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Theodor W. Adorno. Ethik als erste Philosophie. PDF

131 Pages·2002·17.05 MB·German
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Manuel Knoll Theodor W. Adorno Ethik als erste Philosophie Wilhelm Fink Verlag Inhaltsverzeichnis Umschlagabbildung: EINLEITUNG Picasso, Guernica, 1937 ) Succession Picasso / VG Bild-Kunst 1. Die Renaissance moralphilosophischer und ethischer Bonn 2002 Fragestellungen 2. Der Forschungsstand zu Adornos Moralphilosophie 3. Der Primat der Ethik und die Unangemessenheit der vorherrschenden Interpretationsmuster von Adornos Philosophie KAPITEL I ADORNOS ANTISYSTEMATISCHES SELBSTVERSTÄNDNIS KAPITEL II PHILOSOPHIE ALS OBJEKTIVATION DES LEIDENS KAPITEL III KUNST ALS OBJEKTIVATION DES LEIDENS Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme 1. Kunst als „Bewußtsein von Nöten" Knoll, Manuel: 2. Das doppelte Ende der Kunst Theodor W. Adorno : Ethik als erste Philosophie. - München : Fink, 2002 3. Das mimetisch expressive und das rational konstruktive Zugl.: München, Univ., Diss., 2000 Moment der Kunst ISBN 3-7705-3665-7 4. Autonome Werke von Kafka, Picasso, Schönberg und Celan KAPITEL IV GESCHICHTSPHILOSOPHIE ALS ERKENNTNIS DER GRÜNDE Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe DES LEIDENS UND DER UNGERECHTIGKEIT und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung !• Die „Urgeschichte der Subjektivität" als Urgeschichte einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, des Leidens und der Ungerechtigkeit soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. 2. Der Fortschritt der Rationalität und ihre Verflechtung mit der ungerechten Gesellschaft 3- Die Thesen über den Antisemitismus: Leiden als ISBN 3-7705-3665-7 © 2002 Wilhelm Fink Verlag, München Folge des gesellschaftlichen Vernichtungswillens Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH, Paderborn und Zerstörungsdrangs KAPITEL V DIE MATERIALISTISCHE UND UTOPISCH HEDONISTISCHE ETHIK 135 KAPITEL VI DIE VERSTELLTHEIT GESELLSCHAFTSVERÄNDERNDER POLITISCHER PRAXIS 161 Einleitung* KAPITEL VII DIE HEDONISTISCHE SOZIALUTOPIE 171 1. Das utopische Moment der Begriffe und der Kunst 172 2. Die Grobskizze der hedonistischen Sozialutopie 178 3. Die Engführung von materialistischen, utopischen 1. Die Renaissance moralphilosophischer und ethischer und hedonistischen Motiven mit theologischen 188 Fragestellungen KAPITEL VIII „DIE SELBSTKRITIK DER VERNUNFT IST DEREN Die 1997 erschienene Untersuchung zu Theodor W. Adornos Moralphilo EIGENSTE MORAL" 201 sophie von Ulrich Kohlmann beginnt mit der Feststellung: „Ethik hat 1. Die Kritik der identifizierenden Vernunft 202 Hochkonjunktur." Dem läßt sich hinzufügen: Veröffentlichungen zum Thema Moralphilosophie bei Adorno auch. Kohlmanns Buch ist neben 2. Die „Moral des Denkens" 209 einigen Aufsätzen und einem Sammelband bereits die dritte Monographie 3. Die Durchführung der „Moral des Denkens": Dekon- seit 1992, die sich mit diesem - bisher eher vernachlässigten - Aspekt von struktion von Kants Willensbegriff und konstellative Erschließung des moralischen Impulses 221 Herzlich danken darf ich an dieser Stelle allen, die dazu beigetragen haben, daß dieses KAPITEL IX Buch erscheinen konnte. Vor allem danke ich meinen Eltern und Friederike Kühn, die mir durch langwierige Debatten über sprachliche und inhaltliche Probleme sehr ETHIK ALS ERSTE PHILOSOPHIE 231 geholfen hat. Für Förderung, Anregungen und Kritik sowie kontroverse Diskussionen 1. Ästhetische Rationalität als Verwirklichung der Moral danke ich Peter Cornelius Mayer-Tasch, Hans-Martin Schönherr-Mann und Elmar Treptow. Georgios Karageorgoudis danke ich für seine Urteile und Alexander von des Denkens 231 Pechmann für die Korrektur des Manuskripts. 2. Das Verhältnis von diskursiver Erkenntnis und Kunst Ulrich Kohlmann: Dialektik der Moral. Untersuchungen zur Moralphilosophie Adornos, als Form von Erkenntnis 237 Lüneburg 1997, S.U. 3. Die materialistische Umwendung von Kants Theorie Vor 1992 wurden nur eine Monographie und drei Aufsätze veröffentlicht, die sich mit des Erhabenen und das Verhältnis der Ethik zur Kunst moralphilosophischen oder ethischen Aspekten von Adornos Denken auseinanderset zen: Im editorischen Nachwort der wegen Adornos Tod unvollendet gebliebenen und zur Ästhetik 242 Ästhetischen Theorie sprechen die Herausgeber davon, daß Adorno noch ein moralphi losophisches Buch geplant hatte, um sein Werk zu vollenden (Adorno: AT, S. 537). Das veranlaßt Robert Schurz in seiner Monographie zu der höchst fragwürdigen Unterneh mung, „das Adornosche Werk um diesen Rechenschaftsbericht ergänzen" zu wollen LITERATURVERZEICHNIS 251 (Robert Schurz: Ethik nach Adorno, Frankfurt am Main 1985, S. 23). Neben diesem wenig Aufschluß gebenden und von Strukturierungsschwächen gezeichnetem Projekt, Adornos Ethik postum nachzuliefern, erscheint in demselben Jahr der Aufsatz von 6 7 EINLEITUNG EINLEITUNG Adornos Denken auseinandersetzt. Wie läßt sich dieses neu erwachte Praxis brachten es zwangsläufig mit sich, daß mit ihnen auch die Hoff Forschungsinteresse erklären? Gerhard Schweppenhäuser liefert in seiner nung auf die Aufhebung der Moral in einer besseren Gesellschaft verab Arbeit zu Adornos Moralphilosophie zumindest eine plausible Erklärung, schiedet werden mußte. wieso die marxistisch inspirierte Forschung der 60er und 70er Jahre Der wachsende Bedeutungsgewinn ethischer Perspektiven innerhalb der moralphilosophische Fragestellungen für weitgehend überflüssig hielt und „philosophischen Linken" zeigt sich in Frankreich an der Präsenz von verdrängte: gewichtigen ethischen Gehalten im postmodernen Denken, dessen Protagonisten überwiegend aus der (neo-)marxistisch orientierten Linken hervorgegangen sind. In Deutschland läßt er sich bei Jürgen Habermas Wer in gesellschaftstheoretischen und philosophischen Diskussionszu sammenhängen unter Berufung auf moralische Kategorien argumentieren aufweisen. Der oft als kritischer Theoretiker der zweiten Generation wollte, machte sich verdächtig, in ,falsches bürgerliches Bewußtsein' zu bezeichnete Denker hat sich frühzeitig vom Marxismus abgewandt und rückgefallen zu sein. Vulgär- (und das heißt: pseudo-) ideologiekritisch auf die Ausarbeitung einer Diskursethik konzentriert. In der Forschung wurden moralische Fragestellungen, bzw. die Frage nach dem moralischen führte die Aufwertung moralphilosophischer und ethischer Fragestel Maßstab einer kritischen Gesellschaftstheorie, als Epiphänomene abgetan, lungen dazu, daß seit Mitte der achtziger Jahre auch Adornos Denken die mit der praktischen Veränderung der Gesellschaft von selbst ihre ver zunehmend auf diese Fragestellungen hin untersucht wurde. Daß die meintliche Relevanz verlieren und,absterben' würden. bedeutenden moralphilosophischen Gehalte von Adornos Denken so lange übersehen werden konnten, liegt auch daran, daß das vorherrschende Denken der 60er und 70er Jahre zutiefst moralisch war und die mora Zu dieser Zeit war im vorherrschenden marxistischen Diskurs noch die lischen Maßstäbe und die moralische Basis, von der aus es argumentierte, Überzeugung verbreitet, daß die Aufhebung der Moral in einem zukünf für selbstverständlich nahm und nicht eigens als moralische reflektierte. tigen sozialistischen Gesellschaftszustand nicht nur möglich sei, sondern unmittelbar bevorstehe. In deutlichem Gegensatz dazu hatten die häufig Im Gegensatz zu der erwähnten weitgehenden Vernachlässigung mora als neomarxistisch kategorisierten Denker Max Horkheimer und Theodor lischer Fragestellungen innerhalb des marxistischen (Forschungs-)Diskur- ses lassen sich bei anderen philosophischen Strömungen seit Beginn der W. Adorno spätestens seit den frühen 40er Jahren die Hoffnungen auf 60er Jahre Bestrebungen zu einer Rehabilitierung der praktischen erfolgversprechende revolutionäre politische Praxis aufgegeben. Dieses Philosophie aufweisen. Zu der darauffolgenden Renaissance der Ethik hat Urteil einer verstellten Praxis setzte sich in weiten Kreisen des Marxismus das 1971 erschienene Werk A Theory of Justice maßgeblich beigetragen. erst Ende der 70er Jahre durch. Es hatte zur Folge, daß ethische Perspek In ihm begründet John Rawls im Rahmen einer Theorie sozialer tiven innerhalb der „philosophischen Linken" wieder an Bedeutung gewannen. Denn die enttäuschten Hoffnungen auf verändernde politische 4 Einen guten Überblick über die ethischen Gehalte postmodernen Denkens präsentiert Klaus Günther, der sich ausführlich mit dem Freiheitskapitel der Negativen Dialektik Hans-Martin Schönherr-Mann (Hans-Martin Schönherr-Mann: Postmoderne Perspek auseinandersetzt (Klaus Günther: Dialektik der Aufklärung in der Idee der Freiheit, in: tiven des Ethischen, München 1997). Diese Arbeit erweist auch Schweppenhäusers Zeitschrift für philosophische Forschung, Bd. 39, 1985, Heft 2, S. 229-260). Die zwei klischeehafte Unterstellung „postmoderner Beliebigkeit auf ethischem Gebiet" als Jahre später erschienene Arbeit von Jean Grondin ist mit dem Mangel behaftet, daß sie haltlos (Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 242). ausschließlich auf Adornos Minima Moralia beschränkt bleibt (Jean Grondin: L'ethique Als Zäsur ließe sich bereits Habermas' Aufsatz Arbeit und Interaktion von 1967 d'Adorno, in: Les etudes philosophiques, 1987, S. 505-519). Josef Früchtl zeigt in begreifen, in dem er die Sphäre der Interaktion als eigenständige aus der Sphäre der seinem Aufsatz, daß für Adorno „sowohl Schopenhauers Mitleidsethik als auch die Arbeit ausdifferenziert, der sie für Hegel und Marx ein- und untergeordnet ist. Das Mitleidsethik generell nur einen marginalen Platz einnimmt" (Josef Früchtl: „Moral bedeutet zum einen die Abwendung von Marx und zum anderen die Voraussetzung für begründen ist schwer". Die Rolle der Mitleidsethik bei Adorno und Habermas, in: die Ausarbeitung der Diskursethik (Jürgen Habermas: Arbeit und Interaktion. Bemer Schopenhauer Jahrbuch, 72. Band, 1991, S. 36-44, 36). Sonst wurden die moralphilo kungen zu Hegels Jenenser ,Philosophie des Geistes', in: Jürgen Habermas: Wissen sophischen und ethischen Aspekte von Adornos Denken vor 1992 nur am Rande schaft und Technik als Ideologie, Frankfurt am Main 1969). behandelt (Hauke Brunkhorst: Theodor W. Adorno - Dialektik der Moderne, München Manfred Riedel (Hrsg.): Rehabilitierung der praktischen Philosophie, Bd. 1: Geschichte, 1990, S. 299ff.). Probleme, Aufgaben, Freiburg i. Brsg. 1972, S. 11; Manfred Riedel (Hrsg.): Rehabili Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz. Adornos negative Moralphilosophie, tierung der praktischen Philosophie, Bd. 2: Rezeption, Argumentation, Diskussion, Hamburg 1993, S. 3. Freiburg i. Brsg. 1974. 8 9 EINLEITUNG EINLEITUNG Gerechtigkeit zwei Gerechtigkeitsgrundsätze, die zur moralischen Die andauernde Renaissance der Ethik spielt für das Selbstverständnis Beurteilung sozialer Institutionen herangezogen werden können. Anfang der aktuellen Forschung zu Adornos Moralphilosophie eine wichtige der 70er Jahre war die Hochphase der „Metaethik" und die mit ihr einher Rolle. Denn ihr Interesse an Adornos moralisch motivierter Kritik an gehende Vernachlässigung normativer Fragen bereits vorüber. Moral ist kein rein philosophiegeschichtliches. So geht es Ulrich Kohl Gegenwärtig erleben wir einen Ethikboom. En vogue sind neben den mann darum, Adornos Moralkritik gegen aktuelle Ethikmodelle in Varianten der Diskursethik (Habermas, Apel) vor allem die sich immer Stellung zu bringen und die Zweifel an deren sachlicher Relevanz zu weiter ausdifferenzierenden normativen Bereichsethiken wie etwa stärken. Diese Zweifel rechtfertigen sich für ihn vor allem durch die Bioethik, Wirtschaftsethik und ökologische Ethik. Ulrich Kohlmann Unbekümmertheit, mit der in der gegenwärtigen Ethikdebatte nicht nur begreift die Renaissance der Ethik ausschließlich als Folge des Zerfalls Adornos, sondern auch Nietzsches stichhaltige Kritik an der Möglichkeit prozesses und des Schwindens der „großen Theorie". Diese Betrach und Wünschbarkeit von Moral überhaupt ignoriert wird. Kohlmann tungsweise ist zwar nicht falsch, aber zu reduktionistisch. Insbesondere begnügt sich jedoch mit der erinnernden Rekonstruktion dieser Kritik und übersieht sie, daß der gegenwärtige Aufschwung ethischer Reflexion auch führt ihre konkrete Anwendung an keinem der aktuellen Ethikmodelle vor. als Folge der vielfältigen neuen Herausforderungen der zeitgenössischen Die gegenwärtige Ethikdebatte ist auch der Hintergrund, der Gerhard sozioökonomischen und wissenschaftlich-technischen Entwicklungen an Schweppenhäusers Interesse an Adornos Moralphilosophie motiviert. Ihm das philosophische Denken begriffen werden muß. Den ökologischen und geht es jedoch weniger um die Bereichsethiken, sondern um die „kritische globalen Krisen, so etwa Hans Jonas in seinem 1979 erschienenen Werk Betrachtung der Diskursethik" aus der Perspektive von Adornos negativer Das Prinzip Verantwortung, kann die traditionelle Ethik nicht angemessen Moralphilosophie. Schweppenhäuser unterzieht die Diskursethik einer entgegentreten. Insofern bedarf es für ihn einer neuen Ethik, in der die immanenten Kritik und sieht den Beitrag einer „philosophisch angeleite Verantwortung ausgeweitet wird, so daß sie den zwischenmenschlichen ten Ideologiekritik zur gegenwärtigen moralphilosophischen Diskussion" Bereich überschreitet und sowohl die Natur als auch die Zukunft der darin, daß sie das Bewußtsein für die „konstitutive Ambivalenz ethischer Menschheit mit einbezieht.1' Intuitionen" und die unterdrückenden Seiten moralischer Kategorien schärft und wachhält.13 John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt am Main 1979. William Frankena schreibt in seiner 1963 erschienenen Einführung in die analytische Ethik: „Die Metaethik schlägt keine moralischen Prinzipien oder Handlungsziele vor, es 2. Der Forschungsstand zu Adornos Moralphilosophie sei denn auf mittelbarem Wege; sie besteht ganz und gar aus begrifflicher Analyse. Die analytische Moralphilosophie hat sich in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich auf die Metaethik konzentriert und auf die Behandlung von normativen Fragen, wie wir sie uns gestellt haben, verzichtet. Ihr Interesse galt der Klärung und dem Verständnis Gerhard Schweppenhäusers Monographie Ethik nach Auschwitz. Adornos ethischer Begriffe und nicht einer - selbst sehr allgemeinen - Form praktischer Anlei negative Moralphilosophie wertet neben dem veröffentlichten Werk die tung" (William K. Frankena: Analytische Ethik. Eine Einführung, München 1972, S. 114). damals noch unpublizierten Nachschriften der beiden Vorlesungen Pro Einen guten Überblick über den gegenwärtigen Ethikboom bieten: Julian Nida-Rümelin bleme der Moralphilosophie, die Adorno 1956/57 und 1963 in Frankfurt (Hrsg.): Angewandte Ethik. Die Bertichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein hielt, als primäre Quellen aus.14 Er versucht, Adornos „untergründig Handbuch, Stuttgart 1996; Peter Singer: A Companion to Ethics, Oxford/Cambridge präsente Moralphilosophie" aus dessen verstreuten Gedanken zur Moral, 1991. Ulrich Kohlmann, a.a.O., S. 11. Kohlmann bezieht sich wiederum auf: Christian Matthiessen (Hrsg.): Was macht das Denken nach der großen Theorie?: Ökonomie, Wissenschaft und Kunst im Gespräch, Wien 1991. Rümelin: Ende oder Blütezeit? Die Philosophie vor den Aufgaben der Zukunft, in: Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Forschung & Lehre, 12/97, S. 627f.). Zivilisation, Frankfurt am Main 1984; vgl. Nida-Rümelin (Hrsg.): Angewandte Ethik, Ulrich Kohlmann, a.a.O., S. 1 lf. a.a.O., S. VII; Julian Nida-Rümelin macht die zeitgenössische gesellschaftliche Um ^ Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 5, 242. bruchsituation dafür verantwortlich, daß „rationaler Orientierungsbedarf' herrscht und Die 1963 gehaltene Vorlesung ist mittlerweile publiziert (Adorno: PdM). deshalb „philosophisch-ethische Expertise" zunehmend nachgefragt wird (Julian Nida- 10 11 EINLEITUNG EINLEITUNG die in seinem Werk nur in einem potentiellen Zusammenhang stehen, Impuls."20 Daß dieser für Adorno aus der „physischen Negation des systematisierend (re-)konstruierend herauszuarbeiten. Dabei kommt er zu Leidens" erwächst, wird noch zu zeigen sein. dem Ergebnis, daß Adornos Moralphilosophie zwei zentrale Themen hat: Gerhard Schweppenhäusers Monographie begnügt sich nicht mit der „Es sind die Reflexion auf die Möglichkeit eines richtigen Lebens heute Untersuchung dieser beiden ihm zentral erscheinenden Themen von Ador und der ,neue kategorische Imperativ'." nos Moralphilosophie. Er vertritt überdies die These, daß der systema Das erste zentrale Thema stammt aus der Minima Moralia, in der sich tische Fluchtpunkt von Adornos moralphilosophischen Reflexionen der der berühmte Satz findet: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen."16 Versuch der Artikulation moralphilosophischer Erfahrung" ist. Als be Schweppenhäuser stimmt hier der gängigen Lesart zu, daß „Adorno die deutsam sieht er hierzu an, daß bei Adorno eine „Zusammenführung Chancen für eine Verwirklichung des Moralischen in der ,verwalteten ästhetischer und ethischer Erfahrungsgehalte stattfindet". Die mora Welt' für blockiert" hält. Er zeigt jedoch, daß Adorno damit moralische lischen und ethischen Gehalte von Adornos Philosophie bezeichnet Ansprüche keineswegs verabschiedet oder relativiert und in den engsten Schweppenhäuser als „negative Moralphilosophie", „weil Adornos ,Re- Beziehungen der Menschen zueinander zumindest ein weniger falsches flexionen aus dem beschädigten Leben' (als übergreifende Charakteristik Leben als möglich erachtet. Adorno erhoffe sich allerdings keineswegs verstanden) sich kritisch-negierend zu diesem verhalten, und weil Adorno von der Moralphilosophie „die Lösung realer Konflikte". Weiterhin sich weigert, affirmativ ein Moralprinzip aufzustellen, um seine Kritik zu bezeichnet Schweppenhäuser die „normativen Prämissen" von Adornos fundieren." Theorie zutreffend als „das Interesse an der Abschaffung von Leiden und Mirko Wischke vertritt in seiner Untersuchung Kritik der Ethik des Ge Unrecht, oder: an der Verwirklichung unverkürzter Humanität". horsams. Zum Moralproblem bei Theodor W. Adorno im Gegensatz zu Als zweites zentrales Thema erachtet Schweppenhäuser den „neuen Schweppenhäuser die problematische, aber für ihn zentrale These, daß es kategorischen Imperativ", der in der Negativen Dialektik formuliert ist: bei Adorno sehr wohl ein normatives Moralprinzip gäbe, das er als „Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen „Betroffenheit durch das Leiden anderer" bezeichnet. Wischke stützt kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so sich bei dieser Interpretation auf Adornos Gedanken zum moralischen einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches Impuls und führt aus, daß dessen Hauptaugenmerk der Moral als einer geschehe. Dieser Imperativ ist so widerspenstig gegen seine Begründung „Form intuitiver Reaktionen auf Unrecht und Willkür, Leiden und Not" wie einst die Gegebenheit des Kantischen."1 Schweppenhäuser untersucht gilt. Moralisches Verhalten gründe sich für Adorno in der „irreduziblen hierzu die Problematik von Adornos Begriff der Begründung. Es erscheint Erfahrung des Leidens", das genuin durch die modernen Kunstwerke ihm fraglich, daß Adornos Imperativ sich Begründungen überhaupt erfahrbar werde. Wischke stellt die Moral der Betroffenheit auch in den entziehen soll, da schließlich auch Marx seinen „anthropologisch- Kontext des „richtigen Lebens": ,„richtig' leben hieße so zu leben, daß emanzipationstheoretischen kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse einem anderen Lebewesen kein Leid zugefügt wird." umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein Der Begriff des Moralprinzips wird von Wischke nicht definiert. Des verlassenes, ein verächtliches Wesen ist', plausibel ökonomiekritisch sen gängige Bedeutung ist die eines Grundsatzes, der den sittlichen Willen begründen konnte." Schweppenhäuser betont, daß Adornos Imperativ nur negativ formuliert, was nicht sein soll. Er stellt also kein positives Moralprinzip dar. Letztlich könne Adornos Imperativ „systematisch keine andere Berufungsinstanz in Anspruch nehmen als den moralischen Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 190. Ebenda, S. 210, 202. Ebenda, S. 9. Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 9f, 15, 174. Mirko Wischke: Kritik der Ethik des Gehorsams. Zum Moralproblem bei Theodor W. 16 Adorno: MM, S. 42. Adorno, Frankfurt am Main, S. 5; Die Untersuchung von Wischke, der wie Schwep 17 Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 180, 82, 179, 176. penhäuser ausgiebig Adornos Auseinandersetzung mit Kant thematisiert, weist leider 18 Adorno: ND, S. 358. etliche Schwächen auf, die teilweise noch angesprochen werden. So verzichtet er etwa auf die Auseinandersetzung mit dem „neuen kategorischen Imperativ". Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 188; Karl Marx: Zur Kritik Ebenda, S. 133f, 149, 169. der Hegeischen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW, Bd. 1, Berlin 1981, S. 385. 12 13 EINLEITUNG EINLEITUNG tive der Utopie einer ,zwangsfreien' Identitätsbildung darstellen, die in bestimmen oder nach dem sich sittliches Handeln richten soll. Zum eine negative Theologie der Moral münden". Da für Wischke aber der einen ist es fraglich, ob Wischkes implizite Behauptung, Adorno wolle Versöhnungsgedanke der Utopie einer opferlosen Ich-Identität ent überhaupt so etwas wie einen positiven Grundsatz der Moral aufstellen, springt, wie umgekehrt jene Utopie geschichtsphilosophisch erst ihren zutrifft. Schließlich wehrt sich Adorno explizit dagegen, den moralischen Sinngehalt aus dem Versöhnungsgedanken erhält" , ist es keine unzuläs Impuls zu einem „abstrakten Prinzip" zu rationalisieren. Zum anderen sige Vereinfachung, diese als sein zweites Hauptthema zu bezeichnen. relativieren mehrere Untersuchungen mit guten Argumenten die Bedeu Während Wischke die Einlösbarkeit der Moral der Betroffenheit durch das tung des Mitleids für Adornos Moralphilosophie. So kommt Schmid Noerr Leiden anderer für möglich hält, bezeichnet er die Utopie der zu dem Ergebnis, daß Adorno im Gegensatz zu Schopenhauer „die zwangsfreien" Ich-Identität im versöhnten „Ganzen" als eine uneinlös- ausschließliche Berufung auf das Gefühl des Mitleids als moralisches bare metaphysische Idee.30 Zur Begründung führt er lediglich einige ,Fundament'" zu Recht verwirft. In einer späteren Publikation zu einschlägige Stellen aus Adornos Werk an, die theologische Motive wie Adornos Ethik und Ästhetik, die von Schweppenhäuser und Wischke den „Standpunkt der Erlösung" oder die „Hoffnung auf leibhafte Aufer gemeinsam herausgegeben wurde, scheint Wischke den Argumenten, die stehung" enthalten.31 Er untersucht aber nicht deren Stellenwert in gegen seine These vorgebracht wurden, Rechnung zu tragen. Folgende Adornos Werk. Genausowenig nimmt er den aktuellen Stand der For Formulierung legt nahe, daß er seine frühere Position zurücknimmt, schung zu diesem Thema zur Kenntnis. Trotzdem fühlt er sich berechtigt, obwohl er sich dazu nicht ausdrücklich äußert: „Das Konzept der Mit von einer eschatologischen „Perspektive einer negativen Theologie der leidsmoral verwirft Adorno nicht zuletzt deshalb, weil er Bedenken Moral" zu sprechen. 2 Dabei übersieht er, daß die theologischen Motive, prinzipieller Art gegen Schopenhauers Bemühen hat, die spontanen die bei Adorno immer eine klassisch theologische und eine materiali Impulse moralischen Handelns normativ aufzuladen und zu konzep- stische Lesart erlauben, von diesem bewußt säkularisiert verwendet tualisieren." werden. So lautet ein zentraler Satz von Adorno zu diesem Problem: Das Moralprinzip der „Betroffenheit durch das Leiden anderer" ist aber „Nichts an theologischem Gehalt wird unverwandelt fortbestehen; ein nicht das einzige Thema von Wischkes Untersuchung. Insgesamt will er jeglicher wird der Probe sich stellen müssen, ins Säkulare, Profane zeigen, „daß der Gedanke der Versöhnung und das Moralprinzip der einzuwandern." Somit fällt Wischke hinter den Stand der aktuellen Betroffenheit durch das Leiden anderer die Explikation zweier Grundmo- Diskussion zurück. Schweppenhäuser resümiert diese folgendermaßen: „Dieses Element negativ-theologischer Reflexion wird in der neueren Diskussion des Adornoschen Praxisbegriffs nicht mehr als Ausflucht in Johannes Hoffmeister (Hrsg.): Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Darmstadt apokalyptische Eschatologie oder Negativismus abgetan, in deren Folge 1955, S. 413; Georgi Schischkoff (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart 1978, seine Philosophie zur Gebärde regrediere oder gar in Mythologie zurück S. 466. falle."34 Adorno: ND, S. 281. Gunzelin Schmid Noerr: Adornos Verhältnis zur Mitleidsethik Schopenhauers, in: Abschließend ist noch auf Ulrich Kohlmanns Monographie Dialektik Gerhard Schweppenhäuser; Mirko Wischke (Hrsg.): Impuls und Negativität. Ethik und der Moral. Untersuchungen zur Moralphilosophie Adornos einzugehen. In Ästhetik bei Adorno, Hamburg 1995, S. 15. Eine ähnliche Auffassung findet sich bereits bei Früchtl (vgl. Anm. 2) und bei Schweppenhäuser. Letzterer schreibt, daß das „Motiv des Mitleids [...] bei Adorno nicht als fundamentale Triebfeder moralischen Handelns installiert" wird (Gerhard Schweppenhäuser: Zur kritischen Theorie der Moral Mirko Wischke: Kritik der Ethik des Gehorsams, a.a.O., S. 5, 157. bei Adorno, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Band 40 (1992) 12, S. 1403-1417, Ebenda, S. 184; vgl. Mirko Wischke: Betroffenheit und Versöhnung. Die Grundmotive 1411). Entsprechend arbeitet Kohlmann Adornos Kritik am Mitleid als ethischem der Moralphilosophie von Theodor W. Adorno, in: Deutsche Zeitschrift für Philoso Prinzip heraus. Adornos Haupteinwand laute, daß sich das Mitleid prinzipiell nur als phie, Band 40 (1992) 8, S. 900-915, 912. ethisches Ausnahmeprinzip begreifen lasse (Ulrich Kohlmann, a.a.O., S. 52ff). Mirko Wischke: Kritik der Ethik des Gehorsams, a.a.O., S. 193; vgl. Adorno: MM, S. Mirko Wischke: Eine negativ gewendete Ethik des richtigen Lebens?, in: Gerhard 333; Adorno: ND, S. 395. Schweppenhäuser; Mirko Wischke (Hrsg.): Impuls und Negativität, a.a.O., S. 29-43, Mirko Wischke: Kritik der Ethik des Gehorsams, a.a.O., S. 193. 32; Diese Revision findet sich bereits in Wischkes zweiter Monographie von 1994 Adorno: Vernunft und Offenbarung, in: Adorno: St, S. 20. (Mirko Wischke: Die Geburt der Ethik. Schopenhauer - Nietzsche - Adorno, Berlin 1994, S. 120, 131). Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 53. 15 14 EINLEITUNG EINLEITUNG der ersten Hälfte seiner Schrift präsentiert Kohlmann die Geschichte der tionellen Begründungsdiskurses der Moral die Konsequenzen. Bei ihm Moralphilosophie seit Kant überzeugend als konsequente Fortentwick findet sich auch bereits die entscheidende Frage nach der Dialektik der lung, die in Adornos Moralphilosophie kulminiere. Kants Kritik an der Moral, auf deren Entfaltung negative Moralphilosophie gerichtet ist: Ist Gültigkeit des ontologischen Gottesbeweises raubt sowohl der rationali Ethik als System der Moral selbst moralisch, genügt sie ihren eigenen stischen Metaphysik als auch der traditionellen Moral ihr Fundament. Prinzipien? Die Kritik an Moral, die sich daraus ergibt und die das Kants Ethik, die im Bereich der Moralphilosophie einen entscheidenden Unmoralische an Ethik aufzeigen will, ist bei Nietzsche und Adorno als Wendepunkt darstellt, kann als Antwort auf seine Kritik am ontologischen solche wiederum moralisch motiviert. Das Unmoralische an Moral ist „ihr Gottesbeweis begriffen werden. Denn sie unternimmt als autonome latentes Motiv, zu strafen und zu verfolgen, wie ihre Absicht zu zwin Reflexionsmoral bzw. als Selbstgesetzgebung der Vernunft den Versuch, gen".38 Bei Adorno werde Nietzsches Ansatz dann zu einer negativen dem moralischen Gesetz in der praktischen Vernunft ein neues Fundament Moralphilosophie ausgebaut, die selbst keine ethischen Handlungsimpe zu verschaffen. Gegen den von Kant unterstellten bruchlosen Zusammen rative aufrichtet und nichts weiter sei als immanente Kritik an Ethik. hang von Vernunft und Sittlichkeit führt Kohlmann Adornos de Sade- Diese entlarvt Ethik - vor allem die von Kant - als Technik zur Herrschaft Interpretation aus der Dialektik der Aufklärung ins Feld, die die Allge über die innere Natur des Menschen und als genuinen Abkömmling meingültigkeit des kategorischen Imperativs bestreitet und mit dem instrumenteller selbsterhaltender Vernunft. Ein wichtiges Resultat von Aufweis der Einheit von Vernunft und Herrschaft schließt. Adorno weist Kohlmanns Arbeit, mit dem diese Untersuchung übereinstimmt, ist noch den Autonomieanspruch der Kantschen Ethik zurück und entwickelt zu nennen: Adornos Bezugspunkt, der seine Kritik an der Moral und der vornehmlich an ihr seine Kritik am repressiven Gehalt von Ethik. Herrschaft ermöglicht, findet sich im leibhaften Moment', das Leiden „als das ,Unmenschliche' indiziert". Auch Schopenhauer bemüht sich für Kohlmann darum, der Ethik ein neues tragfähiges Fundament zu verschaffen. Dieses findet seine Gefühls moral im Mitleid, das er als Quietiv des Willens verherrlicht. Adorno weist aber die Mitleidsethik als Ausweg aus den Aporien der Reflexions- moral zurück, denn das Mitleid läßt sich prinzipiell nur als ethisches 3. Der Primat der Ethik und die Unangemessenheit der Ausnahmeprinzip begreifen. Die nachfolgenden Aufhebungsversuche vorherrschenden Interpretationsmuster von Adornos der Moral durch Hegel in der verwirklichten Sittlichkeit und durch Marx Philosophie im zukünftigen Gesellschaftszustand radikalisieren zwar die Kritik an Moral, bleiben für Kohlmann aber unzureichend. Während Kohlmann seine Sichtweise von Hegels Aufhebungsversuch anhand von einigen Zitaten auch als die Adornos belegen kann, wird der Leser in der Passage DDiieessee UUnntteerrssuucchhuunngg wwiirrdd ddiiee vvoonn SScchhwweeppppeennhhääuusseerr,, WWiisscchhkkee uunndd KKoohhll zu Marx über Adornos Position im unklaren gelassen. Ein Hinweis auf mmaannnn vvoorrggeezzeeiicchhnneetteenn BBaahhnneenn ddeerr DDiisskkuussssiioonn üübbeerr ddiiee mmoorraalliisscchheenn Adornos Kritik an Marx' Revolutionstheorie hätte jedoch ausgereicht, um GGeehhaallttee vvoonn AAddoorrnnooss PPhhiilloossoopphhiiee wweeiittggeehheenndd vveerrllaasssseenn.. SSiiee bbeehhaannddeelltt ddiiee mit Adorno behaupten zu können, daß Marx' „Moralkritik pragmatistisch TThheemmeenn EEtthhiikk uunndd MMoorraall bbeeii AAddoorrnnoo nnäämmlliicchh nniicchhtt mmeehhrr vvoorrrraannggiigg iinn verkürzt blieb"37. iihhrreemm ttrraaddiittiioonneelllleenn BBeerreeiicchh,, ddeemm ddeess mmeennsscchhlliicchheenn HHaannddeellnnss.. IInn ddiieesseemm BBeerreeiicchh ssiinndd ffüürr AAddoorrnnoo aalllleennffaallllss nnoocchh RReessttbbeessttäännddee ddeess MMoorraalliisscchheenn iinn Kohlmann kann zeigen, daß Adorno auch im Bereich der Moralphiloso FFoorrmm eeiinneess wweenniiggeerr ffaallsscchheenn LLeebbeennss zzuu vveerrwwiirrkklliicchheenn.. SSoo hheeiißßtt eess iinn ddeerr phie an Nietzsches Reflexionen anknüpft. Das wird bereits von Schwep- NNeeggaattiivveenn DDiiaalleekkttiikk,, „„ddaaßß ffüürr ddiiee SSpphhäärree ddeess IInnddiivviidduuuummss kkeeiinnee WWiilllleennss penhäuser herausgearbeitet, bei dem sich einige von Kohlmanns Resulta ffrreeiihheeiitt uunndd ddaarruumm kkeeiinnee MMoorraall ssiicchh vveerrkküünnddeenn llääßßtt..""4400 DDeerr vvoonn ddiieesseerr ten finden lassen. Nietzsche zieht nicht nur aus dem Scheitern des tradi- UUnntteerrssuucchhuunngg aannggeessttrreebbttee EEbbeenneennwweecchhsseell kkaannnn aannhhaanndd vvoonn AAddoojpaigefge^- -.. BIBtiOTHEX Ulrich Kohlmann, a.a.O., S. 21-51. Ebenda, S. 102. ^ » T S^ 39 Ebenda, S. 52-71. Ebenda, S. 147. Ebenda, S. 92-100, 100. Adorno: ND,S. 271. 16 17 EINLEITUNG EINLEITUNG „neuem kategorischen Imperativ" erläutert werden: „Hitler hat den des Geistes über sein Anderes - mag es als Welt, Natur oder Nichtiden Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ tisches bezeichnet werden - begreift Adorno als „absolut Böses" und als aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz Unrecht" und demzufolge in genuin moralischen Kategorien. Adornos nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe." Die Literatur zu Kritik des vorherrschenden Denkens liegt offensichtlich ein ethischer Adorno hat die ethischen und moralischen Motive seines Denkens, die Standpunkt seines eigenen Denkens zugrunde. Ein solcher läßt sich auch Fragen nach dem Gerechten, Guten und Bösen, Richtigen und Falschen für seine Kritik an politischer und gesellschaftlicher Herrschaft, an der bisher fast ausschließlich im Bereich des Handelns untersucht, der nur die Herrschaft des rationalen Ichs über die Triebe und an verschiedenen eine Seite seines Imperativs darstellt. Wirklich relevant bleiben sie für weiteren Herrschaftsverhältnissen aufweisen. Adorno in der „verwalteten Welt" jedoch nur mehr im Bereich des Wie bereits erwähnt, bezeichnet Gerhard Schweppenhäuser die Denkens. Pointiert heißt es deshalb an einer Stelle: „Eigentlich gibt es „normativen Prämissen" von Adornos Theorie als „das Interesse an der keine andere Instanz für richtige Praxis und das Gute selbst als den Abschaffung von Leiden und Unrecht, oder: an der Verwirklichung unver fortgeschrittensten Stand der Theorie." Die Verlagerung von ethischen kürzter Humanität". Mit Schweppenhäusers treffender Charakterisierung Fragestellungen aus dem Bereich des Handelns in den Bereich des von Adornos ethischem Standpunkt könnte man sich durchaus zufrieden Denkens ist zum einen die Folge von Adornos Urteil, daß die handelnde geben. An diesem Punkt beginnen jedoch erst die Fragen dieser Untersu Verwirklichung des Moralischen in der „verwalteten Welt" blockiert und chung: Was heißt für Adorno in den verschiedenen Herrschaftsverhältnis- gesellschaftsverändernde politische Praxis verstellt ist. Zum anderen ist sen jeweils Unrecht, und was ist im Gegensatz dazu sein Begriff von sie die Konsequenz von Adornos Kritik des vorherrschenden wissen Gerechtigkeit? In welchem Verhältnis steht sein Denken zu den verschie schaftlichen und philosophischen Denkens, dem er im Anschluß an denen traditionellen Gerechtigkeitsbegriffen von Piaton, Aristoteles und Nietzsche sowohl ein herrschaftlich unterdrückendes als auch ein Marx? Läßt sich in Adornos Denken nur ein Begriff von Gerechtigkeit gewalttätiges Verhältnis zu seinen Gegenständen vorwirft. Die Herrschaft und Ungerechtigkeit aufweisen oder mehrere? Und weiter: Wie denkt Adorno das Leiden, wenn er seine Abschaffung für möglich hält? Ist Leiden für ihn demzufolge keine invariante conditio humana? Was wären Ebenda, S. 358 (Hervorhebung von mir). dann die verschiedenen Ursachen des gesellschaftlich bedingten Leidens? Ein vor kurzem erschienener Aufsatz von Anke Thyen befragt Adornos Denken ein Und vor allem: Wie denkt Adorno den Zusammenhang von Unrecht und Stück weit in Richtung einer der in dieser Untersuchung vertretenen Thesen. Die kurze Leiden und im Gegensatz dazu den von Gerechtigkeit und Glück? Ist das Reflexion geht von dem Aphorismus § 46 der Minima Moralia aus, der den Titel Zur Leiden die Folge der Ungerechtigkeit, und würde für ihn gemäß der Moral des Denkens trägt. Sie verfolgt jedoch den dort entwickelten Gedanken einer Moral des Denkens nicht weiter und macht ihn auch nicht für eine Interpretation der philosophischen Tradition aus der Gerechtigkeit das Glück folgen? Was Negativen Dialektik fruchtbar, wie es in Kapitel VIII versucht wird. Am Ende ihres heißt dann aber Glück, und wie ist der Übergang von der Gerechtigkeit Aufsatzes kommt Anke Thyen zu dem Ergebnis: „Adornos moralphilosophische Re zum Glück und diese selbst begründet? flexionen [...] bieten zur traditionellen Ethik, zumal der Kants, keine wirkliche Alter native" (Anke Thyen: Es gibt darum in der verwalteten Welt auch keine Ethik. Moral Die grundlegende These dieser Untersuchung lautet, daß Adornos Den und Moraltheorie, in: Dirk Auer; Thorsten Bonacker; Stefan Müller-Doohm (Hrsg.): ken sowohl von einem „moralischen Impuls" angetrieben ist als auch der Die Gesellschaftstheorie Adornos. Themen und Grundbegriffe, Darmstadt 1998, S. 165- moralischen Perspektive den Primat für die Erkenntnis von Wirklichkeit 185, 185). Ihre Orientierung an Kant, den sie auch in ihrer Monographie immer wieder gegen Adornos Kritik verteidigt, ist vermutlich dafür verantwortlich, daß sie die von Nietzsche stammenden Elemente - Herrschaft und Gewalt - in Adornos Vernunftkritik weitgehend ausblendet, was ein gravierender Mangel ihrer Monographie ist (Anke Thyen: Negative Dialektik und Erfahrung. Zur Rationalität des Nichtidentischen bei Ebenda, S. 358; Adorno/Horkheimer: DdA, S. 64; Auch in der Ästhetischen Theorie Adorno, Frankfurt am Main 1979). Auch Gerhard Schweppenhäuser bemerkt die heißt es etwa: „Erst das starke und entfaltete Subjekt, Produkt aller Naturbeherrschung Verlagerung von moralischen Fragestellungen in den Bereich des Denkens, geht ihr und ihres Unrechts, hat auch die Kraft, vorm Objekt zurückzutreten und seine Selbst aber nicht weiter nach: „Die kritische Reflexion der Rationalität auf sich selbst wird - setzung zu revozieren" (Adorno: AT, S. 397; Hervorhebung von mir). auch - als moralische Notwendigkeit begriffen: ,die Selbstkritik der Vernunft ist deren Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 176; Gerhard Schweppen eigenste Moral'" (Gerhard Schweppenhäuser: Ethik nach Auschwitz, a.a.O., S. 6). häuser bemerkt auch zutreffend: „Adorno stellt sein Denken gewissermaßen a priori 43 Adorno: ND, S. 240. unter einen moralischen Gesichtspunkt. Dem Leiden Wort und Begriff zu geben und an seiner Abschaffung zu arbeiten, ist das Movens kritischer Theorie" (Ebenda, S. 6). 18 19 EINLEITUNG EINLEITUNG zuerkennt und sich im Kern um Ungerechtigkeit und Leiden sowie um Gerechtigkeit und Glück dreht. Die Reflexion über den Zusammenhang Handelns. Daraus ergibt sich als zentrale These des ac, . __ . , _ „ zwischen der Ungerechtigkeit von Herrschaftsverhältnissen und dem r, 1*. * A J „ • -i J i ctlten Kapitels, daß das positive Resultat von Adornos Kritik des vorherrschenden wissen Leiden steht im Mittelpunkt von Adornos moralischer Perspektive auf die schaftlichen und philosophischen Denkens die „Moral des Denkens" Wirklichkeit und seiner Analyse des okzidentalen Rationalisierungs- und darstellt. Denken wird moralisch, wenn es ihm gelingt, seinen Gegenstän Zivilisationsprozesses. Entsprechend steht die Reflexion über den den gerecht zu werden. Zusammenhang von Gerechtigkeit, Glück und An-archie im Zentrum Abschließend zeigt die Untersuchung im Rückgriff auf die vorangehen seiner utopischen Spekulationen. Das fünfte Kapitel entwickelt die für das den Kapitel, daß Ethik für Adorno „erste Philosophie"47 ist, weil er nicht vorherrschende Adornoverständnis wohl am befremdlichsten klingende nur die Geschichtsphilosophie, die Soziologie, die Psychologie, die These, daß eine materialistische und utopisch hedonistische Ethik den politische Theorie und die Erkenntnistheorie dem Primat der Ethik Kern von Adornos moralischer Perspektive auf die Wirklichkeit und damit unterstellt, sondern auch die Kunst und die Ästhetik. Daß Adorno diese von Adornos Denken bildet. Der Materialismus ist für Adorno „mit dem wissenschaftlichen Disziplinen dem Primat der Ethik unterstellt, bedeutet, Hedonismus vielfach verflochten" und hat „zu der Dimension der daß er sie selber aus der Perspektive seiner materialistischen und utopisch Organlust wie auch ihres Gegenteils eine entscheidende Beziehung". hedonistischen Ethik betreibt und ihre Gegenstände im Hinblick auf Tatsächlich waren neben dem Materialisten Epikur auch die französischen Leiden und Ungerechtigkeit und sein Interesse an ihrer Abschaffung Materialisten Helvetius und Lamettrie zugleich Vertreter des Hedonismus. analysiert. Wie bereits Kapitel II und III zeigen, besteht für Adorno nicht Materialismus heißt für Adorno vor allem, dem Körper in seiner dialek nur die wesentliche Aufgabe der Philosophie, sondern auch die der Kunst tischen Einheit mit dem Geist den Vorrang zuzuerkennen. Dementspre darin, menschliches Leiden zu objektivieren und dadurch Wahrheit über chend begreift Adorno im Anschluß an Aristippos von Kyrene, den die Wirklichkeit zum Ausdruck zu bringen.48 Als „geschichtlicher Begründer der hedonistischen Schule, die körperliche Lust als das Gute und das Ziel und die Unlust und das Leiden als das unbedingte Übel. Seine hedonistische Ethik ist utopisch, weil für ihn in der falschen Der Terminus „erste Philosophie" ist die Übersetzung des lateinischen Ausdrucks Gesellschaft wahre somatische Lust und damit das Glück nicht verwirk „prima philosophia", der wiederum auf die „npcörri cpi\oao(pia" von Aristoteles zu rückgeht. Für Aristoteles ist die erste Philosophie die höchste Erkenntnis, die das licht werden kann und anstelle der Lust ihr Gegensatz - das Leiden - Seiende als Seiendes betrachtet und die ersten Prinzipien und Ursachen untersucht. In vorherrscht. Wie das physische Leiden und seine Verneinung der negative der zeitgenössischen Philosophie spricht Emmanuel Levinas vom „Primat des Bezugspunkt von Adornos Kritik der ungerechten Wirklichkeit sind, so ist Ethischen" und davon, daß die „Ebene der Ethik" früher sei als die „Ebene der Onto die hedonistische Sozialutopie und die Gerechtigkeit, deren Möglichkeits togie" (Emmanuel Levinas: Totalität und Unendliches. Versuch über die Exteriorität, bedingung, ihr positiver Bezugspunkt. Gerechtigkeit läßt sich für ihn nur Freiburg/München 1987, S. 108, 289). Zumindest an einer Stelle äußert er explizit: „Die Erste Philosophie ist eine Ethik" (Emmanuel Levinas: Ethik und Unendliches. Gespräch durch die Lust, die aus ihr hervorgeht, begründen und Ungerechtigkeit nur mit Phillipe Nemo, Wien 1986, S. 59). Obwohl es der Titel Ethik als erste Philosophie durch das Leiden, das sie erzeugt, kritisieren. nahelegen könnte, werden in dieser Untersuchung nicht die bestehenden Gemeinsam Das achte Kapitel setzt sich mit Adornos Negativer Dialektik auseinan keiten - etwa die Kritik des quantifizierenden und des identifizierenden Denkens - von Adorno und Levinas herausgearbeitet. Denn die Ethik, die nach der von mir gewählten der und untersucht die Bedeutung der Gerechtigkeit auf erkenntnistheore Formel „erste Philosophie" bei Adorno ist, gehört einer anderen Gattung an als die, tischer Ebene. Es versucht zu zeigen, daß sich moralische Fragestellungen deren Primat Levinas herausstellen will. Zwar geben beide Denker weder konkrete für Adorno aus der praktischen Philosophie in den Bereich der theore Handelungsmaximen noch formulieren sie allgemeine Gesetze. Aber während das tischen Philosophie verlagern. Damit verliert die klassische moralische Ethische für Levinas aus der unmittelbaren Begegnung mit dem anderen Menschen Fragestellung „Was sollen wir tun?" an Bedeutung und wandelt sich zu entspringt, dessen Antlitz mich in die Verantwortung ruft, entsteht es für Adorno als ein aus der Negation der körperlichen Unlust erwachsender Impuls. Zudem kommt über die der neuen moralischen Fragestellung „Wie sollen wir denken?" Richtiges unendliche Andersheit des Anderen bei Levinas eine genuin religiöse Dimension in Denken verbleibt für Adorno als letzte Möglichkeit und Form richtigen seine Philosophie, die - wie diese Untersuchung zeigen wird - bei Adorno nicht vorhan den ist. Trotz ihrer jüdischen Herkunft sind beide Philosophen in heterogenen Denktraditionen beheimatet. Während Levinas sich vor allem Edmund Husserls Phä 46 A J nomenologie und dem Offenbarungsdenken Franz Rosenzweigs verpflichtet fühlt, schließt Adornos Denken vor allem an Hegel, Marx und Nietzsche an. Adorno: PhT, Bd. 2, S. 179f. Daß der enorme Stellenwert, den das Leiden in Adornos Denken einnimmt, von der 20 21

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