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DIETER M. IMBODEN ETH Ziirich Umweltphysik Departement U mweltnaturwissenschaften CH -8092 Ziirich Schweiz DR. SABINE KOCH ETH Ziirich Umweltphysik Departement U mweltnaturwissenschaften CH -8092 Ziirich Schweiz 3. korrigierter Nachdruck der 1. Auflage 2008 ISBN 978-3-642-62878-8 ISBN 978-3-642-55667-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-55667-8 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet liber http://dnb.ddb.de abrufbar. p,ieses Werk ist urheberrechtlich geschUtzl. Die dadurch begrUndeten Rechte. insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfăltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bIeiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfăltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulăssig. Sie ist grundsătzlich verglitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer- V erlag Berlin Heidelberg 2003 Ursprunglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 2003 Softcover reprint of the hardcover I st edition 2003 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen. Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass so\che Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wăren und daher von jedermann benutzt werden dlirften. Herstellung: A. Oelschlăger Gedruckt auf săurefreiem Papier 30/2132 AO 5 4 3 2 1 Vorwort Buchstäblich ein Sprung ins kalte (See-)wasser Beide Autoren verbindet das Anliegen, auch machte den Erstautoren (DI) vor über dreis- jenen Studierenden, welche die Schule mit einem sig Jahren zu einem angewandten Umweltwissen- tiefsitzendenHorrorvorderMathematikundPhy- schaftler. Angeregt durch die damals neuen Ar- sik verlassen, die Nützlichkeit der quantitativ- beiten des Limnologen Richard Vollenweider über analytischen Werkzeuge zu vermitteln, ohne da- das Problem der Eutrophierung (Überdüngung) bei zu vergessen, dass diese Betrachtung andere, von Seen fragte sich der theoretische Physiker, gegenständlichere Auseinandersetzungen mit der obdievonVollenweiderempirischgefundenenZu- Natur nicht ersetzen können. Wir hoffen, Leser sammenhänge zwischen Phosphorbelastung, See- und Leserin lassen sich von unserer Begeisterung tiefe und Seezustand nicht durch ein mathema- anstecken. tisches Modell zu beschreiben wären. Das eigens DerComics-ZeichnerNikolasStürchler,insei- entwickelte Zweibox-Modell (Imboden 1973), des- nem richtigen Beruf Jurist, hat uns mit sei- sen Spuren auch in diesem Buch anzutreffen sind, nem vorwitzigen Dang, dem zerstreuten Professor schafftedasanvisierteZielverblüffendgutundbe- Dong und dem klugen Hund Ding geholfen, den gründete eine lange Liebe zur Modellierung von Stoffauchvonderlebensfreudigenundsportlichen Umweltsystemen. Seiteanzugehen.Vielleichtscheintunsergelegent- AlsvieleJahrespäterdieEidgenössischeTech- lichesAugenzwinkernüberdiesonstsoernsteMa- nische Hochschule (ETH) in Zürich 1987 einen thematik auch an anderen Stellen durch. vollständig neuen Studiengang mit dem program- Ein solches Buch wäre nicht zu realisieren oh- matischen Titel „Umweltnaturwissenschaften“ ne eine ganze „Werkstatt“ von kompetenten Per- einführte, bestand ein wichtiges Anliegen darin, sonen im Hintergrund. Besonders danken möch- die damals oft noch als „weich“ empfundene Um- tenwirCécileHaussenerKellerundAnnaSchuler weltwissenschaft mit einem soliden quantitativen für ihren unermüdlichen Einsatz beim Schreiben Unterbau zu versehen. So entstanden die Vorle- des Textes, Thomas Siller, Paul Büttner, Michael sung Systemanalyse und später dieses Buch. Kost und Tobias Oetiker bei der Gestaltung der Die Zweitautorin (SK) hat in Bayreuth Geo- Figuren und des Layouts sowie Sibyl Imboden für ökologie studiert, ein Studiengang, der 1978 mit ihr sorgfältiges Lektorat. Und schließlich gilt ein ähnlichen Ansprüchen gegründet worden war wie besonderer Dank all unseren Studierenden an der später die Umweltnaturwissenschaften an der ETH, welche uns sowohl durch ihre aufmuntern- ETH Zürich. Während ihres Promotionsstudi- den Rückmeldungen als auch mit ihrer aufbauen- ums an der ETH im Bereich der Bodenwissen- den Kritik zu einer ständigen Verbesserung der schaften war sie besonders von dem konsequent Vorlesung ermuntert und damit wesentlich zum quantitativen Ansatz in ihrer Lieblingsvorlesung Gelingen dieses Werkes beigetragen haben. „Systemanalyse“ fasziniert.Späterleitetesiewäh- rend einiger Jahre den Übungsbetrieb zu dieser Im November 2002 Vorlesung. Dieter Imboden, Zürich Sabine Koch, Tübingen Inhaltsverzeichnis Vorwort v 1 Einleitung 1 1.1 Systemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Was ist ein System? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Was ist ein Modell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.4 Modellbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.5 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 Mathematische Modelle 15 2.1 Vom System zum Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Statische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.3 Dynamische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.4 Zeitlich diskrete Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5 Räumlich kontinuierliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.6 Stochastische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.7 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Statische Modelle 33 3.1 Gleichgewichtsverteilung zwischen Wasser und Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.2 Gleichgewichtsverteilung zwischen Wasser und Sediment . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.3 Mehrdimensionale statische Modelle . . . . . . . . . . . . . 37 3.4 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4 Lineare eindimensionale Modelle 43 4.1 Bilanzgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4.2 Konstante Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.3 Modelle mit zeitabhängigen Koeffizienten . . . . . . . . . . 59 4.4 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5 Lineare mehrdimensionale Modelle 81 5.1 Zweidimensionale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5.2 Mehrdimensionale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.3 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6 Nichtlineare Modelle 127 6.1 Einbox-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6.2 Mehrdimensionale Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.3 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 7 Zeitdiskrete Modelle 167 7.1 Zeitdiskrete Modelle mit einer Variablen . . . . . . . . . . . 167 7.2 Zeitdiskrete Modelle mit mehreren Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 7.3 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 8 Modelle in Raum und Zeit 191 8.1 Mischung und Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 8.2 Advektion, Diffusion, Austausch . . . . . . . . . . . . . . . 194 8.3 Stationäre Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 8.4 Zeitabhängige Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8.5 Fragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A Symbolliste 231 B Dimensionen und Einheiten 235 B.1 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B.2 Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 C Formelsammlung 237 C.1 Lineare inhomogene Differentialgleichung 1. Ordnung . . . . 237 C.2 System von 2 linearen Differentialgleichungen 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 238 C.3 Lineare Differentialgleichung 2. Ordnung . . . . . . . . . . . 239 C.4 Lineare Differentialgleichungen mit imaginären Eigenwerten 241 D Eigenwerte 243 D.1 Das n-dimensionale System . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 D.2 Das zweidimensionale System . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 E Zeitabhängige Diffusionsgleichung 247 E.1 Normal- oder Gauss-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 247 E.2 Error-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 E.3 Lineares Superpositionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Literaturverzeichnis 251 Index 253 Kapitel 1 Einleitung Vorbemerkung DiesemBuchliegteinSkriptderVorlesung„Systemanalyse“ zugrunde,wel- ches im Laufe der vergangenen zwölf Jahre entstanden und seither mehr- mals überarbeitet worden ist. Die Vorlesung gehört, zusammen mit denje- nigen über Analysis, Differentialgleichungen und lineare Algebra, zur ma- thematischen Grundausbildung der Umweltnaturwissenschaften und ver- wandterStudienrichtungenanderEidgenössischenTechnischenHochschule (ETH) in Zürich. Das Buch soll Interesse und auch Spaß bei der Anwendung der oft so trockenenMathematikvermitteln.AktuelleBeispieleundÜbungsaufgaben aus den verschiedensten Richtungen der Umweltwissenschaften, wie Lim- nologie, Populationsökologie oder Umweltchemie zeigen anschaulich, wozu das mathematische Handwerkszeug dienen kann. Ein gewisses qualitatives Grundwissen zu umweltrelevanten Fragestellungen wird dabei vorausge- setzt. D. Imboden et al., Systemanalyse © Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2003 2 Einleitung Obwohl das Buch mehr sein will als eine mathematische Abhandlung über die Analyse und Modellierung von natürlichen Systemen, so spielen dochgewissemathematischeGrundlageneinewichtigeRolle.Dazugehören Kenntnisse über gewöhnliche lineare Differentialgleichungen mit einer oder mehreren Variablen, über Vektor- und Matrizenrechnung, über lineare Al- gebra und schließlich, wenn auch nur am Rande, Einblicke in die Welt der nichtlinearen sowie der partiellen Differentialgleichungen. Die meisten der verwendeten mathematischen Techniken werden im Anhang rekapituliert. Die dortigen Darstellungen enthalten aber keine Beweise. In vielen Fällen werden sie jemandem, der noch nie mit der entsprechenden mathemati- schen Theorie konfrontiert war, ein gutes mathematisches Lehrbuch nicht ersetzen können. Wenn sich auch die meisten der hier verwendeten Beispiele auf Anwen- dungen im Gebiet der Umweltforschung beziehen, in denen die Autoren selber aktiv sind, so soll diese Auswahl nicht den falschen Eindruck er- wecken, es handle sich hier um eine Einführung in die Theorie aquatischer oder terrestrischer Umweltsysteme. Ein wichtiges Ziel dieses Buches liegt vielmehr darin, das schier unbegrenzte Anwendungspotential der vermit- telten Theorien zu zeigen. Die potenziellen Benutzer und Benutzerinnen sollen dazu ermuntert werden, das entwickelte Werkzeug für die Lösung eigner Fragestellungen zu verwenden. Im ersten Kapitel wird ein kurzer Einblick in die Philosophie der Mo- dellbildung in den Naturwissenschaften gegeben. Der mathematische For- malismus wird hier noch keine Rolle spielen. 1.1 Systemanalyse Heracleitus Die Naturwissenschaften begreifen unsere Umwelt oder kurz „die Welt“ als (536–470 v. Chr.): ein dynamisches System. Um diese Welt beschreiben und analysieren zu παντα ρ(cid:7)ι können, haben sie im Laufe der Jahrhunderte eine unglaubliche Fertigkeit panta rhei darin erlangt, das System „Welt“ in immer kleinere Stücke zu unterteilen, gr.: „alles fließt“ inTeilsystemealso,unddiesewiederuminSubteilsystemeusw.Diedaraus Systemanalyse 3 resultierenden Gebilde, wiederum Systeme, wurden dadurch für den be- schränkten menschlichen Geist analysierbar. In den meisten Fällen stützt sich diese Analyse auf mathematische Methoden. Deshalb handelt die Sy- stemanalyse von der Beschreibung von (Teil-) Systemen unserer Welt mit den Mitteln der Mathematik. DerallemzugrundeliegendeAnsatz,dasGesamtsystemzuerstinkleine übersichtliche Teilsysteme aufzuteilen und dann erst zu analysieren, wird Reduktionismus genannt. Der reduktionistische Ansatz wird mittlerweile von vielen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen kritisiert und sogar dafür verantwortlich gemacht, dass der technologische Fortschritt blind zu sein scheint für seine negativen Auswirkungen wie Umweltzerstörung, Kli- maveränderungen und Artensterben, aber auch für die negativen sozialen und politischen Konsequenzen, wie z.B. für den wachsenden Abstand zwi- schen den reichen und armen Ländern der Erde. Wir erheben hier nicht den Anspruch, für diese Auseinandersetzung — so wichtig sie ist — einen genuinen Beitrag leisten zu können. Wir denken aber, dass man nur kritisieren, verbessern oder gar überwinden kann, was man kennt. Dabei werden wir erfahren, dass die Charakterisierung eines wissenschaftlichen Ansatzes als reduktionistisch oder umgekehrt als holi- stisch immer auch eine Frage der eigenen Sichtweise ist. Ein Zellbiologe wird wahrscheinlich die Arbeitsweise einer Molekularbiologin als reduktio- nistisch bezeichnen. Das Gebiet der Zellbiologie erscheint ihm dagegen als holistisch.AndererseitskönnteeinePopulationsökologinausihrerSichtwei- se den Zellbiologen wiederum als reduktionistisch einstufen. Die Aufteilung in die unterschiedlichen Fachgebiete — hier am Beispiel der Biologie erläutert — erfolgt also nicht nur in die einzelnen Schubladen der Kommode (am Seitenrand), sondern jede Schublade wird wieder in viele weitere Schubladen unterteilt. Die dargestellte Kommode ist daher nur eine Ebene in der reduktionistischen Aufteilung. Eigentlich müsste die KommodeineinemRegalmitvielenFächernzusammenmitvielenanderen Kommoden stehen und jede Schublade dieser Kommoden wäre wieder in vieleTeilschubladenunterteilt.DieseIneinanderschachtelungdereinzelnen Fachgebiete gilt natürlich nicht nur für die Biologie. Der reduktionistische Denkansatz ist in den gesamten Naturwissenschaften verbreitet. Obschon es nicht das Ziel dieses Buches ist, diese Debatte von ihrer grundsätzlichen Seite her zu beleuchten, wird sie indirekt eine Rolle spie- len. Sie zwingt uns dazu, die hier entwickelten Methoden immer wieder kritisch zu durchleuchten. Noch existieren kaum Konzepte, mit denen die WeltohneRückgriffaufdieMethodedesTeilensvonAnfangan„ganzheit- lich“ (wasimmerdiesesWortauchbedeutenmag)begriffenwerdenkönnte. Auch wenn uns die Zukunft hier weiterbringen sollte, so werden wir doch immer auch auf das Analysieren angewiesen bleiben. Der Unterschied zur unreflektierten Anwendung des reduktionistischen Vorgehens liegt darin, dasswiralskritischDenkendediegrößerenZusammenhänge,dieSynthese, nicht aus den Augen verlieren dürfen. Dieses Buch will vermitteln, wie Systeme modelliert und untersucht werden können. Im Zentrum steht dabei das Prinzip, vereinfachte Bilder 4 Einleitung von komplexen Systemen zu konstruieren. Diese Bilder, Modelle genannt, haben in vielen Fällen eine mathematische Form, zum Beispiel diejenige eines Gleichungssystems. Die Konstruktion eines solchen mathematischen Modells lässt sich auf ein paar wenige Grundideen zurückführen. Zu diesen grundlegenden Kon- zepten gehören insbesondere: • die Bilanzierung von Masse, Energie oder der Anzahl von Objekten (z.B. Individuen einer biologischen Art) • die Beschreibung von chemischen oder einfachen biologischen Trans- formationen durch stöchiometrische Reaktionsgleichungen • die Beschreibung von Populationen durch Wachstums-, Sterbe- und Interaktionsgleichungen • dieBeschreibungvonTransportprozessendurchAustauschraten,Dif- fusions- bzw. Advektionsprozesse • die Anwendung statistischer Methoden zur Beschreibung von Syste- men mit vielen Freiheitsgraden DerLeseroderdieLeserinsollmitdiesemBuchdieFähigkeiterlangen, reale Systeme zu analysieren und mit Hilfe einfacher mathematischer Mo- delle quantitative Aussagen über das Verhalten eines Systems zu machen. Das setzt die Fähigkeit voraus, empirisch erkannte Eigenschaften in ei- ne mathematische Form zu bringen und die aufgestellten mathematischen Gleichungen (vor allem Differentialgleichungssysteme) diskutieren und in einfachen Fällen analytisch lösen zu können. Wir werden auch das Verhal- tenvonkomplizierterenModellenuntersuchen,aberohneaufdieexpliziten Lösungsmethoden einzugehen. Schließlich sollen die Grenzen der Simulati- on und das Auftreten mathematischer Artefakte aufgezeigt werden. BevorwirunsverschiedenemathematischeModellegenaueranschauen, müssen wir zuerst klären, was ein System und ein Modell eigentlich sind und welche Bedeutung die Modellbildung in den Naturwissenschaften hat. 1.2 Was ist ein System? Die Ameise und der Mistkäfer Ein Mistkäfer schaut einer Ameise zu, die sich abmüht, eine Fichtenna- del auf einen riesigen Haufen zu schleppen. „Was verschwendest du deine Kraft?“ fragtderMistkäfer,„AufeineNadelmehroderwenigerwirdesbei diesem wirren Haufen nicht ankommen. Was soll denn das Ganze sein?“ — „Ich baue an einem System!“, antwortet die Ameise schnippisch. Und beisichselberdenktsie.„DassdieskeinwirrerHaufenist,wirstdu,Mist- käfer, spätestens begreifen, wenn wir dich von unserem Gift gelähmt in unseren Bau schleppen.“
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