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Tod In Devil's Acre PDF

312 Pages·2016·1.43 MB·German
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Anne Perry Tod in Devil’s Acre scanned by Ginevra corrected by Yfffi London zittert: In einer Schlachterei im düsteren Armenviertel Devil’s Acre, das seinem Namen alle Ehre macht, wird ein Arzt erstochen und grauenhaft verstümmelt aufgefunden. In kurzer Zeit wird Inspektor Pitt zu drei weiteren Opfern gerufen, die alle auf die gleiche bestialische Art ermordet wurden. Der Inspektor und seine kluge Frau Charlotte machen sich auf die Suche nach dem Massenmörder. Es bleibt ihnen nicht viel Zeit, wollen sie das viktorianische London vor weiteren Taten des Massenmörders schützen ... ISBN 3-7701-2680-7 Originalausgabe »Death in the Devil’s Acre« Aus dem Englischen von Beate Feiten © 1994 by DuMont Buchverlag Köln Umschlagmotiv von Pellegrino Ritter Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!! Kapitel 1 Constable Withers nieste, als der eisige Januarwind von der Themse her die Gasse hochfegte. Bis Tagesanbruch waren es noch drei Stunden, und das Licht der Gaslaternen auf der Hauptstra(cid:223)e erleuchtete diesen d(cid:252)steren, vor Schmutz starrenden Durchgang am Rande von Devil(cid:146)s Acre im Schatten von Westminister nur schwach. Er mu(cid:223)te wieder niesen. Der Geruch des nur f(cid:252)nfzig Yard entfernten Schlachthauses, der Gestank der verrottenden Abflu(cid:223)rohre, die Abf(cid:228)lle und der Schmutz vieler Jahre schn(cid:252)rten ihm die Kehle zu. Aber das war in der Tat merkw(cid:252)rdig (cid:150) das Tor zum Hof des Schlachthauses stand offen! Es h(cid:228)tte eigentlich geschlossen sein m(cid:252)ssen (cid:150) jedenfalls so fr(cid:252)h am Morgen. Wahrscheinlich gab es daf(cid:252)r eine einfache Erkl(cid:228)rung. Einer der Lehrjungen hatte wieder einmal vergessen, es zuzumachen (cid:150) die jungen Burschen waren heutzutage einfach viel zu nachl(cid:228)ssig. Hauptsache das Fleisch, das sich noch im Schlachthaus befand, war sicher in den K(cid:252)hlr(cid:228)umen untergebracht. Trotzdem w(cid:252)rde er nachsehen, immerhin ein Grund, den eint(cid:246)nigen Rundgang auf dem grauen Pflaster zu unterbrechen. Er ging hin(cid:252)ber zu den K(cid:252)hlr(cid:228)umen. Er sah besser schnell nach, ob alles in Ordnung war. Er blickte sich suchend um. Alles ruhig (cid:150) blo(cid:223) ein alter Trunkenbold, der mitten im Hof lag und seinen Rausch ausschlief. Am besten, er sorgte daf(cid:252)r, da(cid:223) der Mann von hier verschwand, zu seinem eigenen Besten, bevor die Schlachter eintrafen und ihn hinauswarfen. Es gab immer ein paar M(cid:228)nner, die sich mit Saufbr(cid:252)dern wie diesem ihre Spa(cid:223)e erlaubten. »Aufwachen, alter Knabe«, sagte er laut, als er sich zu dem Mann hinunterbeugte und seine kr(cid:228)ftigen Schultern sch(cid:252)ttelte. -2- »Du sollst von hier verschwinden. Hier hast du nichts zu suchen. Und warum du dir ausgerechnet diesen Platz hier zum Pennen ausgesucht hast, ist mir wirklich schleierhaft.« Doch der Mann regte sich nicht. »Jetzt komm schon, alter Knabe!« Er sch(cid:252)ttelte ihn noch heftiger und hob die Laterne hoch, um besser sehen zu k(cid:246)nnen. Der arme alte Kerl war doch wohl nicht etwa erfroren? Nicht da(cid:223) Constable Withers so etwas zum ersten Mal sah (cid:150) und alt waren die Erfrorenen beileibe auch nicht immer. Wenn der Winter hart war, lagen oft auch Kinder, kaum ein paar Jahre alt, erfroren auf der Stra(cid:223)e. Das Licht seiner Laterne fiel auf das Gesicht des Mannes. Tats(cid:228)chlich, der arme Teufel war wirklich tot, seine Augen waren weit offen und glasig. »Komisch«, sagte er laut. »Sonst erwischt(cid:146)s die doch immer im Schlaf.« Dieses Gesicht dagegen hatte einen erstaunten Ausdruck, als w(cid:228)re der Tod (cid:252)berraschend gekommen. Er hielt die Laterne ein wenig tiefer. »Gott im Himmel!« Der Schritt und die Schenkel waren blutverschmiert, die Hose aus braunem Wollstoff mit einem Messer aufgeschlitzt worden, und jemand hatte die Genitalien vollkommen entfernt. Sie lagen nutzlos zwischen den Knien des Mannes (cid:150) ein blutiger, zerfetzter Fleischklumpen, eine formlose, rote Masse. Schwei(cid:223) sammelte sich auf Constable Withers(cid:146) Gesicht und gefror auf der Stelle. (cid:220)belkeit stieg in ihm auf, und seine Beine begannen, unkontrolliert zu zittern. G(cid:252)tiger Herrgott (cid:150) welche Kreatur konnte einem Menschen so etwas antun? Er wankte r(cid:252)ckw(cid:228)rts und lehnte sich gegen die Wand, neigte den Kopf ein wenig, um gegen den aufkommenden Brechreiz anzuk(cid:228)mpfen. Mehrere Minuten verstrichen, bevor er wieder klar genug denken konnte, um zu entscheiden, was zu tun war. Auf jeden Fall mu(cid:223)te er Hilfe holen. Und von hier fort, weg von diesem -3- grausigen Fund, der vor ihm auf dem Boden lag. Er richtete sich auf, eilte durch das Tor hinaus und zog es heftig hinter sich zu. Er war froh (cid:252)ber den eisigen Ostwind, der die bei(cid:223)ende K(cid:228)lte des Meeres mit sich f(cid:252)hrte. Morde waren in den (cid:252)berf(cid:252)llten Londoner Slums im Jahre des Herrn 1887 nichts Ungew(cid:246)hnliches, doch hier handelte es sich um eine bestialische Tat, und in seinem ganzen Leben hatte er noch nie etwas ˜hnliches zu Gesicht bekommen. Er mu(cid:223)te zun(cid:228)chst einen Kollegen finden, der bei der Leiche Wache stand, dann erst konnte er den Vorfall melden und seinem Vorgesetzten (cid:252)berlassen. Gott sei Dank war er aufgrund seines niedrigen Ranges nicht befugt, diesen Fall selbst zu (cid:252)bernehmen! Zwei Stunden sp(cid:228)ter schlo(cid:223) Inspector Thomas Pitt, eine Laterne in der Hand, das Tor zum Schlachthaus hinter sich und trat in den Hof. Er starrte auf die Leiche, die noch genauso dalag, wie der Constable sie gefunden hatte. Im grauen Licht des Morgens sah sie geradezu grotesk aus. Pitt beugte sich herab und hob die Schulter des Toten an, um nachzusehen, ob irgend etwas darunter lag, eine Waffe vielleicht, oder ob es eine weitere Verletzung gab. Die Verst(cid:252)mmelung selbst konnte nicht zum Tode gef(cid:252)hrt haben. Und ganz gewi(cid:223) h(cid:228)tte ein Mann, der auf so grausame Weise zugerichtet worden war, jeden Versuch unternommen, sich zu sch(cid:252)tzen und den hervorquellenden Blutstrom aufzuhalten. Allein der Gedanke daran bereitete ihm (cid:220)belkeit, und er verbannte ihn mit aller Macht wieder aus seinem Kopf. Er achtete nicht einmal auf den kalten Schwei(cid:223), der sich auf seiner Haut sammelte und sein Hemd durchn(cid:228)(cid:223)te. Er schaute sich die Leiche genau an. An den H(cid:228)nden des Toten befand sich kein Blut, nicht die geringste Spur. Sogar die N(cid:228)gel waren sauber, h(cid:246)chst ungew(cid:246)hnlich f(cid:252)r jemanden, der eine Gegend wie diese aufsuchte, erst recht, wenn sich dieser -4- Mensch auch noch ausgerechnet im Hof eines Schlachthauses zum Schlafen niederlegte! Als er den Toten genauer untersuchte, fand er auf dem Boden unter dem K(cid:246)rper des Mannes einen gro(cid:223)en, dunklen Fleck, der von dem Blut stammte, das durch die Jacke gesickert war, direkt neben der Wirbels(cid:228)ule, genau an den Rippen, hinter denen das Herz lag. Er hielt die Laterne h(cid:246)her, um besser sehen zu k(cid:246)nnen, doch sonst befand sich kein Blut auf den Steinen. Er atmete heftig aus und erhob sich wieder, wobei er sich unbewu(cid:223)t die H(cid:228)nde an seinen Hosenbeinen abwischte. Jetzt erst konnte er sich dem Gesicht des Toten zuwenden. Er hatte m(cid:228)chtige Kiefer und eine breite Nase, die Haut war bl(cid:228)ulichrot, der Mund umgeben von Lachf(cid:228)ltchen. Die Augen wirkten klein und rund (cid:150) das Gesicht eines Menschen, der ein Leben in Wohlstand gef(cid:252)hrt hatte. Der K(cid:246)rper erschien Pitt gut gen(cid:228)hrt und von durchschnittlicher Gr(cid:246)(cid:223)e, die H(cid:228)nde waren kr(cid:228)ftig, feist, aber tadellos gepflegt, Haarfarbe graubraun. Der Anzug aus dickem braunem Wollstoff war an einigen Stellen vom h(cid:228)ufigen Tragen ausgebeult und wies (cid:252)ber dem Bauch Knitterfalten auf. In den Falten der Weste waren ein paar Kr(cid:252)mel h(cid:228)ngengeblieben. Pitt nahm einen heraus, zerdr(cid:252)ckte ihn vorsichtig zwischen den Fingern und roch daran. Eindeutig K(cid:228)se, Stilton oder eine (cid:228)hnliche Sorte, wenn ihn nicht alles t(cid:228)uschte. Doch die Bewohner von Devil(cid:146)s Acre konnten sich ganz bestimmt keinen Stilton leisten! Er h(cid:246)rte hinter sich ein Ger(cid:228)usch, jemand scharrte mit den F(cid:252)(cid:223)en. Er drehte sich um, um herauszufinden, wer es war, froh dar(cid:252)ber, endlich Gesellschaft zu haben. »Morgen, Pitt. Was haben Sie denn diesmal f(cid:252)r mich?« Es war Meddows, der Polizeiarzt, ein Mann mit unverw(cid:252)stlichem Humor, der ihn selbst in den unpassendsten Situationen nicht im Stich lie(cid:223). Doch diesmal wirkte seine Art nicht anst(cid:246)(cid:223)ig, seine Stimme drang vielmehr wie ein tr(cid:246)stlicher Hauch in diesen -5- furchtbaren Alptraum. »Ach, du lieber Gott!« Er stand neben Pitt und starrte auf den Toten. »Der arme Kerl.« »Er wurde von hinten erstochen«, sagte Pitt schnell. »Tats(cid:228)chlich?« Meddows zog eine Augenbraue hoch und sah Pitt von der Seite an. »Da h(cid:228)tten wir ja schon mal etwas f(cid:252)r den Anfang.« Er hockte sich auf den Boden, brachte seine Blendlaterne in die richtige Position und begann, den K(cid:246)rper zu untersuchen. »Nicht n(cid:246)tig, da(cid:223) Sie dabei zuschauen«, bemerkte er, ohne den Kopf zu bewegen. »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich was Interessantes finde. Zun(cid:228)chst einmal die Verst(cid:252)mmelung, ganz sch(cid:246)n w(cid:252)st (cid:150) da hat einfach jemand ein scharfes Messer genommen und wild drauflos geschnitten! Und so was kommt dann dabei heraus!« »Also kein Fachmann?« fragte Pitt leise, als er (cid:252)ber Meddows(cid:146) Kopf hinweg auf die Fenster des Schlachthofes starrte, in denen sich das Licht der Morgend(cid:228)mmerung brach. »Ganz im Gegenteil, nur ...« Meddows seufzte. »Nur blanker, gottverdammter Ha(cid:223).« »Ein Wahnsinniger?« Meddows verzog das Gesicht. »Wer wei(cid:223)? Fangen Sie ihn, dann werde ich es Ihnen sagen k(cid:246)nnen (cid:150) wenn Sie Gl(cid:252)ck haben. Aber wer ist dieser arme Teufel (cid:252)berhaupt? Wissen Sie es schon?« Pitt hatte gar nicht daran gedacht, den Toten zu durchsuchen. Das h(cid:228)tte er als erstes tun m(cid:252)ssen. Ohne zu antworten, beugte er sich herunter und begann, die Taschen des Mannes zu inspizieren. Er fand genau das, was er erwartet hatte, mit Ausnahme von Geld (cid:150) aber vielleicht hatte er dies auch gar nicht erwartet. Der Mann trug eine goldene Uhr bei sich, recht zerkratzt, aber noch immer funktionst(cid:252)chtig, und einen Schl(cid:252)sselring mit vier -6- Schl(cid:252)sseln. Einer der Schl(cid:252)ssel schien zu einem Tresor zu geh(cid:246)ren, zwei waren T(cid:252)rschl(cid:252)ssel, und einer pa(cid:223)te der Gr(cid:246)(cid:223)e nach m(cid:246)glicherweise zu einem Schrank oder einer Schublade (cid:150) alles Dinge, die wohl jeder relativ wohlhabende Mann mittleren Alters bei sich f(cid:252)hrte. Au(cid:223)erdem fand er zwei Taschent(cid:252)cher, beide schmutzig, doch aus guter (cid:228)gyptischer Baumwolle, mit fein gerollten S(cid:228)umen. Zum Schlu(cid:223) stie(cid:223) er noch auf drei Quittungen, zwei (cid:252)ber einfache Haushaltsausgaben, die dritte (cid:252)ber ein Dutzend ziemlich teurer Flaschen Burgunder. Der Tote war anscheinend ein Mann, der sich sein Vergn(cid:252)gen etwas hatte kosten lassen (cid:150) jedenfalls was seine Tafelfreuden anging. Viel wichtiger war jedoch, da(cid:223) auf den Rechnungen ein Name und eine Adresse standen: Dr. Hubert Pinchin, 23 Lambert Gardens (cid:150) ziemlich weit entfernt von Devil(cid:146)s Acre, sowohl was die gesellschaftliche Stellung als auch alle anderen Aspekte der Lebensf(cid:252)hrung betraf. Was hatte Dr. Pinchin blo(cid:223) hier im Hof dieses Schlachthauses zu suchen gehabt, warum war er auf so grausame Weise ermordet und zugerichtet worden? »Haben Sie was gefunden?« fragte Meddows. Pitt wiederholte Namen und Adresse. Meddows Gesicht nahm den Ausdruck am(cid:252)sierten Erstaunens an. »Na sowas!« bemerkte er. »(cid:220)brigens war er h(cid:246)chstwahrscheinlich bewu(cid:223)tlos und schon halbtot, als man ihm das hier angetan hat.« Er wies auf den Unterleib der Leiche. »Immerhin ein schwacher Trost. Ich vermute, Sie wissen bereits von dem anderen?« »Dem anderen? Wovon sprechen Sie (cid:252)berhaupt? Welcher andere?« Meddows Gesicht erstarrte. »Von der anderen Leiche, Mann. Wir haben vor kurzem jemanden gefunden, der genauso kastriert wurde wie dieser Mann hier. Sagen Sie blo(cid:223), Sie haben noch nichts davon geh(cid:246)rt?« Pitt war wie vor den Kopf geschlagen. Wieso hatte er von -7- dieser Abscheulichkeit noch nichts erfahren? »Irgendein Spieler oder Zuh(cid:228)lter«, fuhr Meddows fort. »Auf der anderen Seite des Acres (cid:150) nicht Ihr Zust(cid:228)ndigkeitsbereich. Aber, wie ich bereits sagte, der arme Teufel ist auch entmannt worden, selbst wenn er nicht ganz so gr(cid:228)(cid:223)lich zugerichtet war wie der hier. Sieht ganz so aus, als h(cid:228)tten wir es mit einem Wahnsinnigen zu tun, der die Gegend hier unsicher macht. Gl(cid:252)cklicherweise haben wir die Zeitungen davon abhalten k(cid:246)nnen, zu viel Wind um die erste Geschichte zu machen. Das Opfer geh(cid:246)rte zu der Sorte M(cid:228)nner, die sowieso fr(cid:252)her oder sp(cid:228)ter erstochen werden (cid:150) in dem Beruf durchaus (cid:252)blich.« Er stand langsam mit knackenden Kniegelenken auf. »Aber hier liegt die Sache anders. Dieser Mann hat vielleicht schon bessere Tage gesehen, aber gegessen hat er anscheinend immer noch gut. Und wenn ich mir seine sch(cid:228)bige Kleidung ansehe, w(cid:252)rde ich eher auf einen Exzentriker tippen als auf fehlende finanzielle Mittel. Der Anzug sieht zwar reichlich ramponiert aus, aber die Unterw(cid:228)sche ist neu (cid:150) und ziemlich sauber. Er kann sie kaum l(cid:228)nger als einen Tag angehabt haben, wenn Sie mich fragen.« Pitt dachte an den Stilton und die makellos gepflegten Fingern(cid:228)gel. »Ja«, sagte er tonlos. Er wu(cid:223)te, da(cid:223) Meddows ihn erwartungsvoll ansah. »In Ordnung. Wenn Sie hier fertig sind, sollten wir ihn wohl besser fortbringen lassen. Machen Sie eine Autopsie, und teilen Sie mir alles weitere mit (cid:150) falls Sie (cid:252)berhaupt etwas finden sollten.« »Nat(cid:252)rlich.« Jetzt kam der schlimmste Teil, und Pitt erwog wieder einmal im stillen, ob er nicht jemand anderen mit der unangenehmen Aufgabe, die Familie zu informieren, betrauen sollte (cid:150) in diesem Fall wahrscheinlich die Witwe, falls der Mann (cid:252)berhaupt verheiratet gewesen war. Und wie immer kam er zu dem Schlu(cid:223), da(cid:223) er es selbst erledigen mu(cid:223)te. Andernfalls w(cid:252)rde er das Gef(cid:252)hl haben, sowohl den Untergebenen, den er damit beauftragt hatte, als auch die Trauernden, denen er vielleicht -8- Trost h(cid:228)tte spenden k(cid:246)nnen, betrogen zu haben. Er gab den drau(cid:223)en wartenden M(cid:228)nnern die notwendigen Anweisungen. Die Leiche mu(cid:223)te weggebracht werden, der Hof abgesperrt und nach m(cid:246)glichen Spuren, die Aufschlu(cid:223) (cid:252)ber den T(cid:228)ter liefern konnten, durchsucht werden. Es mu(cid:223)te nach Vagabunden, die sich in der Gegend herumgetrieben hatten, geforscht werden, nach Anwohnern, die vielleicht beim Heimweg etwas gesehen hatten, nach Prostituierten, die drau(cid:223)en nach Freiern Ausschau gehalten hatten, nach Zeugen, denen etwas Verd(cid:228)chtiges aufgefallen war. In der Zwischenzeit w(cid:252)rde er zum Haus 23 Lambert Gardens gehen (cid:150) um diese Zeit sa(cid:223) man dort wahrscheinlich bereits beim Fr(cid:252)hst(cid:252)ck (cid:150) und die Bewohner informieren, da(cid:223) der Hausherr ermordet worden war. Pitt wurde an der Haust(cid:252)r von einem (cid:228)u(cid:223)erst stilbewu(cid:223)ten Butler empfangen. »Guten Morgen, Sir«, sagte der Mann zuvorkommend. Pitt war ihm nicht bekannt, und f(cid:252)r einen H(cid:246)flichkeitsbesuch war es noch zu fr(cid:252)h. »Guten Morgen«, antwortete Pitt leise. »Ich bin von der Polizei. Wohnt hier ein gewisser Dr. Hubert Pinchin?« »Sehr richtig, Sir, aber Dr. Pinchin ist leider momentan nicht zu Hause. Ich k(cid:246)nnte Ihnen jedoch einen anderen Arzt empfehlen, falls es sich um einen dringenden Fall handeln sollte.« »Ich ben(cid:246)tige keinen Arzt. Es tut mir sehr leid, aber ich habe schlechte Nachrichten f(cid:252)r Sie. Dr. Pinchin ist tot.« »Du meine G(cid:252)te.« Das Gesicht des Butlers erstarrte, doch seine Haltung blieb untadelig. Er ging einen Schritt zur(cid:252)ck, damit Pitt eintreten konnte. »Am besten, Sie kommen ins Haus, Sir. W(cid:228)ren Sie wohl so freundlich, mir mitzuteilen, was genau sich zugetragen hat? Es k(cid:246)nnte mir m(cid:246)glicherweise die Aufgabe erleichtern, Mrs. Pinchin davon in Kenntnis zu setzen. Ich bin zwar sicher, da(cid:223) Sie sehr taktvoll vorgehen w(cid:252)rden, aber ...« Er -9- belie(cid:223) es diskret bei dieser Andeutung. »Ja, sicher«, sagte Pitt und empfand dabei ein so intensives Gef(cid:252)hl der Erleichterung, da(cid:223) er sich schuldig f(cid:252)hlte. »Nat(cid:252)rlich.« »Wie ist es passiert, Sir?« »Jemand hat ihn (cid:252)berfallen und von hinten erstochen. Ich glaube nicht, da(cid:223) er lange gelitten hat. Es tut mir leid.« Der Butler starrte ihn einen Augenblick entgeistert an, dann schluckte er. »Er ist ermordet worden?« »Ja. Es tut mir leid«, wiederholte Pitt. »Gibt es jemanden, der ihn identifizieren k(cid:246)nnte (cid:150) vielleicht nicht ausgerechnet Mrs. Pinchin? Es wird sehr unangenehm sein.« Sollte er jetzt schon die Verst(cid:252)mmelung erw(cid:228)hnen? Der Butler hatte seine Haltung wiedergewonnen, er war wieder ganz der souver(cid:228)ne Repr(cid:228)sentant seines Haushalts. »Selbstverst(cid:228)ndlich, Sir. Ich werde Mrs. Pinchin (cid:252)ber Dr. Pinchins Tod informieren. Sie hat eine (cid:228)u(cid:223)erst f(cid:228)hige Kammerzofe, die sich um sie k(cid:252)mmern wird. Au(cid:223)erdem gibt es einen anderen Arzt in unserer Nachbarschaft, der nach ihr sehen kann. Einer unserer Diener, Peters, ist seit zw(cid:246)lf Jahren bei uns. Er wird die Leiche identifizieren.« Er z(cid:246)gerte. »Ich vermute, es besteht nicht der geringste Zweifel? Dr. Pinchin war ein wenig kleiner als ich, Sir, von kr(cid:228)ftiger Statur, glatt rasiert, er besa(cid:223) eine gesunde Gesichtsfarbe ...« In seiner Stimme lag eine letzte, vage Hoffnung. Doch er hoffte vergebens. »Ja«, antwortete Pitt. »Besa(cid:223) Dr. Pinchin einen Anzug aus grobem braunem Tweed, m(cid:246)glicherweise schon etwas abgetragen, k(cid:246)nnte man sagen?« »In der Tat, Sir. Er trug ihn gestern, als er das Haus verlie(cid:223).« »Dann gibt es leider kaum Zweifel an der Identit(cid:228)t des Toten, f(cid:252)rchte ich. Doch vielleicht sollte der Diener ihn erst eindeutig identifizieren, bevor Sie etwas zu Mrs. Pinchin sagen.« -10-

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