstum scheint sich zu ergeben. Wachstumsfordemde TNC-Effekte im Sinne der konventionellen Entwick lungsokonomie zeigen sich lediglich im signifikant positiven Verhaitnis, das zwischen der Variable FIR und dem Wirtschaftswachstum besteht. Tatsachlich scheint vom Zutluss auslandischer Direktinvestitionen ein kurzfristig positiver Effekt auf das Wachstum auszugehen. Dieser letzte Befund darf freilich genau so wenig Oberbewertet werden wie die anderen, zumal einfache Korrelationen im allgemeinen nur wenig tiber die eigentlichen Beziehungen zwischen den untersuchten Variablen aussagen konnen. Bekanntlich bleibt in den Ergebnissen der Korrelationsanalysen die Richtung der Zusammenhange ganzlich ungewiss, und zudem sind bivariate Befunde haufig durch Scheinbeziehungen und indi rekte Zusammenhange verzerrt. 110 Die neuen empirischen Ergebnisse Was die negative Beziehung zwischen PEN und dem Wirtschaftswachstum betrifft, zeigen sich im vorliegenden Fall gleich mehrere Ansatzpunkte fUr Scheinkorrelationen und indirekte Effekte. Der offensichtlichste unter ihnen betrifft die auslandische Investitionsrate (FIR), die als vermittelnde Grosse eines indirekten Zusammenhangs zu funktionieren scheint. FIR ist signifikant negativ mit der TNC-Penetration verknUpft, steht aber in einem hochsignifikant positi yen Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum. Eventuell kommt also der negative Zusammenhang zwischen PEN und der Variable Wirtschaftswachstum nur deshalb zustande, weil solche Lander, die bereits stark von TNCs penetriert sind, nur noch geringe Mengen an wachstumsfordernden FDI-NeuzuflUssen empfangen. Dies zu UberprUfen und weitere Quellen fUr mogliche Verzerrungen auszuschalten, wird Aufgabe der nachfolgenden multivariaten Analysen sein. 7.3 Die Ergebnisse der muItivariaten Analysen 7.3.1 Das additive, lineare Grundmodell Zu welchen Resultaten die Analyse des multivariaten Basismodells fUhrt, zeigt Tabelle 2. In der ersten Kolonne werden zunachst das Grundmodell und seine diversen Komponenten UberprUft, ohne die auf TNC-Aktivitaten bezogenen Variablen PEN und FIR mit einzubeziehen. Dabei fallt insbesondere die hohe Erklarungskraft auf, die dieses Basismodell besitzt: Wie das korrigierte R Quadrat zeigt, konnen immerhin 56% der Varianz im Wirtschaftswachstum durch die vier Pradiktoren des Grundmodells erklart werden. Drei der vier unabhangigen Grossen weisen signifikante Effekte auf, wobei die Vorzeichen der Koeffizienten allesamt den Ublichen Annahmen und Forschungsergebnissen der Volkswirtschaftslehre entsprechen. So zeigen sich hochsignifikante Skale netrage bei zunehmender Marktgrosse, klare Wachstumsvorteile fur handelsof fene Wirtschaften sowie die eben falls hochsignifikant positiven Auswirkungen der einheimischen Gesamtinvestition auf das Wirtschaftswachstum. Einzig die mittels der Variable DEV modellierte Konvergenzthese, wonach weniger fortgeschrittene Wirtschaften von einem NachzUglervorteil profitieren konnen, erweist sich als problematisch: Zwar zeigt sich das erwartete negative Vorzei chen, der Effekt ist indes statistisch nicht signifikant. Wie weiter hinten zu zeigen sein wird, andert sich dies jedoch, sobald die Variable Sekundarbildung ebenfalls ins Regressionsmodell aufgenommen wird (vgl. auch die Erlauterung im vorhergehenden Kapitel zur absoluten Konvergenz). Wird nun in Kolonne 2 dem ursprUnglichen Grundmodell die Variable FIR, die Wachstumsrate des auslandischen Kapitalstocks, beigefUgt, steigt die er-
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