Kasseler Edition Soziale Arbeit Band 3 Herausgegeben von Werner Thole, Universität Kassel, Deutschland Die Soziale Arbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung und öffentlicher Anerken- nung. Hierzu trägt unter anderem der Ausbau der empirischen Forschung in Bezug auf sozialpädagogische Fragestellungen bei. Motiviert durch vermehrt vorliegende Forschungsbefunde entwickeln sich auch die theoretischen Reflexionen zur Sozia- len Arbeit weiter und in der sozialpädagogischen Praxis ist ein neues Interesse an wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrzunehmen. In der „Kasseler Edition Soziale Arbeit“ erscheinen Beiträge, die alte und neue Fragen und Herausforderungen der Sozialen Arbeit empirisch und theoretisch fundiert aufgreifen. Mit der Reihe soll das Projekt einer disziplinären und profes- sionellen Profilierung der Sozialen Arbeit weiter angeregt und fachlich qualifiziert werden. Aus unterschiedlichen Perspektiven werden die einzelnen Bände der Editi- on insbesondere Veränderungen und Transformationen der Sozialen Arbeit in den modernen, kapitalistischen Gesellschaften kritisch reflektieren. Bedeutung erhält so die Beobachtung, dass die Soziale Arbeit weiterhin ein gesellschaftlich vorgehal- tenes Angebot der Hilfe, Unterstützung, Begleitung und Betreuung für diejenigen ist, denen die Ressourcen für ein „gelungenes“ und „zufriedenstellendes“ Leben nicht hinreichend zur Verfügung stehen oder denen diese Ressourcen vorenthalten werden. Beachtung wird aber auch der Entwicklung geschenkt, dass die Soziale Ar- beit inzwischen ein bedeutender Akteur im Feld des non-formalen Bildungssektors ist: Soziale Arbeit hat sich zu einem gesellschaftlichen Allgemeinangebot entwickelt und ist zugleich damit beauftragt, die Verschärfung von materiellen, kulturellen und sozialen Problemlagen in den gesellschaftlichen Teilgruppen, die unter den kapita- listischen Reproduktionsbedingungen aufgrund ihrer strukturellen oder temporä- ren Marginalisierung zu leiden haben, durch Hilfs-, Unterstützungs- und Bildungs- angebote abzufedern Damit zusammenhängende Problemstellungen werden aus adressat_innen-, struktur- und professionsbezogenen Perspektiven aufgegriffen und profund erörtert Herausgegeben von Prof. Dr. Werner Thole Universität Kassel Cora Herrmann Thematisierungsweisen guter Arbeit Eine empirische Untersuchung im Feld der Kinder- und Jugendwohngruppenarbeit Mit einem Vorwort von Werner Thole Cora Herrmann Hamburg, Deutschland Kasseler Dissertation Universität Kassel Fachbereich: Humanwissenschaft en Verfasser: Cora Herrmann Datum der Disputation: 03.04.2013 Kasseler Edition Soziale Arbeit ISBN 978-3-658-12042-9 ISBN 978-3-658-12043-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-12043-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi- bliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Fachmedien Wiesbaden ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Für Beate und Linnea Danksagung Ganz herzlich bedanken möchte ich mich für die sehr engagierte Unterstützung und Begleitung durch meinen Doktorvater Prof. Dr. Werner Thole und meine Doktormutter Prof. Dr. Marianne Pieper. Viele weitere Menschen haben die Freude und manchmal auch das Leid und die Herausforderungen der Promotionsphase mit mir geteilt. Ihnen allen gilt mein allerherzlichster Dank. Zu nennen ist dabei zunächst Manfred Bülow, ohne dessen insbesondere stetige Bereitschaft zum familialen Engagement diese Arbeit nicht hätte fertig werden können. Malvin, Meret und Linnea möchte ich dafür danken, dass sie sind, wie sie sind. Ulla und Rainer Herrmann danke ich ganz besonders, aber nicht nur für ihr aktives und engagiertes Großelterndasein. Bei Ulrike Treusch, Daniela Kleiner, Andrea Bukowski, Christine Säker, Carla Deiters und Sibylle Kern möchte ich mich für ihre Beständigkeit und Geduld bedanken. Mein herzlichster Dank gilt auch meinen ehemaligen Kolleg_innen der Uni- versität Kassel und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg sowie all meinen Büroetagen-Kolleg_innen – ihr habt mir auf unterschiedliche Weise und in je unterschiedlichen Phasen der Arbeit sehr hilfreich zur Seite gestanden. Nennen möchte ich dabei insbesondere: Dr. Knud Andresen, Teslihan Ayalp, Dr. Jannik Bock, Andreas Böhle, Dr. Dagmar Brunow, Dr. Siglinde Hessler, Sandra Küchler, Tilman Lautzas, Iris Nowak, Judith Scheunemann, Holger Schoneville und nicht zuletzt Prof. Dr. Sabine Stövesand. Bedanken möchte ich mich zudem bei der Hans-Böckler-Stiftung, deren finanzielle Unterstützung die materielle Grundlage gebildet hat, auf der diese Arbeit entstehen konnte. Vielen Dank auch an Theo Bruhns und Dr. Anja Tigges für ihr sehr enga- giertes Lektorat. Und last but not least gilt mein Dank meinen Interviewpartner_innen, ohne die die vorliegende Arbeit nicht hätte entstehen können. Inhalt Vorwort ............................................................................................................ 11 1 Erkenntnisinteresse und Aufbau der Studie ........................................... 13 1.1 Erkenntnisinteresse und Eingrenzung der Problemstellung ................ 13 1.2 Aufbau der Studie ............................................................................... 19 2 Annäherungen an den Forschungsgegenstand – Stränge der Thematisierungen in der disziplinären Fachliteratur im deutschsprachigen Raum .......................................................................... 21 2.1 Stränge der Thematisierungen guter Arbeit ........................................ 21 2.1.1 Gute Arbeit – eine historisch gebundene Figur ....................... 23 2.1.2 Thematisierungsstränge guter Arbeit ab den 1990er Jahren .... 25 2.1.3 Thematisierte Einflussfaktoren der aktuellen Diskussionen um gute Arbeit ......................................................................... 34 2.1.3.1 Zur gesetzlichen Materialisierung des aktuellen Gütekonzeptes ........................................................... 34 2.1.3.2 Zum sogenannten Neuen Steuerungsmodell ............. 36 2.1.3.3 Zur Rede von der Transformation des wohlfahrtsstaatlichen Arrangements ......................... 39 2.2 Stränge der Thematisierungen von Wohngruppen für Kinder und Jugendliche – historische, rechtliche und empirische Lesarten .......... 45 3 Das Forschungsdesign ............................................................................... 61 3.1 Veränderte Steuerungsweisen in der Kinder- und Jugendhilfe – Forschungsstand und -lücke ................................................................ 61 3.2 Die Anlage der Studie ......................................................................... 68 3.2.1 Forschungsinteresse und -fragen ............................................. 69 3.2.2 Der theoretische und methodologische Rahmen ..................... 71 3.2.2.1 Zum Subjektverständnis ............................................ 72 3.2.2.2 Zum Handlungsverständnis ....................................... 78 3.2.3 Die Erhebungsmethode: Expert_inneninterviews ................... 79 3.2.4 Der Untersuchungsgegenstand ................................................ 82 3.2.4.1 Die inhaltliche Begründung der Auswahl des Forschungsfeldes ....................................................... 82 3.2.4.2 Das methodische Vorgehen bei der Auswahl ............ 84 3.2.4.3 Das Sample: Die Interviewten ................................... 85 3.2.4.4 Die Zugänge zum Forschungsfeld ............................. 91 3.2.5 Die Datenerhebung: Die Interviewdurchführung .................... 92 9 3.2.6 Die Aufbereitung und Auswertung der Daten ......................... 94 3.2.6.1 Die Erstellung der Interviewtexte – Transkription und Anonymisierung ................................................. 94 3.2.6.2 Die Auswertung der Interviewtexte ........................... 94 4 Thematisierte Verhaltensweisen im Kontext der Debatte um gute Arbeit im empirischen Blick ................................................................... 101 4.1 Gute Arbeit – Praktiken der Unterwerfung und Gestaltungen .......... 102 4.1.1 Verpflichtung und Gestaltung produktiver Verhältnisse ....... 102 4.1.2 Druck und widerständige Verhaltensweisen ......................... 112 4.1.3 Kontrolle – eine ambivalente Figur ....................................... 122 4.1.4 Zwischenresümee .................................................................. 131 4.2 Gute Arbeit – Marktpraktiken und deren kritische Kommentierung 133 4.2.1 Praktiken der Finanzierung .................................................... 133 4.2.2 Praktiken des (Aus-)Tausches ............................................... 136 4.2.3 Praktiken des Marktes in der alltäglichen Wohngruppen- arbeit ...................................................................................... 139 4.2.4 Platzierungspraktiken auf einem Jugendhilfemarkt ............... 141 4.2.5 Neue Marktteilnehmer_innen ................................................ 143 4.2.6 ‚Paradiesische Zustände‘ ....................................................... 144 4.2.7 Zwischenresümee .................................................................. 149 4.3 Gute Arbeit – Standardisierende Praktiken und deren Begrenzung .. 151 4.3.1 Praktiken der Begrenzung von Standardisierungen in pädagogischen Interaktionsprozessen .................................... 151 4.3.2 Standardisierende Handlungsweisen in der pädagogischen Arbeit ..................................................................................... 157 4.3.3 Standardisierte Interaktionsprozesse zwischen Institutionen . 164 4.3.4 Zwischenresümee .................................................................. 166 4.4 Gute Arbeit – Praktiken der Orientierungen am „Individuum“ ........ 169 4.4.1 Eine beschreibende Annäherung an das Thematisierungs- feld ......................................................................................... 169 4.4.2 Detaillierung und Abgrenzung .............................................. 175 4.4.3 Praktiken der Orientierung an ‚schwierige Personen‘ ........... 180 4.4.4 Zwischenresümee .................................................................. 184 5 Fazit .......................................................................................................... 187 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 193 10 Vorwort In den zurückliegenden Jahren wurden in den sozial- und erziehungswissenschaft- lichen Diskursen vermehrt Überlegungen vorgetragen, die Gesellschaft, Subjekti- vität und Sozietät über soziale Praxen hergestellt sehen. Die gesellschaftlich agie- renden Akteur_innen unterliegen dieser Theorieperspektive zufolge zwar den Prädikatoren des Vorhandenen und Möglichen, aber sie bringen die Bedingungen ihrer Praxen zugleich kontinuierlich selbst mit hervor. Theoretisch schließt Cora Herrmann mit ihrer jetzt als Buch vorgelegten Dissertation „Thematisierungswei- sen ‚Guter Arbeit‘“ empirisch fundiert an diese Analysen an. Cora Hermann argu- mentiert aus einer sozialpädagogischen Perspektive anhand von Analysen im Feld von Wohngruppen gegen Annahmen, die davon ausgehen, dass die vielfach diagnostizierten neoliberal gefärbten, ökonomischen Zweckrationalitäten gehor- chenden Veränderungen in der Sozialen Arbeit die Professionellen wie die Adres- sat_innen in eine immer schon präsente Welt einpassen. In der Studie werden in hervorragender Weise und plausibel die von den sozialpädagogischen MitarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendwohngruppenar- beit artikulierten und als bedeutsam dargestellten Thematisierungsweisen von „guter“ Arbeit referiert und diskutiert. Wird den Analysen gefolgt, dann präsen- tieren sich die diskursiven Praktiken als politische, über Macht gesteuerte, als öko- nomische und als fachlich orientierte Thematisierungsweisen. Unter der Über- schrift „Praktiken der Unterwerfung und Gestaltungen“, dem ersten rekonstruier- ten Muster, präsentiert Cora Herrmann Perspektiven von sozialpädagogischen Praktiker_innen, die einerseits die politisch initiierten Veränderungen als Druck, Verpflichtung und Kontrolle vorstellen, jedoch zugleich auch die innovativen Möglichkeiten beschreiben, die sich aufgrund der Veränderungen ergeben können. In einem zweiten Muster werden Thematisierungsweisen beschrieben, die im Kern die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit am Beispiel von sozialpädagogischen Wohngruppen skizzieren. Die bei den Praktiken des ersten Musters noch zu erkennenden Ambivalenzen, einerseits „Opfer“ und doch zugleich „Akteur_in“ der Modifizierungen von Praxis sein zu können, schimmern in diesem zweiten Muster weniger deutlich durch. Mit „Gute Arbeit – Standardisierte Praktiken und deren Begrenzung“ ist das dritte Muster überschrieben. Praktiker_innen themati- sieren hier Formen der Standardisierung ihrer Arbeitsbedingungen als Begrenzung 11