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Sylvester - ein Lichtspiel PDF

100 Pages·1924·2.639 MB·German
by  MayerCarl
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Carl Mayer SYLVESTER Ein Lichtspiel/ Un 'gioco di luci' a cura di Paolo Chiarini Marsilio Editori I edizione 1924 © Copyright 1924 by Gustav Kiepenheuer Verlag A.G., Potsdam. I edizione italiana agosto 196 7 Traduzione di Vanda Perretta PUBBLICATO DALLA MOSTRA INTERNAZIONALE D'ARTE CINEMATOGRAFICA DI VENEZIA CON LA COLLABORAZIONE DELL'ASSOCIAZIONE ITALIA NA PER LE RICERCHE DI STORIA DEL CINEMA Proprieta letteraria riservata © Copyright 1967 by Marsilio Editori Stampa delta Stamperia di Venezia INDICE VIII Enleitung des Herausgebers IX Introduzione dell'editore XVIII Vorwort des Regisseurs XIX Prefazione del regista XXIV Technische Vorbemerkungen des Autors XXV Avvertenze tecniche dell'autore XXVIII Personen XXIX Personaggi e interpreti 1 Sylvester. Ein Lichtspiel / Un 'gioco di luci' 171 Appendice 173 Vanina 177 Der letzte Mann 183 Nota del curatore 189 Illustrazioni EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS Film als Industrie - Film als Technik - Film als Kunst (Lehrmittel, Unterhaltung): die drei Formen, in denen sich die neue Erscheinung „Film" ausdrückt, zugleich auch die drei Entwicklungsprozesse, denen sie unterworfen ist. Es liegt in der Natur des Films und seines Zeitalters, dass sein inneres, sein künstlerisches Wachstum hinter der Frühreife seiner rapiden technischen und industriellen Ent wicklung weit zurückblieb, wozu die ständige Verwechslung und Vermengung der drei artverschiedenen Kriterien nicht wenig beitrug. Ja, dem noch Unfertigen wurde - gerade angesichts seiner weiten Natur, die bald der äusseren Sensa tion, bald der eindeutigen, bald der zweideutigen „Aufk lä rung", bald der zusammenhanglosen Bewegungskomik zu neigte - von ahnungslosen Freunden ebenso wie von beschränkten Feinden die Möglichkeit künstlerischer Ent wicklung überhaupt abgesprochen! Die Industrie, anfangs eine Kolonie kühner Lander oberer, gemengt mit zweifelhaften Abenteurern, tüchtig, aber traditionslos, mit allen Eigenschaften einer überraschen Karriere begabt, tat - mit wenigen Ausnahmen - von sich aus alles, diese Verwirrung zu erhöhen. Während sich die Phantasievolleren unter den Künstlern bemühten, dem Film aus seinen Bedingungen und seinem Material heraus zu orga nischen Gestaltungen zu verhelfen, verteidigte der Grossteil der deutschen Industrie den technisch-industriellen Film Herstellungsprozess gegen dessen eigentliche Vorausse{zung, die sie nicht kannten: den künstlerischen Film-Herstellungs prozess, den sie nicht anerkannten. Erst als W egener und Lubitsch - jener in Stoff und Stil, dieser in Ausdruck und Sylvester VIII Einfall - längst Bahn gebrochen hatten, als die Branche ,,Verpflichtungen" fühlte, rief man allgemein nach "Kunst". Da man instinktlos war gegenüber dem eigenen Material, angelte man nach Abgestempeltem in der Runde. Man griff nach "hochliterarischen" Stoffen, von deren Kredit das daraus zurechtgebogene, unfilmische Machwerk leben sollte (es ist im allgemeinen schwerer, ein Wortkunstwerk ins Filmische umzukomponieren, als ein künstlerisches Film werk frei zu erfinden). Da man nie die Idee, immer nur deren Klischee auffing, fiel man auf jede oberflächliche Parole herein. Da man die souveräne Fähigkeit entbehrte, aus dem Gestus und Körperakzent eines Menschen, aus der Sug gestionskraft seiner gesprochenen Bildvorstellungen, aus sei nem angewandten Effektinstinkt, kurz: aus seiner Persön lichkeit die spezifische Filmbegabung zu erfühlen 1, tastete man willkürlich unter Modeliteraten, Zeitklassikern, Theater professoren herum, nur um nach dem selbstverständlichen Misserfolg dieser Ausflüge ins angeblich "Künstlerische" sogleich wieder den "Publikumsfilm" gegen den doch von niemandem verfochtenen ,}iterarischen Film" auszuspielen! Genügen nicht schon diese von Missverständnis geschwolle nen Bezeichnungen? Als ob nicht jede Qualität im Film nur dem Filmischen entspränge! Als ob nicht der gelungene Film, wie jedes gelungene Schau-Spiel, seinen äusseren und seinen inneren Sinn und Effekt gleichzeitig auswirken müsste! Als ob nicht Ethik, Kunst und Erfolg in der Vol lendung sich stets die Hände reichten! Als ob nicht das Tiefe, gut gemacht und gut gebracht, über das ebenso wir kungsvolle Plache letzten Endes siegen müsste, schon mit dem Vorsprung seiner Leidenschaft! 0\7e s halb allein es sich - trotz allem - immer noch zu arbeiten lohnt.). Der höhere Typ des Regisseurs, der den künstlerischen Produktionsprozess des Autors in sich wiederholt und 1 die im Gipfel/all eine kombinierte Manuskript-, Regie-, Schauspieler und Organisationsbegabung sein wird. - Mit demselben Recht, mit dem man den Schauspieler "vorsprechen" lässt, müsste ein künstleri scher Filmleiter den Regie-Aspiranten sich „vorinszenieren" lassen. Dieser wird, sofern er wirklich Regie im Blut hat, mit Sprache, Bewegung oder Ausdruck eine spontan geschaffene Bilderwelt eines geplanten oder aufgegebenen Stoffes im Direktionszimmer in Takt und Tempo erstehen lassen. Sylvester X umsetzt, um ihn mit dem technisch-industriellen in Einklang zu bringen, blieb lange vereinzelt; sein höchster Typ, in dem Autor, Regisseur, Techniker und Organisator zu schöpfe rischer Einheit verschmelzen, ist heute erst in Ansätzen sichtbar: In den Kämpfen, die sich zwischen Manuskript einerseits, Regie und Industrie andererseits entwickelten, unterlag - der Film. Da auch das Manuskript einer "Technik" bedurfte, die sich äusserlich als Kenntnis des Ateliers und als Publikumsroutine kennzeichnete, hüllte man sich gerade dem höheren Autor gegenüber in die Mysterien des Faches und veschloss ihm nach Möglichkeit das Atelier. Der Regisseur strich und verbesserte Szenen, die Diva diktierte neue hinein, das "dramaturgische Büro" lieferte "Titel" und die Direktion "milderte" den Rest. Den höhe ren Bedürfnissen wurde Rechnung getragen, indem man ausser dem Hause "originelle Ideen" suchte, diese aber im Hause möglichst banal verarbeiten liess; dabei klagte man über "Mangel an Manuskripten", da man zwischen Mangel an Film-Routine, die sich lernen lässt, und Mangel an Film Sinn, Film-Phantasie, Film-Komposition, die sich nicht lernen lassen, nicht zu unterscheiden vermochte. Am sicher sten blieb man bei der Inzucht: Filmautor und Filmregisseur konnte im allgemeinen nur werden, wer Filmautor und Film regisseur schon gewesen war. Man missverstehe nicht: es gab natürlich immer und gibt insbesondere heute ein paar Stellen in Deutschland, an denen mit höheren Ansprüchen und unter höheren Aspekten wesentliche Arbeit geleistet wurde und wird, aber nicht Ausnahmebetriebe und Spitzenpersönlichkeiten, sondern die künstlerische und vor allem psychologische Gesamtsituation der Industrie mussten Tempo und \Vachstum der inneren Filmentwicklung bestimmen. Zur Förderung dieser inneren Filmentwicklung, zur Klärung der Begriffe und allseitigen Interessen unternahm es der Herausgeber 1, den künstlerischen Produktionsprozess dort, wo er noch ungetrübt zu fassen ist: im bisher verbor- 2 ungeachtet seiner unveränderten Überzeugung, die den künstlerischen Filmtyp der Zukunft im dramaturgisch und dichterisch organisierten Regisseur sieht (Siehe Berl. Börs.-Courier v. 11. VIII. 21). Sylvester XII genen Man u s k r i p t, dem Verständnis des Publikums, der Kontrolle der Kritik zu erschliessen. Es wurde als erstes das Werk eines schon anerkannten Autors gewählt, um dem ohnehin neuartigen V ersuch den Charakter des „Expe rimentes" wenigstens nach dieser Richtung hin zu nehmen (womit an den Wunsch, diese Sammlung einmal vielleicht als Mittler zwischen unbekannten Autoren und Industrie einsetzen zu können, nicht gerührt sein sollte). Die gleich zeitige Herstellung des Films durch ein künstlerisch be mühtes Unternehmen ermöglicht es, das Verhältnis der , verschiedenen Produktionsprozesse zueinander zu beobach ten, die sichtbaren Arbeiten des Autors auf der einen Seite, des Regisseurs, Photographen, Architekten auf der anderen Seite gegeneinander abzugrenzen. Der Herausgeber wandte sich an Carl Mayer, weil dieser Autor fast als einziger unter den deutschen Film künstlern vom Manuskript aus Filmstil geschaffen hat. Sylvester war niemals zur gedruckten Veröffentlichung bestimmt, das Manuskript lag fast fertig vor, als der Buch vorschlag erfolgte. Nicht w e i l, sondern o b wo h l Carl Mayer seine Manuskripte in einem ungewöhnlichen, höchst persönlichen Wort- und Satzstil schreibt, musste die Wahl auf ihn fallen; denn es wäre formal näher gelegen, diese Sammlung mit einem Drehbuch zu eröffnen, das in der Form in nichts sich von der üblichen unterschied, schon um das Missverständnis zu vermeiden, als ob etwa jedes Filmmanu skript in ähnlichem Bau und Rhythmus gearbeitet sein müsste! Doch Aufgabe und Sinn eines Filmbuches kann es einzig und allein sein, die in Bildern ersonnene Handlung mitsamt ihrer Atmosphäre und allen Kompositionsdetails auf Spielleiter, Architekten und Schauspieler durch das Mittel des Wortes präzisest zu übertragen - durch alle Mittel des Wortes, wenn irgend sie nur dem Verstand, dem Gefühl, der Phantasie sich mitzuteilen vermögen. Wenn hierzu die grosse Mehrzahl eine deskriptive, sachlich be richtende Sprache wählt, wenn andere versuchen, ihre Ge sichte malerisch impressionistisch zu übertragen, so unter nimmt es Carl Mayer, durch Ablauf und Rhythmus seiner Sätze selbst, durch Cäsuren, Artikulationen und Tempi, Sylvester XIV durch das wechselnde Mienenspiel seiner Sprache gleichsam, die gewollten Wirkungen unmittelbar und unwillkürlich hervorzurufen, wobei selbst die technischen Angaben in den Strom einbezagen werden. Nichts wäre verfehlter, als diese Sprache, die hier in doppeltem Sinne nur „Mittel", nur ein Glied in der Kette von der Vision des Bilddichters bis zum abrollenden Bildstreifen darstellt, sprachkritisch oder gar schulmeisterlich abzutasten; Carl Mayers Sprachstil, den sich nur beileibe niemand zum „Muster" zu nehmen versuche, wäre schon durch Carl Mayers auf der Leinwand erschienene Filme, schon durch seine Scherben allein vollauf bestätigt, selbst wenn sich nicht - über den ursprünglichen Zweck hinaus - an vielen Stellen eine selbständige, originale, bal ladesk-dichterische Wirkung schon aus der Lektüre ergäbe. Was die Wahl des Lichtspiels Sylvester speziell anlangt, so soll mit dieser Publikation keineswegs dem Werturteil über das Manuskript oder gar über dessen Inszenierung und Darstellung vorgegriffen werden. Doch darf hier erwähnt werden, was dem Herausgeber in dramaturgischer Hinsicht bemerkenswert schien: dass der Konflikt dieses Lichtspiels nicht, wie gewohnt, aus einer Leidenschaft oder einer Intri gue, sondern aus einer fast passiven Zuständlichkeit, grund los, fast anlasslos aus dem scheinbaren Nichts erwächst; dass ferner hier vielleicht zum erstenmal die vielfältige Um welt eines einfachen Geschehens nicht als Gegen- oder Neben -Handlung, sondern als Gegen- und Neben - Rhythmus, als An-, Mit- und Abklang, als verstär kendes, sinngebendes und erweiterndes Symbol eingeführt wird, bis zu solchem Masse, dass an entscheidender Stelle die Handlungsspannung abbricht und - gleichsam unterir disch - handlungslos durch die Steigerung der unbeteiligten Umwelt bis zur Wiederaufnahme der Handlung weiterge leitet wird. Aus dem völlig neuen Charakter der Publikation, aber auch aus dem rhythmisch abgesetzten Stil des Autors ergab sich eine Reihe von Problemen buch- und satztechnischer Art, die nach mancherlei Versuchen - hoffentlich zur Zu friedenheit auch der Leser - gelöst wurden. ERNST ANGEL Sylvester XVI VORWORT DES REGISSEURS Ein Novum dieses Buch. Ein Novum das Vorwort des Regisseurs. Beides ist für das Publikum, nicht für die Leute vom Fach bestimmt. Es kann sich also in diesen knappen Zeilen nicht um einen Beitrag zu dem Thema „Wie steht der Filmregisseur zu seinem Manuskript" handeln. Im Untertitel nennt Carl Mayer Sylvester „ein Licht spiel". Es wird ihm nicht nur daran gelegen haben, durch diesen Untertitel auf den rein technischen Vorgang des Wechsels, der Bewegungen von Lichtern, hinzuweisen. Er wird wohl auch das Hell und Dunkel im Menschen selbst, in seiner Seele haben aufzeigen wollen. Den ewigen Wechsel von Licht und Schatten in den seelischen Beziehungen der Menschen zueinander. So wenigstens wirkte der Untertitel auf mich. Ich war, als ich das Manuskript las, ergriffen von der Ewigkeit der Motive. Und ich wollte die Empfin dungen, die ich beim Lesen hatte, auf den Zuschauer übertragen. Inwieweit dies gelungen ist, steht mir zu beurtei len nicht zu. Aber im Verlaufe der Herstellungszeit des Films öffneten sich immer mehr Ausblicke, erkannte ich immer mehr, dass hier ein Stoff, der ewig ist und weit ist wie die Welt - im Manuskript wenigstens - meisterhaft eingefangen ist in das Geschehen einer einzigen Stunde. Einer Stunde, die seltsamerweise entgegen ihrer sinngemäs sen Bestimmung von der Menschheit weniger dazu benutzt wird, um über sich nachzudenken, als um sinnlos zu jubeln. - Zu diesem Buche selbst: Es erfüllt - nach meiner Ansicht - schon deswegen die Vorbedingung eines Film manuskriptes, weil es - bei der Lektüre - nicht nur rein optisch Vorstellungsreihen vermittelt. Es löst in stärkerem Sylvester XVIII Masse noch rein gefühlsmässig Empfindungen aus, die uns alle bewegen. Indem man also die drei Menschen in ihrem engen Bezirk sich seelisch zerfleischen s i e h t, f ü h l t man mit jedem Einzelnen den Schmerz, dass er in Wahrheit gut zu dem anderen sein möchte - und es doch nicht vermag. Indem man das Prosten, Jubeln und Feiern der Umwelt s i e h t, fü h lt man, wie sehr alle diese Menschen anei nander vorbeirennen, jagen, irren. Fühlt man mit einem Wort den Fluch, der auf der Menschheit lastet: Beschaffen zu sein wie ein Tier und denken zu können - wie eben ein Mensch. Notabene, wenn man fühlen will und nicht nur sehen. Die oft skandiert klingende Sprache des Manuskripts vermittelt nach meiner Erfahrung am besten allen Mitwir kenden die Vorstellung des unmittelbaren Ablaufs des Geschehens. In diesem Sinne ist also jedes ,,Jetzt" - oder „Und" von Bedeutung, weil durch diese Einschaltungen das jeweilig gewollte „Tempo des Spiels" fühlbar wird, ähnlich wie bei dem gedruckten Notenblatt durch die ver schiedensten Bezeichnungen oder Vorzeichen, Fermaten usw .... Die neuartigen Bildbewegungen wie - „Vor und zurück" oder „seitwärts" usw. sind bedeutungsvoll und untrennbar von diesem Manuskript. Sollte der Film an und für sich schon seinem Wesen nach nur b e w e g t e s B i l d sein, so ist hier die Anregung des Autors um so bemerkens werter (im Sinne neuer Möglichkeiten), als dadurch die Vision ausgelöst wird, dass die Umwelt den engen Schau platz des Geschehens gleichsam umfiiesst ... Wie das Meer eine Insel ... Neuartig erscheint mir die Komposition des Lichtspiels auch deswegen, weil sie das Geschehen selbst im engsten Rahmen hält, der Umwelt aber eine bedeutende, ja beinahe die Hauptrolle im Rahmen des Ganzen zuteilt, ohne diese Umwelt - was banal wäre - mit der Handlung selbst zu verquicken. Deswegen auch glaubte ich die Umwelt von epi sodischen Einzelheiten möglichst freihalten zu sollen. Sie soll in gewolltem Sinne wirken einfach dadurch, dass sie da ist. Nicht dadurch, dass sie etwa „zurechtgemacht für ihren Zweck" gezeigt wird. Sie soll den sinfonischen Unter- und Sylvester XX

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