Guatri . Theorie der Unternehmungswertsteigerung Für meinen langjährigen Freund Giorgio Pivato Luigi Guatri Theorie der Untemehmungs wertsteigerung Ein europäischer Ansatz GABLER Luigi Guatri ist o. Professor und Direktor des Instituts für Untemehmensfüh rung der Universität Bocconi in Mailand sowie Vorstandsvorsitzender dieser Universität. Aus dem Italienischen übersetzt von Magister Andreas Spalt. Die Originalausgabe erschien unter dem Titel: La teoria di creazione deI valore. Una via europea Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Guatri, Luigi : Theorie der Unternehmungswertsteigerung : ein europäischer Ansatz / Luigi Guatri. Ubers. aus dem Hal. von Andreas Spalt. -Wiesbaden: Gabler, 1994 Einheitssacht.: La teoria di creazione deI valore <dt.> ISBN 978-3-409-13493-4 Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Verlags gruppe Bertelsmann International. © 1991 by EGEA S.p.A., Ita1y. All rights reserved © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1994 Lektorat: Barbara Marks Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlage~ unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. ISBN 978-3-409-13493-4 ISBN 978-3-322-90791-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-90791-2 Vorwort In einer Situation der Turbulenz und des Übergangs läuft jede Theorie das Risiko, die Wirklichkeit, die sie interpretieren sollte, zu "verfolgen" ohne sie jemals einzuholen. Eine Theorie der Unternehmung, die lediglich in eine kontingente Wirklichkeit eingetaucht ist, hat jedoch der Wissenschaft und Praxis wenig zu bieten. Sie ist einerseits eine Modeströmung, andererseits eine Übersicht über eine beobachtbare Vielfalt, die gegenüber einer "empirischen Nacherzählung" keinen Wert schafft. Mit zunehmender Beschleunigung der Veränderung nimmt die Notwendigkeit zu, über einen stabilen Orientierungspunkt oder ein Prinzip zu verfügen, das der theoretischen Reflexion und dem praktischen Handeln eine solide Grundlage gibt. Die Suche nach den methodischen Grundlagen, auf denen ein systemischer und evolutiver Ansatz der Unternehmungsziele aufgebaut werden kann, der der Vielfalt und Veränderlichkeit der industriellen Realität entspricht, gewinnt deshalb in unserer Zeit zunehmend an Bedeu tung und an Aktualität. Die Theorie der Unternehmungswertsteigerung beruht auf dem Prinzip, wonach die Unternehmung nur dann überleben und sich entwickeln kann, wenn sie neue Werte schafft. Die Wertsteigerung ist die raison d'etre des langfristigen Über lebens der Unternehmung, ihrer aktiven Teilnahme an der Produktion von Ressourcen für die Allgemeinheit und ihres Beitrages zum gesellschaftlichen Wohlstand. Im vorliegenden Werk des bekannten italienischen Professors der Betriebswirtschaftslehre und Vorstandsvorsitzenden der privaten Wirtschaftsuniversität Bocconi in Mailand wird auf anschauliche Weise gezeigt, daß die Unternehmungswertsteigerung nicht nur ein rationales Ziel ist, das Prioritäten in den unternehmerischen Entscheidungen festzulegen erlaubt, sondern auch ein Ziel ist, das von allen Stakeholders geteilt werden kann und darüber hinaus anregend für die Professionalität und Phantasie der Unternehmer und Führungskräfte ist; schließlich ist die Unternehmungswertsteigerung auch meßbar. Der Verfasser beschränkt sich nicht nur auf das Aufzeigen von Mitteln und Wegen zur Steigerung des Unternehmungswertes; anhand von vielen Beispielen weist er nach, wie die Wertsteigerungen ihren Niederschlag in den Marktwerten der Aktien finden. können. Wertsteigerung und Diffusion des Unternehmungswertes werden als die beiden Seiten einer Medaille dargestellt. VI Die Unternehmung wird als kognitives System aufgefaßt, das Wettbewerbsvorteile dadurch erzielt, daß Informationen und Wissen schneller und besser erworben, verarbeitet und genutzt werden als es die Konkurrenten zu tun in der Lage sind. Krisensituationen sind dadurch gekennzeichnet, daß das vorhandene Wissen und verfügbare Know-how nicht ausreichen, "Herr der Situation" zu sein. In dem Maße, in dem das Konzept der Unternehmungswertsteigerung zum Allgemeinbesitz aller Führungskräfte und Mitarbeiter geworden ist, kann die Unternehmung laufend neues Wissen und Know-how schaffen und damit a) evolvierende Entwicklungen auslösen und b) sich leichter von den Geschäftseinheiten und Tätigkeiten trennen, die keine Werte schaffen oder sogar Werte vernichten. Gute Theorien, die Anregungen geben und Bewegungen auslösen, sind in der Welt der Unternehmungen von großer Bedeutung. Es ist eine Illusion zu glauben, daß eine wie immer reiche Erfahrung ohne entsprechende theoretische Grundlegung ausreicht, unternehmerische Handlungen zu inspirieren. Der Verfasser zeigt auf eine überzeugende Weise, daß die Unternehmungswertsteigerung das Ergebnis wirksamer, bewußter und theoretisch fundierter Entscheidungsabläufe ist; diese Abläufe sind umso wirksamer, je mehr sie den Konsens herbeiführen und nicht voraussetzen. Gerade in einer Zeit großer unternehmerischer Veränderungsprozesse muß sich jede Unternehmung fragen, mit welchen Methoden sie ein aktives und kreatives Verhalten aller Führungskräfte und Mitarbeiter erhalten kann. Sie müssen das Ganze sehen, damit sich jeder überlegen kann, wie er im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zur Steigerung des Unternehmungswertes leisten kann. Die Unternehmungswertsteigerung ist eine Methode, mit der das Arbeitsklima belebt und die Organisation durchlässiger für funktionsübergreifende Geschäftsprozesse gemacht werden kann. Hans H. Hinterhuber Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 1 1.1 Moderne Prinzipien der Betriebswirtschaftslehre 2 1.2 Moderne Theorien der Betriebswirtschaftslehre 4 1.3 Zwei grundlegende Prinzipien der modernen Unternehmungsführung 5 1.4 Die Theorie der Unternehmungswertsteigerung 7 1.5 Die Theorie der Gesamtqualität 10 1.6 Die Situation in Italien 13 1. 7 Die Übertragung der erzielten Wertsteigerungen auf den Marktwert 15 2. Die Grundsätze der Theorie der Unternehmungswertsteigerung 16 2.1 Die Geschichte der Maximierung des Unternehmungswertes 16 2.2 Die Steigerung des Unternehmungswertes 22 2.2.1 Tatsächlicher Unternehmungswert oder Marktwert der Unternehmung 22 2.2.2 Die Unternehmungswertsteigerung als rationales Unternehmungs ziel 27 2.3 Die entscheidenden Faktoren bei der Schaffung von Zusatzwert 32 2.4 Die Maximierung der Erträge der Aktionäre 38 2.5 Kontrolle des Unternehmungswertes und Wertmanagement 44 3. Möglichkeiten und Instrumente zur Schaffung von Zusatzwert 50 3.1 Der Zusammenhang zwischen Strategien, funktionalen Politiken und den Schlüsselfaktoren für die Schaffung von Zusatzwert 50 3.2 Zwei Ursachen für die Erzielung von Gewinnen 57 3.2.1 Wettbewerbsvorteile 57 3.2.2 Die Kontrolle des Unternehmungsrisikos 65 3.3 Unternehmungsinterne Wertsteigerungsmaßnahmen 70 3.4 Unternehmungsexterne Wertsteigerungsmaßnahmen 75 3.4.1 Akquisitionen und Fusionen 75 3.4.2 Desinvestitionen 83 VIII 3.5 Wertsteigerungsmöglichkeiten durch finanzielle Umstrukturierungsmaßnahmen und steuermindernde Transaktionen 93 3.6 Der Einsatz wertorientierter Anreizsysteme für Führungskräfte 101 4. Die Quantifizierung des Wertes 106 4.1 Die Unterscheidung zwischen dem tatsächlichen aktuellen und dem potentiellen Unternehmungswert 106 4.2 Drei unterschiedliche Bewertungsansätze 109 4.2.1 Finanzwirtschaftliche Unternehmungsbewertungsverfahren 112 4.2.2 Ertragswertverfahren 119 4.2.3 Methoden der Übergewinnabgeltung 127 4.2.4 Resümee 130 4.3 Der tatsächliche Wert von Tochtergesellschaften und Geschäftseinheiten 131 4.4 Der tatsächliche Unternehmungswert in verschiedenen Entwicklungsphasen der Unternehmung 137 5. Die Übertragung eines Wertzuwachses auf den Marktwert 148 5.1 Die verschiedenen Arten von Marktwerten 148 5.2 Die Instrumente zur Übertragung von Wertsteigerungen auf den Marktwert 157 5.2.1 Die Kommunikationspolitik 157 5.2.1.1 Die strategische und die ertragskraftbezogene Glaubwürdigkeit einer Unternehmung 162 5.2.1.2 Der Kommunikationsplan 173 5.2.1.3 Die Auswirkungen einer mangelhaften Kommunikationspolitik auf die Entwicklung des Marktwertes 188 5.2.2 Direkte Eingriffe der Unternehmungen auf dem Markt 193 5.2.3 Weitere Maßnahmen 197 5.2.3.1 Eine günstige Verteilung der Aktien 197 5.2.3.2 Führungskräfte als Aktionäre 199 1. Einleitung Dieses Buch soll interessierte Studenten, Assistenten und Professoren in die Theorie der Unternehmungswertsteigerung einführen und ihnen eine Version dieser Theorie vorstel len, die auf den europäischen Kulturkreis und seine spezifischen wirtschaftlichen Gege benheiten abgestimmt ist. Die Theorie der Unternehmungswertsteigerung wurde bislang in der europäischen Wirtschaft kaum angewendet und hat auch im universitären Bereich wenig Beachtung gefunden. Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß sie noch nicht an die europäische Wirtschaftskultur und die spezifischen Gegebenheiten der europäischen Unternehmungen und Märkte angepaßt wurde. Es sollten hier nämlich andere Bezugsgräßen und andere Instrumente zur Quantifizierung des Unternehmungs wertes verwendet werden. Wie bereits erwähnt, hat die Theorie der Unternehmungswertsteigerung im uni versitären Bereich bisher wenig Anklang gefunden. Eine Ausnahme bilden die Professoren und Assistenten, die sich in erster Linie an der amerikanischen Wirtschaftskultur und -praxis orientieren. Aus diesem Grund konnte man auch nicht damit rechnen, daß diese Theorie in der Praxis von vielen Unternehmungen angewendet wird. Nach Fertigstellung dieses Buches habe ich für kurze Zeit befürchtet, ich hätte vielleicht nur eines von vielen Büchern über den Mythos der Finanzwirtschaft geschrieben, die in den achtziger Jahren die eigentlichen Probleme der Unternehmungen in den Hinter grund gedrängt haben. Das lag ganz und gar nicht in meiner Absicht. Ich sehe in der Theorie der Unternehmungswertsteigerung ein Instrument, das die rationale Betrach tung und die Lösung von grundlegenden Problemen in den Unternehmungen fördern kann. Dieses Ziel kann sie jedoch nur erreichen, wenn sie zusammen mit anderen Theorien und Grundsätzen angewendet wird, die den Wirtschaftswissenschaftlern und Praktikern zum Großteil schon seit längerer Zeit bekannt sind. Im Rahmen dieser Einleitung möchte ich die Theorie der Unternehmungswertsteige rung und andere moderne Prinzipien und Theorien vorstellen, damit der Leser ein Ver ständnis dafür bekommt, welche Stellung die Theorie der Unternehmungswertsteige- 2 rung in der Betriebswirtschaftslehre und in der Unternehmungsführungspraxis einneh men kann. 1.1 Modeme Prinzipien der Betriebswirtschaftslehre Die Entwicklung und der Erfolg einer Unternehmung werden durch die Handlungen der Mitarbeiter und Führungskräfte und durch Ereignisse außerhalb der Unternehmung bestimmt, die zu einem beträchtlichen Teil nicht beeinflußt werden können. Die Betriebswirtschaftslehre als wissenschaftliche Disziplin hat die Aufgabe, diese Hand lungen und Ereignisse zu analysieren, zu interpretieren und logisch zu ordnen, um Regelmäßigkeiten und Abhängigkeiten erkennen zu können. Das eigentliche Ziel dieses Vorgehens besteht darin, die Führungskräfte in den Unternehmungen dabei zu unter stützen, rationale Entscheidungen zu treffen. Sie sollen lernen, die Handlungen und Ereignisse besser zu interpretieren, um dadurch bestmögliche Ergebnisse erzielen.zu können. Im Rahmen der Interpretation und Ordnung der komplexen Wirklichkeit sind die modernen Prinzipien der Betriebswirtschaftslehre von besonderer Bedeutung. Sie können nämlich Anreize schaffen, Kräfte mobilisieren und manchmal auch emotionale Spannungen erzeugen. Diese Prinzipien dienen den Unternehmern und Führungskräften bei ihren Entscheidungen als Orientierungshilfe, erschließen ihnen zuweilen neue Hori zonte und können auch zu allgemeinen Kriterien oder eigenständigen Theorien weiterentwickelt werden. In der noch recht kurzen Geschichte der Betriebswirtschaftslehre wurde bereits eine beträchtliche Anzahl solcher Grundsätze aufgestellt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wollen wir nun einige von ihnen vorstellen. Ein erstes Beispiel stellt das Prinzip der Marktorientierung dar, das sich im Anschluß an intensive Studien im Bereich des Marketing herausgebildet hat. Dieses Prinzip hat die Aufmerksamkeit aller auf die Kunden bzw. auf den Markt gelenkt und damit weg geführt von der Betrachtung der Produktionskosten als allein entscheidendem Wettbe werbsfaktor. Außerdem weist es auf die Bedeutung von immateriellen Gütern wie Marken, Image und Marktanteilen hin.