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Theologie und Weisheit im alten Ägypten PDF

186 Pages·2005·6.598 MB·German
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Jan Assmann Theologie und Weisheit im alten Ägypten Wilhelm Fink V erlag Umschlagphoto: () Vincent Assmann, 2004 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:/ /dnb.ddb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung de~ Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektroni· schen Systemen. ISBN 3-7705-4069-7 C> 2005 Wilhelm Fink Verlag, München Einbandgestalrung: Evelyn Ziegler, München Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH, Paderborn Inhaltsverzeichnis Vorwort 9 Erstes Kapitel Kosmogonie. Göttliche Schöpfung und menschliche Kreativität 13 1. Einleitung 13 2. Die heliopolitanische Kosmogonie 14 Die Präexistenz 14 Der kosmogonische Augenblick: die Entstehung des Lichts 15 Die Entstehung des Raumes (Himmel und Erde) 17 Die Entstehung des Todes und der Kultur 23 3. Schöpfung durch das Wort. Sprachlichkeit und Lesbarkeit der Welt 24 4. Autonome und heteronome Weltmodelle 30 • Zweites Kapitel Primat und Transzendenz. Struktur und Genese der ägyptischen Vorstellung eines "Höchsten Wesens" 35 1. Die Gestalt des ,Weltgotts' 35 In spät- und außerägyptischen Texten 35 In Texten der Ramessidenzeit (1300-1100 v. Chr.) 41 2. Zur Geschichte der Reichsgott-Idee 44 Gott und König 45 Gott und Götter 49 3. Der verborgene Weltgott der thebanischen Theologie 53 Immanenz 53 Transzendenz 58 Drittes Kapitel Arbeit am Polytheismus: Die Idee der Einheit Gottes und die Entfaltung des theologischen Diskurses in Ägypten 65 1. Wie entsteht Theologie? Sekundäre Religionserfahrung und das "Denken des Einen". 65 2. "Implizite" versus "explizite" Theologie 68 3. Die Primat-Theologie der 18. Dynastie 75 Text 1 75 Das theologische V erfahren 77 6 Inhaltsverzeichnis 4. Die Theologie der Amarnazeit 79 Kontinuität oder Diskontinuität? 79 Text 2 81 Einheit ohne Vielheit 82 5. Der pantheistische Weltgott und deus absconditus 84 Nach Amarna: Diskontinuität oder Kontinuität? 84 Text 3 85 Ba 87 Die Einheit des Diskurses 91 Viertes Kapitel Weisheit, Loyalismus und Frömmigkeit 93 1. Die ,Entweltlichung' der Weisheit im Neuen Reich 93 Theologie des Willens: von der ,indirekten' zur ,direkten Kausation' 93 ,Weisheit' und ,Persönliche Frömmigkeit' 98 2. Menschliches Handeln und göttliche Zuwendung: 99 Gegenseitigkeits formein 99 Seligpreisungen 107 Loyalismus: die politischen Verhaltenslehren des Mittleren Reichs 1 12 3. Die binäre Konstruktion menschlicher Handlungsräume 118 Loyalismus und Frömmigkeit 1 18 Loyalismus und Weisheit 122 Belege 125 Fünftes Kapitel Die "loyalistische Lehre" Echnatons 137 Literatur 165 Namenregister 185 Moshe Barasch (1920-2004) . . m memortam Vorwort "Theologie" und "Weisheit" sind Begriffe, die man als Gegensätze oder als sich ergänzende Aspekte religiösen Wissens betrachten kann. Als Gegensätze verstanden, bezieht sich der erste auf im engeren Sinne religiöses, der zweite dagegen auf "weltliches" Wissen, also das, was man im 18. Jahrhundert "Welt weisheit" nannte. Als ergänzende Aspekte betrachtet, beziehen sich beide Be griffe dagegen auf religiöses Wissen. Im Rahmen der uns vertrauten jüdisch christlichen Tradition ließe sich unter "Theologie" alles das zusammenfassen, was uns die biblischen Bücher, insbesondere die Psalmen, das Buch Hiob und einige Prophetenbücher über Wesen, Wirken und Willen Gottes erschließen, auch wenn es ein hebräisches Wort für diesen Begriff nicht gibt, während der Begriff "Weisheit" (hokmah) in der Bibel selbst eine große Rolle spielt. Auch hier, innerhalb der Bibel selbst, zeigt sich, daß mit dem Begriff "Weisheit" eine relative Weltlichkeit verbunden ist. Hier geht es nicht um Gottes Wesen und Wirken, sondern um die Fundamentalien der menschlichen Existenz und die Lehren vom rechten menschlichen Verhalten. Manche der einschlägigen Texte wurden geradezu aus anderen Kulturen übernommen, andere sind so "welt lich", daß ihre Aufnahme in den Kanon lange Zeit umstritten war, wie z. B. das skeptische Buch Qohelet. Im alten Ägypten treffen wir auf eine mit dem alten Israel vergleichbare Si tuation. Was die "Theologie" betrifft, fließen die Quellen hier überraschender weise sehr viel reicher als in der Bibel. Hunderte von Hymnen und verwandten Texten handeln von nichts anderem als dem Wesen und Wirken, seltener auch dem Willen einzelner Götter, wobei wir, da sich die meisten und wichtigsten Hymnen auf den höchsten Gott beziehen, durchaus auch von "Gott" sprechen können. Auch die Suche nach "Weisheit" wird in den ägyptischen Quellen schnell fündig: die entsprechende Literatur ist sowohl vielfältig (hierzu gehö ren neben den klassischen Lebens- und Verhaltenslehren auch Klagen in der Art des Hiob-Buchs, die sich mit der Lage einer Welt auseinandersetzen, aus der die Gerechtigkeit verschwunden ist) als auch ganz ungewöhnlich langlebig: sie erstreckt sich vom 3. vorchristlichen bis ins 1. nachchristliche Jahrtausend. Auf keinen Fall läßt sich in Ägypten "Weisheit" als Gegensatz zu "Theologie" betrachten. Vielmehr handelt es sich auch hier, wie im Alten Testament, um er gänzende Aspekte. Auch hier legen die Weisheitstexte eine unverkennbare Weltlichkeit an den Tag, auch hier aber ist sie nur "relativ", das heißt eingebet tet in einen religiösen Horizont. Auch die Weisheitstexte nehmen gelegentlich auf das Göttliche Bezug, wobei sie charakteristischerweise fast immer von "Gott" anstatt von einzelnen Göttern reden, weil es ihnen entweder nur auf 10 Vorwort das "Höchste Wesen" oder auf die Götterwelt in einem so allgemeinen Sinne ankommt, daß jeder Gottesname hier eingesetzt werden könnte. Ihnen geht es nicht um "Theologie", sondern um Anthropologie, aber zum Wesen des Men schen gehört auch seine Geschöpflichkeit, seine Abhängigkeit vom Willen und Wirken "Gottes" bzw. (beliebiger) Götter. Was nun die ägyptische Situation in religionsgeschichtlicher und kulturwis senschaftlicher Hinsicht so interessant macht, ist die Tatsache, daß sowohl die "Theologie" als auch die "Weisheit" im Laufe ihrer dreitausendjährigen Ge schichte ganz erheblichen Wandlungen unterworfen waren und sich überdies im Zuge dieser Wandlungen aufeinander zubewegten. Die Theologie wird darin immer weisheitlicher, daß es auch hier immer stärker um eine Theologie des Höchsten Wesens jenseits der polytheistischen Götterwelt, also um eine Theologie Gottes geht. Die Weisheit ihrerseits wird immer "frömmer", weil in ihrer Interpretation der conditio humana die Rolle "Gottes" immer bestim mender wird. Das erste Kapitel behandelt die ägyptischen Vorstellungen von der Weltent stehung und stellt damit die allgemeinen Grundstrukturen des ägyptischen Welt- und Menschenbildes vor, in dessen Rahmen sich die geschilderten Wandlungen beziehen. Die alten Ägypter sahen in der Welt nicht nur das Werk, sondern vor allem eine unmittelbare Manifestation Gottes und der Göt ter. Für sie war die Welt im Sinne einer "creatio ex Deo" aus Gott hervorge gangen. In allen kosmogonischen Lehren steht immer ein einziger Gott am Anfang. Der "kosmogonische Moment" (von "Schöpfung" kann man hier nicht sprechen) betrifft immer Einen Gott, auch wenn die Welt, die aus ihm hervorgeht, in die er sich verwandelt und entfaltet, dann unzählige andere Gottheiten umfaßt, die ihrerseits schöpferisch in die Ausgestaltung und In ganghaltung der Welt eingreifen. Die ägyptische Welt ist eine Welt, die nicht einmal geschaffen wurde, sondern unablässig erneuert, erhalten und "in Gang gehalten" werden muß. Für die Ägypter ist der Kosmos kein Raum, sondern ein Prozeß, der sich im Zusammenwirken der Götter ereignet und zu dessen Gelingen auch die Menschen im Medium der Riten beitragen müssen. Die übrigen vier Kapitel widmen sich dann auf eine ziemlich detaillierte Weise den historischen Wandlungen und zeichnen die Wege nach, auf denen einerseits die ägyptische Theologie den Begriff eines "Höchsten Wesens" jen seits der Götterwelt entwickelt hat und andererseits die Weisheit ihre ur sprüngliche, wenn auch relative Weltlichkeit aufgegeben und, im Rahmen einer "Theologie des Willens", immer frömmer geworden ist. Das zweite Kapitel geht von der Endsituation der ägyptischen Religion aus, von Texten, die zwar in Ägypten entstanden, aber in griechischer Sprache ver faßt sind. Hier begegnen wir der Gestalt des "Weltgottes", der die sichtbare Welt zum Körper hat und sie von innen beseelt. Diese Gottesidee ist in der ganzen antiken und spätantiken Welt verbreitet; wir begegnen ihr in indischen, iranischen, hellenistischen, gnostischen und hermetischen Texten. Nichts liegt näher als die Annahme, auch die gräko-ägyptischen Texte hätten lediglich auf Vorwort 11 ihre Weise an dieser globalen Strömung Anteil. Überraschenderweise stoßen wir aber nicht nur in genuin ägyptischen Texten derselben Zeit auf dieselbe Gottesidee, sondern können diese Tradition auch über mehr als tausend Jahre zurückverfolgen. Ihre Ausformung gehört in die späte Ramessidenzeit (12. Jh. v.Chr.), den ersten Anstoß dazu gab aber bereits die Auseinandersetzung mit der monotheistischen Revolution des Echnaton von Amarna durch die Amunspriester der "Gegenreformation", und die Wurzeln dieser Gottesidee reichen weit zurück in der ägyptischen Religion. Das dritte Kapitel behandelt das Problem der ägyptischen "Theologie" diskursgeschichtlich. Theologie wird als lehrhafte, argumentativ entfaltete Rede von Gott verstanden. Sie entsteht im Rahmen der Auseinandersetzung mit zwei Problemen: dem Problem der Gerechtigkeit Gottes angesichts der Unvollkommenheit der Welt, das uns un ter dem Begriff "Theodizee" vertraut ist und ja auch in der Bibel eine zentrale Rolle spielt, und dem Problem, wie die Beziehung von Gott und Götter zu denken ist, das naturgemäß in der Bibel keine (oder eine sehr marginale) Rolle spielt, dafür aber den Ägyptern um so wichtiger war. In diesem Kapitel wird die Geschichte der ägyptischen Idee eines Höchsten Wesens anhand der Ge schichte des "theologischen Diskurses" rekonstruiert. Das vierte Kapitel widmet sich der Wende von der Weisheit zur Frömmig keit und geht ebenfalls diskursgeschichtlich vor. Hier geht es um die engen dis kursgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen zwei Traditionen, die man bis lang nicht in Verbindung gebracht hatte: den unter dem Stichwort "Loyalis mus" zusammengefaßten Verhaltenslehren des Mittleren Reichs (2000-1 750), in denen es um die Beziehung des Einzelnen zu Staat und König geht und die man zur Weisheitsliteratur rechnet, und den zahlreichen Inschriften des Neuen Reichs (1550-10 50), die man unter dem Stichwort "Persönliche Frömmigkeit" zusammenfaßt und die, wie sich zeigen läßt, die Sprache des Loyalismus reden. Auch diese Wende hat eine Parallele in der Bibel. Die Bundestheologie bedient sich, vor allem in ihrer deuteronomistischen Ausgestaltung, Formeln und For mulierungsverfahren, die aus dem Repertoire des altorientalischen, insbeson dere neuassyrischen Loyalismus übernommen sind. In diesen Zusammenhang gehört auch das fünfte und letzte Kapitel. Hier wird anhand eines konkreten Falles gezeigt, daß die "Persönliche Frömmig keit" der Ramessidenzeit auf den Loyalismus der Amarnazeit zurückgreift. Ein Text aus Amarna, der den König als den persönlichen Gott des Einzelnen preist und die Beziehung zwischen König und Untertan in den religiösen Aus drucksformen der Frömmigkeit darstellt, wird wenig später, nach dem Ende und der Verfolgung der Amarna-Revolution, ziemlich wörtlich auf einen Gott umredigiert, obwohl doch alles, was mit Amarna zu tun hatte, strengstens ver pönt war. In diesem Kapitel wird versucht, den Loyalismus von Amarna als eine Königslehre im Sinne des Mittleren Reichs zu rekonstruieren und mit der "Lehre des Königs" zu identifizieren, von der in den Amarnatexten ständig die Rede ist. Die Amarnareligion kommt damit auf zwei Beine zu stehen: auf die Naturlehre: die Lehre von der welterschaffenden und welterhaltenden Wirkung 12 Vorwort des Sonnengottes, der durch Licht und Zeit alles Sichtbare und alles sich ent wickelnde hervorbringt und damit die Annahme anderer Götter überflüssig macht, und auf die Lehre vom König als dem persönlichen Gott des Einzel nen, von dem Schicksal, Glück, Wohlergehen und sogar das Leben nach dem Tode abhängen. Die Kapitel dieses Bandes ergänzen die unter dem Titel "Ägyptische Ge heimnisse" zusammengestellten Arbeiten, die mit den Schwerpunkten "My thos" und "Mysterium" zwei andere Aspekte der altägyptischen Religion be handelten, zu einem umfassenden und in vieler Hinsicht neuartigen Bild der ägyptischen Religion. Die beiden Bände sind als Einheit konzipiert (daher fin det sich auch am Ende dieses Bandes eine Zusammenstellung der Erstveröf fentlichungsorte für die Kapitel beider Bände). Auch die vorliegenden Kapitel greifen mit Ausnahme des ersten auf Aufsätze zurück, die vor zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren entstanden sind und für diesen Band gründlich revi diert wurden. Auch hier wird dieses neue Bild nicht zusammenfassend darge stellt (wie in meinem Buch Agypten - Theologie 11nd Friimmigleeil einer .frühen Hoch lellltllr, Stuttgart 1984), sondern detailliert aus den Quellen erarbeitet, was wie derum nicht ohne einige hundert Fußnoten abgeht. Ich sehe in dieser "Er dung" der zuweilen sehr weitgehenden Deutungen und religions- bzw. kultur wissenschaftlichen Perspektiven durch eine ständige Bezugnahme auf das Ma terial, die primären, großenteils durch epigraphische Arbeiten erstmals er schlossenen Quellen einen Gewinn, auch wenn es die Lektüre gelegentlich mühsamer macht. Gerade im Rahmen der neu aufblühenden "Kulturwissen schaft", die solche Themen in allgemeinerer Perspektive einem größeren Publi kum erschließt, sollten die konkreten Details, in denen nun einmal, wie Aby Warburg zu sagen pflegte, "der liebe Gott wohnt", nicht aus dem Blick gera ten. Wiederum gilt mein Dank Raimar Zons, der diesen Band zunächst ge wünscht und dann betreut hat, sowie den hilfreichen Geistern des Heidelber ger Instituts, unter denen ich besonders Susanne Michels nennen möchte. Ich widme diesen Band dem Andenken Moshe Baraschs, dessen Freundschaft ich ebensoviel verdanke, wie mir der Verlust seiner täglichen, über E-Mail ausge tauschten Anregungen und Ermutigungen bedeutet. Mit ihm wußte ich mich einig in der unaufgebbaren Verbindung detailreicher Einzelforschung und kul turwissenschaftlicher Perspektive. Heidelberg, am 5. August 2004

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