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Topologie I PDF

70 Pages·2008·0.42 MB·German
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TOPOLOGIE I BERNHARD HANKE 1. Einleitende Bemerkungen Hauptgegenstand dieser Vorlesung ist die sogannte algebraische Topo- logie. Sie entwickelt systematische Methoden, um folgende Fragen zu beantworten: Es seien X und Y topologische R¨aume. Sind X und Y hom¨oomorph? Sind X und Y homotopie¨aquivalent? Zur Erinnerung: Definition. • Ein stetige Abbildung f : X → Y heißt Hom¨oomorphismus, falls es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit f ◦ g = id und Y g◦f = id . Die R¨aume X und Y heißen hom¨oomorph, falls es einen X Hom¨oomorphismus X → Y gibt. Wir schreiben dann X ≈ Y. • Sind f,g : X → Y stetige Abbildungen, so nennen wir f und g homotop, falls es eine stetige Abbildung H : X×[0,1] → Y gibt mit H(x,0) = f(x) und H(x,1) = g(x) fu¨r alle x ∈ X (dies bedeutet anschaulich, dass wir f in g deformieren k¨onnen; die Punkte in [0,1] fassen wir dabei als Zeitparameter auf). In diesem Fall schreiben wir f (cid:39) g. • Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt Homotopie¨aquivalenz, falls es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit f◦g (cid:39) id und g◦f (cid:39) Y id . Die R¨aume X und Y heißen homotopie¨aquivalent (oder vom X gleichen Homotopietyp), falls es eine Homotopie¨aquivalenz X → Y gibt. WirschreibendannX (cid:39) Y. EinRaumheißtzusammenziehbar, falls er homotopie¨aquivalent zum einpunktigen Raum ist. Homotopie definiert eine A¨quivalenzrelation auf der Menge aller steti- genAbbildungenX → Y undHom¨oomorphismusundHomotopie¨aquivalenz A¨quivalenzrelationenaufderKlasseallertopologischenR¨aume. Hom¨oomor- phe R¨aume sind homotopie¨aquivalent, aber die Umkehrung gilt in der Regel nicht: Die R¨aume Rn sind alle zusammenziehbar, aber (falls n > 0) sicher nicht hom¨oomorph zum einpunktigen Raum. Im allgemeinen stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Sind X und Y tats¨achlich hom¨oomorph oder homotopie¨aquivalent, so kann man dies nachweisen, indem man einen Hom¨oomorphismus oder eine Homotopie¨aqui- valenz explizit konstruiert. Und dies ist in vielen F¨allen tats¨achlich m¨oglich. Sind aber X und Y nicht hom¨oomorph oder homotopie¨aquivalent, so muss 1 2 BERNHARDHANKE man sich einen Grund einfallen lassen, warum es keine einzige stetige Ab- bildung X → Y mit den gewu¨nschten Eigenschaften geben kann. Die Kon- struktion von stetigen AbbildungenX → Y hilft hier aber nicht weiter. Wir zitieren: Satz 1.1. Die 2-Sph¨are S2 und der 2-Torus T2 = S1 × S1 (“Fahrrad- schlauch”) sind nicht homotopie¨aquivalent. Die R¨aume Rn und Rm sind genau dann hom¨oomorph, falls n = m. Die zweite Aussage wurde erst im Jahre 1910 mathematisch lu¨ckenlos bewiesen - sie wird mit den Methoden dieser Vorlesung aber leicht zu zeigen sein. Die Idee der algebraischen Topologie ist die folgende: Konstruiere fu¨r jeden topologischen Raum X (eventuell mit gewissen Zusatzeigenschaften) ein diskretes Objekt F(X). Dies kann eine Menge sein oder eine Grup- pe oder ein komplizierteres algebraisches Objekt wie z. B. ein Ring. Die Konstruktion sollte funktoriell sein, d.h. ist f : X → Y eine stetige Abbil- dung, so erhalten wir eine induzierte Abbildung F(f) : F(X) → F(Y), die die algebraischen Strukturen von F(X) und F(Y) respektiert. Weiterhin sollte fu¨r stetige Abbildungen f : X → Y, g : Y → Z die Kompositi- onsregel F(g ◦f) = F(g)◦F(f) gelten und F(id ) = id . Angenom- X F(X) men, f : X → Y ist ein Hom¨oomorphismus. Es sei g : Y → X invers zu f. Haben wir eine Zuordnung F wie oben gefunden, dann folgt, dass F(f) : F(X) → F(Y) und F(g) : F(Y) → F(X) zueinander inverse Abbil- dungen sind, die die jeweiligen algebraischen Strukturen respektieren, d.h. F(X) und F(Y) sind isomorph (als Gruppe, o.¨a.). Wenn wir weiterhin an- nehmen, dass wir F(X) fu¨r viele R¨aume X berechnen k¨onnen, dann k¨onnen wir hoffen, dass sich bei dieser Berechnung herausstellt, dass F(X) und F(Y) nicht isomorph sind (als Gruppen o.¨a.). Fu¨r algebraische Objekte kann man dies sehr oft direkt zeigen (z.B. sind zwei Vektorr¨aume genau dann isomorph, wenn sie die gleich Dimension haben). Sind aber F(X) und F(Y) nicht isomorph, so k¨onnen X und Y nicht hom¨oomorph gewe- sen sein. Die algebraische Topologie realisiert diese Programm auf ¨außerst befriedigende Weise: Sie konstruiert Funktoren F der obigen Art von der Kategorie der topologischen R¨aume in algebraische Kategorien wie Grup- pen, Vektorr¨aume, etc. so dass die entsprechenden Objekte F(X) einerseits effektiv berechnet werden k¨onnen, aber immer noch so viel Struktur von X widerspiegeln, dass man interessante Folgerungen u¨ber X ziehen kann. Die in der algebraischen Topologie konstruierten Funktoren F haben in der Regel die Eigenschaft, dass homotope Abbildungen f,g : X → Y die glei- che Abbildung F(f) = F(g) : F(X) → F(Y) induzieren. In diesen F¨allen folgt daraus, dass F(X) und F(Y) nicht isomorph sind, dass X und Y nicht einmal homotopie¨aquivalent sein k¨onnen. In dieser Vorlesung werden wir drei derartige Konstruktionen kennenler- nen: • Homologiegruppen, TOPOLOGIE I 3 • Homotopiegruppen, • Bordismusgruppen. Die Homologiegruppen einzufu¨hren wird zwar einige Zeit in Anspruch nehmen. Wenn sie einmal zur Verfu¨gung stehen, ist der Umgang mit ihnen allerdings sehr bequem und viele sch¨one S¨atze k¨onnen wir mit ihrer Hilfe beweisen. Neben obigen Tatsachen, erw¨ahne ich den Jordanschen Kurven- satz Satz 1.2. Es sei f : Sn−1 → Rn eine topologische Einbettung (d.h. f ist ste- tig und injektiv). Dann besteht Rn\f(Sn−1) aus genau zwei Komponenten, wobei genau eine beschr¨ankt und eine unbeschr¨ankt ist. Eine weitere wichtige Anwendung ist der Satz von Borsuk-Ulam: Satz 1.3. Es sei f : Sn → Rn eine stetige Abbildung. Dann existiert ein Punkt x ∈ Sn mit f(x) = f(−x). Des weiteren werden wir eine wichtige Invariante, die Eulercharakteristik einesSimplizialkomplexesuntersuchenunddieEulersche Polyederformelbe- weisen: Satz1.4. IneinemkonvexenPolyederimR3 giltfu¨rdieAnzahlederEcken, k der Kanten und f der Fl¨achen die Formel e−k+f = 2. Das sch¨one an dieses Anwendungen ist, dass die Homologietheorie zwar fu¨r den Beweis eine entscheidende Rolle spielt, aber in den S¨atzen selbst nicht vorkommt. Homologiegruppen kann man insbesondere fu¨r simpliziale Komplexe und sogenannten CW-Komplexe effektiv berechnen. Wir werden diese Klassen von R¨aumen ausfu¨hrlich diskutieren. W¨ahrend der Diskussion der Homolo- giegruppen werden wir parallel einige Grundlagen der homologischen Alge- bra entwickeln. DieHomotopiegruppensindeinfacherzudefinierenalsHomologiegruppen undingewisseHinsichtdiegrundlegenderenInvarianten. Allerdingssindsie viel schwerer zu berechnen als Homologiegruppen und zum Beispiel fu¨r kei- ne der Sph¨aren Sn mit n ≥ 2 vollst¨andig bekannt. Die Bordismusgruppen schlagen eine Bru¨cke zur Differenzialtopologie, d.h. zur Untersuchung diffe- renzierbarer Mannigfaltigkeiten. Diese liefern einerseits viel Beispielmateri- al fu¨r die Anwendung der Homologietheorie, gestatten es aber andererseits auch, das interessante Wechselspiel von differentialtopologischen Methoden (insbesondere Transversalit¨at) und Methoden aus der Homologie- und Ho- motopietheorie zu studieren. Heutzutage ist die algebraische Topologie eine hochentwickelte Theorie mit zahlreichen Bezu¨gen zur Differentialgeomtrie, zur algebraischen Geome- trie und zur Algebra. 4 BERNHARDHANKE 2. Simpliziale und singula¨re Homologie BevorwirHomologiegruppenfu¨rbeliebigetopologischeR¨aumedefinieren, veranschaulichen wir zun¨achst die wesentliche Idee im speziellen Fall der Simplizialkomplexe. Fu¨r die weitere Entwicklung der Theorie werden wir uns allerdings dann einen etwas anderen Zugang w¨ahlen. Sp¨ater in der Vorlesung werden wir wieder auf die Simplizialkomplexe zuru¨ckkommen. Es sei N ∈ N eine natu¨rliche Zahl. Wir erinnern: Ein affines n-Simplex (oder auch n-dimensionales Simplex im RN (wobei 0 ≤ n ≤ N) ist die konvexe Hu¨lle von n + 1 affin unabh¨angigen Punken p ,...,p ∈ RN. 0 n+1 Affin unabh¨angig bedeutet, dass die Vektoren p − p ,...,p − p line- 1 0 n 0 ar unabh¨angig im RN sind. Diese konvexe Hu¨lle kann mit der Menge { n t p |0 ≤ t ≤ 1, t = 1} ⊂ RN identifiziertwerden(wirk¨onnendies i=0 i i i i (cid:80) (cid:80) hier auch als Definition der konvexen Hu¨lle nehmen). Wir nennen p ,...,p 0 n die Ecken dieses affines Simplex. Die konvexe Hu¨lle einer (nicht notwendig echten) Teilmenge von {p ,...,p } heißt eine Seite des affinen n-Simplex. 0 n Diese Seiten sind selbst affine Simplizes. Ein endlicher geometrischer Sim- plizialkomplex im RN ist eine Menge S endlich vieler affiner Simplizes im RN mit den folgenden Eigenschaften: • Ist K ∈ S und T ⊂ K eine Seite von T, so ist T ∈ S. • Sind K ,K ∈ S, so ist K ∩K eine Seite von K und von K oder 1 2 1 2 1 2 leer. Die Vereinigung K ⊂ RN wird der zu S geh¨orende Polyeder genannt K∈S und mit |S| beze(cid:83)ichnet. Der Simplizialkomplex S heißt Triangulierung von |S|. Eine feste Teilmenge des RN kann durchaus verschiedene Triangulie- rungen besitzen. Ein geordneter geometrischer Simplizialkomplex im RN ist ein geometrischer Simplizialkomplex S zusammen mit einer totalen Ord- nung auf der Menge aller Punkte im RN, die als Ecken von Simplizes in S auftreten. Ist K ∈ S ein Simplex in einem geordneten Simplizialkomplex mit Ecken v ,...,v , so bezeichnen wir dieses Simplex mit (cid:104)v ,...,v (cid:105) falls 0 n 0 n mit der induzierten Ordnung v < v < ... < v gilt. Es sei nun S ein 0 1 k geordneter geometrischer Simplizialkomplex. Eine simpliziale n-Kette in S ist eine formale Linearkombination λ ·σ, (cid:88) σ σ∈Sn wobei S ⊂ S die Menge der geordneten n-dimensionalen Simplizes bezeich- n net und λ ∈ Z fu¨r alle σ ∈ S . Wir bezeichnen mit C (S) die Menge der σ n n simplizialen n-Ketten. Diese Menge besitzt offensichtlich die Struktur einer abelschen Gruppe (durch Addition der Koeffizienten in Z). Eine n-Kette kann nicht direkt als geometrisches Objekt interpretiert werden (obwohl wir sp¨ater sehen werden, dass dies in vielen F¨allen doch m¨oglich ist), die auftre- tenden Simplizes selbst sind aber geometrische Objekte und dies erlaubt es uns, gewisse geometrische Operationen auf diese formalen Ketten zu u¨bert- ragen. Speziell geht es hier um den U¨bergang von einem n-Simplex auf TOPOLOGIE I 5 seinen Rand. Dieser ist geometrisch gesehen einfach die Vereinigung seiner (n−1)-dimensionalen Seiten. Diese Seiten mu¨ssen aber noch “richtig” ori- entiert werden: Ist (cid:104)p ,...,p (cid:105) ∈ S ein (orientiertes) n-Simplex, so setzen 0 n wir n ∂(cid:104)p ,...,p (cid:105) := (−1)i(cid:104)p ,...,pˆ,...,p (cid:105) 0 n (cid:88) 0 i n i=0 wobei der Hut bedeutet, dass die i-te Ecke in dem betreffenden Simplex weggelassen wird (es handelt sich also um die der entsprechenden Ecke ge- genu¨berliegende (n − 1)-dimensionale Seite). Auf der rechten Seite steht nun tats¨achlich wieder eine formale Linearkombination von (geordneten) (n−1)-Simplizes. Durch lineare Fortsetzung erhalten wir einen Gruppen- homomorphismus ∂n : Cn → Cn−1. Einzelne Simplizes in S haben immer einen nichtleeren Rand (falls die Di- mension mindestens 1 ist), aber es kann durchaus vorkommen, dass fu¨r eine Kette c ∈ C gilt ∂c = 0. So eine Kette entspricht dann einem “geschlosse- n nen”(d.h. randlosen)geometrischenGebildeinS undwirdn-Zykelgenannt. Es sei Z (S) := ker∂ ⊂ C (S) n n n die Gruppe der n-Zykeln (wir setzen ∂ = 0, also Z (S) = C (S)). Homo- 0 0 0 logie z¨ahlt nun in gewisser Weise n-Zykeln, aber gewisse n-Zykeln werden ignoriert, n¨amlich die n-R¨ander. Dazu beachte man die fundamentale Glei- chung Proposition 2.1. Fu¨r n ∈ N, n ≥ 1, gilt ∂n−1◦∂n = 0. Beweis. Nur die F¨alle n ≥ 2 sind interessant. Wir rechnen ∂n−1◦∂n(cid:104)v0,...,vn(cid:105) = (cid:88)(−1)i(−1)j(cid:104)v0,...,vˆj,...,vˆi,...,vn(cid:105)+ j<i (−1)i(−1)j−1(cid:104)v ,...,vˆ,...,vˆ,...,v (cid:105). (cid:88) 0 i j n j>i Diese Summe ist 0, denn vertauscht man in der zweiten Summe i und j, so erh¨alt man das Negative der ersten Summe. (cid:3) GeometrischentsprichtdiesderAussage“R¨andervonR¨andernsindleer”. Bezeichen wir mit B (S) := im∂ ⊂ C (S) n n+1 n die Untergruppe der n-R¨ander, so ist also B (S) in Wirklichkeit schon Un- n tergruppe von Z (S). Die n-Zykel, die einfach nur n-R¨ander sind, werden n nun in der Homologie nicht gez¨ahlt (sondern in gewisser Weise nur die “we- sentlichen” n-Zykel). Die n-te Homologiegruppe H (S) des gegebenen ge- n ordneten Simplizialkomplexes ist somit definiert als die Quotientengruppe H (S) := Z (S)/B (S). n n n 6 BERNHARDHANKE D.h. einElementinH (S)wirddurcheinenn-Zykelc ∈ Z (S)repr¨asentiert n n und zwei n-Zykel c,d ∈ Z (S) repr¨asentierten die gleiche Homologieklasse, n falls c−d ein Rand ist, d.h. falls es ein x ∈ C (S) gibt mit ∂x = c−d. n+1 Beispiel. Es seien p := (0,0),p := (1,0),p := (0,1) ∈ R2 mit der durch 0 1 2 die Indizes angedeuteten totalen Ordnung. Weiterhin sei S := {(cid:104)p (cid:105),(cid:104)p (cid:105),(cid:104)p (cid:105),(cid:104)p ,p (cid:105),(cid:104)p ,p (cid:105),(cid:104)p ,p (cid:105)} 0 1 2 0 1 1 2 0 2 ∼ ∼ Dann ist C (S) = Z3 mit Erzeugern a := (cid:104)p (cid:105),b := (cid:104)p (cid:105),c := (cid:104)p (cid:105), C (S) = 0 0 1 2 1 Z3 mit Erzeugern X := (cid:104)p ,p (cid:105),Y := (cid:104)p ,p (cid:105),Z := (cid:104)p ,p (cid:105) und C (S) = 0 0 1 1 2 0 2 i fu¨r alle i > 1. Weiterhin ist ∂X = b−a, ∂Y = c−b, ∂Z = c−a. SomitgiltH (S) ∼= ZmitErzeuger[a](dieEckigenKlammerndeutenU¨ber- 0 ∼ gang zu Restklassen an, insbesondere ist [a] = [b] = [c]) und H (S) = Z mit 1 Erzeuger [X +Y −Z], H = 0 fu¨r alle i > 1. i Fu¨r n ∈ N, n ≥ 0, definieren wir das geometrische Standard-n-Simplex n ∆n := { t e | 0 ≤ t ≤ 1, t = 1} ⊂ Rn+1. (cid:88) i i i (cid:88) i i=0 Dabei bezeichnet e ∈ Rn+1, 0 ≤ i ≤ n, den i-ten Standard-Basisvektor. Die i Menge {e ,...,e } ist in der offensichtlicher Weise total geordnet (durch die 0 i Indizes). Das Simplex ∆n besitzt eine kanonische Triangulierung (gegeben als die Menge aller seiner Seiten). TOPOLOGIE I 7 Es ist etwas unhandlich, die Homologietheorie direkt an den geometri- schen Simplizialkomplexen zu entwickeln (wir werden allerdings sp¨ater auf diesen Spezialfall zuru¨ckkommen). Der folgende Aufbau bietet mehr Flexi- bilit¨at. Definition. Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist ein singul¨ares n-Simplex in X eine stetige Abbildung σ : ∆n → X. Wir bezeichnen mit ∆ (X) die Menge der singul¨aren n-Simplizes in X und n mitC (X)diefreieabelscheGruppeu¨ber∆ (X),d.h. ElementevonC (X) n n n sind formale Linearkombinationen λ ·σ, (cid:88) σ σ∈∆n(X) wobei alle λ ∈ Z und λ = 0 fu¨r alle bis auf endlich viele σ ∈ ∆ (X). Die σ σ n Elemente von C (X) werden singul¨are n-Ketten in X genannt. n Wir definieren fu¨r n ≥ 1 den Randoperator ∂n : Cn(X) → Cn−1(X) auf den singul¨aren n-Simplizes von X durch n ∂ σ := (−1)iσ| . n (cid:88) (cid:104)e0,...,eˆi,...,en(cid:105) i=0 Dabei bezeichnet (cid:104)e ,...,eˆ,...,e (cid:105) die i-te Seite von ∆n. Diese idenfifizie- 0 i n ren wir mit ∆n−1 vermittels des affinen Hom¨oomorphismus ∆n−1 → (cid:104)e ,...,eˆ,...,e (cid:105) 0 i n der die j-te Ecke von ∆n−1 auf e ∈ Rn+1 abbildet, falls j < i und auf e , j j+1 falls j ≥ i. Damit ist ∂σ in der Tat eine singul¨are (n−1)-Kette in X. Zur Bequemlichkeit setzen wir noch ∂ := 0. Wir erhalten fu¨r n ≥ 0 0 Z (X) := ker∂ ⊂ C (X), n n n die Gruppe der singul¨aren n-Zykel in X und B (X) := im∂ ⊂ C (X), n n+1 n die Gruppe der singul¨aren n-R¨ander in X. Ganz analog zu vorhin zeigt man die fundamentale Gleichung ∂n−1◦∂n = 0 fu¨r n ≥ 1. Damit ist B (X) eine Untergruppe von Z (X) fu¨r alle n ≥ 0 und wir n n k¨onnen H (X) := Z (X)/B (X) n n n definieren. Dies ist die n-te singul¨are Homologiegruppe von X. Diese Grup- pen sind der zentrale Gegenstand im ersten Teil dieser Vorlesung. Es wird 8 BERNHARDHANKE sich zeigen, dass sie sich relativ einfach berechnen lassen und andererseits wichtige Eigenschaften des topologischen Raumes X widerspiegeln. Bevor wir fortfahren, abstrahieren wir noch die bisher eingefu¨hrte Struk- tur. Definition. Ein Kettenkomplex ist eine Paar (C∗,∂∗) = ((Cn)n∈N,(∂n)n∈N) bestehend aus Familien von abelschen Gruppen C und Gruppenhomomor- n phismen ∂n : Cn → Cn−1 (wir setzen C−1 := 0, d.h. ∂0 = 0) mit der Eigenschaft, dass ∂n−1◦∂n = 0 fu¨r alle n ≥ 1. Wir setzen Zn(C∗) := ker∂n (Gruppe der n-Zykeln), Bn(C∗) := im∂n+1, (Gruppe der n-R¨ander) und Hn(C∗) := Zn(C∗)/Bn(C∗) (n-te Homologiegruppe von (C∗,∂∗)) fu¨r n ≥ 0. Der singul¨are Kettenkomplex (C∗(X),∂∗) eines topologischen Raumes X ist ein Beispiel fu¨r einen Kettenkomplex. Wir bemerken, dass die singul¨aren Homologiegruppen funktoriell in X sind. Sei dazu f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen topologischen R¨aumen. Ist σ : ∆n → X ein singul¨ares n-Simplex in X, so ist f ◦ σ : ∆n → Y ein singul¨ares n-Simplex in Y. Damit erhalten wir Abbildungen von abelschen Gruppen f : C (X) → C (Y). n n n Diese sind mit den Randoperatoren ∂ vertr¨aglich, d.h. fu¨r alle n ≥ 0 ist n f ◦∂ = ∂ ◦f . n n+1 n+1 n+1 Insbesondere gilt also f (Z (X)) ⊂ Z (Y) und f (B (X)) ⊂ B (Y) und n n n n n n wir erhalten induzierte Abbildungen H (f) : H (X) → H (Y) n n n fu¨r alle n ≥ 0. Da offensichtlich H (id ) = id fu¨r alle n und n X Hn(X) H (f ◦ g) = H (f) ◦ H (g) fu¨r g : X → Y und f : Y → Z, definieren n n n die Homologiegruppen H also Funktoren Top → AbGr von der Katego- n rie der topologischen R¨aume in die Kategorie der abelschen Gruppen. Als unmittelbare Folgerung notieren wir: Proposition 2.2. Hom¨oomorphe R¨aume haben isomorphe singul¨are Homo- logiegruppen. TOPOLOGIE I 9 Definition. Es seien (C∗,∂∗) und (D∗,∂∗) Kettenkomplexe. Eine Ket- tenabbildung f∗ : C∗ → D∗ ist eine Folge fn : Cn → Dn von Grup- penhomomorphismen, die mit den Randoperatoren vertr¨aglich sind, d.h. f ◦ ∂ = ∂ ◦ f . Wir erhalten somit induzierte Abbildungen n n+1 n+1 n+1 f∗ : Z∗(C) → Z∗(D), f∗ : B∗(C) → B∗(D) und f∗ : H∗(C) → H∗(D) (die wir alle mit f∗ bezeichnen). Ein Kettenisomorphismus ist eine Ket- tenabbildung, die eine inverse Kettenabbildung besitzt Wir erinnern: Ist (Ai)i∈I eine Familie (abelscher) Gruppen, so ist die direkte Summe i∈IAi die Menge der Familien (ai)i∈I, ai ∈ Ai, wobei alle (cid:76) bis auf endlich viele a gleich 0 sind, versehen mit der komponentenweisen i Verknu¨pfung. Proposition 2.3. Es sei X ein topologischer Raum und π (X) die Menge 0 der Wegekomponenten von X. Dann induzieren die Inklusionen C (cid:44)→ X (fu¨r alle C ∈ π (X)) einen Isomorphismus 0 ∼ H∗(C) = H∗(X). (cid:77) C∈π0(X) Dies liegt daran, das jede singul¨are Kette in X kanonisch als Summe singul¨arer Ketten in den einzelnen Wegekomponenten geschrieben werden kann (jedes singul¨are Simplex liegt ja ganz in einer Wegekomponente). Zusammen mit der folgenden Proposition k¨onnen wir H fu¨r jeden topo- 0 logischen Raum berechnen. Proposition 2.4. Es sei X ein wegzusammenh¨angender nichtleerer topolo- gischer Raum. Dann ist ∼ H (X) = Z 0 und wir k¨onnen als Erzeuger die Klasse eines beliebigen 0-Simplex ∆0 → X w¨ahlen. Beweis. Wir k¨onnen jedes singul¨are 0-Simplex in X einfach als Punkt in X auffassen. Da ∂ = 0 ist also 0 Z (X) = { λ ·x | λ ∈ Z} 0 (cid:88) x x x∈X wobei fast alle λ = 0. Wir betrachten den Gruppenhomomorphismus x (cid:15) : Z (X) = C (X) → Z, λ ·x (cid:55)→ λ ∈ Z. 0 0 (cid:88) x (cid:88) x Wir behaupten, dass (cid:15) eine Abbildung (cid:15) : H (X) = Z (X)/B (X) → Z 0 0 0 induziert, d.h. dass (cid:15)| = 0. Sei dazu σ : [0,1] → X ein singul¨ares B0(X) 1-Simplex. Dann ist (cid:15)(∂σ) = (cid:15)(σ(1)−σ(0)) = 1−1 = 0, wie gewu¨nscht. Zu zeigen bleibt, dass (cid:15) : H (X) → Z ein Isomorphismus ist. Da X (cid:54)= ∅, 0 ist (cid:15) surjektiv. Fu¨r die Injektivit¨at sei x ∈ X beliebig und fu¨r alle x ∈ X 0 10 BERNHARDHANKE sei w : [0,1] → X ein Weg von x nach x, den wir als singul¨ares 1-Simplex x 0 in X auffassen. Es sei nun c = λ ·x ∈ Z (X) (cid:88) x 0 mit (cid:15)(c) = λ = 0. Wir mu¨ssen zeigen, dass c homolog zu 0 ist. Aber x (cid:80) c−∂( λ ·w ) (cid:88) x x ist homolog zu c und c−∂( λ w ) = λ ·x = ( λ )·x = 0 (cid:88) x x (cid:88) x 0 (cid:88) x 0 wegen (cid:15)(c) = 0. (cid:3) Wir beweisen nun: Satz 2.5. Es seien f,g : X → Y homotope Abbildungen. Dann gilt f∗ = g∗ : H∗(X) → H∗(Y). Korollar 2.6. Homotopie¨aquivalente R¨aume haben isomorphe Homologie- gruppen. Als Vorbereitung fu¨hren wir ein neues Konzept ein. Definition. Es seien φ∗,ψ∗ : C∗ → D∗ Kettenabbildungen. Eine Ketten- homotopie von φ∗ nach ψ∗ ist eine Folge von Homomorphismen Pn : Cn → D mit n+1 ∂P +P∂ = φ∗−ψ∗. Existiert so eine Kettenhomotopie, so nennen wir φ∗ und ψ∗ kettenhomotop. Man u¨berpru¨ft leicht: Proposition 2.7. Kettenhomotope Kettenabbildungen induzieren die glei- chen Abbildungen zwischen Homologiegruppen. Beweis von Satz 2.5. Es sei H : X ×[0,1] → Y eine Homotopie von f nach g. Es seien (cid:104)v ,...,v (cid:105) und (cid:104)w ,...,w (cid:105) die 0 n 0 n Ober-, bzw. Unterseite des Produktes ∆n × [0,1] ⊂ Rn+1 × R mit ihrer kanonischen Struktur als geordnete affine Simplizes (d.h. v = (e ,0) und i i w = (e ,1)). Fu¨r n ≥ 0 definieren wir nun den Prisma-Operator P : i i C (X) → C (Y) durch n n+1 P(σ) := (−1)i(H ◦(σ×id))| ∈ C (Y) (cid:88) (cid:104)v0,...,vi,wi,...,wn(cid:105) n+1 0≤i≤n fu¨r jedes singul¨are n-Simplex σ : ∆n → X. Man zeigt nun mit ei- ner expliziten Rechnung (siehe Hatcher, S. 112), dass (als Abbildungen C (X) → C (Y)) n n ∂ ◦P = g∗−f∗−P ◦∂

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sen sein. Die algebraische Topologie realisiert diese Programm auf äußerst .. Von diesem Standpunkt aus betrachtet misst die Homologie eines Ket-.
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