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Tabu und Tabubruch: Literarische und sprachliche Strategien im 20. Jahrhundert. Ein deutsch-polnisches Syposium PDF

238 Pages·2002·12.569 MB·German
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Hartmut Eggert Janusz Golec Hg. Tabu und Tabubruch Literarische und sprachliche Strategien im 20. Jahrhundert Tabu und Tabubruch Hartmut Eggert / Janusz Golec (Hrsg.) Tabu und Tabubruch Literarische und sprachliche Strategien im 20. Jahrhundert Ein deutsch-polnisches Syposium Verlag J. B. Metzler Stuttgart · Weimar Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Tabu und Tabubruch : Literarische und sprachliche Strategien im 20. Jahrhundert/Ein deutsch-polnisches Symposium/Hartmut Eggert und Janusz Golec (Hrsg.) -Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2002 (M-&-P-Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung) ISBN 978-3-476-45292-4 ISBN 978-3-476-02873-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-02873-0 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. M & P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung © 2002 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J .B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2002 Inhaltsverzeichnis Hartmut Eggert/Janusz Golec: Vorwort.............................................................................................................................. 7 Geschichtskonstruktionen ohne Verdrängung? Hartmut Eggert: Säkulare Tabus und die Probleme ihrer Darstellung. Thesen zur Eröffnung der Diskussion.............................................................. 15 Joanna Jablkowska: Zwischen Tabuisierung und deren Überwindung. Zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels und seiner Tradition .................................................................................................... 25 Cornelia Müller: "Etwas bis zur Vergasung tun". Sprachtabu als kollektive Trauerarbeit? 43 Janusz Golec: Gedächtnisarchäologie. Die Stadt Danzig/Gdansk bei Stefan Chwin ................................................ 63 Wienczyslaw A. Niemirowski,: Geschichten ohne Vorgeschichte: Leid und Schuld in deutschen Erlebnisberichten von der Flucht 1945 .................................... 73 Izabella Golec: Darf die polnische Mutter erotisch sein? Der Skandal um den Fernsehfilm Boia podszewka ................................. 85 6 Vorwort Ästhetik der Leiblichkeit Tadeusz Namowicz: Zur Tabuisierung der Sexualität in den literarischen Texten der deutschen Aufklärung ....................................................................................... 97 lrmela von der Lühe: "Eine kleine, sehr unabhängige Novelle." Thomas Manns Erzählung Wälsungenblut und das Tabu der Geschwisterliebe ........ 115 Hartmut Eggert: Der späte Prozeß über ,Entartete Kunst'. Zum Skandal um Die Blechtrommel in den sechziger Jahren ................................................... 131 Marek Dziuba: "Butts"-Lästerung. Über den Sinn des profanen Tabubruchs in Der Butt von Günter Grass ............................................................................... 141 Hans Richard Brittnacher: Von der Vergänglichkeit der Tabus. Über Happenings, den Wiener Aktionismus und das Orgien Mysterien Theater............ 151 Schreiben unter totalitärer Herrschaft Wojciech Kunicki: "Wer den Führer so liebt wie wir, der braucht vor keinem Wort Angst zu haben". Zur Funktion des politischen Tabus in Hans Christoph Kaergels Schlesische Dichtung der Gegenwart. .............................................................. 177 Halina Ludorowska: Tabu: Anpassung. Zu Günter de Bruyns Autobiographie Vierzig Jahre .............................. 213 Ute Speck: Herta Müller: Tabubruch als Schreibprinzip ............................................... 227 Autorenverzeichnis ..................................................................................................... 241 Hartmut Eggert / Janusz Golec Vorwort Das vorliegende Buch ist eine Annäherung an ein großes Thema der Li teratur- und Gesellschaftsgeschichte; seine besondere Kontur ergibt sich aus der Zusammensetzung seiner Beiträger und seiner Entstehungsge schichte: Polnische und deutsche Germanisten trafen sich im Herbst 2000 in der Nähe von Lublin/Ostpolen zu einem Symposium "Literari sche und sprachlichen Strategien im Umgang mit gesellschaftlichen Ta bus". Das Thema war entstanden aus Diskussionen über "Schweigen und Sprechen"1 zwei Jahre zuvor. Wann ist Schweigen Ausdruck von sozia len und seelischen Zwängen und Verboten, oder wann ist allzu beredtes Sprechen Anzeichen von Verschweigen? Bei solchen Fragen war häufig der Tabu-Begriff ins Spiel gekommen, ohne daß er präzisiert werden konnte. Wenn Polen und Deutsche zusammentreffen, dann liegt das Thema immer wieder nahe, als Ausdruck vor allem des Umgangs mit der Ge schichte des 20. Jahrhunderts: Deutsche mit deutscher Geschichte, Polen mit polnischer Geschichte, Deutsche und Polen in ihrem belasteten Ver hältnis zueinander: "Das ist immer noch ein heikles Thema für Polen, - immer noch heikel zwischen Deutschen und Polen", wenn es um politi sche Geschichte ging; "Keine Tabus mehr?" - wenn die Sprache auf die Medienkultur und ästhetische Konzeptionen einer liberalen (oder libertä ren?) Gesellschaft kam. Eine Vielfalt von Gegenstandsfeldern bot sich an. In der akademischen Lehre auf dem gleichen Gebiet der deutschen Sprache und Literaturt ätig, gehalten, Forschungsarbeiten anzuleiten, und engagiert, dabei die "heißen Eisen" (eine Metapher aus der Tabu-Ge schichte) nicht auszusparen, waren den Beteiligten die Umrisse eines » Hartmut Eggert/Janusz Golec (Hrsg.): » ... wortlos der Sprache mächtig<<. Schweigen und Sprechen in der Literatur und sprachlicher Kommunikation. Stuttgart!Weimar: Metzler 1999 (M & P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung). 8 Hartmut Eggert /Janusz Golec neuzeitlichen Tabu-Begriffes und einer wissenschaftlichen Methodolo gie, die auf die Erhellung solcher Phänomene gerichtet sind, eher un deutlich. Schaut man in wissenschaftliche Nachschlagewerke, so siedelt die Tabuforschung vorrangig in der Ethnologie und Religionswissen schaft als Ermittlung (frühzeitlicher) Kulthandlungen und in der frühen Soziologie und in der Psychoanalyse, die mythische Traditionen und So zialverhalten bzw. Neurosenlehre miteinander in Beziehung setzt; ihre wissenschaftlichen Höhepunkt hatte sie im ersten Drittel des 20. Jahr hunderts. Welche Hilfestellung war für Literatur- und Sprachwissen schaftler aus diesen Wissenschaftstraditionen zu gewinnen, wenn es bei der Analyse von Texten nicht nur zu Äquivokationen oder metaphori schen Sprachgebrauch bei der Lokalisierung von , Verbotszonen' oder ,Verdrängungen' kommen sollte? Im Einladungstext zu dem Sympo sium, das im Rahmen einer Germanistischen Institutspartnerschaft zwi schen der Freien Universität (Berlin) und der Uniwersytet Marii Curie Sklodowskiej (Lublin) stattfand2, hieß es u.a.: Das Unberührbare, das die Lust erzeigt, es zu berühren, verweist auf ver botene Gelüste. Wann wird eine Normenkritik zur "Tabuverletzung", die mit Sanktionen belegt ist. Tabus sind dem Aufklärer der Stachel, gegen den es zu löcken gilt; Tabus haben Schutzfunktionen in dem konfliktuö sen Potential gesellschaftlichen Zusammenlebens; sie sind historisch nicht unwandelbar; zuweilen lösen sie sich auf, nicht immer ohne Provo kationen zerfallen sie, es entstehen neue Tabufelder. [. .. ] Für neuzeitliche Gesellschaften ist zu fragen, inwieweit die ethnologi schen und psychoanalytischen Theorieansätze hinreichen, um gesell schaftliche Tabuzonen und ihre Funktionen zu ermitteln und wie "Tabus" von anderen Verbotsphänomenen zu unterscheiden sind. Die Innova tionsästhetik der Moderne lebt häufig von der Tabuverletzung; wo ent faltet sich andererseits ästhetisches Potential rund um die Berührungslust und -furcht, weil die Vermeidung des Tabubruchs soziale Schutzfunktion hat? Gibt es spezifische Tabus in dem Verhältnis Polen-Deutschland in der Gegenwart und jüngerer Vergangenheit? Zeigen sich dem vergleichen- 2 Die Partnerschaft wird seit 1993 vom DAAD unterstützt; das Symposium von 24.-27. September 2000 in Nasut6w bei Lublin wurde durch finanzielle Förderung der Deutsch-polnischen Stiftung ermöglicht. Beiden Institutionen sei an dieser Stelle aus drücklich gedankt. Vorwort 9 den Blick unterscheidbare Tabuzonen in der jeweiligen Gesellschaft auf grund unterschiedlicher Wertetraditionen? Besonders valente , Tabufel der' sind traditionell: Körperlichkeit, Gender, Religion, Minderheiten, ei gene Verfehlungen und Beschädigungen; Macht und Öffentlichkeit (po litische correctness; Witzkultur usw.) Den Teilnehmern war freigestellt, aus ihren Arbeitszusammenhängen ei nen begrenzbaren Gegenstand zu bringen, der zur Klärung der allgemei nen theoretischen Bemühungen um das Tabu-Thema beitragen könne. Diese Offenheit in der Wahl des persönlichen Themas hatte spezifische Gründe in den asymmetrischen Voraussetzungen der Gruppen von älte ren und jüngeren, polnischen und deutschen Wissenschaftlern: Die deut schen Germanisten waren überwiegend nicht des Polnischen mächtig und hatten aufgrund ihrer Wissensdefizite zur polnischen Alltagskultur und ihrer Traditionen, zur polnischen Literaturgeschichte und Wissen schaftskultur in der Vergangenheit eine originäre Neugier und ein erheb liches Informationsbedürfnis. Die polnischen Germanisten, berufsmäßig mit Deutschland - insbesondere seiner Sprache und Literatur - befaßt, brachten über die Themensetzungen eigene Wertetraditionen, frühere und heutige Möglichkeiten wissenschaftlicher Beschäftigung mit "deut schen Themen" und andere kulturelle Sozialisationen ein. Beide verband und verbindet das Engagement an der kulturellen und politischen Ver mittlung beider Länder und Kulturen und die Freude darüber, daß sie gemeinsam an einem spannenden wissenschaftlichen Thema "Tabu und Tabubruch" arbeiten, in das die unterschiedlichen Herkunftsbedingungen und Kompetenzen einfließen, ohne daß deutsch-polnische Konfliktfel der, die "Narben der Geschichte" (die auch gute Gründe für zeitweilige Ausgrenzungen, für Tabus sein können) als das immer wiederkehrende Verdrängte, notwendig zum zentralen oder alleinigen Forschungsgegen stand werden müssen. Aus diesem Zusammenspiel von planerischen Rahmensetzungen und individueller Wahl ist ein Mosaik von Beiträgen entstanden, in denen sich überraschende Perspektiven und nicht ganz alltägliche Konstellatio nen ergeben, aber auch auf den zweiten Blick dann gar nicht so überra schende Akzentsetzungen. Die polnischen Kolleginnen und Kollegen be setzen das Tabu-Thema überwiegend politisch; die deutschen zentrieren ihren Blick stärker auf den Ästhetik-Diskurs der Moderne, ohne aller dings damit unpolitisch zu werden. Die Voraussetzungen politischer Öf fentlichkeit in den beiden Ländern spielen sicherlich in diese Schwer- 10 Hartmut Eggert / Janusz Golec punktbildungen hinein; aber auch die Dimensionen wissenschaftlicher Diskurse, in denen sie verankert sind. Die drei Gruppen, in denen die Beiträge dieses Symposiumbandes ge ordnet sind, folgen solchen Schwerpunkten, auch wenn andere Lesever knüpfungen sich einstellen könnten. Wohlwissend, daß nach heutiger wissenschaftlicher Lesegewohnheit in der Rezeption der Einzelbeitrag noch stärker wieder isoliert wird, sei eine solche Lesehilfe entlang der Textabfolge angeboten: Der Beitrag der Ladzer Germanistin Joanna Jablkowska zur Ge schichte der Friedenspreis-Reden des deutschen Buchhandels, in denen Enttabuisierung und Aufklärung deutscher jüngster Geschichte immer wieder ins Zentrum gerückt wurden, aber auch die Gefahr neuer Tabu bildungen beschworen wurden, - dieser Blick von außen auf die bundes republikanische Version, mit einer unvorstellbaren Tätergeschichte um zugehen, gewinnt seine besondere Härte durch die anschließende meta pherngeschichtliche Analyse des Wortes "Vergasen". Die Berliner Lin guistin Cornelia Müller verknüpft ihre etymologischen Nachforschun gen mit der eigenen politischen Sozialisations- und Oppositionsge schichte in der westdeutschen Nachkriegszeit. Wenn man bei der Lek türe bewußt den Gedanken hinzunimmt, daß die Vorträge in 20-km Distanz zu Majdanek gehalten wurden, dann verlieren sie jeglichen Rest akademischer Abstraktheit. Die Analyse von Stefan Chwins Tod in Danzig (1995, dt. 1997) hätte nicht diese Aufmerksamkeit von Germanisten gefunden, - worauf Ja nusz Golec anspielt - wenn nicht Die Blechtrommel von Günter Grass (1959, polnisch 1979) immer wieder als Hintergrundsfolie mitgelesen würde. Chwins Roman konnte als das Durchbrechen der Tabuisierung deutscher Geschichte Danzigs in der polnischen Nachkriegszeit gelesen werden; vorausgegangenes Ende oder ein Durchbrechen eines ehemals politisch verhängten Darstellungsverbots?-In die gleiche Zeit von Ver treibung deutscher Bevölkerung und Inbesitznahme ihrer Häuser durch ostpolnische Vertriebene führt der Beitrag von Wienczyslaw Niemi rowski, der offizielle westdeutsche Quellen von schlesischen Vertriebe nen über ihre Leidensgeschichte auf die Lücken in den Narrationen, frühe Dokumente von oral history, untersucht. In der Ergänzung durch die Vorgeschichte (hier: die Existenz des KZ Stutthof) wird in der histo rischen Analyse die Opfer-Täter-Perspektive wieder zusammengeführt,

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