Springer-Lehrbuch Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH Werner A. Müller Tier- und Human physiologie Ein einführendes Lehrbuch Mit 302 meist farbigen Abbildungen Springer Professor Dr. Werner A. Müller Universität Heidelberg Zoologisches Institut Im Neuenheimer Feld 230 69120 Heidelberg e-mail: [email protected] ISBN 978-3-662-22550-9 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Müller, Werner: Tier-und Humanphysiologie: ein einführendes Lehrbuch/Werner Müller. (Springer-Lehrbuch) ISBN 978-3-662-22550-9 ISBN 978-3-662-22549-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-22549-3 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der überset zung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsan lagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urhe berrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. @Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1998 Softcover reprint of the hardcover lst edition 1998 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürf ten. Produkthaftung: Für die Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall an band anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Einbandgestaltung: de'blik Graphische Gestaltung, Berlin Titelfoto: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Kopfes einer Stechmücke, Tony Stone Associates GmbH Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden SPIN 10545670 29/3137-5 4 3 2 l 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier Vorwort Dieses Lehrbuch richtet sich an alle Studierenden der Biowissenschaften (Bio logie, Biochemie, Molekularbiologie, Humanbiologie, Zoologie, Medizin). Ich habe mich bemüht, diese Einführung in die Physiologie so verständlich zu schreiben, dass auch der Anfänger das Buch mit Gewinn, und vielleicht sogar mit Genuss, lesen kann. Das Buch wird aber auch höheren Anforderungen ge recht, die den Lehramtskandidaten oder den Diplom-Biologen im Hauptstudi um erwarten. Auch Medizinstudenten und ausgebildete Biologielehrer werden mit Gewinn auf dieses Buch zurückgreifen, um Basiswissen des Schulunter richts, die das spezielle Fachbuch voraussetzt oder nur in hochkomprimierter Form rekapituliert, nachzulesen. Denn es ist mein besonderes Ziel gewesen, all gemeine Prinzipien herauszustellen und nicht bloß in möglichst komprimierter Form viel Fachwissen nach Art wissenschaftlicher Übersichtsartikel zusammen zustellen. Ich habe um der Verständlichkeit willen auch sämtliche Zeichnungen selbst angefertigt. Der Text wurde nach den neuen Regeln der Rechtschreibung verfasst in der Erwartung, dass sie gültig bleiben werden. Ich danke denjenigen, denen ich es zumuten durfte, Ausschnitte des Skriptes kritisch durchzulesen: meinem Bruder Herbert (Fachlehrer für Mathematik und Physik), meinem Sohn Notger (Dr. med.) und meinem Kollegen an der Univer sität Heidelberg, Prof. Dr. Schirmer (Physika!. Chemie). Danken möchte ich vor allem den Mitarbeitern des Springer-Verlages, die mit mir das Wagnis teilen, ein solches Werk anzubieten. Heidelberg, im Oktober 1997 Werner A. Müller Inhaltsverzeichnis Energie und Leben 1.1 Energie, von der Sonne gespendet, speist alles Leben . . . . . . 1 1.1.1 Sonnenenergie wird von Pflanzen konzentriert und in Form chemischer Energie gespeichert; dabei erwirtschaften die Pflanzen einen Überschuss ............... ........ . 1 1.1.2 Wir Menschen und alle weiteren heterotrophen Organismen leben vom Überschuss der Photosynthese; weiterer Überschuss wird als "fossile Energie" in Sedimentgesteinen deponiert ........... .... ....... . 3 1.2 Stoffrecycling und Energieflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2.1 Potentiell wäre im Ökosystem Erde ein balanciertes Recycling von Stoffen möglich; der Energiefluss hingegen ist unidirektional ................................. . 4 1.2.2 Entropie für den Anfang: es gibt keine vollständig regenerierbare oder erneuerbare Energie; wohl jedoch liefert die Sonne ständig nach ........................ . 4 1.3 Energienutzung in lebenden Systemen ... ..... ...... .. . 5 1.3.1 Energie ist Vermögen zu arbeiten - aber man kann auch bloß Wärme verstrahlen .... ... ................ ..... . 5 Box 1.1 Energetik ..... ......................... ......... . 6 1.3.2 Was ist Arbeit in einem lebenden System? ...... . ... .... . 9 1.3.3 Wärme kontra Arbeit: bei jeder Arbeit fällt Wärme als Abfallprodukt an .......... ..................... . 9 1.3.4 Enthalpie und der Kaloriengehalt unserer Nahrung: Lebensmittelfachleute verbrennen Nahrung, um Diätrezepte geben zu können ... ...... ................. .. ..... . 10 1.4 Entropie und Leben ................. .............. . 11 1.4.1 Entropievermehrung lenkt einen Prozess in eine bestimmte Richtung . .............. ....... .. ...... ... ...... . 11 1.4.2 Entropie gleicht Temperatur- oder Konzentrationsdifferenzen aus und vernichtet dabei Potentiale zum Arbeiten ........ . 11 VIII Inhaltsverzeichnis 1.4.3 Entropie und Wahrscheinlichkeit: warum der ins Wasser geworfene Stein nicht zurückfliegt und das Herstellen von Konzentrationsunterschieden Energie kostet ......... . 12 1.5 Die "freie Energie G" ............................. . 13 1.5.1 Nur im Gefälle wird Energie verfügbar ................ . 13 1.5.2 In biochemischen Systemen gibt die "freie Energie G" das nutzbare Energiegefälle, das "chemische Potential", an .. 13 Box 1.2 Entropie und Verteilungswahrscheinlichkeit .. . .... .. . .. . 1 1.5.3 Bei allen Reaktionen, die, einmal in Gang gesetzt, von selbst weiterlaufen und für Arbeitsleistungen ausgenutzt werden können, nimmt die freie Energie ab, die Entropie insgesamt zu .......................... . 15 1.6 Lebewesen als offene Systeme ....................... . 17 1.6.1 Lebende Systeme sind offene Systeme, in die energiereiches Material (und Information) einfließt, und aus denen energiearme Endprodukte abfließen ................... . 17 1.6.2 Ob eine Reaktion exergonisch oder endergonisch ist, hängt auch von der Umgebung ab .................... . 17 1.6.3 Lebende Systeme müssen unablässig Energie verbrauchen, um dem Entropietod zu entgehen .................... . 18 1.6.4 In lebenden Systemen erhalten Flüsse von Energie Gleichgewicht und Ordnung . ......... .. ......... . ... . 19 1.6.5 Die Besonderheiten der Fließgleichgewichte: es können sogar Oszillatoren hergestellt und Muster erzeugt werden ... 19 1.6.6 Gekoppelte Reaktionen: ein herabsausendes Gewicht zieht ein anderes hoch; eine exergone Reaktion treibt eine endergone . 21 1.6.7 Dem Chaos können Ordnung und Muster entwachsen .. ... . 21 1.7 Wirkungsgrade und ihre ökonomischen und ökologischen Konsequenzen ............. , .................. . .. . 21 1.7.1 Wärme, bei vermeintlich schlechtem Wirkungsgrad produziert, muss nicht nutzlos sein .. . .. .............. . .... . .. . . 21 1.7.2 Verluste bei Energieumwandlungen und der Eigenbedarf der Organismen an Energie haben erhebliche ökologische und ökonomische Konsequenzen ..................... . 22 2 Energieumsetzung in der Zelle 2.1 Grundlegende Prozesse des zentralen Energiestoffwechsels der Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1.1 Alle energiereichen Nährstoffe werden in einen gemeinsamen katabolen Abbauweg eingespeist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Inhaltsverzeichnis IX 2.1.2 Die wichtigsten Triebkräfte der zellulären Arbeit sind Elektronentransfer (Oxidation), Phosphatübertragung und Entropievermehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1.3 Auch beim Lösen und Verknüpfen von chemischen Bindungen wird Energie frei oder aufgenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.1.4 ATP speichert und überträgt Energie mittels eines "angespannten" Phosphates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.1.5 Es gibt zwei Möglichkeiten der ATP-Synthese: gelegentliche Substratstufen-Phosphorylierung im Cytosol und protonengetriebene Massenproduktion in den ATP- Synthasen der Mitochondrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.1.6 Wenn Kinasen Phosphat von ATP auf andere Moleküle übertragen, übertragen sie auch negative elektrische Ladung und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.1.7 Der Energiestoffwechsel ist auch Entropie-getrieben: Er wird auch durch Entropievermehrung gefördert . . . . . . . . 31 2.2 Start im Cytosol: die Glykolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.1 Die vorbereitenden Schritte des Energiestoffwechsels verursachen erst einmal Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2.2 Energiefreisetzung unter Sauerstoffarmut Die Glykolyse macht aus "Blutzucker" chemische Bindungsenergie frei und ist auch Entropie-getrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.2.3 Warum gerade die Energie-bedürftigen Muskeln oft auf die Glykolyse zurückgreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.2.4 Warum manche Organismen in schlechter Luft stinken und dabei Energie gewinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.3 Citratcyclus, Atmungskette und ATP-Großproduktion . . . . . . 34 2.3.1 Der Citratcyclus läuft im Innenraum der Mitochondrien ab; er wirft als Abfallprodukt C0 aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2 2.3.2 In der Logik des Zellstoffwechsels atmen wir erst C0 aus, 2 bevor der Sauerstoff ins Spiel kommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.3.3 Den Mitochondrien kommt es auf die Wasserstoffatome inklusive deren Elektronen an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.3.4 Atmungskette: Von einer "Brennstoffzelle" erzeugte Elektronenflüsse treiben ATP-Generatoren . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.3.5 Aus der Bilanz errechnet sich bezüglich des ATP-Gewinns ein Wirkungsgrad von 40% . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.3.6 Mitochondrien können auch vollständig zu Heizungen umfunktioniert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.4 Die verschiedenen Energiespeicher und ihr besonderer Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.4.1 Kohlenhydrate versus Fette, beide Energiequellen haben Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 X Inhaltsverzeichnis 2.4.2 Der respiratorische Quotient liefert Indizien, ob man gerade Kohlenhydrate oder Fett verbrennt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.4.3 Fette sind auch gute Wasserreserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.5 Energieumsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.5.1 Wer gern im Kühlschrank (Kalorimeter) sitzt, kann seinen Energieumsatz mit dem Thermometer oder Messzylinder messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.5.2 Was immer zur Energiegewinnung herangezogen wird, der Sauerstoffverbrauch kann ein gutes Maß für den Energieumsatz sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.5.3 Wir setzen schon im Schlaf soviel Energie um, dass wir ständig eine 80 Watt Birne brennen lassen könnten. Für geistige Arbeit ist sehr viel mehr nicht nötig . . . . . . . . . 40 2.5.4 Kleine Lebewesen brauchen relativ viel mehr Energie als große 41 3.1 Molekulare Motoren und intrazellulärer Transport . . . . . . . . 45 3.1.1 Molekulare Motoren erzeugen in der Zelle Kräfte für Bewegungen und Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.1.2 Es gibt zwei basale Mechanismen des kraftvollen Bewegens: die Verlängerung von stabförmigen Gebilden durch Polymerisation und das Hin- und Herpendeln von Molekülarmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.1.3 Mikrotubuli und Actinfilamente erzeugen Schubkräfte nach der "Tretmühlmethode", z. B. zum Verschieben von Chromosomen oder zum Ausstrecken von Zellfortsätzen . . . . 46 3.1.4 Der Myosin-Motor übt rhythmisch schwingend Zugkräfte auf ein Actinfilament aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.1.5 Mittels Dynein oder Dynamin gleiten Mikrotubuli aneinander vorbei und lassen Cilien schlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.1.6 Der Kinesin-Motor bewegt Vesikel entlang von Mikrotubuli . . 47 3.1.7 Rätselhafte Phänomene und ein potentieller Entropie-getriebener Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.2 Passage und Transport von Substanzen durch Membranen . . 50 3.2.1 Nur wenige kleine und zugleich lipophile Substanzen können Membranen ohne Hilfe passieren; die meisten Substanzen müssen mit besonderen Translokatoren durchgeschleust werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.2.2 Lipophile Substanzen gelten als permeabel; sind sie es? . . . . . 52 3.2.3 Passive Permeation per Diffusion kann über Zellmembranen hinweg durchaus sehr rasch erfolgen; doch dann nimmt die Wandergeschwindigkeit rapide ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52