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Studien über Autorität und Familie PDF

958 Pages·1987·22.541 MB·German
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Schriften des Instituts für Sozialforschung Herausgegeben von Max Horkheimer Fünfter Band Studien über Autorität und Familie STUDIEN ÜBER AUTORITÄT UND FAMILIE Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung Dietrich zu Klampen Verlag Reprint der Ausgabe Paris 1936 Dietrich zu Klampen Verlag GbR Postfach 1963, 2120 Lüneburg CIP - Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek: Studien über Autorität und Familie Forschungsberichte aus d. Inst, für Sozialforschung. 2. Aufl. - Lüneburg: zu Klampen, 1987 ISBN 3-924245-08-8 NE: Institut für Sozialforschung Frankfurt, Main 1. Aufl. u. d. T.: Autorität und Familie Seinen ersten Bericht über gemeinsame Forschungen widmet das Institut FELIX WEIL, dem treuen Freunde. Vorwort. Die Veröffentlichung dieser Studien dient dem Zweck, Einblick in den Verlauf einer gemeinsamen Arbeit zu gewähren ; die Ergeb­ nisse sind in mehr als einer Hinsicht unvollständig. Teils ver­ möchte der Fragenkreis, auf den sich die Untersuchungen beziehen, erst in der umfassenden Theorie des gesellschaftlichen Lebens, in die er verflochten. ist, seine wirkliche Bedeutung zu erschliessen, teils befinden sich die Forschungen noch im Gang, ja noch im Anfang. Der vorliegende Bericht über die Tätigkeit des Instituts für Sozial­ forschung auf diesem Gebiet trägt daher einen wesentlich pro­ grammatischen Charakter. Er will vor allem das Feld abstecken, das unsere sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft in den näch­ sten Jahren durchforschen soll. Zu den übrigen- Unternehmungen des Instituts gehören Studien über Planwirtschaft, Forschungen einzelner Mitarbeiter über spezielle Probleme wie die Theorie von Konjunktur und Krise, Wirtschaft und Gesellschaft Chinas, sozial­ philosophische Prinzipienfragen, schliesslich die Herausgabe einer Zeitschrift für das Gesamtgebiet der Sozialforschung. Ebenso wie diese Bestrebungen haben auch die Untersuchungen über Autorität und Familie unter den Verhältnissen der Zeit gelitten. Ihre vorläufige und fragmentarische Gestalt, von der dieses Buch Zeugnis ablegt, ist weitgehend in diesen Umständen begründet. Die Mitglieder unserer Gruppe haben während der letzten Jahre, über die sich die Forschungen erstrecken, nur einen Teil ihrer Zeit der Arbeit daran widmen können. Dass diese sich wenigstens so weit entwickelt hat, verdanken wir neben der Weitsicht unserer Stifter einer Reihe von wissenschaftlichen Institutionen, die uns ihre kulturelle Solidarität bewiesen haben. Vor allem schulden wir dem Centre de Documentation der Ecole Normale Supérieure in Paris und der Columbia University in New York den tiefsten Dank ; durch ihre Gastfreundschaft haben sie dem Institut das Zustandekommen dieser Arbeit zum grossen Teil erst ermög­ licht. Die Wahl des Themas Autorität und Familie hat ihren Grund in bestimmten theoretischen Vorstellungen. Schon seit mehreren Jahren gehörte es zu den Aufgaben des Instituts, den Zusammen­ hang zwischen den verschiedenen Bereichen der materiellen und geistigen Kultur zu erforschen1). Es galt nicht bloss zu untersu­ chen, wie Veränderungen auf einem Gebiet sich auch in anderen gesellschaftlichen Lebensbereichen durchsetzen, sondern grundle­ gender noch war das Problem, wie es zugeht, dass die verschiedenen Kultursphären fortlaufend in einer für die Gesellschaft lebenswichti­ gen Art miteinander in Beziehung stehen und erneuert werden. Je mehr wir die Bedeutung der politischen, moralischen und reli­ giösen Anschauungen der neueren Zeit für die Gesellschaft analy­ sierten, umso deutlicher trat die Autorität als ein entscheiden­ der Faktor hervor. Die Stärkung des Glaubens, dass es immer ein Oben und Unten geben muss und Gehorsam notwendig ist, gehört mit zu den wichtigsten Funktionen in der bishe­ rigen Kultur. Ein Verständnis des Zusammenspiels zwischen den einzelnen Kultursphären ohne ausführliche Berücksichtigung dieses Moments erscheint als ausgeschlossen. Unter allen gesell­ schaftlichen Institutionen, welche die Individuen für Autorität empfänglich machen, steht aber die Familie an erster Stelle. Nicht bloss erfährt der Einzelne in ihrem Kreis zuerst den Einfluss der kulturellen Lebensmächte, so dass seine Auffassung der geistigen Inhalte und ihre Rolle in seinem seelischen Leben wesentlich durch dieses Medium bestimmt ist, sondern die patriarchalische Struktur der Familie in der neueren Zeit wirkt selbst als entscheidende Vorbereitung auf die Autorität in der Gesellschaft, die der Einzelne im späteren Leben anerkennen soll. Die grossen zivilisatorischen Werke des bürgerlichen Zeitalters sind Produkte einer spezifischen Form menschlicher Zusammenarbeit, zu deren stetiger Erneuerung die Familie mit ihrer Erziehung zur Autorität einen wichtigen Teil beigetragen hat. Sie stellt dabei freilich keine letzte und selbstän­ dige Grösse dar, vielmehr ist sie in die Entwicklung der Gesamt­ gesellschaft einbezogen und wird fortwährend verändert. Aus den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie selbst fortsetzen und festigen hilft, wird sie immer wieder erzeugt. Die vorliegenden Studien dienen dem Versuch, diesen Vorgang einer gesellschaftli­ chen Wechselwirkung zu erfassen und darzustellen. Sie beziehen sich wesentlich auf die europäische Familie, wie sie im Lauf der letzten Jahrhunderte geworden ist. Der amerikanischen Familie sollen zukünftige Studien des Instituts gewidmet werden, die Familie in der Sovietunion gehört zu einer anderen geschichtlichen und gesellschaftlichen Struktur. Hier ist von der bürgerlichen Familie und ihrer Beziehung zur Autorität die Rede. 1) Vgl. M. Horkheimer, Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben eines Instituts für Sozialforschung. Frankfurter Universitätsreden, No. XXXVII, Frankfurt am Main 1931, S. 13. Sowohl das Problem selbst wie auch die Weise, in der wir es verfolgten, hat sich aus seminarartigen Besprechungen im Institut ergeben und gehört keinem einzelnen Mitglied unserer Gruppe allein. Nachdem sich auf Grund der Vorstudien gezeigt hatte, dass dieses Thema theoretisch bedeutsam war und zugleich mit aussichts­ reichen empirischen Mitteln in Angriff genommen werden konnte, haben wir uns gemeinsam bemüht, „die Fragen im Verlauf der Arbeit am Gegenstand umzuformen, zu präzisieren, neue Methoden zu ersinnen und doch das Allgemeine nicht aus den Augen zu verlieren“1). Die ständigen Teilnehmer an den Besprechungen waren neben dem Herausgeber der Psychologe Erich Fromm, der Pädagoge Leo Löwenthal, der Philosoph Herbert Marcuse und der Wirtschaftshistoriker Karl August Wittfogel ; Andries Sternheim, der Leiter des Genfer Büros, hat an der Vorbereitung der gesamten Enquêtenarbeit einen hervorragenden Anteil. Wenn die Redaktion der ersten Abteilung vornehmlich vom Herausgeber, die der zweiten von E. Fromm, die der dritten von L. Löwenthal besorgt worden ist, so sind doch nicht bloss die einzelnen Artikel des Bandes nach dem gemeinsamen Plan gesammelt worden, sondern es wurden auch die Prinzipien der Auswahl und der Bearbeitung für die Veröffentlichung gemeinsam erörtert. Die Darstellung des Problems, wie sie sich im Zusammenhang mit den im Gang befindlichen Forschungen ergibt, bildet den Inhalt der ersten Abteilung. Die massgebenden Gedanken dazu sind in fortwährendem Umgang mit den in der zweiten und dritten Abteilung enthaltenen Materialien und auf Grund einer Durchforschung des vorliegenden Schrifttums entwickelt worden. Die erste Abteilung ist in drei Teile gegliedert. Den Überblick über das gesamte Problem, wie es sich uns heute darstellt, versucht der allgemeine Teil zu geben ; im Zusammenhang mit ihm studiert der psychologische Teil die seelischen Mechanismen, die auf Ausbil­ dung des autoritären2) Charakters hinwirken. Der historische Auf­ satz erstrebt bei keinem der behandelten religiösen und philoso­ phischen Autoren geisteswissenschaftliche Vollständigkeit, sondern erörtert die Theorien im Hinblick auf unser sachliches Interesse. Wenn auch die beiden ersten Beiträge nicht ausdrücklich auf ihn Bezug nehmen, wird der Leser doch erkennen, wie viel sie diesen historischen Studien verdanken. Eine Wiedergabe unserer ganzen Arbeit auf diesem Gebiet hätte eines eigenen Bandes bedurft. !) a. a. O., S. 11. 2) „Autoritär“ ist in diesem Bande im Sinne von autoritäts-bejahend (von Seiten des Autoritäts-Objektes aus) gebraucht, während „autoritativ“ ein autoritäts-forderndes Verhalten (vom Autoritäts-Subjekt aus) bezeichnet. Das 17. und 18. Jahrhundert mussten völlig übergangen werden, was besonders im Hinblick auf Hobbes, Locke und Rousseau einen empfindlichen Mangel ausmacht. — Friedrich Pollock hat für die erste Abteilung einen prinzipiellen ökonomischen Aufsatz ent­ worfen. Die verantwortliche Leitung der Verwaltungsgeschäfte des Instituts und nicht zuletzt die aktive Teilnahme an den wis­ senschaftlichen Vorarbeiten zu diesem Band haben es mit sich gebracht, dass dieser Aufsatz noch nicht vollendet ist. Die zweite Abteilung berichtet über die Enquêten des Instituts, soweit sie mit den Studien über Autorität und Familie in Verbindung stehen. Wie in der oben erwähnten Schrift ange­ deutet ist, hat uns hier die amerikanische Sozialforschung weit­ gehend als Vorbild gedient1). Da jedoch nicht bloss unsere wis­ senschaftlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet gering waren, sondern auch die Beantwortung derartiger Fragebogen in Europa vielfältigen Schwierigkeiten begegnete, so tragen die bisher von uns unternommenen Enquêten in besonders hohem Grad den Charakter des Experiments. Nirgends haben wir aus den Ergeb­ nissen verallgemeinernde Schlüsse gezogen ; die Umfragen waren nicht als Mittel beweiskräftiger Statistik gedacht, sie sollten uns mit den Tatsachen des täglichen Lebens in Verbindung halten und jedenfalls vor weltfremden Hypothesen bewahren. Vor allem jedoch sind sie dazu bestimmt, eine fruchtbare Typenbildung zu ermöglichen ; die charakterologischen Einstellungen zur Autorität in Staat und Gesellschaft, die Formen der Zerrüttung der familialen Autorität durch die Krise, die Bedingungen und Folgen straffer oder milder Autorität im Hause, die in der Öffentlichkeit herrschen­ den Ansichten über den Sinn der Erziehung und anderes mehr sollen an Hand der Enquêten typologisch gekennzeichnet und dann durch einzelne Erhebungen weiter erforscht werden. Die vorläu­ figen Ergebnisse sind noch allzu wenig empirisch belegt, als dass wir hätten versuchen dürfen, sie in einem eigenen zusammenfassen­ den Aufsatz mitzuteilen. Doch hat uns die Vermutung, ein Bericht über die Geschichte, den gegenwärtigen Stand und die vorläufigen Resultate unserer Enquetenarbeit, wie er nun in der zweiten Abteilung des Bandes vorliegt, könnte im Hinblick auf das Thema und mehr noch für die Weiterbildung der Methodik solcher Untersuchungen eine gewisse Anregung bieten, sowie die Hoffnung auf positive Kritik zu einer ersten Darlegung unserer Versuche ermutigt. Bei den Enquêten über den Mittelstand und J) a. a. 0., S. 15. Wichtige Anregung verdanken wir vor allem dem grundlegenden Werk von R. Lynd, Middletown, New York 1929. die Wandlungen der Sexualmoral hat uns noch eine andere Erwä­ gung nahegelegt, wenigstens eine kurze Mitteilung zu machen. Ein Teil des Materials, das diese Forschungen ergaben, ist uns infolge der Zeitumstände nicht zugänglich, vielleicht sogar für immer verloren. Andrerseits haben jedoch diese ersten Versuche mit Fragebogen unsere späteren Unternehmungen in vieler Hinsicht bestimmt und an manchen Stellen die Ausführungen der ersten Abteilung beeinflusst. — Durch unsere Zweigstelle in New York wird es möglich sein, die in Amerika geübten und mehr als in Europa entwickelten Methoden der Enquête an Ort und Stelle selbst kennen und anwenden zu lernen. Das Missverhältnis des Raums, der für die ganze Veröffentli­ chung zur Verfügung stand, und des vorliegenden wissenschaftli­ chen Materials hat sich in der dritten Abteilung besonders störend bemerkbar gemacht. In ihm sind Einzelstudien vereinigt, die das Institut im Zusammenhang mit dem Problem Autorität und Familie von Gelehrten verschiedener Wissenschaftszweige unternehmen liess. Bei der Wahl, nur einige besonders wichtige Beiträge ganz abzudrucken, und der Veröffentlichung von Inhalts­ anzeigen über alle vorliegenden Arbeiten haben wir uns für einen Mit­ telweg cntschicden und die Aufsätze teils gekürzt, teils in Referaten gebracht, so dass die meisten Erwähnung fanden. Die dritte Abteilung, deren Inhalt trotz der Eigenbedeutung einzelner Lei­ stungen für uns wesentlich im Zug der gesamten Arbeit und weit­ gehend erst in Zukunft Nutzen bringen soll, verfolgt hauptsächlich den Zweck, einen Überblick über diese Seite unserer gemeinschaftli­ chen Tätigkeit zu bieten. Die Forschungsaufträge des Instituts, auf Grund deren die Mehrzahl dieser Beiträge entstanden ist, wurden erteilt, als die Mitarbeiter bei ihren Besprechungen die Behandlung mancher Einzelfragen für notwendig erachteten. Daher waren die meisten dieser Berichte über die Literatur verschie­ dener Fächer und Länder, die Monographien über scheinbar fernlie­ gende Probleme ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Sie sollten einer sachverständigen Belehrung und raschen Orientie­ rung der Mitarbeiter dienen und bilden, ohne dass dort ausdrücklich auf sie Bezug genommen wäre, Hilfsmittel, Belege und Erläuterun­ gen der Aufsätze der ersten Abteilung. Eine Reihe dieser wis­ senschaftlichen Auskünfte sind das Ergebnis eines ausgedehnten Briefwechsels zwischen dem betreffenden Fachmann und dem Institut ; nachdem zunächst ein erster Bericht über das Thema eingegangen war, wurde auf Grund neuer Anfragen der Bericht erweitert und genauer bestimmt. Es liegen daher zu manchen der Beiträge zwei oder drei verschiedene Fassungen vor. Einige hier nicht erwähnte Arbeiten, die sinngemäss in diese Abteilung gehör-

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