Otto Heckmann Theorien cler Kosmologie Berichtigter Nachdruck Springer-Verlag Berlin . Heide1berg . New York 1968 Prof. Dr. Otto Heckmann Direktor der Europaischen Siidsternwarte Hamburg-Bergedorf Die erste Auflage erschien 1942 als Band 2 der Reihe tForlschritte der Astronomie~ ISBN-13: 978-3-642-92964-9 e-ISBN-13:978-3-642-92963-2 DOl: 10.1007/978-3-642-92963-2 AIle Rechte vorbehalten Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Springer-Verlages ilbersetzt oder in irgendeiner Form vervielfilltigt werden © by Springer-Verlag Berlin· Heidelberg 1942, 1968 Softcover reprint of the bard:over Ist edition 1968 Library of Congress Catalog Card Number 68-56942. Titel-Nr. 00392 Vorbernerkungen zurn berichtigten Nachdruck. Der Verleger dieses Buches hat lange und schlieBlich doch vergeblich auf ein Manuskript einer 2. Auflage gewartet. Als es dem Verfasser noch leicht gewesen ware, es zu schreiben, gab es kein Druckpapier. Als es wieder Papier gab, fehlte dem Verfasser die notige Zeit und MuBe, urn den exponentiell angewachsenen Stoff zu meistem. Als es ihm gelang, E. SCHUCKING als Mitarbeiter zu gewinnen, da konnten zwar einige Ansatze der 1. Auflage in mehreren Arbeiten weiter verfolgt werden; sodann wurden damals die Artikel fiber Kosmologie im 53. Bande des neuen Handbuchs der Physik gemeinsam verfaBt; diese beiden Hand buchartikel kann man als Ersatz ffir eine 2. Auflage dieses kleinen Buches gelten lassen. Aber immer wieder ist nach der 1. Auflage gefragt worden, die vor 26 Jahren fast unmittelbar nach ihrem Erscheinen vergriffen war. Auf eine kUrzliche Anfrage des Verlegers habe ich einem photographischen Neudruck zugestimmt, weil mir gestattet wurde, einige kritische An merkungen zu schreiben. Sie korrigieren Fehler und weisen hin auf Weiterfiihrungen von Gedanken, die im Text rudimentar geblieben sind. Die in den Anmerkungen gegebenen Literatur-Zitate haben haupt sachlich den Zweck, ausfiihrlichere Darlegungen zu vermeiden. 1m Text wurden aIle bekannt gewordenen Satzfehler berichtigt. Das Buch hatte das auch heute noch nicht ganz erreichte Ziel, die oft im positiven wie im negativen Sinne Uberbetonten Unterschiede zwischen der NEWToNschen Theorie (NT) und der EINSTEINschen Theorie (ET) zu vermindem und von falschen Bewertungen zu befreien. Das Verstandnis der ET selbst ebenso wie das ihres Verhaltnisses zur NT wurde in zwischen, und besonders im letzten Jahrzehnt, wesentlich verbessert und vertieft. Vermutlich sind aber wichtige Arbeiten nicht weit fiber einen kleinen Kreis von Spezialisten hinaus bekannt geworden. DeshaIb sei hier verwiesen auf das Buch von TRAUTMAN, PIRANI und BONDI, Lec tures of General Relativity, London, 1965 (Prentice Hall), besonders auf Chap. 5 (TRAUTMAN). FUr eine kinematische Kennzeichnung relati vistischer kosmologischer Modelle vergl. man EHLERS, Akad. Wiss. Mainz, Abh. Math. Phys. Kl. Nr. 11 (1961). Eine Analyse der kinema- IV Vorbemerkungen zum berichtigten Nachdruck. tischen Kennzeichnung der isotropen kosmologischen ModeUe der NT und einen Vergleich mit den entsprechenden Modellen der ET findet man bei TROMPER, Z. Astrophys. 66, 215, (1967). Zur Frage der Singulari taten sowie der Bedeutung der 3°K Strahlung vergl. KUNDT, Recent Progress in Cosmology in "Springer Tracts" Nr. 47 (1968). - 1m ilbrigen sei hingewiesen auf das Buch von MCVITTIE, General Relativity and Cosmology, 2nd Edit. London 1965. Eine 2. Auflage des vorliegenden Buches milBte im Sinne seines Titels auch inzwischen neu aufgekoIillllene Theorien referieren. Man vergl. dazu den zweiten der beiden bereits oben angef11hrten Artikel Hdb. d. Physik 53, 520-537, 1959, obwohl auch dieser schon wieder veraltet ist. Nur wenig neuer ist der sehr summarische Bericht des Ver fassers General Review of Cosmological Theories in "Problems of Extra galactic Research", edit. by G. C. MCVITTIE, New York 1962 (S. 429 bis 438). Herro Dr. M. TROMPER danke ich filr kritische Durchsicht der Anmerkungen auf S. 102-104. Hamburg-Bergedorf, im Juni 1968. O. HECKMANN. Vorwort. Der folgende Bericht besteht aus drei Teilen: Der erste behandelt die von MILNE und MCCREA (Lit.-Verz. Nr ..4 5 und 52) entdeckten weitreichenden kosmologischen Moglichkeitenim Rahmen der klassischen Mechanik. Man darl.vermuten, da8 ein urn 40 Jahre friiheres Bekanntwerden der Rot~rschiebungen in den Spek tren der auflergalaktischen Nebel die meisten Entwicklungen des ersten Teiles schon damals hatte entstehen lassen. Als aber die Ansitze zu diesen Oberlegungen zu verdorren schienen und an ihrer Stelle die Kosmologie der allgemeinen Relativitatstheorie in Wechselwirkung mit der Beobachtung trat, da glaubte man irrUimlich, die einzigartige Leistungsfahigkeit dieser Theorie an einem der klassiscben Mechanik unzuganglichen Problem schlagend demonstriert zu. haben. Urn der Gerechtigkeit willen verdient jetzt, nachdem im Felde der Kosmologie die weitgehende Gleichwertigkeit des alteren mir dem jiingeren Lehr gebaude erkannt ist, die "klassische" oder "dynamische" Kosmologie eine breite Darstellung. Zwar sind namlich die beiden grundlegenden Arbeiten von MILNE und MCCREA von diesen Autoren spater gelegent~ lich erwahnt worden. Doch haben sie weder in Deutschland, wo die Polemik gegen die Relativitatstheorie eigentlich eine gtinstige Atmosphare hlitte schaffen mUssen, noch auch in anderen Landern Resonanz in weiteren Arbeiten gefunden. Mit der MILNEschen Erkenntnis ist ein betrachtlicher methodischer Gewinn verbunden. Deon wir .wissen nun, daB man auch in der Dynamik von Sternsystemen durch Verwendung der relativistischen Mechanik neben rnathematischen Kornplikationen kaum ein vertieftes Verstandnis der Phlii10mene gewinnt, solange man normale und nieht extrem ausgeartete FiUlezu betrachten wiinscht. Man darf also z. B. nieht hoffen,aus der relativistischen Mechanik oder auch aus irgendwelchen Modifikationen des' NEWToNschen Gravi tationsgesetzes weitergehenden AufschluB tiber die Natur der Spiral nebel zu gewinnen als aus der klassischen Mechanik und Gravitations theorie. Der zweite Teil des Berichts behandelt die von FRIEDMANN und LEMAiTRE stammende Kosmologie der allgemeinen Re1ativitiitstheorie. Die der Einfiihrung in den Ideenkreis der RelativitA.tstheorie dienenden Abschn. 11 und 12 waren unerlaBlich, wenn nicht aile folgenden Ent- VI Vorwort. wicklungen ganz in der Luft schweben sollten. Leider liegt es in der Natur des formalen Apparates der Relativitatstheorie, daB die Dar stellung im ganzen zweiten Teil nicht so elementar bleiben konnte wie im ersten. Der wesentliche Unterschied gegeniiber anderen Dar steHungen ist die ausfiihrliche Wiedergabe der neueren Entwicklung in der Beziehung von Theorie und Beobachtung in Abschn. 17. Dieser Abschnitt ist so breit gehalten, daB er mit seinen sechs Unterabschnitten fast einen selbstandigen dritten Teil hatte bilden k6nnen, urn so mehr, als er in mancher Hinsicht nicht aHein die Theorie des zweiten Teiles, sondern auch die des ersten der Beobachtung gegeniiberstellt. Doch sind die hypothetischen Betrachtungen iiber die Lichtfortpflanzung des Abschn.9 nicht konkurrenzfahig gegeniiber denjenigen von Abschn. 16. Somit ist es richtig, den Vergleich von Theorie und Beobachtung im Rahmen der relativistischen Kosmologie zu belassen. Eine wirkliche VoHstandigkeit ist in den beiden ersten Teilen nicht erstrebt worden, sondern eine zusammenhangende DarsteHung der nach der Meinung des Referenten wesentlichen Grundzuge der Theorie. 1m dritten Teil des Berichtes, der der LORENTzinvarianten oder kinematischen Kosmologie von MILNE gewidmet ist, muBte die Dar steHung notwendig skizzenhaft werden, weil viele der zu behandelnden Fragen in der Literatur bisher leider nicht geniigend diskutiert worden sind. 1m groBen und ganzen ist das Schaffen MILNES auf diesem Gebiet so monologisch gewesen, daB manche Einseitigkeiten iibertrieben stark in den Vordergrund traten. Die Darstellung ist deshalb oft sehr zuriick haltend und am SchluB bewuBt kritisch. Es ist zu wiinschen, daB an der Klarung der durch MILNE aufgeworfenen Fragen starker gearbeitet wird, besonders in einem Lande, das so wesentliche Beitrage zum Aufbau der Gruppen- und Invariantentheorie geleistet hat wie das unsere. Die Literatur vor 1933 findet man bei H. P. ROBERTSON: Relativistic Cosmology. Rev. Modern Physics 5, 62-90 (1933). Deshalb enthalt das Literaturverzeichnis des vorliegenden Berichts neben den Mono graphien im Teil A die nach Meinung des Refetenten wichtigeren seit 1933 erschienenen Arbeiten aus dem eigentlichen Fragengebiet des Berichts. Wo es n6tig oder wiinschenswert erschien, wurde der Inhalt einer Arbeit schlagwortartig charakterisiert. Der Teil B bringt Arbeiten, die irgendwie mit den Rotverschiebungen fertig zu werden versuchen, ohne sie als DOPPLER-Effekt zu deuten. Sie stehen in keinemZusammen hang mit dem Text. Da oft altere Literatur zitiert werden muBte, konnten Hinweise nicht durchweg in der jetzt iiblichen Form auf das Literaturverzeichnis bezogen werden. Urn der Einheitlichkeit willen sind deshalb aIle Anmerkungen und Literaturhinweise als FuBnoten gebracht worden. Vorwort. VII Die Formeln sind in jedem Teile durchnumeriert. Bei Formel hinweisen innerhalb des gleichen Teiles ist nur die Nummer der Forme! angegeben. Anderenfalls ist der Teil als r6mische Ziffer hinzugefiigt. Zum SchluO habe ich aufrichtig zu danken: Den Herren HEISEN BERG und HUND in Leipzig fUr sorgfaltige und kritische Durchsicht groBer Teile des Manuskripts, den Herren BLASCHKE, JENSEN und LENZ in Hamburg fiir die Durchsicht der Druckfahnen, meinen Bergedorfer Kollegen KRUSE und LARINK fUr RatschHi.ge und Mithilfe beim Lesen der Korrektur, besonders aber dem Herausgeber dieser Sammlung fUr die Anregung zu dies em Bericht und sein standiges, tatiges Interesse sowie dem Verlag fUr seine groBe Geduld. Hamburg-Bergedorf, im September 1941. O. HECKMANN. Inhaltsver~eichnis. E'inteitung . Erster Teil. Dynamische Kosmologie . 7 1. Die Grundgesetze der Materie . 7 2. Die zuUlssigen Beobacbter. . . . . . . 9 3. Das Weltpostulat·. ... . • . . . . . . 10 4. Die UnmOglichkeit einer statischen Welt 13 5. bas isotrope Stromungsfeld . . 16 6. Die SingularitAt des Modells •. . . . 19 a) Anisotropie der StrOmungen . . . . 20 b) Beseitigung der SingularitAt durch EinfOhrung des A,-Gliedes. 21 7. Die Bahn eines nicht zum Substrat gehOrenden Probekorpers 22 8. Statistik und Thermodynamik . 24 9. Die Lichtfortpflaozung . . . . . . . . 26 10. Zusammenfassung des 1. Teils. • • . . 31 Zweiter Teil. Metrische Kosmologie 32 11. Kuru Charakterisierung der allgemeinen Relativitll.tstheorie 32 12. Zusammenstellung der Grundgleichungen. . . . . . 36 13. Die zullssigen Koordinatensysteme; das Weltpostulat 40 14. LOsung der Feldgleichungen . 43 a) Die rlumliche Metrik . . . . . 43 b) Die Zeitabhlngigkeit .... . 46 15. Die Bewegung einer freien Partikel 48 16. Die Fortpflaozung des Lichtes. . . 50 a) Klassische Strahlungstheorie . . 5f b) Strahlung in Gravitationsfeldem 52 c) Strahlung im metrischen Felde der Kosmologie 54 f 7. Vergleich von Theorie und Beobachtung . . . . . 59 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Die den Zusammenhang von Theorie und Erfahrung herstellenden Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6f c) Reihenentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 d) Darstellung der Beobachtuugen durch Reihenentwicklungen 65 e) Strengere Reduktion der Beobachtungen ..•..... 70 f) Zusammenfassende Bemerkungen fiber den Vergleich von Theorie und Beobachtung • . . . . . • . . . . 75 f8. Zusammenfassung des 2. Teils. . . • . . . 77 Dri tter Teil. Kinema tische Kosmologie 77 19. Der Staodpunkt der MILNBSChen Theorie 77 20. Das einfache hydro-kinematische Weltmodell 79 a) Das StrOmungsfeld 79 b) Die Dichte • . . . • . . • • . . • . • 82 Inhaltsverzeichnis. IX 21. Freie Partikeln und ihre Statistik 83 a) Die Bewegungsgleichungen . . 83 b) Die BOLTZMANNsche Gleichung 85 22. Die Dynamik in der kinematischen Theorie. 86 23. Der Zusammenhang der kinematischen mit der metrischen Kosmo- logie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 24. Ungeklil.rte Fragen der kinematischen Kosmologie. 9S a) Fiktive Gravitationsfelder . . . . . . . . 95 b) Die Realitat der Untersysteme ....... . 97 c) Die mittlere Stromung der Zusatzpartikeln. . . 97 d) Ein vereinfachtes Modell der MILNEschen Dynamik 98 25. Zusammenfassung des 3. Teils . 99 Nachwort .. 99 Anmerkungen 102 Li tera turverzeichnis 105 Einleitung. Die Vorstellung, daB der Raum bis ins Unendliche mit Stemen erfiillt sei ohne Abnahme ihrer Zahl, mag bis in die Zeiten des DEMOKRIT zuriickreichen. Doch war mit ihr ein mechanisches Problem erst auf geworfen, als sie verkniipft wurde mit NEWTONS Idee der allgemeinen Schwere der Materie. OLBERS gibt in seinem bekannten Aufsatz in BODES Jahrbuch 1826, worin er die Absorption des Lichtes einfiihrt, urn die Vorstellung von der unendlichen ErfUIltheit des Raumes mit Stemen zu schiitzen gegen den Einwand, daB der Himmel nicht sonnen hell sei, eine Bemerkung HALLEYS wieder, die Materie miisse urn des allgemeinen Gleichgewichts willen sich ins Unendliche erstrecken, wei! sie sonst zusammenstiirze. Hier scheint einer der friihesten FaIle mechanischer Betrachtungsweise in unserem Problem vorzuliegen. Doch brauchen wir auf die Spekulationen des 18. Jahrhunderts iiber den Aufbau der Welt nicht weiter einzugehen, da in ihnen eine kritische Durcharbeitung der Frage nicht versucht wird. Die Arbeiten von C. NEUMANN! und H. V. SEELIGER2 haben wesent lich die Bedeutung, jene Schwierigkeiten hervorgehoben zu haben, die sich aus der Annahme eines mit Materie ganz erfiiIlten euklidischen Raumes unter Zugrundelegung des NEWTONschen Gesetzes ergeben, wenn man verlangt: 1. daB die Materieverteilung eine nichtverschwindende mittlere Dichte habe (wobei die "mittlere Dichte" als Grenzwert der in einem beliebigen Volumen V enthaltenen Masse Mv dividiert durch V fUr V definiert ist), ->-(Xl 2. daB die Materieverteilung statisch sei. Die zweite Forderung fallenzulassen, lag damals kein empirischer Grund vor3• Dagegen hatte man - statt das NEWToNsche Gesetz 1 C. NEUMANN: Dber das Newtonsche Prinzip der Femwirkung, S. 1 u. 2. Leipzig 1896 - s. a. Leipziger Ber. Math.-Phys. Kl. 1874, 149. 2 SEELIGER: Astron. Nachr. 137, 129 (1895) - Miinch. Ber. Math.-Phys. Kl. 1896. 373; 1909, 4. Abhandlung. 3 In der Kontroverse SEELIGER-WILSING (Astron. Nachr. 137 und 188) deutet WILSING mit Recht an. daB yom theoretisch-mechanischen Standpunkte aus die Bedingung der statischen Verteilung m6glicherweise die Ursache der Schwierigkeiten sei.