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Technisches Freihandzeichnen: Lehr- und Übungsbuch PDF

257 Pages·2013·4.353 MB·German
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Technisches Freihandzeichnen Ulrich Viebahn Technisches Freihandzeichnen Lehr- und Übungsbuch 8., überarbeitete und erweiterte Aufl age Ulrich Viebahn An der Höhe 2A 51643 Gummersbach ISBN 978-3-642-24342-4 ISBN 978-3-642-24343-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-24343-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer Vieweg © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1993, 1996, 1999, 2002, 2004, 2007, 2009, 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikro- verfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Vieweg ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vieweg.de Geleitwort Das technische Freihandzeichnen ist für den Ingenieur und Konstrukteur ein wich- tiges Informationswerkzeug und Ausdrucksmittel, das mit dem zunehmenden Einsatz von CAD–Systemen eine neue Bedeutung erlangt. Wenn auch in Zukunft eine Fertigungszeichnung oder ein maßstäblicher Entwurf rechnerunterstützt entsteht und damit die handwerkliche Tätigkeit des eigentlichen Zeichnens zurück- tritt, steigt aber das Bedürfnis, in einer Vorbereitungsphase oder bei Lösungsdiskus- sionen konstruktive Absichten unmittelbar zu entwickeln und leicht verständlich festzuhalten. Neuere denkpsychologische Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Finden von Lösungen deuten darauf hin, daß es für den suchenden Ingenieur und Konstrukteur sehr hilfreich ist, wenn er die Gedanken, die sich in seinem Kopf zu Vorstellungen verdichten, aus der Hand fließen lassen kann und sie dabei bildhaft verkörpert. Der freie Skizziervorgang entlastet seine Gedanken, schafft Freiräume und Anregungen für weitere Ideen und unterstützt sein räumliches Vorstellungsvermögen. Es ist für mich eine besondere Freude, daß der Autor zu einem Zeitpunkt, in dem Rechnereinsatz und konstruktionsmethodisches Vorgehen konventionelle Konstruk- tionstätigkeit verändern, mit seinem Buch über Technisches Freihandzeichnen eine leicht faßliche Wegweisung für die praktische Anwendung bietet und zugleich ein bedeutsames Zeichen für künftig zweckmäßige Entwicklungen setzt. Meinem ehemaligen Diplomkandidaten und langjährigen Hilfsassistenten im Tech- nischen Zeichnen und Maschinenelementen, der anschließend in einer vielfältigen konstruktiven Industrietätigkeit reichhaltige Erfahrung gewinnen konnte und nun an der Fachhochschule Gießen wirkt, wünsche ich mit diesem Buch einen anhaltenden Erfolg. Mögen sich möglichst viele Studenten, Ingenieure und Konstrukteure die vom Autor vermittelten Fähigkeiten zu ihrem persönlichen Nutzen zu eigen machen und damit zur Selbstverständlichkeit einer wieder zweckmäßigen Art der Vermitt- lung technischer Zusammenhänge beitragen. Darmstadt, im September 1992 Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c.mult. Gerhard Pahl Vorwort Es geht nicht um gerade Linien oder perfekte Kreise. Dafür gibt es Computer. Es geht um Ihre Freiheit, unbeschwert Technik zu gestalten (cid:105) Technik ist schon schwierig genug. Freihandzeichnen heißt: Befreiung von ungeeigneten Hilfsmitteln und Werkzeugen. Wer Freihandzeichnen kann, hat mehr Freude bei der Arbeit. Und deshalb doch: Entdecken Sie, wie Sie gerade Linien und perfekte Kreise zeichnen können – ohne Hilfsmittel. Befreien Sie sich von den motorischen und mentalen Belastungen durch den Zeichenvorgang: Je weniger Sie darüber nach- denken müssen, wie Sie etwas darstellen sollen, desto besser können Sie sich dem widmen, was Sie darstellen wollen. Machen Sie während der Lektüre ein paar von den Übungen. Die Idee, mich bewußt mit dem Freihandzeichnen zu beschäftigen, ist in mehreren Etappen gereift. Viele Studenten taten sich beim Konstruieren schwer, ihre Ideen als Handskizzen darzustellen – nur aus der Furcht vor krummen Linien. Ich habe also begonnen, das Skizzieren systematisch zu lehren. Danach war ich überrascht, daß die meisten Studenten nach wenigen Übungen tatsächlich präzise Handskizzen anfertigen konnten: Freihandzeichnen braucht nicht Drill und lange Übung. Jeder Mensch kann die einfachen Formen der Technik schön darstellen. Aber Zeichnen ist kein Selbstzweck: Man braucht es besonders zum Konstruieren. Weil elementare Grundlagen gerne übergangen und deshalb vernachlässigt werden, habe ich als Einstieg ein Kapitel zu Kopfrechnen, Maßaufnahme, Bemaßung, Tole- ranzen und Gestaltung eingefügt. Die Konstruktionsforschung beschäftigte sich vor 25 Jahren wieder mit den elemen- taren Techniken des Konstruierens – nachdem sie Ende der 60iger Jahre lang große Hoffnungen auf Computer gesetzt (oder geweckt) hatte. Nun entdeckte sie wieder die zentrale Rolle des Zeichnens beim Konstruieren. Natürlich: Jede Maschine, jedes System hat einmal als Skizze angefangen – nicht im Computer. Wolfgang Richter verdanke ich den Anstoß, das Freihandzeichnen einem größeren Publikum mit einem Lehrbuch zu erschließen. Mein Dank gilt auch der Resonanz aus der Leserschaft: Sie hat das Buch über die Jahre stetig verbessert. Viele meiner Bilder und Formulierungen sind (zitiert und unzitiert) in Skripten und kommer- ziellen Seminaren gelandet. Meinem Sohn Felix danke ich für seine Korrekturen. Ich danke Professor Pahl für seine fortwirkende Konstruktionsausbildung, für die Freude am Konstruieren und für seine außergewöhnliche Unterstützung. Ich danke dem Springer-Verlag dafür, daß er früh die Bedeutung des Themas erkannte und für die langjährige angenehme Zusammenarbeit. Gummersbach, im März 2013 Ulrich Viebahn Inhalt 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Anwendungen der Freihandzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Denken und Skizzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3 Computer Aided Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.4 Methodische Überlegungen für die Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.5 Selbststudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Handwerkliche Grundlagen 2.1 Was man zum Freihandzeichnen braucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2 Linienbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3 Kinematik des Armes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4 Wie man den Stift hält . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.5 Andere Schreibgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.6 Mit dem Füller zeichnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.7 Das Sehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3 Geraden und Rechtecke 3.1 Wie man eine gerade Linie zieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2 Gerade durch zwei Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.3 Rechtecke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.4 Parallelogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4 Augenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1 Abmessungen schätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.2 Halbieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.3 Verdoppeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.4 Dritteln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4.5 Fünfteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.6 Winkel konstruieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.7 Winkel teilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.8 Kreisumfang durch 5, 7 und 9 teilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.9 Trigonometrische Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5 Bogen und Kreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5.1 Kreisdurchmesser 50 bis 200 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.2 Kreisdurchmesser unter 50 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6 Modellieren 6.1 Proportionen schätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6.2 Formen modellieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 7 Handwerkszeug für das Konstruieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 7.1 Kopfrechnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 7.2 Maßaufnahme von Teilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 7.3 Maßaufnahme im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 7.4 Deutliche Zeichnung und deutliche Bemaßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 x Inhalt 7.5 Toleranzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7.6 Freihändige Fertigungszeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.7 Maßstäbliche Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7.8 Schematische Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 8 Konstruieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 8.1 Gute Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 8.2 Technische Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.3 Ästhetische Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 8.4 Technische Details: unüberlegt, fehlerhaft, teuer . . . . . . . . . . . . . . . 117 9 Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9.1 Vorteile der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 9.2 Projektionsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 9.3 Blickrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.4 Richtung und Länge der Achsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 9.5 Genaue Konstruktion des Koordinatendreibeins . . . . . . . . . . . . . . . 133 9.6 Orientierung in der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 10 Geometrische Konstruktionen in der Perspektive 10.1 Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10.2 Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 10.3 Quader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 10.4 Durchstoßpunkte und Schnittlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 10.5 Modellierung in der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 11 Ellipsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 11.1 Ellipsendurchmesser 100 bis 200 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 11.2 Ellipsendurchmesser 30 bis 100 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 11.3 Ellipsendurchmesser unter 30 mm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.4 Formfehler von Ellipsen erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 11.5 Einfache Isometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 11.6 Drehteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 11.7 Sonderprobleme mit Ellipsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 12 Standardformen in der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 13 Perspektivische Fertigungszeichnungen 13.1 Schnitte, Ausbrüche, Details . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 13.2 Bemaßung und Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 14 Zeichnen für Fortgeschrittene 14.1 Bauteile und Baugruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 14.2 Anschaulichkeit verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 14.3 Schnell zeichnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 15 Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1 Einführung Freihandzeichnen ist Freiheit. Jeden Tag sind Sie mehrmals in Situationen, in denen eine schnelle Skizze umständliche Erklärungen vermeiden würde. Stattdessen mühen Sie sich vielleicht mit dem Computer, mit Fotografien, mit Beschreibungen – meist nur mit dem Erfolg, daß Ihre Mehrarbeit hinterher nicht einmal gewürdigt wird. Die Mühe und die fehlende Anerkennung führen dann dazu, daß Sie vor der Mittei- lung eines schwer darzustellenden Zusammenhanges oder einer neuen Idee zurück- schrecken. Dabei sind es gerade die vielseitigen und komplexen Dinge, die uns vor Langeweile bewahren. Wie leicht schließen Sie sich von der Entwicklung interes- santer Dinge aus, wenn Sie Ihre Ideen und Arbeitsbeiträge nicht schnell und deutlich mitteilen können. Und: Wer hat im Zeitalter des E-mail-Ping-Pong schon Zeit, sich erst mit Computer- darstellungen zu beschäftigen? Sie sollen auf dem Weg zu einer Lösung nicht schon bei den Fragen steckenbleiben: "Kann ich es überhaupt darstellen?", "Sieht es professionell aus?" "Kann ich den Empfänger dafür interessieren?" Die erfahrenen Praktiker arbeiten tagtäglich mit kleinen spontanen Zeichnungen und Handskizzen ("... ohne das gehts garnicht !"): • in Angeboten • in Verhandlungen mit Kunden • bei Maßaufnahmen • beim Konstruieren • in Besprechungen mit den eigenen Mitarbeitern • bei dringenden Reparaturen • bei Versuchen • in Berichten und Studien • in Bedienungsanleitungen Befragt man diese Praktiker, so haben sie sich das Skizzieren erst im Berufsleben langsam angeeignet; man könnte fast sagen: sich getraut und angewöhnt. Es drängen sich zwei Gedanken auf: • Es wäre effektiver, das Freihandzeichnen "richtig", also unter Anleitung, zu lernen. • Schon für jeden Schüler, Lehrling und Studenten wäre die Beherrschung des Frei- handzeichnens eine Erleichterung: durch den unglaublichen Zeitgewinn und durch seine Ausdrucksmöglichkeiten in Lehrveranstaltungen und Prüfungen; das beein- druckt und überzeugt jeden Lehrer. Dieses Buch führt Sie systematisch und schnell zu Ihren im Verborgenen "schlum- mernden" Zeichenfähigkeiten. U. Viebahn, Technisches Freihandzeichnen, DOI 10.1007/978-3-642-24343-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 2 Einführung 1.1 Anwendungen der Freihandzeichnung Meistens verlangen es die Umstände, freihändig zu zeichnen. Man kann das Frei- handzeichnen aber auch bewußt pflegen, einerseits wegen "harter" Argumente wie der Zeitersparnis und der hohen Informationsdichte, andererseits wegen "weicher" Argumente wie der Genuß durch Ästhetik, Einfachheit, Geschicklichkeit, Unabhän- gigkeit. Freihandzeichnungen können unterschiedlich aussehen. Das liegt an der jeweiligen Mischung von Informationsgehalt, Genauigkeit und Schnelligkeit. 1. Skizze: Sie besteht aus wenigen Strichen zur Verdeutlichung einer Anordnung, eines Prin- zips, einer Form; mit Füller oder Kugelschreiber; mit geringsten Aufwand übermit- telt sie große Informationsmengen pro Zeit; man verwendet sie in Situationen, wo Worte ungeeignet sind oder nicht zur Verfügung stehen (Sprachbarrieren!); sie begleitet ein Gespräch und dient als Gedankenstütze; sie kann als gewachsene Skizze ein gemeinsames Diskussionsergebnis darstellen; mit einem Dokumenten- scanner läßt sie sich an E-mails anhängen. 2. Konstruktionsskizze: Sie ist vollständiger und detaillierter als die Skizze und hat meistens einen techni- schen Bezug: persönliche Arbeitsunterlage eines Technikers, bevorzugt räumlich, um sich etwas zu verdeutlichen; sie dient als Kristallisationspunkt und Anregung für neue Ideen oder als Ausgangssituation einer systematischen Problemlösung – alle Maschinen und Systeme haben einmal als Konstruktionsskizze angefangen. Bei Maßaufnahmen dient sie der Dokumentation einer Situation: Gebäudelayout, Anschlußmaße, Versuchsaufbau usw. 3. Fertigungszeichnung: Sie wird freihändig und nach den Regeln des Technischen Zeichnens auf A4...A3 angefertigt, wenn z. B. eine CAD-Zeichnung wegen Zeitdruck, Erklärungsaufwand oder fehlendem Zeichner nicht sinnvoll ist; sie ist die typische Fertigungsunterlage für Musterbau, Entwicklung, Vorrichtungsbau, Versuchsabteilungen; besonders bei Änderungen. Die Freihandzeichnung ist der dramatisch kürzeste Weg von der Idee zum fertigen Teil. Perspektivische Details verbessern die Verständlichkeit. 4. Illustration: Sie ist eine Freihandzeichnung, bei der der Zeitgewinn gegenüber einer CAD-Zeich- nung noch sehr deutlich ist, aber nicht mehr im Vordergrund steht: Wenn der Zweck einerseits Vollkommenheit, Schönheit und Verständlichkeit erfordert, andererseits aufwendige Techniken wegen der begrenzten Auflage oder Bedeutung übertrieben wirken würden: bei Lehrunterlagen, Versuchsberichten, wissenschaftlichen Arbeiten. Perspektive verbessert die Verständlichkeit sehr. Man findet die freihändige Illustra- tion oft in Prospekten – natürlich, um dynamisch und kompetent zu wirken. (Pervers ist übrigens die Funktion, aus einer geradlinigen CAD-Zeichnung eine "verwackelte" Handzeichnung zu generieren.)

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