Carl Andresen Theologie und Kirche im Horizont der Antike ≥ Arbeiten zur Kirchengeschichte Begründetvon Karl Holl† und Hans Lietzmann† herausgegebenvon Christian Albrecht und Christoph Markschies Band 112 Walter de Gruyter · Berlin · NewYork Carl Andresen Theologie und Kirche im Horizont der Antike Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der Alten Kirche Herausgegeben von Peter Gemeinhardt Walter de Gruyter · Berlin · NewYork (cid:2)(cid:2) GedrucktaufsäurefreiemPapier, dasdieUS-ANSI-NormüberHaltbarkeiterfüllt. ISSN 1861-5996 ISBN 978-3-11-021642-4 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2)Copyright2009byWalterdeGruyterGmbH&Co.KG,D-10785Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen. PrintedinGermany Umschlaggestaltung:ChristopherSchneider,Laufen Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................................... V Justin und der mittlere Platonismus ..................................................................... 1 Zur Dogmengeschichte der Alten Kirche ........................................................... 37 Bestattung als liturgisches Gestaltungsproblem in der Alten Kirche ............. 47 Zur Entstehung und Geschichte des trinitarischen Personbegriffs ............... 55 Altchristliche Kritik am Tanz – Ein Ausschnitt aus dem Kampf der Alten Kirche gegen heidnische Sitte ..................................................................... 91 Zum Formular frühchristlicher Gemeindebriefe ............................................... 139 Gedanken zum philosophischen Bildungshorizont Augustins vor und in Cassiciacum ........................................................................................... 163 Kirchengeschichtsschreibung – eine aktualisierte Selbstrechtfertigung ......... 185 Die geoffenbarte Wahrheit und die sich offenbarende Wahrheit oder: Das Verhältnis von Wahrheit und Autorität bei Augustin ............................... 199 Augustin – das Geheimnis seiner Wirkung ......................................................... 215 Adaption, Usurpation und Integration der Antike in das spätantike Christentum .............................................................................................................. 227 Die Bibel im konziliaren, kanonistischen und synodalen Kirchenrecht ........ 233 „Ubi Tres, Ecclesia Est, Licet Laici“. Kirchengeschichtliche Reflexionen ... 267 The Integration of Platonism into Early Christian Theology .......................... 283 Dogmengeschichtliche Aspekte zur religions- und geistesgeschichtlichen Ableitung des frühen Christentums ...................................................................... 297 Bibliographie.............................................................................................................. 315 Register Bibelstellen........................................................................................................... 323 Autoren von Quellenschriften......................................................................... 329 Moderne Autoren............................................................................................... 332 Vorwort Am 28. Juli 2009 wäre der Göttinger Kirchenhistoriker Carl Andresen einhundert Jahre alt geworden. Fragt man nach theologischen Themen, für die bis heute sein Name steht, stößt man schnell auf das Spannungsfeld von „Antike und Christen- tum“. Nicht nur stammt der so benannte Artikel in der „Theologischen Real- enzyklopädie“ (Band 4, 1979, 50-99) aus Andresens Feder. Schon seine Kieler Habilitationsschrift über „Logos und Nomos. Die Polemik des Kelsos wider das Christentum“, die 1955 als Band 40 der „Arbeiten zur Kirchengeschichte“ er- schien, war der Verhältnisbestimmung von Antike und Christentum gewidmet. Geht es hier um die antike Philosophie als Terrain der Begegnung, so hat Andre- sen in weiteren Studien auch Themen des Ritus, des Rechtes und der Ethik be- handelt, um den Ort von Theologie und Kirche im Horizont der Antike präzise zu bestimmen. Diese Beiträge sind an verschiedenen, teils entlegenen Orten er- schienen; manche Vorträge wurden bis heute nicht publiziert. Sie werden hier in einer Auswahl erstmals oder erneut abgedruckt, über die unten Rechenschaft abgelegt wird. Die Reihe „Arbeiten zur Kirchengeschichte“, die sein Berliner Lehrer Hans Lietzmann begründet hatte, gab Andresen selbst von 1971 bis 1984 gemeinsam mit Kurt Aland und Gerhard Müller heraus. So ist es ebenso passend wie erfreulich, dass sich Reihenherausgeber und Verleger bereit gefunden haben, auch die Gesammelten Aufsätze in dieser Reihe erscheinen zu lassen. I. Carl Andresen wurde am 28. Juli 1909 in Agerskov (Dänemark) geboren.1 Er studierte evangelische Theologie in Tübingen, Berlin und Kiel. In der Autobio- graphie, die er in den letzten Monaten seines Lebens begonnen hatte, aber un- vollendet lassen musste, tritt klar zu Tage, welcher Ort der zutiefst prägende war: Berlin, wo er in engem Kontakt zu Hans Lietzmann stand, bei dem er als Hilfsar- beiter der Kirchenväterkommission und als Senior im kirchenhistorischen Semi- nar wirkte. 1932 legte Carl Andresen das erste, 1934 das zweite Theologische –––––––––––– 1 Der folgende biographische Abriss beruht neben dem von Carl Andresen selbst angefertigten Lebenslauf und den Mitteilungen von Frau Ingeborg Andresen auch auf dem Nachruf von Ek- kehard Mühlenberg in: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen für das Jahr 1986, Göttingen 1987, 122-128. VI Vorwort Examen ab und wurde Pfarrer in Sörup (Schleswig-Holstein). Den ursprünglichen Plan, unter Lietzmanns Betreuung eine patristische Dissertation abzufassen, gab er auf; obwohl er dankbar anerkannte, was er bei diesem methodisch gelernt hatte, sah er eine zu tiefe Diskrepanz zwischen Lietzmanns religionsgeschichtli- chem Zugang zur Kirchengeschichte und seinem eigenen theologischen Interesse an der Geschichte.2 Zwischen 1940 und 1945 leistete er Militärdienst und ver- brachte weitere zwei Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Dass und wie sogar in dieser Situation theologisches Arbeiten in einem Dreierkollegium mög- lich war, klingt in der Eingangspassage eines der hier abgedruckten Aufsätze an: „Ubi tres, est ecclesia, licet laici“ – diesen Satz Tertullians nahm Andresen als Titel und Thema eines Festschriftbeitrages für den Bonner Praktischen Theologen Gerhard Krause, den er im Gefangenenlager getroffen hatte, wozu noch der Lietzmannschüler und spätere Münsteraner Patristiker Franz Heinrich Kettler als „Dritter im Bunde“ stieß (s.u. S. 268). Diese biographische Reminiszenz verweist auf den lebensgeschichtlichen Kontext, den Carl Andresen mit einer ganzen Reihe anderer Theologen seiner Generation teilte: Die Jahre, in die das Abfassen der Qualifikationsschriften hät- ten fallen sollen, verbrachte er im Krieg und in Gefangenschaft. Nach seiner Heimkehr trat Andresen eine Stelle als Pfarrer an der Universitätsklinik in Kiel an, promovierte 1951 an der dortigen Theologischen Fakultät bei Peter Meinhold und habilitierte sich bereits 1953. Fünf Jahre später verlieh ihm die Kieler Fakul- tät die Würde eines Ehrendoktors. 1956, mit 47 Jahren, wurde Carl Andresen als Nachfolger von Walther Eltester auf die Professur für Neues Testament, Alte Kirchengeschichte und Christliche Archäologie an der Philipps-Universität Mar- burg berufen. 1961 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Kirchengeschichte und Christliche Archäologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Diesem Wirkungsort blieb er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1977 treu; einen ehren- vollen Ruf nach Tübingen, wo er erneut die Nachfolge Eltesters angetreten hätte, lehnte er 1966 ab. 1962 wurde er zum Mitglied der Göttinger Akademie der Wis- senschaften gewählt und übernahm die Leitung der neu geschaffenen Patristi- schen Arbeitsstelle, nach dem Tod seines Vorgängers Hermann Dörries (1895- 1977) auch die Leitung der Kommission zur Erforschung des älteren Mönch- tums. Der Ruhestand war eine Phase unverändert intensiven Schaffens: In kurzer Folge erschienen 1980 bis 1984 die drei Bände des „Handbuchs der Dogmen- und Theologiegeschichte“, die seit den frühen 60er Jahren in Planung waren. Seine Ämter als Herausgeber – neben den „Arbeiten zur Kirchengeschichte“ sind hier auch die Lehrbuchreihe „Theologische Wissenschaft“ und die Übersetzun- gen antiker Texte in der „Bibliothek der Alten Welt“ zu nennen – führte er fort. Carl Andresen verstarb am 21. Juni 1985 in Göttingen. –––––––––––– 2 Vgl. seinen Brief an Hans Lietzmann vom 22.12.1933, in: Glanz und Niedergang der deutschen Universität. 50 Jahre deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen an und von Hans Lietzmann, hg. von Kurt Aland, Berlin – New York 1979, 755f. Nr. 850. Vorwort VII II. In mancher Hinsicht lassen sich die hier vorgelegten „Gesammelten Aufsätze zur Geschichte der Alten Kirche“ als Vorstudien und Supplementa zu Andresens patristischem Opus magnum lesen3, das nicht in einer theologischen, sondern in einer religionskundlichen Buchreihe erschien, aber das religionsgeschichtliche Material in den Dienst einer „ekklesiologischen Typenlehre“ stellte. Unabhängig von der Frage, woran genau die Differenzen zwischen ihm und seinem Lehrer Hans Lietzmann aufbrachen (s.o.), hat Andresen jedenfalls selbst mit seinem Beitrag über die „Altchristliche Kritik am Tanz“ (unten S. 91-137) das Feld der antiken Religiosität mit all ihren Zweideutigkeiten paradigmatisch ausgeleuchtet. Dass das Christentum sich aber in, mit und unter solchen fließenden Übergängen von anderen Religionen der antiken Welt stets durch sein spezifisches religiöses Selbstverständnis auszeichnete, führte Andresen dazu, die alte Kirchengeschichte als Abfolge ekklesiologischer Selbstdeutungstypen zu konzipieren. Auch wenn die Kirchengeschichtsschreibung sich selbstverständlich keine normative theologi- sche Funktion anmaßen kann, hat sie doch mit Normativität – formulierten Dogmen, rechtlichen Strukturen, faktischen Autoritätsansprüchen – zu tun, die „Kirche“ erst in rechter Weise als Gegenstand historischer und theologischer Forschung zu erfassen helfen. Kirchengeschichte befasst sich mit solchen norma- tiven und faktischen Konstruktionen von christlicher Identität und ist darum unweigerlich Theologie – das war jedenfalls für Andresen die logische Konse- quenz. Dieses Programm einer Kirchengeschichte als „Geschichte des Selbstver- ständnisses der Kirche“ trug er konzise in einem 1972 in Aarhus gehaltenen Vor- trag vor, der hier erstmals veröffentlicht wird (s.u. S. 185-197). Die Selbstdefinition und -reflexion des antiken Christentums steht als ein Schwerpunkt von Andresens Schaffen neben dem anderen großen Thema, das bereits in seinen frühen Studien zur Apologetik, zumal in der oben erwähnten Kelsos-Monographie Gestalt gewonnen hatte: das Verhältnis des frühen Chris- tentums zur antiken Philosophie. Diese Frage hat Andresen schon in seiner ersten größeren patristischen Publikation (Justin und der mittlere Platonismus [1952/53], unten S. 1-35 – ein Auszug aus seiner Dissertation) beschäftigt. Ver- schiedentlich ist Andresen auf diesen Problemzusammenhang zurückgekommen, nicht zuletzt in seinem Beitrag zur Patristik-Konferenz in Oxford 1975 („The Integration of Platonism into Early Christian Theology“, unten S. 283-296) – der einzige von Andresen selbst in englischer Sprache veröffentlichte Aufsatz. Die Einladung, an diesem prominenten Ort einen Hauptvortrag zu halten, belegt die internationale Wertschätzung seiner Arbeiten. Weitere Facetten können in der vorliegenden Auswahl nur angedeutet wer- den: Mit der Studie zum Kirchenrecht (unten S. 233-266) betrat Andresen ein von evangelischer Seiten selten beackertes Feld, mit der Frage nach einer „Laienkir- che“ im Anschluss an das oben genannte Tertullian-Zitat wandte er sich in histo- –––––––––––– 3 Die Kirchen der alten Christenheit, RM 29/1-2, Stuttgart 1971.
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