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Tatort: Biographie: Spuren. Zugänge. Orte. Ereignisse PDF

214 Pages·1997·4.989 MB·German
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Tatort: Biographie Imbke Behnken Theodor Schulze (Hrsg.) Tatort: Biographie Spuren. Orte. Ereignisse Zugănge. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1997 Gedruckt auf siiurefreiem und altersbestiindigem Papier. ISBN 978-3-8100-1880-9 ISBN 978-3-663-11598-4 (eBook) DOI 10.1007/ 978-3-663-11598-4 © 1997 Springer Fachmedien Wiesbaden Urspriing1ich erschienen bei Leske + Budrich,Opladen Das Werk einschlieBlich aHer seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzuliissig und stratbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Einleitung: Biographie als Tatort Imbke Behnken / Theodor Sehulze ............................................................ 7 Im Interview Erika M. Hoeming: Sozialer Wandel und kulturelles Kapital. Zwei Fallgesehiehten zum Professionalisierungsproze/3 im Umbrueh der DDR ................................................................................... 15 Im Tagebuch und im Gedicht Imbke Behnken / JUrgen Zinneeker: Expressives Sehreiben in der Adoleszenz. Berieht aus einer qualitativ-empirisehen Studie ................. .41 Anke Melchior / Beatrix Piezonka: Die erste biographisehe Spur: Wie zwei Diaristinnen ihr Tagebueh beginnen ........................................ 57 Vor Ort uod im Bild Theodor Sehulze: Walter Benjamin: Loggien. Eine Untersuehung zur Bedeutung von Orten in Lebensgesehiehten ...................................... 75 Margret Kraul: Biographisehe Ortsbegehung auf Mathilde Vaertings Spuren ...................................................................... 94 5 Im Fernsehen Wolfgang Seitter: 'WiIIemsens Woche'. Die Talkshow als Ort plldagogisch strukturierter Wissensvermittlung und biographischer (Selbst-)Prllsentation ............................................... 117 Jochen Kade: "Tatort" und "Polizeiruf IlO". Biographien, Institutionen und Plldagogik zweier Kriminalserien des Femsehens in beiden deutscher Staaten ........................................... 136 In der Szene Ralf Bohnsack / Bodo Wild: Cliquen, Banden und Vereine: Die Suche nach MilieuzugeMrigkeit ..................................................... 161 Burkhard Schliffer: Die "HipHop Family DDR". Stil-Findung Jugendlicher in biographischer Perspektive ...................... 181 Zwischen den Kulturen Erich Renner: Navajo Trail of Beauty versus American Way of Life: Probleme individueller Modemisierung in einer traditionellen Kultur .................................................................. 209 Die Autorinnen / Autoren ........................................................... 225 6 Einleitung: Biographie als Tatort Es ist nicht so, daJ3 die Beitrltge in diesem Band mit Blick auf den Titei "Tatort : Biographie" und das, was wir mit ihm verbinden, konzipiert und geschrieben, diskutiert und ausgewlthlt worden wltren. Das, was wir hier verMfentlichen, sind die ausgearbeiteten Fassungen von Vortrltgen, die auf mehreren Tagungen der Arbeitsgruppe "Erziehungswissenschaftliche Bio graphieforschung" in der "Deutschen Gesellschaft fllr Erziehungswissen schaft" in den Jahren 1995 und 1996 gehalten wurden. Das jeweilige Rah menthema der Tagungen war relativ weit gefaJ3t. Eine gezielte Auswahl war nicht angestrebt. So sind sehr verschiedenartige Beitrltge zusammengekom men. Und doch geben sie eine gemeinsame Tendenz in der erziehungswis senschaftlichen Biographieforschung zu erkennen, die man als "Intensivie rung" kennzeichnen k~nnte: Suche nach weiteren Zuglingen, Interesse fllr verschiedene Methoden und Materialien, BemUhung um Differenzierung, Aufmerksamkeit auf Unterschiede, Arbeit am Detail in unterschiedlichen Feldem und Zusammenhlingen. Der Titei "Tatort : Biographie" war erst ein nachtrltglicher Einfall. Einer der Beitrltge hatte dazu den Ansto13 gegeben. Aber, wie das zuweilen mit guten Einfl1l1en so geht, sie bringen sehr viei mehr ins Spiel, als im ersten Augenblick erkennbar war. Der Titei drtlckt jene Tendenz zur "Inten sivierung" in einer assoziationsreichen Metapher aus, und er erweist sich als geeignet, die verschiedenartigen Beitrltge auch theoretisch sinnvoll aufeinan der zu beziehen. Ort und Tat geraten in ihnen in unterschiedlicher Weise und Bedeutung in den Blick. Die ZwischenUberschriften markieren verschiedene Zugltnge, Handlungsfelder und Perspektiven. - Wir sind es gewohnt, Biogra phie als Proze13 oder Proze13muster, als Folge von Schritten, Statuszuweisun gen, Entwicklungsaufgaben oder Wachstumskrisen oder als Laufbahnen im sozialen Raum aufzufassen. In diesem Sammelband wird Biographie als Tatort vorgestellt. Ein Tatort ist ein Ort, an dem etwas geschieht oder geschehen ist, das der Aufklltrung harrt. Im Strafproze13 oder im Kriminalroman ist dieser Begriff verhliltnismliBig eindeutig. Bei der Tat handelt es sich um ein Verbrechen, meistens um einen Mord, und der Tatort ist der Ort, an dem dieses Verbre chen ausgefllhrt wurde. Doch was bedeuten Tat und Ort in Verbindung mit Biographie und im Zusammenhang der Biographieforschung, und was ist es, das dort der Aufklltrung bedarr? Ort kann in Verbindung mit Biographie vielerlei bedeuten: der Geburts ort und der Ort, an dem ich sterben werde; ein Ort, an dem ich aufgewachsen bin, an dem ich gearbeitet und gelebt habe; ein Ort, fllr den ich mich ent schieden habe, und ein Ort, an den es mich verschlagen hat; ein Ort, an dem ein UnglUck geschehen ist, und ein Ort, an dem ich glUcklich war; ein Ort, an 7 den ich mich erinnere und ein Ort, an dem ich mich erinnere, an dem ich meine Erinnerungen aufschreibe - meine Erlebnisse, Gefllhle, Gedanken - oder ein Ort, an dem ich sie ertiihle - meine Geschichte, ein Schreibtisch mit Blick aus dem Fenster oder ein Wohnzimmertisch, auf dem ein Tonbandgerlit steht, und mir gegenUber sitzt eine Interviewerin; das Blatt Papier, auf das ich schreibe; das Tonband, das ich abht>re, der transkribierte oder gedruckte Text; eine Talkshow, in der jemand aus seinem Leben ertiihlt; ein Femseh studio, in dem eine Biographie entworfen und in Szene gesetzt wird oder ein Archiv, in dem Lebensgeschichten verstauben und darauf warten, wieder entdeckt zu werden; ein imaginlirer Ort; ein Ort, von dem man trliumt oder an den man denkt, Hirnmel und Ht>lIe, diesseits und jenseits, irgendwo in der Welt und tiefinnen in mir. Aber "Tatort"? Was kann denn Tat meinen, wenn von Biographie die Rede ist? Vielleicht: ein Erlebnis oder eine Entscheidung, eine Entdeckung oder eine Erfindung - Entdeckung eines Widerspruchs, einer Bruchstelle oder einer Mt>glichkeit im Gefllge des Wirklichen oder Erfindung eines biographi schen Entwurfs, einer anderen Weise zu leben, einer neuen Tonart oder eines neuen Stils, eine Erfahrung oder eine Erkenntnis - uber das menschliche Leben, uber das individuelle Dasein unter dem Druck der Verhliltnisse und in den Rliumen der Freiheit, eine unmerkliche Verlinderung in der Konfigura tion der Beziehungen, in der Lagerung der Gewichte, in der vorherrschenden Stimmung oder Einstellung oder ein jliher Wandel im Selbstverstlindnis, in der Weltsicht oder in den objektiven Bedingungen der individuellen Exi stenz. Das Vielerlei bedUrfte der ordnenden Analyse. Wir begnUgen uns hier mit einigen Uberlegungen, die als orientierende Hinweise dienen kt>nnen: 1. Es handelt sich bei Biographien immer um das Nebeneinander ver schiedener Orte - Eltemhaus, Schule und Disco oder Wohnung, Arbeitsplatz und Kneipe. Es handelt sich aber immer auch um die Gleichzeitigkeit ver schiedenartiger Orte. Da ist der wahrgenommene und der erinnerte Ort und der Ort des Erinnems, der intime Ort perst>nlicher Betroffenheit oder der t>ffentliche Schauplatz der Selbstinszenierung, der vorgefundene Ort des Lebens, der Besinnung oder der Erzlihlung und der kUnstiich geschaffene Ort der Befragung, ein Ort mit einem konkreten Publikum und ein Ort mit einem imaginierten Publikum, ein realer Ort und ein fiktiver Ort, ein konkreter Ort und ein gesellschaftlicher Ort, der Ort damals, der Ort heute und der Ort, der einmal sein wird, Standort, Ausgangspunkt und ZieI. Das Ineinander und Zueinander der verschiedenartigen Orte weist auf die Mehrdimensionalitlit biographischer Prozesse. Einer dieser Orte steht jeweils im Mittelpunkt der Aufinerksamkeit. Er verweist auf die anderen. Mal ist es der Ort der Insze nierung, der einen Ort des Lebens oder Erlebens vergegenwartigt. Mal ist es ein Ort des Erinnems, der einen Ausblick auf kUnftiges Leben gewlihrt. Mal ist es ein Text, der auf einen Ort, den es nicht mehr gibt, verweist, und mal 8 ein Ort, ein Haus, ein Raum, der auf einen Text verweist und auf ein Leben, das vergangen ist. So zeigt sich Biographisches immer in einer bestimmten Perspektive. 2. Biographie ist das Geschehen in der Zeit, ein ProzeB. Doch die Zuord nung im Raum verleiht dem Geschehen die Wirklichkeit. "Geboren am 20. 4. 1889" ist der Anfang einer Geschichte. Doch noch ist die Geschichte abstrakt und gesichtslos. Nur der Zeitpunkt ist bestimmt. "Geboren am 20. 4. 1889 in Braunau am Inn" - das macht die Geschichte zu einer wirklichen, zu dieser einen unverwechselbaren, schrecklichen und bluttriefenden Spur, die der Name "Adolf Hitler" besiegelt. Die Bestimmung des Ortes versetzt den zeit lichen Verlauf nicht nur in eine irdische Existenz, sondem dam it auch zu gleich in ein Kr1iftefeld gesellschaftlicher Verh1iltnisse. Der Ort ist nicht der Wirklichkeitspunkt, sondern selbst ein Stllck Wirklichkeit. Er ist nicht nur der Ort, an dem etwas geschieht. Er ist selbst am Geschehen beteiligt. Er setzt Bedingungen - beispielsweise die Erfahrung, ausgegrenzt zu sein, und den Wunsch dazuzugeMren, die Sehnsucht "Heim ins Reich!". Der Blick aus dem Berliner Salon in den Hinterhof oder das bUrgerliche Haus an der Dorf straBe deutet auf soziale Spannungen hin und das Verlangen, sie zu Uberwin den oder zu verstehen. Das Navajo-Dorf in Monument Valley, entdeckt auf einer Reise durch die USA, I1iBt den Gegensatz kultureller Lebensweisen ahnen. Was vielleicht ein vom Schmerz bet1iubtes Weitennachen war, wird in der TaJkshow zum musterhaften Verhalten stilisiert, das Bewunderung ein bringt. 3. Biographie ist Bewegung - die Bewegung eines menschlichen Lebens im soziokulturellen Raum. Nicht der Ort ist biographisch bedeutsam, sondem die Ortsver1inderung. Das kann mehreres bedeuten: Die Bewegung von ei nem Ort zu einem anderen: Ortswechsel - ein Umzug, eine Reise, ein Aus landsaufenthalt, das ist oft ein einschneidender Vorgang in einer Biographie, AnlaB zu Anpassung und Umstellung, AnlaB rur das BewuBtwerden von Bedingungen und MBglichkeiten, AnlaB rur Erinnerungen, Bkologische Oberg1inge als quasi-experimentelle Situationen. Oder die Bewegung fort von einem bekannten und vertrauten Ort: Ortsverlust - AblBsung vom E1- temhaus, von der Familie oder Auswanderung oder Vertreibung und Emi gration, Verlust und Neuorientierung. Oder die Bewegung hin zu einem noch unbekannten Ort: Ortssuche - Suche nach einem geeigneten Platz in der Ge sellschaft, nach einer angemessenen Position in der Verteilung der Arbeit und der GUter und in der Rangordnung der EinflUsse und Wirkungen oder nach einem Ort in einem anderen Land oder nirgendwo, Immigration und Utopie. Aber die Bewegung kann sich auch innerhalb desselben Orts vollzie hen: Ortsver1inderung - als Austausch zwischen dem biographischen Subjekt und seiner Umwelt, als Eindringen, Entdecken, Untersuchen, Einrichten, Ausgestalten und Ausphantasieren oder als Heranwachsen in einer Umwelt, als Erweiterung der Reichweite, Verlagerung der Schwerpunkte, Wechsel des 9 Standorts und damit der Perspektive. Aber nicht nur das biographische Sub jekt, auch der Ort kann sich liIldem: Ortswandel - neue StraBen, neue Stra Benschilder, neue StraBennamen, neue Lokale, neue Besitzer. Das sind ver schiedene Bewegungsm~glichkeiten, in denen sich der biographische ProzeB vollzieht. 4. Doch die Bewegung ist noch nicht die Tat. Wenn es Oberhaupt sinn voll ist, im Zusammenhang mit Biographie von "Tat" zu sprechen, dann wohl deshalb, weil wir das unbestimmte, aber sichere GefUhl haben, daB in jeder Biographie nicht nur etwas verlliuft, sondem auch etwas geschieht oder geschehen ist, daB im Verlauf des biographischen Prozesses etwas entsteht, das es vorher nicht gegeben hat, daB die Bewegung etwas hervorbringt. Von "Emanation" ist die Rede. Doch es scheint nicht so einfach zu sein, das Her vorgebrachte, das Besondere, das in einer Biographie in Erscheinung tritt, zu erfassen. Relativ einfach scheint das noch zu sein, wo es sich um einfluBrei che und sch~pferische Menschen handelt - um StaatsmliIlner und Staatsfrau en, Forscherinnen und Forscher, KOnstier und KOnstierinnen. Da gibt es Vertrlige und VertragsbrOche, Proklamationen und Siege oder Entdeckungen oder Werke. Wir gehen indessen davon aus, daB jede Biographie etwas her vorbringt, das eine "Tat" genannt werden kann - eine oder viele. Doch es ist im Einzelfall noch schwer zu sagen, was das ist. Es gibt einige Modelle, die ungeflihr umschreiben, was gemeint sein k~nnte. Zum Beispiel das Modell der Erfahrung: Menschen widerflihrt etwas, das sie nicht intendiert haben, das sie beglOckt annehmen oder erleiden oder vollziehen. Sie machen eine Erfahrung, die ihr Leben bestimmt, von der sie immer wieder sprechen oder die sie in sich vergraben. Tatort ist das Erlebnis von etwas, das sich ereignet. - Oder das Modell der Entscheidung, ein existenzphilosophisches Modell: Menschen entschlieBen sich, eine Aufgabe zu Obemehmen oder sich mit einem anderen Menschen zu verbinden. Sie treffen eine Entscheidung, der sie dann treu bleiben oder sie auch irgendwann verraten. Tatort ist die Ent scheidung oder der Verrat. - Oder das Modell der Deutung: Menschen erin nem sich an vieles, das sie erlebt, gesehen, geh~rt haben und das ihnen so durch den Kopf ging, an Gedanken, GefUhlen, Einflillen, Trliumen. Sie geben ihnen eine Bedeutung, einen Sinn. Sie formen daraus ein Bild oder eine Ge schichte. Tatort ist die Deutung oder die Erzlihlung. - Oder das Modell der Erfindung: Menschen entwerfen eine Weise zu leben, sich lebendig zu liu Bem, oder sie probieren sie aus. Sie machen eine Er-findung. Sie kreieren eine biographische Modalitlit wie eine Mode, die sie dann Mfentlich insze nieren und zur Schau stellen. Tatort ist die Erfmdung und ihre Inszenierung in der Offentlichkeit. - Es mag noch mehr Modelle geben. Diese erschienen uns hinreichend unterscheidbar. 5. Das was wir hier im Zusammenhang von Biographie als "Tat" umris sen haben, ist - auch da, wo es ~ffentlich in Erscheinung tritt, - selten als Tat bewuBt und erkennbar. Die "Tliterinnen" und "Tliter" wissen oft selbst nicht, 10 was ihnen da geschieht oder was sie da tun, oder sie wolIen es nicht wissen, nicht wahrhaben, oder sie kOnnen es nicht einscMitzen oder angemessen sprachlich ausdrUcken. Dieser Umstand ruft die Biographieforschung auf den Plan. Biographieforscher und Biographieforscherinnen verhalten sich in vieler Hinsicht wie Detektive. Sie miBtrauen dem, was die Beteiligten und Betroffenen l1uBem. Sie vermuten, daB diese etwas verbergen oder zu ver bergen haben. Sie achten auf Spuren und gehen ihnen nach. Sie glauben, daB es da unter der Oberfll1che narrativer Interviews oder verborgen im autobio graphischen Text oder auch in anderen biographischen Zeugnissen, in Fotos oder Akten, etwas gibt, das es aufzukl11ren gilt. Aber anders als Detektive oder Kriminalkommissare wolIen sie nicht die "Tat" aufkl11ren, sondem das, worauf diese hinweist. Sie sind nicht am Besonderen interessiert, sondem am Aligemeinen. Alierdings - auch das geMrt zu den EigentUmlichkeiten der Biographieforschung - sie sucht sich dem Aligemeinen, den geselischaftli chen Strukturen und historischen Prozessen, den Problemen der Nationen, Klassen, Kulturen, Geschlechter und Generationen, den sakularen UmbrU chen und Wandlungen liber das Besondere zu n11hem - liber das Besondere individuelier Erlebnisse, Entscheidungen, Deutungen, Entwlirfe und Erfin dungen. Was in einem biographischen Text als Topos autobiographischen Erz11hlens vorkommt, verweist nicht nur auf einen bestimmten Ort in der individuelien Lebensgeschichte, sondem zugleich auch auf einen geselI schaftlich bestimmten Ort, auf einen Ort, an dem Individuen auf die GeselI schaft, auf ihre Strukturen, Anforderungen und Bedingungen stoBen und an dem sich die Geselischaft auf Individuen hin konkretisiert (siehe Schulze 19971). Das sind Tanzstunden und Diskotheken, Loggien, blirgerliche Stadt wohnungen und Pensionen, die FuBbalistadien und Hlitten der Yeibichai Zeremonie, die Talkshows und die Femsehstudios, in denen Krimiserien gedreht werden und die amtlichen Briefe, in denen das Ergebnis des Abwick lungsprozesses mitgeteilt wird. Der eigentliche Ort, der durch Biographien bezeichnet wird, ist das geselischaftliche Gefilge in seinen unz11hligen Artiku lationsstelien und BerUhrungspunkten. Und was als "Tat" in der detektivi schen Aufkl11rungsarbeit der Biographieforschung erkennbar wird, sind die Reibungen, Verschmelzungen und Transformationen, die Verschiebungen der Gewichte und die Verlagerungen der Krl1fte, die WidersprUche, EinbrU che und ZusammenbrUche und die Entstehung neuer Formationen. Es sind die Mutationen in der soziokulturelien Evolution der menschlichen Gattung, die kleineren oder grOBeren SprUnge in der Geschichte der Menschheit. Und so sind es denn auch nicht die einzelnen Individuen, die, nachdem die Ermitt lungsarbeit beendet ist, vor Gericht stehen. Es sind die geselischaftlichen Schulze, Th.; Das AIIgemeine im Besonderen und das besonder AIIgemeine. In: Hansen Schaberg, 1. (Hrsg.): "etwas erzllhlen". Die lebensgeschichtlichen Dimension in der PlId agogik. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren 1997 11

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