Siegfried Kaiser Telebesprechungen in der planenden Ministerialverwaltung WIRTSCHAFTSINFORMATIK Siegfried Kaiser Telebesprechungen in der planenden Ministerialverwaltung Entwurf und Evaluation eines IT-gestutzten Kooperationsmediums Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Klaus G. Troitzsch Deutscher Universit~its-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dissertation Universitiit Koblenz-Landau, 2002, u.d.T.: Siegfried Kaiser, Telebesprechungen in der tiffentlichen Verwaltung und ihre UnterstOtzung - Entwurf und Evaluation eines IT-gestOtzten Kooperationsmediums 1. Auflage Januar 2004 Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitiits-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 Lektorat: Ute Wrasmann / Britta Gtihrisch-Radmacher Der Deutsche Universitiits-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschOtzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.9s unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere fOr Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen System en. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dOrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN-13:978-3-8244-2176-3 e-ISBN-13:978-3-322-81234-6 001: 10.1007/978-3-322-81234-6 Fur Barbara, Ruth uud Jakob Geleitwort Telebesprechungen als neue Kooperationsforrnen fiir die offentliche Verwaltung haben im Zuge des Tei!umzugs der Bundesministerien von Bonn nach Berlin eine erhebliche Bedeutung gewonnen. Urn ihren Einsatz, ihre Moglichkeiten und Beschrankungen zu analysieren, hat Siegfried Kaiser jahrelang am Verbundprojekt POLIWORK mitgewirkt und dabei Gelegenheit gehabt, den Gegenstandsbereich seiner Arbeit in einer Weise kennenzulemen, wie das Promovenden sonst wohl eher selten moglich ist. Die vorliegende Arbeit, die am Fachbereich Inforrnatik der Universitat Koblenz-Landau als Dissertation entstanden ist, versteht ihren Gegenstandsbereich als soziotechnisches System und ihre Methode als die der Aktionsforschung, deren gestaltender Aspekt die Gestaltung von Inforrnationstechnik und die Gestaltung sozialer Systeme gleicherrnaBen umfassen muss. In einem ersten Schritt entwirft die Arbeit ein Modell von Telebesprechungen und Telekonferenzinfrastruktur, welches wesentlich auf den empirischen Ergebnissen in POLIWORK aufbaut und in ein Sollkonzept tiber das Wesen und die adaquate Unterstiitzung von Telebesprechungen einmtindet. In einem zweiten Schritt unterzieht sie auf der Basis der genau dokumentierten Beobachtung des Einfiihrungsprozesses die Annahmen aus diesem Sollkonzept einer eingehenden Evaluation und weicht dabei auch der Frage nicht aus, inwieweit die Erfahrungen aus POLIWORK auf andere Kontexte - auch auBerhalb der offentlichen Verwaltung - tibertragen werden konnen. Siegfried Kaiser hat sich nicht darauf beschriinkt, einfach tiber den Ablauf des Projekts, an dem er so lange beteiligt war, nach der Methode "how we did it" zu berichten und Projektergebnisse darzustellen. Vielmehr liegt der Arbeit eine Systematik zu Grunde, die sich bis in die Einzelheiten der GJiederung verfolgen lasst. Die in dieser Arbeit vorgenommene Modellbildung und die darauf aufbauende Analyse der mtindlichen Kooperation und der Einfiihrung von Telebesprechungen treibt nicht nur die wissenschaftliche Diskussion der Wirtschaftsinforrnatik und - mehr noch - der Verwaltungsinformatik weiter voran. Sie gibt zugleich auch den von den beschriebenen Einfiihrungsprozessen Betroffenen wichtige Wegleitungen, wei! die Darstellung zugleich aus wissenschaftlicher Perpektive und aus der Perspektive von Anwendem erfolgt. Prof. Dr. Klaus G. Troitzsch Vorwort Am 20. Juni 1991 fasste der Deutsche Bundestag den Beschluss zur Vollendung der Deut schen Einheit. Entsprechend seiner Umsetzung im Kombinationsmodell werden die Dienstsit ze der Bundesministerien auf die beiden Regierungsstandorte Berlin und Bonn aufgeteilt. Am jeweils anderen Standort wird eine Kopfstelle eingerichtet, urn den Kontakt zn den dort ange siedelten Bundesministerien und Verfassungsorganen zu pflegen. Als Voraussetzung fUr eine effektive und effiziente Verwaltungstatigkeit trotz Dislozierung der Kooperationspartner wur den Telekooperationstechnologien auf der Basis einer leistungsfahigen Netzwerkinfrastruktur, dem Informationsverbund Berlin-Bonn, angesehen. Zwar standen eine Reihe von Telekoope rationstechnologien bereit. Es war jedoch unklar, ob sie den Anforderungen eines Einsatzes in der Bundesverwaitung geniigten, wie sie einzufUhren waren und ob sie den erhofften Nutzen - eine effiziente und effektive Bundesverwaltung trotz Dislozierung - erzielen wiirden. Vor diesem Hintergrund wurde 1993 yom damaligen Bundesministerium fiir Forschung und Technologic das Forderprogramm POLIKOM mit dem Ziel aufgelegt, Telekooperationstech nologien fUr die dislozierte Zusammenarbeit zwischen den Regierungsstandorten Berlin und BOIm zu entwickeln und erproben. Angestrebt wurden Referenzlosungen fUr die gesamte Bundesverwaltung, deren Nutzenpotentiale in Pilotversuchen aufgezeigt und nachgewiesen werden sollten. 1m Rahmen des Forderprogramms POLIKOM wurden daher die vier Ver bundprojekte PoliTeam, POLIWORK, POLIFLOW und POLIVEST zwischen 1994 und 1998 durchgefUhrt (zu den vier POLIKOM-Projekten: Reichwald et aI., 1998, S. 190ff; BMBF, 1997; BMBF, 1998). Ziel des Verbundprojekts POLIWORK "Telekooperation am person lichen Arbeitsplatz" war eine ganzheitliche Unterstiitzung fUr die Vorgangsbearbeitung am personlichen, elektroni schen Arbeitsplatz zu realisieren. Die schriftliche Kommunikation sollte dort im Regelfall elektronisch erfolgen und die miindliche in erheblichem MaGe technisch vermittelt stattfinden (Kaack, 1995, S. 88). Die Aufgabenstellung erwies sich als technisch, organisatorisch und anwendungsbezogen so komplex, dass im Mai 1996 eine Einschrankung auf die Unterstiit zung der miindlichen Kooperation in Telebesprechungen und Telegesprachen vorgenommen wurde. In POLIWORK gab es zwei Pilotbereiche, einen im Bundesminister1um des Innem und dem Bundesamt fUr Sicherheit in der Informationstechnik, einen anderen im Bundesmi nisterium fUr Wirtschaft. Im ersten wurden Telebesprechungen im Gruppentelebesprechungs raum (Teamarbeitsraume in der POLIWORK-Terminologie) eingefUhrt und evaluiert, im zweiten Telebesprechungen und TeJegesprache mit Arbeitsplatzsystemen. Die Mitarbeit des Autors im ersten Anwenderfeld bildet die Grundlage fUr die vorliegende Arbeit. In POLIWORK wurden einige Fragen aufgeworfen, die sich im Rahmen der Projektarbeit nicht beantworten lieDen, da dort der Fokus auf der Realisierung einer Telekonferenzinfra struktur als Unterstiitzungsumgebung fUr die miindliche Kooperation im Pilotbereich lag. Die Pilotanwender waren sich bewusst, dass ihre Zusammenarbeit Eigentiimlichkeiten aufwies, hieiten diese jedoch fUr eher zweitrangig. Ob sich Telebesprechungen in del' planenden Minis terialverwaltung von denen in anderen Anwendungsbereichen unterscheiden und ob sie eine besondere Unterstiitzungsumgebung benotigen, lieD sich so alIenfaIls erahnen. Ein Erarbeiten eines gemeinsamen Bezugsrahmens fiir verschiedene Formen der miindlichen Kooperation und eine Systematisierung von Varianten in der Unterstiitzung von Telebesprechungen und x Vorwort Telegespriichen wurde hingegen fUr die Fragestellungen im Projekt als allenfalls nachrangig betrachtet. Die Pilotierung von Telekooperationssystemen und damit auch von Telekonferenzsystemen kann sich nicht auf die Implementierung eines technischen Systems beschrlinken. Insbesonde re bei einer relativ ausgereiften Technik wie Telekonferenzsystemen besteht die eigentliche Herausforderung darin, die Entwicklung von Anwendungen, organisatorischem Ralunen und Informationsteclmik unter den zeitlichen, finanziellen und institutionellen Ralunenbedingun gen eines konkreten Projekts zu integrieren. FUr diese Aufgabestellung erwies sich die Tiitig keit des Autors als Anwendungsbetreuer an der Schnittstelle zwischen Anwendern und Ent wicklern in POLIWORK als wichtig. Die Vermittlungsfunktion zwischen den beiden Welten erlaubte gleichzeitig einen tiefen Einblick in beide. Am Ende der Arbeit gibt es viele Personen, denen ich fUr Anregungen, Kritik, Gespriichsbe reitschaft und das Schaffen der erforderlichen Rahmenbedingungen danke. Prof. Dr. Heino Kaack betreute die Arbeit seit ihren Anflingen. Mein Dank gilt seiner Unter stiitzung bei der Themenfindung und seinen vielfaItigen methodischen und inhaltlichen Anre gungen. Sein Tod am 8. Miirz 1998 stellte eine herben Verlust dar. Dr. Andreas Engel war von Anfang an in die Betreuung der Arbeit einbezogen. Nach dem Tod von Prof. Dr. Kaack iibernalun er die Hauptlast der Betreuung. Den intensiven Diskussi onen mit ihm in den verschiedenen Arbeitszusammenhangen an der Forschungsstelle fiir Ver waltungsinformatik verdanke ich viele AnstoBe. Prof. Dr. Klaus G. Troitzsch iibernalun nach dem Tod von Prof. Dr. Kaack die Rolle des Dok torvaters. Ich danke ihm insbesondere fUr methodische Anregungen und sein kritisches Lesen aus der Perspektive eines POLIWORK-Externen. Prof. Dr. Jiirgen Ebert stieg im Friihjahr 1999 in die Betreuung der Arbeit ein. Thm verdanke ich viele Hinweise zur Textgestaltung. Zudem war er ein kritischer POLIWORK-extener Le ser. Ich danke meiner Kollegin Andrea Kern und meinen Kollegen Olaf Hermans und Andreas Mayer an der Forschungsstelle fUr Verwaltungsinformatik aus dem Projekt POLIWORK. Ers terer verdanke ich viele Hinweise zur dokumentenbasierten Vorgangsbearbeitung. Letzterer war der Gegeniiber in vieien Diskussionen. Ebenso danke ich den Kollegen der Forschungsgruppe POLIWORK am Lehrstuhl fUr Wirt schaftinformatik, insbesondere Informationsmanagement an der Universitiit zu Koln. Die Zu sammenarbeit mit ihnen war vor allem in der zweiten Projektphase von einem sehr kollegia len Klima gepriigt. Das erlaubte nicht nur eine enge Abstimmung von Evaluationsstrategien und -instrumenten, sondern fUhrte zu anregenden Diskussionen iiber die unterschiedlichen Unterstiitzungsansiitze in den beiden Pilotbereichen von POLIWORK. Ein besonderer Dank gilt den Pilotanwendern von POLIWORK. Sie haben sich neben ihrer Arbeit viel Zeit fUr Interviews, Gespriiche und Selbstaufschreibungen genommen. Zudem wurde ihre Geduld einerseits beim Umgang mit der zuweilen sperrigen Technik und anderer seits beim Warten auf Feedback zu Anregungen und Kritik stark in Anspruch genommen. Vorwort XI Mein Dank gilt ebenfalls den Entwicklem in POLIWORK im Institut fur Integrierte Publika tions- und Infonnationssysteme am ehemaligen Forschungsinstitut fiir Infonnationstechnik GmbH (GMD) und beim Solution Engineering Research Center der Hewlett-Packard GmbH, Biiblingen. Der konstrUktiven Zusarnmenarbeit mit ihnen verdanke ich einen erheblichen Teil des Einblicks in die Telekonferenztechnik. Sie gaben aber auch einige wertvolle Hinweise auf technikinduzierte Innovationspotentiale. Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Barbara und meiner Tochter Ruth. Sie haben viele Stunden auf mich verzichtet und viele Ausfliige ohne mich untemommen, darnit ich geniigend Ruhe zum Arbeiten hatte. Barbara hat auBerdem die Arbeit Korrektur gelesen. SchlieBlich haben mich beide motiviert, zu Ende zu kommen, damit ich endlich wieder Zeit fiir Wichtige res im Leben habe. Siegfried Kaiser Inhalt 1 EINLEITUNG .................................................................................................................. 1 1.1 Telebesprechungen in der offentlichen Verwaltung ............................................. 1 1.2 Integrierte Anwendungs-, Organisations-und Technikentwicklung als Aktionsforschung ...................................................................................................... 5 1.2.1 Aktionsforschung ................................................................................................ 5 1.2.2 Integrierte Anwendungs-. Organisations-und Technikentwicklung .................. 6 1.2.3 Allgemeines Vorgehensmodell ........................................................................... 7 1.3 Rabmenbedingungen fiir den Entwicklungsprozess ........................................... 11 1.3.1 Pilotcharakter des Vorhabens ............................................................................ 11 1.3.2 Aufgabentyp: Kooperation und Telekooperation .............................................. 13 1.3.3 Zugang zum Anwenderfeld ............................................................................... 19 1.4 POLIWORK ........................................................................................................... 20 1.5 Metamodell .............................................................................................................. 27 1.5.1 Episoden der mtindlichen, synchronen Kooperation ......................................... 30 1.5.2 Kooperationspartner als Anwender ................................................................... 32 1.5.3 Kooperationsprozesse und Kooperationsgruppen ............................................. 33 1.5.4 Organisation ...................................................................................................... 34 1.5.5 Telekonferenzinfrastruktnr ................................................................................ 35 1.6 Uberblick ................................................................................................................. 36 2 PERSONLICHE BESPRECHUNGEN, PERSONLICHE GESPRACHE UND TELEFONATE (1ST -ANAL YSE) ................................................................................ 39 2.1 Personliche Besprechungen, personliche Gesprache und Telefonate als Episoden .................................................................................................................. 39 2.1.1 Inhalte ................................................................................................................ 40 2.1.2 Teilnehmer ......................................................................................................... 42 2.1.3 AnstoB ............................................................................................................... 46 2.1.4 Formalisierungsgrad .......................................................................................... 47 2.1.5 Szenarien ftir personliche Besprechungen, personliche Gespdiche und Telefonate .......................................................................................................... 50 2.2 Kooperationspartner als Anwender ..................................................................... 53 2.2.1 Motivation ......................................................................................................... 54 2.2.2 Handlungen, Operationen und Ressonrcen ....................................................... 57 2.2.2.1 Terminvereinbarung ..................................................................................... 58 2.2.2.2 Inhaltliche Vorbereitung .............................................................................. 62 2.2.2.3 Technische Vorbereitung ............................................................................. 66 2.2.2.4 Anreise bzw. Verbindungsaufbau ................................................................ 67