Harald Schmidt Tr(cid:228)nen im Aquarium Ein Kurzausflug ans Ende des Verstandes Ein schreibender Showmaster? Genau. Aber Harald Schmidt hat sich f(cid:252)r dieses Buch weit entfernt vom sicheren Terrain der Samstagabendunterhaltung, um eine ganz andere Welt zu erobern, die Welt Thomas Manns und Peter Handkes, die Welt der sch(cid:246)ngeistigen Literatur. Und die Kenner unter den Lesern werden es schnell erfa(cid:223)t haben: Hier hat ein junger Schriftsteller seine Hausaufgaben gemacht. Fl(cid:252)ssig reiht er die W(cid:246)rter aneinander, alles wird gel(cid:228)utert zur dichterischen Form ... Wie im Vorbeigehen lernt der Leser unverkrampft Zeitgenossen Harald Schmidts von Fritz J. Raddatz bis zu Bj(cid:246)rn Engholm, Karl Moik, Woody Allen oder Arthur Schopenhauer kennen. Dazu die St(cid:228)dte New York und Paris. Eine Lekt(cid:252)re f(cid:252)r die ganze Familie. ISBN 3-462-02302-0 ' 1993 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, K(cid:246)ln Umschlaggestaltung: Manfred Schulz, K(cid:246)ln Umschlagfoto: teutopress, Bielefeld Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!! (cid:220)ber das Buch: Ein schreibender Showmaster? Genau. Aber Harald Schmidt hat sich f(cid:252)r dieses Buch weit entfernt vom sicheren Terrain der Samstagabendunterhaltung, um eine ganz andere Welt zu erobern, die Welt Thomas Manns und Peter Handkes, die Welt der sch(cid:246)ngeistigen Literatur. Und die Kenner unter den Lesern werden es schnell erfa(cid:223)t haben: Hier hat ein junger Schriftsteller seine Hausaufgaben gemacht. Fl(cid:252)ssig reiht er die W(cid:246)rter aneinander, alles wird gel(cid:228)utert zur Form. Man wird fragen : Haben wir es mit einer zarten Novelle zu tun? Mit einem scharfsinnigen Essay oder einfach mit einer schn(cid:246)rkellosen Prosaarbeit? Die Antwort: Harald Schmidts Buch ist ein Werk sui generis, ein nomadischer Text, der die bekannten Genres des Arzt- oder Heimatromans ebenso dekonstruiert wie - denn doch - die g(cid:228)ngigen Formen der TV-Unterhaltung, des Schriftstellertagebuchs oder des p(cid:228)dagogisch gemeinten Sozialdramas. Wie im Vorbeigehen lernt der Leser unverkrampft Zeitgenossen Harald Schmidts von Fritz J. Raddatz bis zu Bj(cid:246)rn Engholm, Karl Moik, Woody Allen oder Arthur Schopenhauer kennen. Dazu die St(cid:228)dte New York und Paris. Eine Lekt(cid:252)re f(cid:252)r die ganze Familie. Der Autor Harald Schmidt, geboren 1957, Schauspielschule in Stuttgart, anschlie(cid:223)end St(cid:228)dtische B(cid:252)hnen Augsburg, danach beim D(cid:252)sseldorfer »Kom(m)(cid:246)dchen«. Kabarettsoloprogramme, Radio- und TV-Moderationen. F(cid:252)r Fernando Garcia Diego Babbist(cid:224) d’y Co’co y’ Pest(cid:246) d’al Fes(cid:223)’do y Fresco Cesualo Cafftonn. (1565-1712) »Harry, manchmal hasse ich meinen Beruf.« (Stefan Derrik) Inhalt Tschechows F(cid:252)ller.................................................................................5 Mein Essen mit Adorno.........................................................................7 A b(cid:244)ut de souffle..................................................................................12 Vorwort.................................................................................................16 Im Haus von Billy Wilder (f(cid:252)r Karasek)...........................................19 Pourquoi, chØrie?.................................................................................25 Mice and Men and Matussek..............................................................29 siehe 1. (f(cid:252)r Brigitte Seebacher-Brandt)............................................36 F(cid:252)r Paul McCartney............................................................................42 Sorgen herzungewisse..........................................................................45 Niemandes Schlaf (F(cid:252)r R, R, K., Z. und M.).....................................50 So z(cid:228)rtlich war der F(cid:252)hrer.................................................................55 Mutter...................................................................................................56 Ruth 66..................................................................................................58 Route 66................................................................................................63 Flotte Teens in engen Jeans.................................................................69 Montag ist erst (cid:252)bermorgen................................................................71 Keep the Highlands Tidy.....................................................................76 The End................................................................................................80 Anhang..................................................................................................81 Tschechows F(cid:252)ller Diesmal kamen die Architektengattin und ich fast gleichzeitig, sie schrie noch lauter als beim ersten Mal, aber als sie ihren Rock glatt streifte und wir aus der K(cid:252)che zur(cid:252)ck zu den anderen gingen, hatte keiner etwas bemerkt. Dieser Satz hat nichts mit dem folgenden Kapitel zu tun, aber William Faulkner hat angeblich gefordert, der erste Satz eines Buches m(cid:252)sse so sein, da(cid:223) der Leser gezwungen sei, weiter zu lesen. Warum dieses Buch? Ich wei(cid:223) es nicht. Wahrscheinlich braucht der Verlag mal wieder einen Nobelpreis. Ist ja schon eine Weile her, seit Heinrich und Gabo in Stockholm abger(cid:228)umt haben. Soll ich mich dann eigentlich auf schwedisch bedanken? Wird wahrscheinlich nicht n(cid:246)tig sein, denn Sylvia spricht ja deutsch. Jetzt bin ich also Schriftsteller. Oder Autor. Wahrscheinlich Essayist. Vielleicht auch Romancier. Wenn ich k(cid:252)nftig (cid:252)ber Brecht, Mann, Tolstoi oder Balzac spreche, mu(cid:223) ich ab jetzt sagen »meine Kollegen«. Nat(cid:252)rlich sind auch Schanze, Schautzer und Carrell weiterhin meine Kollegen, aber in einer anderen Welt. Der Welt des Glamours, des Glitzers und des sch(cid:246)nen Scheins. Von mir erwartet der deutsche Buchhandel Tiefsinn, Leidensf(cid:228)higkeit und eine radikale Bestandsaufnahme deutscher Wirklichkeit. Habe ich eigentlich Zeit, wenn Paulskirche angesagt ist? Hoffentlich f(cid:228)llt der Friedenspreis nicht zusammen mit der Bambi-Verleihung. Mein Kalender ist schon wieder so voll! Ich werde einen Diener engagieren, der mich nachts an den Stuhl bindet und mir literweise Kaffee einfl(cid:246)(cid:223)t. Vielleicht arbeite ich auch eher so proustm(cid:228)(cid:223)ig, tapeziere mein Zimmer mit Kork, stehe nicht mehr auf und schicke ins Ritz um einen Apfel. Eine debile Haush(cid:228)lterin mu(cid:223) her, der ich die Rechte vererben kann. Vorher qu(cid:228)le ich sie zwanzig Jahre. Schei(cid:223)e, ich habe keinen Garten! Ich brauche -5- einen Garten, weil ich im Garten auf und ab gehen mu(cid:223) und die S(cid:228)tze laut hinausschreien, um zu pr(cid:252)fen, ob der Rhythmus stimmt. Bin ich ein neuer Flaubert? Oder ein deutscher Sartre? Schuppen, Sehfehler und Erfolg bei Frauen. Ganz wichtig: Bedeutende Briefwechsel beginnen, in denen der Partner mit dem Familiennamen angesprochen wird. Mein lieber Oelze, heute geht es so leidlich. Danach rasch ein paar fl(cid:252)chtige Zeilen an eine geheimnisvolle Geliebte aufs Papier geworfen, in denen ich mich von einer unvermutet naiven Seite zeige. Meine sch(cid:246)ne Geliebte mit dem weichen Mund... Nachmittags setze ich mir dann ein paar Frauen in die St(cid:252)hle und beginne Krach mit dem Verleger. Sehr wichtig. Der Verleger mu(cid:223) mich hassen! »Meine sch(cid:246)ne Geliebte, wie gerne w(cid:252)rde ich dich in ein vornehmes Restaurant f(cid:252)hren oder dir durch einen verschwiegenen Kurier eine Aufmerksamkeit zukommen lassen. Aber seit Monaten hat mir der Verleger keinen Scheck mehr geschickt. Mein Zimmer ist kalt, die W(cid:228)nde na(cid:223), der entsetzliche Husten wird immer schlimmer. Das sch(cid:246)ne Halstuch, dein liebes Geschenk, ist schon ganz blutig.« -6- Mein Essen mit Adorno Auch fickende Nonnen k(cid:246)nnen gute Gedichte schreiben F.J. Raddatz Stimmt diese literaturwissenschaftliche These, aufgestellt von Fritz J., der auf dem Weg zur fickenden Nonne als wichsender M(cid:246)nch im ZEIT-Feuilleton kleben geblieben ist? Wird Raddatz immer mehr zum Hubert, seit seine Fichte nadelt? (Siehe auch: Die graue Revolution - ein Dossier (cid:252)ber das Altern (S. 13-23), Die Zeit Nr. 13/93) Nicht umsonst steht dieses Buch unter dem Motto »Schreiben hei(cid:223)t das Herz waschen« meines Freundes Thomas Mann. Der gute Thommy! Ich besitze seine handsignierte Aphorismensammlung »R(cid:252)stig bei R(cid:246)sti - allerlei Geschnetzeltes aus Z(cid:252)rich«. Besonders liebe ich die Abschnitte »Mit Golo beim Polo« (S. 86ff) und »Mit Katja in Opatja« (S.34-72). Mein Blick f(cid:228)llt auf die Zweiglein des Kirschbaums vor meinem Fenster, das Auge wird mir tr(cid:252)ber, und ich tr(cid:228)ume mich nach Hamburg hinauf, wo die geistige Elite dieser Republik, ad 1 in Preu(cid:223)en wurzelnd und ad 2 im Delirium endend, versammelt ist. Das lohfarbene Gold einer gro(cid:223)en Wolkenbank spiegelte sich in den Fensterscheiben von Schlo(cid:223) Alzheim, als die Sonne mit schw(cid:228)cher werdendem Glanz hinter der Alster versank. Der alte Buz, die treue G(cid:228)rtnerseele, striegelte den Trakehnerhengst TEMPELH(cid:220)TER, den Marion Gr(cid:228)fin D(cid:246)nhoff unter Einsatz des Lebens ihrer polnischen Knechte aus Ostpreu(cid:223)en geschmuggelt hatte. Jetzt sa(cid:223) Gr(cid:228)fin Marion mit Sybil Gr(cid:228)fin Sch(cid:246)nfeldt beim Tee im Wintergarten und blickte auf das dampfende, edle Ro(cid:223). Auf -7- beider Augen lag ein versonnener Glanz, und Gr(cid:228)fin Sybil gedachte jener l(cid:228)ngst entschwundenen Zeiten, als muselmanische Lakaien die Teebl(cid:228)tter noch einzeln auslutschten und den braunen Saft von Hand (cid:252)ber einer Kerze erw(cid:228)rmten. - Vorbei! Ein sanftes Knirschen ri(cid:223) die beiden Gr(cid:228)finnen aus ihren Gedanken, denn der englische Sportwagen von Dr. Theo Sommer rollte sanft auf dem Kies vor der Auffahrt aus. Dr. Theo Sommer, Chefarzt der Privatnervenheilanstalt Gr(cid:252)ner & Jahr, wirkte auf sonderbare Weise gleicherma(cid:223)en konzentriert und ersch(cid:246)pft. Nein, die Alster war weniger denn je der Potomac, schien er hinter seiner hohen Stirn zu denken, und wer den Rubikon erreicht hatte, mu(cid:223)te sich vor nassen F(cid:252)(cid:223)en h(cid:252)ten. »Quod bisquit eternam topfit«, murmelte er scherzend, als er die Beifahrert(cid:252)r (cid:246)ffnete. Dr. Sommer hatte Fritz J. unter lautem Raddatz wie an jedem Wochenende aus der Klinik mit auf Schlo(cid:223) Alzheim gebracht, wo er stundenlang in der abgedunkelten Voliere Eisenbahnfahrpl(cid:228)ne aus der Lutherzeit ins Franz(cid:246)sische (cid:252)bertrug. Der arme Fritz J. litt an fiebrigen Wahnvorstellungen und krankhaftem Bartwuchs. Hatte er sich bis vor kurzem noch eingebildet, ein Schriftsteller zu sein, so w(cid:228)hnte er sich seit vorgestern als Tochter von Kurt Tucholsky. Die Bewohner liebten Schlo(cid:223) Alzheim, das ihnen immer mehr zu einer behaglichen St(cid:228)tte des Vergessens wurde, abgeschirmt vom dumpfen Treiben der gew(cid:246)hnlichen Menschen mit ihren Imbi(cid:223)buden, Videorecordern und Lohnsteuerkarten. Mit wohligem Brummen schmiegte sich Siebeck an die Beine von Gr(cid:228)fin Marion. Sie kraulte ihn im Nacken. Siebeck, der alte Bernhardiner, dem man vor einiger Zeit mit einem ganzen Magazin den Gnadenschu(cid:223) hatte geben wollen, hatte mit seiner riesigen Zunge den Napf leer geschlabbert und verdaute nun h(cid:246)rbar. Gr(cid:228)fin Marion geno(cid:223) die W(cid:228)rme, die an ihren ostpreu(cid:223)ischen Waden emporstieg. -8- Da betrat leichten Fu(cid:223)es Herr Ulrich den Wintergarten, dem man den Spitznamen Greiner gegeben hatte. Herr Ulrich war von einer schweren Depression genesen, denn seine beiden Windspiele MINIMA und MORALIA waren im Garten von Schlo(cid:223)nachbar Augstein von einer Maulwurfpatrone zerfetzt worden. W(cid:228)re es nicht Gr(cid:228)fin Marions Freund Axel (cid:228)hnlich ergangen, der sich mit einer Bombe im Tornister auf den F(cid:252)hrer st(cid:252)rzen wollte? Unter dem Arm trug Herr Ulrich zwei in Leder gebundene B(cid:228)nde der heiteren ostelbischen Anekdotensammlung »Iris, mein Radieschen«, aus der man sich in den Abendstunden mit verteilten Rollen vortrug, und bald war ein Lachen, Necken und Scherzen im ganzen Schlo(cid:223), das erst ein Ende nahm, als der Butler, ein leibhaftiger Altkanzler, um die elfte Stunde die Kandelaber l(cid:246)schte. Dieser kleine Exkurs, will sagen: Et(cid:252)de, meint also: Zwischenst(cid:252)ck, hei(cid:223)t: Nebbich, ist Marion Gr(cid:228)fin D(cid:246)nhoff gewidmet, unsere Gr(cid:228)fin, neben Steffi die wichtigste uns noch verbliebene. Eine Frau, die ja in der Lage ist, die Folgen des amerikanischen Unabh(cid:228)ngigkeitskrieges 1776 in den Kassenb(cid:252)chern von Friedrichstein zu verfolgen. Welch Hobby! Ei, da gerate ich ins Schwatzen, Schelm, der ich bin, aber sagt nicht der Lehrer von Gr(cid:228)fin D(cid:246)nhoff, der ber(cid:252)hmte Professor Edgar Salin: »Der Soziologe kann bis zu jenen Grenzen f(cid:252)hren, welche die heutigen Aspekte und Fakten umschlie(cid:223)en, aber er tritt zur(cid:252)ck, wenn von fern der Klang der Schicksalsglocke vernehmlich wird, der Gong der Weltgeschichte anschl(cid:228)gt.«? In einem Buch, welches gedacht ist zur Erbauung der gebildeten St(cid:228)nde, mu(cid:223) Platz sein f(cid:252)r solche schlichten Randgedanken, platt gesagt: Paralipomena, denn das Motto lautet ja: »Steh auf, wandle nach Theben und verbreite das meine. « In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, da(cid:223) -9- mein erfolgreiches Vortragsprogramm »Vogelstimmen im Aletschwald« jetzt als Cassette vorliegt, 45 Minuten mit zahlreichen Lichtbildern und Tonbeispielen. -10-