Elke Kruse Stufen zur Akademisierung Elke Kruse Stufen zur Akademisierung Wege der Ausbildung fur Soziale Arbeit von der Wohlfahrtsschule zum Bachelor-/Mastermodell I I VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN - III VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN VS Verlag fOr Sozialwissenschaften Entstanden mit Beginn des Jahres 2004 aus den beiden Hausern Leske+Budrich und Westdeutscher Verlag. Die breite Basis fOr sozialwissenschaftliches Publizieren Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Ober <http://dnb.ddb.de> abrufbar. zgl.: Dissertation universitat siegen, 2003 Die Dissertation wurde durch ein Promotionsstipendium der Hans-Bockler-Stiftung gefOrdert. 1. Auflage August 2004 Aile Rechte vorbehalten © VS verlag fOr Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 Lektorat: Frank Engelhardt I Nadine Kinne Der VS Verlag fOr Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden dOrften. umschlaggestaltung: KOnkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Frank Bohm, Siegen Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN-13: 978-3-531-14310-1 e-ISBN-13: 978-3-322-80595-9 DOl: 10.1007/ 978-3-322-80595-9 Inhalt Vorwort ................................................................................................................. 9 1. Fragestellung und methodisches Vorgehen .............................................. .11 2. Die Begriffe Sozialarbeit, Sozialpadagogik, Soziale Arbeit und Sozialwesen im Kontext der (Hochschul-)Ausbildung ............................ 21 3. Die Ausbildung ilir Sozialarbeit/Sozialpadagogik von ihrer Institutionalisierung bis zum Ende der 1960er Jahre. ............................ .31 3.1 Von der Sozialen Frauenschule zur Hoheren Fachschule ftiT Sozialarbeit - ein Riickblick auf die Geschichte der Ausbildung ftiT Sozialarbeit. .................................................................. 31 3.1.1 Die ersten Griindungen - Pionierphase ............................................... 32 3.1.1.1 Rahmenbedingungen der Griindung von Ausbildungsstiitten .......... .34 3.1.1.2 Soziale Arbeit und Frauenbewegung. .............................................. .35 3.1.1.3 Konzeption der Ausbildung ............................................................. 38 3.1.2 Phase des Ausbaus und der Konsolidierung ...................................... ..40 3.1.3 Phase des Stillstands und der Riickentwicklung .................................. 50 3.1.4 Phase des Neubeginns ......................................................................... 57 3.1.5 Phase der Umstrukturierung und der ersten Aufwertung .....................6 5 3.2 Von der Ausbildung zur Jugendleiterin zur Hoheren Fachschule fUr Sozialpadagogik - ein Riickblick auf die Geschichte der Ausbildung fUr Sozialpadagogik. ............................................................................. 73 3.3 Erste Akademisierungstendenzen und die Diskussion urn das formale Ausbildungsniveau ................................................................... 82 3.4 Intemationale Aspekte in der Ausbildung fUr Sozialarbeitl Sozialpadagogik. ................................................................................... 97 5 4. Etablierung der Ausbildung fdr Sozialarbeit/Sozialpadagogik an Hochschulen in den 1970er Jahren - Zweite Aufwertung und Expansion .......................................................................................... .1 07 4.1 Fachhochschulstudiengange fUr SozialarbeitiSozialpadagogik. .......... .1 08 4.2 Hochschulausbildung an Universitaten, insbes. der Diplomstudien- gang Padagogik mit dem Schwerpunkt Sozialpadagogik/ Sozialarbeit. ......................................................................................... .119 4.3 Die Ausbildung an Berufsakademien. .................................................. 131 4.4 Die Idee der Gesamthochschulen ......................................................... .13 7 5. Entwicklung der Studiengange in den 1980er und 1990er Jahren ...... 145 5.1 Die 1980er Jahre: Manifestation der Strukturen und innere Reformen ................................................................................... 145 5.2 Entwicklungen in den neuen Bundeslandern in den 1990er Jahren ..... .155 5.3 Sozialpadagogik oder Sozialarbeitswissenschaft? - Konvergenzen und Abgrenzungen in den 1990er J ahren ............................................ .161 6. Weiterfdhrende Studiengange und Angebote der Weiterbildung im Bereich der Sozialarbeit/Sozialpadagogik. ....................................... .1 73 7. Die Studiengange fdr Sozialarbeit/Sozialpadagogik zu Beginn des 21. Jahrhunderts - Systematisierung der aktuellen Ausbildungs- varianten im herkommlichen Studiensystem ......................................... 181 8. Die aktuelle Studienstrukturreform: Bachelor-und Masterstudien- gange im Bereich Sozialarbeit/Sozialpadagogik. ................................... 197 8.1 Hochschulpolitischer Kontext der Einfiihrung des Bachelor-lMastermodells ..................................................................... 197 8.2 Reaktionen auf das gestufte Studiensystem .......................................... 201 8.3 Tendenzen der ersten Bachelor-und Masterstudiengange ................... 203 6 8.4 Das Bachelorstudium und der Bachelorabschluss: Gefahr der Abwertung? ...................................................................... 214 8.5 Weitere Akademisierung durch das Masterstudium? .......................... 219 9. Phasen der Ausbildungsgeschichte der Sozialarbeitl Sozialpadagogik im Uberblick. ............................................................... 225 10. Themen der Ausbildung fUr Sozialarbeit/Sozialpadagogik und Prognosen fUr die Anforderungen an weiterfUhrende Studienreformen ....................................................................................... 231 11. Schlusszusammenfassung. ....................................................................... 239 Verzeichnis der Tabellen ................................................................................... 241 Verzeichnis der Abbildungen. ........................................................................... 241 Verzeichnis der Abkiirzungen ........................................................................... 242 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 245 7 Vorwort Ein Blick auf die Geschichte der Sozialen Arbeit und ihrer Ausbildung zeigt, dass Institutionalisierung der Ausbildung und Entwicklung des Berufes eng miteinan der verwoben sind. Dabei ist der Ausbildung eine besondere Rolle bei der Gestal tung des Berufsfeldes zugekommen. Zur Zeit befinden sich die Soziale Arbeit und ihre Ausbildung wieder in einer Phase der Bewegung: Europaisierung und Globalisierung, die Schaffung eines europaischen Hochschulraums und ein natio naler Hochschulreformbedarf bedingen neue Weichenstellungen, die wiederum Auswirkungen auf das gesamte Berufsfeld haben werden. Wenn wir heute vor der Frage der Auswirkungen von Bachelor-und Masterstudiengiingen stehen, scheint es deshalb sinnvoll, diesen Prozess auf der Folie der Ausbildungsgeschichte der Sozialen Arbeit zu betrachten, weil die Ausbildung schon immer eine besondere Rolle fur die Ausgestaltung des Berufsfeldes gespielt hat. Die am Ende dieser Ar beit stehenden Prognosen fur die Anforderungen an weiterftihrende Studienrefor men sollen daher vor dem Hintergrund der nahezu einhundertjiihrigen Ausbildungs geschichte der sozialen Berufe ihre Plausibilitat erhalten. Mit der Erarbeitung dieser Ausbildungsgeschichte habe ich sowohl im Hin blick auf Form und Breite der Darstellung als auch bewglich ihrer Verknfipfung mit den aktuellen hochschulpolitischen Themen Neuland betreten. Ich hoffe des halb, mit der nun vorliegenden Studie einen Beitrag zu einer Weiterentwicklung der Hochschulausbildung fur SozialarbeitiSozialpiidagogik zu leisten, welche sich ihrer Traditionen - mit allen Chancen und Fehlentwicklungen - bewusst ist. Bedanken mochte ich mich an dieser Stelle bei allen, die meine Arbeit unter srutzt und ermoglicht haben. Meine Doktormutter, Prof. Dr. Sabine Hering, Universitat Siegen, stand mir fiber die gesamte Zeit hinweg als engagierte und fcirdemde Gesprachspartnerin zur Seite. Sie begleitete meinen Arbeitsprozess mit konstruktiver Kritik und mit inter essierter Offenheit gegenfiber meiner Fragestellung und meiner Begeisterung fur 'trockene' Themen, wodurch ich Raum fill mehr Sicherheit, Klarheit und Wachs tum erhielt. Ihr mochte ich besonders danken. Mein Dank gilt ebenfalls den beiden weiteren Gutachtem, Prof. Dr. Norbert Groddeck, Universitat Siegen, und Prof. Dr. Johannes Wildt, Universitat Dort mund, fur ihr groJ3es Interesse am Thema sowie am Fortgang meiner Arbeit, fur ihre Anregungen und ihre kompetente Untersrutzung. 9 Mit regem Austausch und produktiver Diskussion begleiteten die Mitstreiterinnen des Doktorandinnenkolloquiums an der UniversWit Siegen die Entwicklung der Arbeit. Daruber hinaus erhielt ich tiber den interdisziplinaren Ansatz des Promo tionskollegs "Wissensmanagement und Selbstorganisation in hochschulischen Lehr und Lernprozessen" am Hochschuldidaktischen Zentrum der Universitat Dortmund unter ganz anderem Blickwinkel Gelegenheit zur konstruktiven Auseinanderset zung und Raum fUr meine Fragen. Die Hans-Bockler-Stiftung ermoglichte mir mit ihrer F orderung den notwendi gen Freiraum fUr eine intensive Bearbeitung des Themas und mit ihren Angeboten eine umfassende Begleitung und Qualifizierung. Meine Kolleginnen und Kollegen sowie viele Lehrende, Studierende und Mit arbeiterinnenIMitarbeiter der Universitat Siegen untersttitzten meine wissenschaft lichen Ambitionen und trugen sie mit. Bei der Literaturbeschaffung ging mir Kristine Weinhold tatkraftig zur Hand. Zahlreiche Freunde und Bekannte spornten mich durch ehrliches Interesse und stiindiges Nachhaken an. Insbesondere Stefanie Henke und Sineb Zedam halfe n zuhorend und ermutigend tiber manche Klippe im Prozess hinweg. Ihnen allen gilt mein Dank. ElkeKruse Dtisseldorf, im Juni 2003 10 1. Fragestellnng nnd methodisches Vorgehen Ziel der Arbeit ist es, die historische Entwicklung der heutigen Hochschulausbildung flir Sozialarbeit/Sozialpadagogikl im Hinblick auf die Erfordernisse einer weiter flihrenden Studienreform nachzuzeichnen. Dabei lautet die zentrale Fragestellung: Gibt es wiederkehrende Themen, die die Geschichte der (Hochschul-JAusbildung fur SozialarbeitlSoziaZpadagogik durchziehen? Wennja, welche sind dies? Die (Hochschul-)ausbildung im Bereich Sozialarbeit/Sozialpadagogik ist seit ihrer Institutionalisierung gepragt von einem Nebeneinander verschiedener Organisa tionsformen. Diese Pluralitat hat vor allem durch die Entwicklungen seit Anfang der 1970er Jahre dazu geflihrt, dass unabhlingig voneinander Fachhochschul studiengange flir Soziale Arbeit (Sozialarbeit undloder Sozialpadagogik), uni versitlire Diplomstudiengange Padagogik mit Schwerpunkt Sozialpadagogik, in tegrierte Studiengange an (ehemaligen) Gesamthochschulen, duale Ausbildun gen an Berufsakademien sowie diverse Einzelmodelle existieren. Hinzu kom men im Zuge der derzeitigen Studienstrukturreform Studiengange nach dem Bachelor-lMastermodell. Ais Grundlage fUr weitere studienreformerische Uberlegungen halte ich es flir erforderlich, die bisherige Geschichte der (Hochschul-)ausbildung naher ins Blick feld zu ziehen "in der Hofihung, daB die damaligen Diskussionen sich fUr die aktu ellen Kontroversen fruchtbar machen lassen" (GoescheVSachJ3e 1981, S. 423). Durch das Herausarbeiten von Leitlinien und wiederkehrenden Themen, die die Geschichte der Ausbildung durchziehen, k6nnen Erkenntnisse flir Uberlegungen zu einer weiterflihrenden Studienreform gewonnen werden. Dabei sind insbeson dere die Aufwertungen der Ausbildung im Spiegel der jeweiligen Epochen, die "Akademisierung aufRaten" (Gangler 1994, S. 229), und die Zeit der Etablierung der Ausbildung an Hochschulen sowie die nachfolgenden Tendenzen von Bedeu tung. Meine zentrale These ist, dass die wesentlichen Impulse flir Veranderungen und vor aHem fUr die fortschreitende Akademisierung von Ausbildung und Beruf bis heute in allen Perioden der Ausbildungsgeschichte nicht durch von den An- 1 zu den Begriffen Sozialarbeit und Sozialpadagogik im Kontext der Ausbildungsgeschichte siehe Kap. 2 11 stellungstragern signalisierte Erfordernisse, sondern aus dem Ausbildungskontext selbst bzw. primar aus der allgemeinen bildungspolitischen Entwicklung kamen. Die Verberuflichung der Sozialen Arbeit scheint in erster Linie durch die Ausbil dung gepragt zu sein2 • "Es gibt vielleicht keinen anderen Beruf, in dem die Griindung von beruflichen Bildungs statten der Entwicklung des Berufsstandes so entschieden wie bei dem sozialen Berufvor angegangen ist. Man nahm die Grtindungen vor in der Annahme, daB sowohl Berufs stellungen wie ein Berufsstand mit Berufsemst, Berufstreue und Berufstradition erst ent stehen wiirden, sobald Ausbildungsanstalten vorhanden seien." (Salomon 1917a, S. 163) Auch nach der 'Initialztindung' zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Veran derung des sozialen Sektors nicht so sehr durch die Praxis, als vielmehr durch Impulse aus dem Ausbildungsbereich ausgelost. Dies gilt sowohl fur die Entwick lungen in der Weimarer Republik als auch fur die Umbriiche infolge der soziallibe ralen Reformen. So standen auch die Reform der Ausbildung zum sozialen Beruf und infolgedessen die Veranderungen des Berufsfeldes seit Ende der 1960er Jahre nicht nur im Kontext der Studentenbewegung, sondern vor allem im Kontext einer allgemeinen Bildungs-und Hochschulreform. Die Akademisierung der Ausbildung zum sozialen Beruf ging aber nicht nur den Entwicklungen im Praxisfeld voran, sondem wurde zu allen Zeiten im Wesent lichen gegen den Widerstand der Anstellungstrager vollzogen. Auch die Einftih rung von Bachelor-und Masterstudiengangen seit Ende der 1990er Jahre entspricht in keiner Weise den Forderungen der Anstellungstrager. Die Neuerungen werden von Tragerseite meiner Einschatzung nach mit groI3er Skepsis aufgenommen, zu dem wiederum zu erwarten steht, dass die Reform zu deutlichen Veranderungen der Praxis ftihren wird. Da die Akademisierung des sozialen Berufs das zentrale Thema dieser Arbeit ist, kommen den Prozessen, welche die zunehmende Akademisierung in den auf einanderfolgenden Perioden ausgelost haben und den Auswirkungen, welche die se Prozesse bewirkt haben, besondere Beachtung zu. Akademisierung meint dabei "den Vorgang der thematisch-sachlichen und organi satorischen Etablierung" der SozialarbeitiSozialpadagogik "in der Lehre und For schung von akademischen Institutionen" (Friedenthal-Haase 1991, S. 1). "Dieser Vorgang kann sich tiber kleine und kleinste Schritte allmiihlich vollziehen oder sich tiber Akte auBerer Intervention oder innerer dezidierter Strukturveriinderung in kurzer Zeit ereignen" (ebd.). 2 Vgl. Salomon 1917a, S. 263; Salomon 1917b, S. 57; Weber 1922, S. 45; Salomon 1927, S.lI; Mtinchmeier 1981, S. 145. Weber weist auf die Charakteristika der Entwicklung der Ausbildung hin und betont: "Es muB, namentlich mit Rticksicht auf die Entwicklung an den Universitiiten, ausdriicklich festgestellt werden, daB - umgekehrt wie sonst - die soziale Schulung bereits da war, ehe wir von einem eigentlichen sozialen Berufe sprechen kiinnen." (Weber 1922, S. 45) 12