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Transdisziplinäre Jugendforschung: Grundlagen und Forschungskonzepte PDF

353 Pages·2010·1.544 MB·German
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Christine Riegel · Albert Scherr · Barbara Stauber (Hrsg.) Transdisziplinäre Jugendforschung Christine Riegel Albert Scherr Barbara Stauber (Hrsg.) Transdisziplinäre Jugendforschung Grundlagen und Forschungskonzepte Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. . . 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Stefanie Laux VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesond ere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17132-6 Inhalt Christine Riegel | Albert Scherr | Barbara Stauber Einleitung: Ausgangsbedingungen und Perspektiven transdisziplinärer Jugendforschung – zu den Hintergründen und der Entstehung dieses Bandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 I Theoretische und methodologische Bezugspunkte Barbara Stauber Transdisziplinäre Jugendforschung: Ein neuer Anlauf zu einer integrativen Forschungsperspektive . . . . . 25 Albert Scherr Für eine strukturtheoretisch fundierte kritisch-refl exive Jugendforschung – Konturen einer transdisziplinären Perspektive . . . 47 Christine Riegel Intersektionalität als transdisziplinäres Projekt: Methodologische Perspektiven für die Jugendforschung . . . . . . . . . 65 Rudolf Leiprecht Ist Intersektionalität ein nützliches Konzept, um unzulässigen Verallgemeinerungen und stereotypen Schubladenbildungen in der Jugendforschung vorzubeugen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II Methodologien und Erkenntnisinteressen Bernd Dollinger Mala in se? „Antisozialität“ als Bezugspunkt transdisziplinärer Jugendforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5 Inhalt Josef Held Jugendforschung aus Subjektperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Thomas Coelen Transdisziplinäre Bildungs- und Sozialforschung . . . . . . . . . . . . 159 Florian Eßer | Stefan Köngeter Transdisziplinäre Ethnographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III Methodische Zugänge Anke Prochnau Kritisch-refl exive Methoden der sozialpsychologischen Adoleszenzforschung: Die psychoanalytisch orientierte Interpretation der Forschungsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Ronald Kurt Improvisationstheater als transdisziplinäre Methode der Jugendforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Tobias Studer | Margot Vogel Gesellschaftliche Prozesse der Unbewusstmachung am Beispiel von Rechtsextremismus und Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Kerstin Bronner Intersektionalität in der Forschungspraxis – zum Potential eines intersektionellen Forschungsblicks für die empirische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Mart Busche | Olaf Stuve Bildungs- und Sozialarbeit intersektional erweitern . . . . . . . . . . 271 Marc Weinhardt Jugendliche und junge Erwachsene als Nutzer_innen von E-Mail-Beratungsdiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 6 Inhalt IV Jugendforschung für die „Wissensgesellschaft“ Andreas Walther „Übergangsregimes“ als Modell disziplin übergreifender vergleichender Jugendforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Ulrike Popp Von der „Verschulung der Jugend“ zur „jugendgerechten“ Schule? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Dorothee Schaffner Ein mehrdimensionaler jugendtheoretischer Zugang zu Lern- und Bildungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Autor_innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 7 Ch ristine Riegel | Albert Scherr | Barbara Stauber Einleitung: Ausgangsbedingungen und Perspektiven transdisziplinärer Jugendforschung – zu den Hintergründen und der Entstehung dieses Bandes „Was die Wissenschaft in einer Welt wachsenden Wissens und Nichtwissens, desgleichen in einer Welt wachsender Probleme braucht, sind (…) diszipli- näre Grenzgänger, d.h. Wissenschaftler, die die Grenzen ihrer Disziplin mehr lieben als die ausgetretenen disziplinären Pfade, die transdisziplinär denken und forschen.“ (Mittelstraß 1992: 89) Dass Jugendforschung auf eine Verbindung des Wissens und der Forschungs- methoden unterschiedlicher Disziplinen verwiesen ist, wenn sie sachhaltige Aussagen zur Lebenssituation und der alltäglichen Lebensführung Jugendli- cher, die Risiken und Schwierigkeiten des Heranwachsens, über Jugendszenen und Jugendkulturen usw. treffen will, ist prinzipiell unstrittig. Denn in Hinblick auf diese und andere Themen und Fragestellungen der Jugendforschung lässt sich zeigen, dass erst die Verschränkung sozialhistorischer, soziologischer, psy- chologischer und pädagogischer Perspektiven dazu befähigt, das Zusammen- wirken von a) gesellschaftlichen Strukturen und sozialen Kontexten mit b) den kulturellen Rahmungen und Diskursen, c) der Subjektivität, dem Erleben, den Wahrnehmungen, Deutungen, Bewertungen sowie d) den individuellen und kollektiven Praktiken zu analysieren, aus dem jeweilige soziale Ausprägungen von Jugenden, Lebensstilen und individuellen Entwicklungsverläufen hervor- gehen. Insofern liegt es nahe, eine solche Jugendforschung einzufordern und weiterzuentwickeln, die konsequent über die Beschränkungen hinausgeht, die aus einzelwissenschaftlicher Spezialisierung resultieren. Und es lässt sich auch feststellen, dass Bemühungen um eine solche interdisziplinäre Jugendforschung eine lange Tradition haben. 9 Christine Riegel | Albert Scherr | Barbara Stauber Um nur einige Bespiele zu nennen: • Bereits in den 1920er Jahren hatte Siegfried Bernfeld eine gesellschafts- theoretische Fundierung der „Psychologie der Pubertät“ eingefordert (vgl. Bernfeld 1927). • Die Einsicht der „sozialen Überformung“ biologischer und psychodyna- mischer Prozesse wurde von Erwin K. Scheuch (1974: 73) als notwendige Grundlage der Jugendforschung reklamiert. • Die Annahme, dass „unterschiedliche Verlaufs- und Lösungsformen der Adoleszenzkrise“ durch „subkulturelle Lebenswelten sowie die Sozialstruk- tur mit ihrem Gefälle ungleicher Lebenschancen“ bedingt sind, wurde von Rainer Döbert und Gertrud Nunner-Winkler (1975: 46) als Grundlage für Erklärung der die Entstehung gegenkultureller Jugendbewegungen bean- sprucht. • Die Forderung, „die der Soziologie verpfl ichtete Gesellschaftstheorie und die durch Philosophie, Psychologie und Psychoanalyse geprägte Subjekt- theorie auf die Probleme pädagogischen Handelns zu beziehen“ (Breyvogel 1989: 11), war in den 1980er Jahren für den DFG-Forschungsschwerpunkt ‚Pädagogische Jugendforschung‘ leitend. • Im einfl ussreichen Lehrbuch ‚Entwicklungspsychologie des Jugendalters‘ von Helmut Fend (2000: 129) wird konstatiert, dass es erforderlich ist, die innerpsychische Entwicklung systematisch in ihrer Verschränkung mit ge- sellschaftlichen Kontexten zu betrachten. • Lothar Böhnisch und Heide Funk haben in zahlreichen für die Jugendfor- schung relevanten Arbeiten Brücken von (sozial-)pädagogischen zu sozial- psychologischen und soziologischen Ansätzen geschlagen; die ‚Pädagogi- sche Soziologie‘ ist ein Versuch, die gesellschaftlichen Eingebundenheiten des pädagogischen Tuns theoretisch zu fassen (vgl. Böhnisch 2003). • Nicht zuletzt wurden in den auch für die deutschsprachige Jugendforschung wichtigen Studien des Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Stu- dies (CCCS) (vgl. Clarke u.a 1979; Willis 1979; Willis 2000) theoretische Konzepte und empirische Analysen vorlegt, die darauf zielen, klassentheo- retische, kulturtheoretische und subjekttheoretische Perspektiven zu integ- rieren. Ob die zahlreichen Versuche zur Entwicklung einer interdisziplinär angelegten Jugendtheorie und Jugendforschung erfolgreich waren, war und ist jedoch hoch umstritten. Ältere und neuere Kritiken (vgl. etwa Krüger 1988; Lüders 2003; Scherr 2009; Stauber/Riegel 2009) kommen zu der Einschätzung, dass sich die Jugendforschung – jedenfalls bislang – schwer damit tut, über eine bloß 10 Einleitung punktuelle und additive Verbindung hinauszugehen und zu einer systematischen Integration von Theoremen, Forschungsmethoden und Wissensbeständen zu ge- langen. Hingewiesen wurde auch auf nicht problemlos aufhebbare Differenzen disziplinärer Perspektiven (vgl. Scherr 2003; Hitzler 2008), aber auch auf immer wieder stattfi ndende wechselseitige disziplinäre Abgrenzungsmanöver, die als Hinweis darauf zu lesen sind, dass die an Jugendforschung beteiligten Diszipli- nen immer noch (oder derzeit verstärkt?) mit Statuskämpfen befasst sind.. Die einschlägigen Kritiken sind hier nicht im Detail zu diskutieren. Sie wei- sen u.E. mit einiger Berechtigung darauf hin, dass der Anspruch einer interdis- ziplinären Integration keineswegs einfach einzulösen ist. Ein zentraler Grund hierfür ist erstens darin zu sehen, dass die Ausdifferenzierung wissenschaftli- cher Teildisziplinen als eine Spezialisierung verstanden werden kann, die es ermöglicht, ein (historisches, soziologisches, pädagogisches, psychologisches usw.) Expertenwissen zu entwickeln; dessen Aneignung und Weiterentwicklung setzt eine disziplinäre Spezialisierung von Wissenschaftler_innen voraus, die angesichts der umfangreichen disziplinären Wissensbestände nicht beliebig und jedenfalls nicht ohne erheblichen Aufwand überwunden werden kann. Zweitens – und dies erscheint uns hier von noch größerer Bedeutung – sind die für die Jugendforschung relevanten Disziplinen selbst durch eine interne Ausdifferen- zierung heterogener und kontroverser Theorien und Forschungsmethoden ge- kennzeichnet, mit je unterschiedlichem Bezug auf gesellschafts- und subjekt- theoretische Positionen. Dies hat zur Folge, dass etwa Pädagog_innen sich nicht einfach auf einen einheitlichen Wissensbestand der Soziologie, Soziolog_innen sich nicht auf eine einheitliche psychologische Jugendtheorie beziehen können, usw. Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass zwar im Be- reich der Forschungsmethoden ein disziplinübergreifendes Repertoire festge- stellt werden kann. Auf der Ebene von Theorien, Theoremen und Begriffen stellt sich Interdisziplinarität jedoch (auch in der Jugendforschung) in der Form hete- rogener, mehr oder weniger konsistenter Kombinationen von Wissensbeständen aus den Teildisziplinen dar, denen paradigmatische Präferenzen von Wissen- schaftler_innen und Forschungsgruppen sowie themenbedingte Selektivitäten zu Grunde liegen. Mit dem Call zu einer Tagung „Transdisziplinäre Jugendforschung“, die im Juli 2009 in Kooperation zwischen dem Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen und dem Institut für Sozialwissenschaften der Päd- agogischen Hochschule Freiburg durchgeführt wurde, brachten die Herausge- ber_innen ihre Annahme zum Ausdruck, dass relevante Unterschiede zwischen unterschiedlichen Strömungen der Jugendforschung gegenwärtig nicht mehr – oder zumindest nicht mehr ausschliesslich – als Folge tradierter disziplinärer Abgrenzungen verstanden werden können. Vielmehr sind Überstimmungen und 11 Christine Riegel | Albert Scherr | Barbara Stauber Differenzen zu konstatieren, die jenseits disziplinärer Verortungen situiert sind und die es erforderlich und ggf. auch aussichtsreich erscheinen lassen, nach den Perspektiven einer transdisziplinären (also nicht: interdisziplinären) Jugendfor- schung zu fragen. So fi nden sich etwa innerhalb der Soziologie und innerhalb der Erziehungswissenschaft sowohl Vertreter_innen als auch Kritiker_innen einfl ussreicher Zeitdiagnosen wie des Beck’schen Individualisierungstheorems oder der Heitmeyer’schen Desintegrationsthese. Vergleichbares gilt z.B. auch für Präferenzen hinsichtlich einer eher ethnographisch oder einer eher sozial- strukturell ausgerichteten Jugend(kultur)forschung sowie für theoretische Anti- oder Sympathien mit Konzepten wie dem der Entwicklungsaufgaben, der psy- chosexuellen Adoleszenzkrise oder dem Bourdieu’schen Habituskonzept. Auch (aber nicht nur) in der Jugendforschung ist zudem strittig, welche Reichweite klassen- und milieutheoretische Analysen haben, und ob das Postulat der Exis- tenz ethnischer Gruppen mit damit verbundenen folgenreichen kulturellen Un- terscheidungen eher zur Erklärung, oder aber – wozu die Herausgeber_innen dieses Bandes tendieren – mehr zur Verschleierung der Situation Jugendlicher in Migrationsgesellschaften sowie gleichzeitig zur Dethematisierung struktureller Ungleichheiten und gesellschaftlicher Macht- und Dominanzverhältnisse bei- trägt. Auch zwischen den Beiträgen dieses Bandes, deren gemeinsames Ziel die Konturierung einer transdisziplinären Jugendforschung ist, werden solche Dif- ferenzen sichtbar: Die hier vorliegenden Versuche, Wissensbestände aufzuzei- gen, die eine disziplinübergreifende Forschung und Theorienentwicklung in Bezug auf Jugenden bzw. Jugendliche ermöglicht, beziehen sich auf heterogene Theorien aus den Grundlagendisziplinen und münden nicht in eine einheitli- che Grundlagentheorie. Diese Heterogenität ist ein Faktum, und der Anspruch, sie aus der Welt zu schaffen, wäre vermessen und wohl auch falsch. Als ge- meinsamer Konsens zeichnet sich jedoch ab, dass zeitgemäße Jugendforschung darauf verwiesen ist, sozialwissenschaftliches, pädagogisches und psychologi- sches Wissen, aber auch kulturwissenschaftliches und historisches Wissen so aufeinander zu beziehen, dass die gesellschaftsgeschichtliche Situiertheit von Jugenden sowie von jugendbezogenen Institutionen und Praktiken ebenso in den Blick kommt wie die Durchdringung des Erlebens, Denkens und Handelns von Jugendlichen durch soziale Strukturen und Prozesse. Eine weitere Übereinstim- mung liegt in der Annahme, dass Jugendliche gleichwohl nicht als Marionetten an den Fäden gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse bzw. innerpsychischer Dynamiken zu betrachten sind, sondern als sozial situierte, aber zugleich eigen- sinnige Akteure, die sich mit den ihnen auferlegten Lebensbedingungen aktiv auseinandersetzen. Diese Übereinstimmungen bestätigen gewissermaßen den von uns hier anvisierten Begriff von Transdisziplinarität. 12

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