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Text und Skulptur : berühmte Bildhauer und Bronzegiesser der Antike in Wort und Bild ; Ausstellung in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik Berlin PDF

173 Pages·2007·28.78 MB·German
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Te x t u n d S k u l p t u r Berühmte Bildhauer und Bronzegießer der Antike in Wort und Bild herausgegeben von Sascha Kansteiner, Lauri Lehmann, Bernd Seidensticker und Klaus Stemmer Ausstellung in der ABGUSS-SAMMLUNG ANTIKER PLASTIK BERLIN ≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York Ausstellung TEXT UND SKULPTUR Berühmte Bildhauer und Bronzegießer der Antike in Wort und Bild 20.Juli-14.Oktober 2007 in der ABGUSS-SAMMLUNG ANTIKER PLASTIK des Instituts für Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin Schloss-Str. 69b 14059 Berlin-Charlottenburg Tel.: 030/3424054 Fax: 030/33778332 www.abguss-sammlung-berlin.de Konzeption und Realisation: Die Herausgeber Katalogtexte: s. Autorenverzeichnis Photos: Bärbel Paetzel Layout: Christine Seidel Bildbearbeitung: Natalia Toma Beschriftung und Aufbau: Teresita Gonzales, Stefanie Klinitzke, Nicole Kühn, Nicole Richter und Anke Weber Restauratorische Betreuung: Stefano di Michele, Caspar-Tom Kern, Alena Körting und Franziska Schlicht BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografie; detailliertebibliografischeDatensindimInternetüberhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. ISBN: 978-3-11-019610-8 (cid:1)Copyright2007byWalterdeGruyterGmbH&Co.KG,10785Berlin DiesesWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertungaußerhalbderengenGrenzendes UrheberrechtsgesetzesistohneZustimmungdesVerlagesunzulässigundstrafbar.DasgiltinsbesonderefürVervielfältigungen, Übersetzungen,MikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen. PrintedinGermany Umschlagabbildung:PapyrusinBerlin(s.Appendix1);Athena-Marsyas-Gruppe(s.Kat.5.2) DruckundbuchbinderischeVerarbeitung:DruckhausKöthenGmbH,Köthen Inhaltsverzeichnis Vorwort V Einleitung VI Katalog Archermos Marmorstatue der Nike (?) 1 Antenor Marmorstatue einer Kore 5 Kritios und Nesiotes Bronzestatuen der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton 8 Sokrates Relief der drei Chariten 15 Myron Bronzestatue eines Diskuswerfers 20 Bronzegruppe der Athena und des Marsyas 25 Phidias Statue der Athena 28 Kolossalstatue der Athena Parthenos 33 Statue des Anakreon 47 Bronzestatue einer verwundeten Amazone 50 Alkamenes Herme des Hermes Propylaios 53 Kresilas Statue des Perikles 57 Bronzestatue einer verwundeten Amazone 58 Polyklet Bronzestatue des Kyniskos 62 Bronzestatue eines Doryphoros 65 Bronzestatue einer verwundeten Amazone 69 Bronzestatue eines Diadumenos 70 Naukydes Statue eines Athleten mit Diskus 75 Kephisodot Bronzestatue der Eirene 78 Skopas Statue(tte) einer Mänade 82 Praxiteles Bronzestatue des Apollon mit der Eidechse 90 Marmorstatue des Hermes mit dem Dionysosknaben 94 Lysipp Bronzestatue eines siegreichen Athleten 98 „Agalma“ des Kairos 101 Boïdas Statue eines Betenden 112 Chares Kolossalstatue des Helios 114 Eutychides Bronzestatue der Antiochia 118 Boethos Statue eines Knaben, der eine Gans würgt 122 Damophon Statuen des Apollon und des Herakles 125 VierfigurigeKultbildgruppe 129 Archelaos Weihrelief eines Dichters 133 Agasias Marmorstatue eines Kämpfenden 138 Kerdon Marmorstatue des Paniskos 140 Apollonios Marmorstatue des sitzenden Philoktet (?) 143 Glykon Kolossalstatue des Herakles 146 Appendix 1: Papyrus in Berlin 150 Appendix 2: Overbeck: Leben und Werk 152 Verzeichnis derAbkürzungen 154 Abbildungsverzeichnis 155 Verzeichnis der Autoren Adolf H. Borbein Jörg Deterling Klaus Hallof Sascha Kansteiner Ralf Krumeich Lauri Lehmann Massimiliano Papini Joachim Raeder Fabian Reiter V Vorwort 1868 veröffentlichte Johannes Overbeck „Die antikenSchriftquellen zur Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen“. Das Werk hat Generationen von Altertumswis- senschaftlern als unentbehrliche Quellensammlung zur Geschichte der antiken Kunst gedient, bedarf aber nach fast anderthalb Jahrhunderten dringend einer gründlichen Erneuerung. Konnte Overbeck bei seinen Lesern noch auf ausreichende Literatur- und Sprachkenntnisse bauen, so ist die Sammlung heute für viele an den Texten Interessierte ohne Übersetzung und Kommentierung nicht mehr zu nutzen. Dazu kommt, dass sich der Quellenbestand vor allem durch die zahlreichen epigraphischen Neufunde erheblich erweitert hat; und schließlich bedürfen die bis zu Overbeck bzw. von Overbeck selbst und die in den folgenden 140 Jahren auf der Basis seines Quellenwerks vorgenommenen Identifizierungen und Zuweisungen antiker Skulpturen an namhafte Künstler dringend einer kritischen Überprüfung, die nur auf der Basis einer grundlegend neuen Edition und Analyse der Quellen erfolgen kann. Die seit langem allgemein als Desiderat erkannte Erneuerung des Overbeck ist das Ziel eines von der DFG geförderten Projekts, dem sich die Herausgeber des Katalogs seit mehr als drei Jahren widmen. Die in mehreren Lehrveranstaltungen am Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin durch die Herausgeber vorbereitete Ausstellung „Text und Skulptur – Berühmte Bildhauer und Bronzegießer der Antike in Wort und Bild“ und ihr Kata- log präsentieren der Öffentlichkeit die ersten Früchte der interdisziplinären Arbeit, die voraussichtlich in drei Jahren mit der Publikation des Neuen Overbeck (in 5 Bänden) abgeschlossen sein wird. Wir danken Adolf H. Borbein, Jörg Deterling, Ralf Krumeich, Massimiliano Papini und Joachim Raeder für ihre Beiträge, Klaus Hallof, der als Co-Editor für die epigraphischen Teile des Neuen Overbeck verantwortlich zeichnen wird, für die Bearbeitung der im Ka- talog erscheinenden Inschriften und Fabian Reiter für die Präsentation zweier Papyri und die Leihgabe eines Papyrus aus der Papyrologischen Sammlung des Ägyptischen Muse- ums Berlin. Ein besonderer Dank gilt den beiden hauptamtlichen Mitarbeitern des Projekts, Sascha Kansteiner und Lauri Lehmann, die den weitaus größten Teil des Katalogs verfasst ha- ben. Zu danken ist schließlich auch dem Verlag Walter de Gruyter, in dem der Neue Over- beck erscheinen wird, und insbesondere Sabine Vogt für die fachkundige Beratung und Betreuung. Die Gerd-Rodenwaldt-Gedächtnis-Stiftung, die Freunde & Förderer der Abguss-Samm- lung Antiker Plastik Berlin e.V. und die Freunde und Förderer des Seminars für Klas- sische Philologie der Freien Universität Berlin – Philologia e.V. haben den Druck des Katalogs finanziellgefördert.IhnenseiwieallenanderenHelfernherzlichgedankt! Berlin, den 13. Juni 2007 Bernd Seidensticker und Klaus Stemmer VI Einleitung „Neben den schriftlichen Ueberlieferungen aus dem Alterthum, unmittelbarer oder mittelbarer Art, mögen diese auf Papier, Pergament, Stein, Thon, Holz, Elfenbein, Erz, überhaupt Metallen, oder sonst irgend wie erhalten sein, mögen sie das grosse LiteraturwerkoderdienackteSammlernotizoderdenZauber-oder Kinderspruch,dieoffiziellenAkteirgendeinerGenossenschaftoder den Willen oder nur den Namen eines Todten, eines Besitzers, Fabrikanten u. dgl. oder eine Notiz im Verkehrslebenuns vorführen, steht eine andere Klasse von Denkmälern, die nicht durch das Medium der Sprache und Schrift zu uns reden, sondern durch die örtliche Fixierung, ihre chemische Beschaffenheit, ihr Gewicht, ihre Farbe, ihre Form.“ Carl Bernhard Stark, Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst (1880) 4f. Jede Archäologie gleich welcher Fachrichtung versucht, die Lebens- und Geisteswelt ei- ner vergangenen Kultur in allen ihren Bereichen zu rekonstruieren. Dabei bieten die geschichtlichen Perioden, die sich per definitionem durch ihr Schrifttum von den vorge- schichtlichen absetzen, den entscheidenden Vorteil, dass zu ihrer Erschließung auch auf schriftliche Zeugnisse zurückgegriffen werden kann. Für die erhaltenen materiellen und schriftlichen Zeugnisse aus der Antike, der Kultur der Griechen und Römer, ist seit der Renaissance die Klassische Altertumswissenschaft zuständig, in der zunächst die Klassische Philologie eine leitende Funktion übernommen und die Forschungsinhalte bestimmt hat. Die Klassische Archäologie, die sich mit der gesamten materiellen Hinterlassenschaft der Antike beschäftigt, hat sich erst kurz vor der Mitte des 19. Jhs. als eigenständige Disziplin von ihr getrennt. Beide Disziplinen haben also die gleichen Wurzeln und eine vergleichbare Zielsetzung und ergänzen sich bei einer umfassenden Behandlung eines Gegenstandes bzw. einer Fragestellung aus den Bereichen Kunst oder Technik, Kult oder Staats- und Privatalter- tümer gegenseitig. So ist die Klassische Philologie z.B. für das Verständnis der Produk- tions- und Rezeptionsbedingungen des antiken Dramas auf die archäologischen Erkennt- nisse zur Entwicklung der antiken Theaterbauten angewiesen und kann ohne die Hilfe der Klassischen Archäologie weder die Bildbeschreibungen in der antiken Literatur noch die zahlreichen Epigramme auf Kunstwerke oder Künstler verstehen. Umgekehrt ist eine genaue Kenntnis antiker Texte für die Klassische Archäologie aus mehreren Gründen essentiell. Auf der Grundlage von Texten, die eine Beschreibung antiker Landschaften und Städte, ihrer Heiligtümer und ihrer Weihungen liefern, lassen sich vielfach Aufstel- lungsorte von Monumenten ermitteln, die nicht in situ oder in Form von Kopien erhalten sind. Vor allem mit Hilfe der Beschreibungen des Reiseschriftstellers Pausanias (2. Jh. n. Chr.) gelingt es z.B., sich ein Bild von den vielen bedeutenden Skulpturen zu machen, die die Akropolis von Athen seit dem 5. Jh. v. Chr. schmückten. Als Beispiele aus der Ausstel- lung seien das Chariten-Relief (Kat. 4.1.), die Athena Lemnia (Kat. 6.1.), der Anakreon (Kat. 6.3.), der Hermes Propylaios (Kat. 7.1.) und der Perikles (Kat. 8.1.) genannt. VII Gelegentlich kann die Beschäftigung mit antiken Texten auch für die Rekonstruktion be- stimmter Monumente von Nutzen sein: allein anhand der überlieferten zahlreichen Wie- derholungen der Athena Parthenos (Kat. 6.2.) wüssten wir z.B. nicht, dass ihre Sandalen mit Reliefs geschmückt waren. Dies geht aber aus einer Passage in der Naturkundedes Plinius (Kat. 6.2.3.) hervor. Einige Schriftzeugnisse bieten außerdem die Möglichkeit, eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie antike Bildwerke bald oder lange Zeit nach ih- rer Aufstellung auf den Betrachter gewirkt haben. Ein eindrückliches, auch vom Umfang her bemerkenswertes Beispiel hierfür sind die Ausführungen des Kallistratos zur Mänade des Skopas (Kat. 12.1.5.). Maßgeblich sind antike Texte vor allem für die Zuweisung von erhaltenen Statuen oder, wichtiger noch, von Kopien oder Fragmenten solcher Statuen an bestimmte Bildhauer. Ohne die kunstkritischen und kunstgeschichtlichen Bemerkungen in der Literatur der Antike wären wir gezwungen, uns bei der Beurteilung antiker Skulpturen und Statu- enkopien ausschließlich auf formal-ästhetische Beobachtungen und Analysen zu stützen. Schon1506gelangesaberdenbeiderWiederauffindungdesLaokoon(inv.2/57)herbei- gerufenen gebildeten Kunstkennern, Michelangelo und Giuliano da Sangallo, die Skulp- turengruppe sofort zu benennen, weil sie sich an die Textstelle bei Plinius erinnerten (SQ 2031).Auchder1545gefundene„FarnesischeStier“(inv.83/16)konntenochim16.Jh. mitderbeiPliniuserwähntenGruppe(SQ2038)identifiziertwerden,welchedieBestra- fung der Dirke zum Inhalt hat. Von den in der Austellung präsentierten Skulpturen wurde als nächste, allerdings erst 1756, der Apollon Sauroktonos mit der von Plinius erwähnten Statue von der Hand des Praxiteles(Kat.13.1.)identifiziert,undzwarvonJohannJoachimWinckelmann,dersich eine Erkenntnis des Gemmensammlers Baron von Stosch aus dem Jahr 1724 zu Nutze machte. Im Zeitalter Winckelmanns begann die antike Skulptur, anders als zuvor in der Epoche der vorwiegend antiquarisch ausgerichteten Altertumsforschung, in den Mittel- punkt des Interesses an der Kunst der Antike zu rücken. Mit ihrem Modellcharakter für die Hofbildhauer sowie als repräsentative Ausstattung der fürstlichen Schlösser und Vorzeigeobjekt der ersten museumsartigen Sammlungen avancierte sie zur sog. Königs- gattung innerhalb der antiken Kunst. Dies war nicht allein dem hohen Ethos der oft he- roischen oder historischen bzw. imperialen Sujets geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass die Skulptur wegen ihrer komplexen und differenzierten Formensprache am ehesten als künstlerischer Ausdruck der klassischen Epoche verstanden wurde und darüberhi- naus auch noch einen Hauch der antiken Künstlerpersönlichkeit und ihrer Intentionen verspüren ließ. Die im 15. Jh. einsetzende und rasch zunehmende Verbreitung der anti- ken Literatur durch gedruckte Editionen förderte das Bestreben, bedeutende Skulpturen mit den bekanntesten Bildhauernamen aus der antiken Literatur zu verknüpfen. Dieses Interesse an großen Namen hat seinen Ursprung in der Antike: prominentes Beispiel sinddiekolossalenDioskurenaufdemQuirinal(inv.07/4–5),diemaninderSpätantike durch die Anbringung von Inschriften als Werke des Phidias und des Praxiteles auszuwei- sen versucht hat. Winckelmanns Nachfolger im Amt des päpstlichen Oberaufsehers aller Altertümer in und um Rom, Giambattista Visconti, wird die Erkenntnis verdankt, dass der berühmte, unter anderem von Plinius erwähnte Diskobol des Myron (Kat. 5.1.) in Kopien erhalten ist; Viscontis Sohn Ennio Quirino Visconti verband wenige Jahre später, 1790, als erster VIII die Adaption der Tyche von Antiochia im Vatikan (Kat. 17.1.) mit der Statue, die Pausa- nias dem Bronzegießer Eutychides zuweist; vor allem im dritten Viertel des 18. Jhs. war dann eine relativ große Zahl von Identifizierungsversuchen von anhaltendem Erfolg ge- krönt:EmilBraunidentifiziert1850denApoxyomenosdesLysipp(Kat.14.1.),Heinrich Brunn 1853 den Marsyas aus der Athena-Marsyas-Gruppe des Myron (Kat. 5.2.) und 1867 die Eirene des Kephisodot (Kat. 11.1.), Karl Friederichs 1859 die „Tyrannenmörder“ des Kritios und Nesiotes (Kat. 3.1.) und 1863 den Doryphoros des Polyklet (Kat. 9.2.), Adolf Michaelis 1879 den Diadumenos (Kat. 9.4.). Heinrich Brunn, der weitgehend auf antike Textquellen gestützt und ohne jede Abbildung im Jahr 1853 eine „Geschichte der griechischen Künstler“ vorgelegt hat, verdankt die For- schung entscheidende Impulse für eine vorwiegend stilkritische Betrachtung der antiken Plastik. Sein Schüler Adolf Furtwängler führte diesen Forschungszweig mit der maß- stabsetzenden Veröffentlichung „Meisterwerke der griechischen Plastik“ (1893) zu einem frühen Höhepunkt, indem er nahezu alle damals bekannten Kopien griechischer Originale des 5. und 4. Jhs. v. Chr. durch stilkritische Analysen dem Œuvre einzelner Bildhauer zu- wies. Kaum vorstellbar ist Furtwänglers epochales Werk ohne die zahlreichen Vorarbei- ten, unter anderem diejenige von Johannes Overbeck, der sich in den 1860er Jahren ent- schloss,alleliterarischenundepigraphischenZeugnissezurantikenKunstzusammeln,zu ordnen und in einem Corpus zu edieren. Die 1868 erschienene Publikation „Die antiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen“ präsentiert auf 475 Seiten knapp 2500 Texte, die heute um ca. 500 literarische und ca. 1300 inschriftliche Be- lege ergänzt werden können. Von diesen rund 4300 Testimonien zu bildenden Künstlern entfallen ca. 2000 literarische und ca. 1500 epigraphische Belege auf Bildhauer. Während für die Bildhauer der archaischen und klassischen Zeit die literarischen gegenüber den epigraphischen Zeugnissen überwiegen, kehrt sich das Verhältnis im Hellenismus um. Nachrichten über griechische Bildhauer finden sich in beinahe allen Gattungen der anti- ken und byzantinischen Literatur – in poetischen und prosaischen Texten, bei bekannten und entlegenen Autoren. Das Spektrum der Texte reicht von Fachschriftstellern wie Plinius, Strabon und Quintilian oder einem Perihegeten wie Pausanias über Dichter wie Herondas oder die zahlreichen Epigrammatiker der Anthologia Graeca bzw. im rö- mischen Bereich Martial und Ausonius, Philosophen wie Platon und Aristoteles, Redner wie Demosthenes, Cicero, Dion von Prusa und Aelius Aristides, Geschichtsschreiber wie Thukydides, Diodor, Zosimos und Malalas sowie Biographen wie Plutarch und Diogenes Laertios bis hin zu Scholien und Lexika. Auch der chronologische Umfang der Quellen aus zwei Jahrtausenden ist enorm und reicht von den homerischen Epen, in denen bereits mythische Künstler erwähnt werden, bis hin zu einem byzantinischen Gelehrten wie Jo- hannes Tzetzes, der in einigen Kapiteln seiner Chiliadesauf die berühmten Bildhauer des 5. und 4. Jhs. v. Chr. wie Myron, Phidias, Polyklet und Lysipp eingeht. Obwohl die Testimonien zu Bildhauern weit über die gesamte Literatur verstreut sind, konzentriert sich die Vielzahl der Erwähnungen doch auf zwei Werke des 1. und 2. Jhs. n. Chr.: die Naturalis historia(Naturkunde) des Plinius d. Ä. (23/24–79 n. Chr.) und die Perihegese (Reisebeschreibung) des Pausanias (ca. 115 – ca. 180 n. Chr.). Von den 37 Büchern der wohl 78 n. Chr. publizierten Naturalis historiasind für archäo- logisch-kunstgeschichtliche Fragestellungen insbesondere die Bücher 34–36 interessant, in denen sich längere Passagen zur Bildhauerei (Buch 34 und 36) und zur Malerei (Buch IX 35) finden. Im 34. Buch, das die verschiedenen Metalle thematisiert und daher auch als „Metallurgie“ bezeichnet wird, behandelt Plinius im Abschnitt zu Kupfer und Bronze die griechischen Bronzegießer. Nach einer chronologischen Übersicht geht er zunächst auf die berühmtesten Bildhauer wie Phidias, Polyklet und Myron ein, führt dann einen weitgehend alphabetisch geordneten Katalog weiterer Bildhauer an und schließt den Ab- schnitt mit nach inhaltlichen Kriterien zusammengestellten Bildhauern ab. Im 36. Buch, das die verschiedenen Steinarten zum Gegenstand hat und daher auch als „Mineralogie“ bezeichnetwird,findetsichbeiderBehandlungdesMarmorseineausführlichePassagezu bedeutenden Marmorskulpturen und deren Schöpfern. Bei der in der Zeit zwischen 160 und 180 n. Chr. verfassten Perihegese des Pausanias handelt es sich dagegen um einen nach Landschaften gegliederten Reiseführer durch Grie- chenland: Die Perihegese des Pausanias ist das einzige erhaltene Werk dieser Gattung. Von anderen Perihegeten wie dem hellenistischen Reiseschriftsteller Polemon von Ilion sind lediglich Fragmente bekannt. Pausanias hat Griechenland bereist und kannte die von ihm beschriebenen Kunstwerke aus eigener Anschauung. Neben literarischen Quellen, die er vorwiegend für mythologische und historische Erläuterungen verwendete, hat er seine Informationen aus Inschriften und aus Gesprächen mit Einheimischen, insbesondere lokalen Fremdenführern, bezogen (vgl. z.B. Kat. 19.2.1. mit Anm. 378). Für die Ermitt- lung des Aufstellungskontexts eines Kunstwerks sind seine Angaben zur Lokalisierung sehr wertvoll, da solche in anderen Schriftquellen weitgehend fehlen. Im Gegensatz zu Pausanias stellte der enzyklopädisch arbeitende Plinius die Passagen zur bildenden Kunst in den Büchern 34–36 seiner Naturalis historiaaus kunsthisto- rischen Fachschriften zusammen. Unser Wissen über die kunstgeschichtlichen Schriften der Antike ist jedoch sehr begrenzt, da sich keine einzige erhalten hat. In den Autoren- indices im ersten Buch gibt Plinius die von ihm benutzten Schriftsteller – meist ohne Titel, selten mit lateinischem Kurztitel – an. Die sog. Quellenforschung des 19. Jhs., zu deren bedeutendsten Vertretern August Kalkmann und Friedrich Münzer gehörten, glaubte, auf Grundlage des Plinius-Texts die verlorenen kunsthistorischen Fachschriften rekonstruieren zu können. Doch sind ihre Ergebnisse weitgehend hypothetisch. Denn sicher lassen sich Angaben bei Plinius nur dann auf frühere Autoren zurückführen, wenn Plinius seine Quelle im unmittelbaren Kontext nennt. Auf den Arbeiten der Quellen- forschung aufbauend vertrat Bernhard Schweitzer in seiner wirkungsmächtigen Studie „Xenokrates von Athen“ (1932) die These, dass die antike Kunstgeschichtsschreibung auf den am Anfang des 3. Jhs. v. Chr. tätigen Bildhauer Xenokrates, der Schriften über Bron- zebildnerei (de toreutice) und Malerei (de pictura) verfasste, zurückgehe und über den hellenistischen Gelehrten Antigonos von Karystos (um 200 v. Chr.) und den römischen Polyhistor Varro (116–27 v. Chr.) tradiert worden sei. Wenn auch die grundsätzliche An- nahme, dass die Kunstgeschichtsschreibung aus der kunstwissenschaftlichen Diskussion des 5. und 4. Jhs. v. Chr., wie sie z.B. in der nur in wenigen Fragmenten und Paraphra- sen erhaltenen Schrift „Kanon“ des Bildhauers Polyklet geführt wurde (vgl. Kat. 9.2.), hervorgegangen sei und sich unter Einfluss der sich in der Philosophie vollziehenden Sy- stembildung in der Spätklassik und im frühen Hellenismus zu einer eigenständigen Dis- ziplin ausgebildet habe, zutreffend sein dürfte, ist die intertextuelle Abhängigkeit – wie neuere Untersuchungen zeigen konnten – weitaus komplizierter als die von Schweitzer angenommene Traditionslinie. Z.B. lässt sich anhand der auf einem vor wenigen Jahren entdeckten Papyrus erhaltenen Andriantopoiikades Poseidipp von Pella wahrscheinlich

Description:
In this catalog of an exhibition at the cast gallery of ancient sculpture of the Free University of Berlin, for the first time ancient sculptures are presented together with the literary and epigraphic evidence from the 6th century BC to the 11th century AD, and both given equal emphasis. Based on a
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