Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements InterdisziplinaresPatentmanagement Herausgegeben von Prof. Dr. Andrea Klug, Prof. Dr. Thomas T\efe\, Prof. Dr. Ursula Versch Fachhochschule Amberg-Weiden Die Schriftenreihe stellt Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Patentmanagements und den damit verbundenen Problemfeldern Gewerblicher Rechtschutz, Recherchetechnik, FuE-, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Unternehmensstrategie vor. Uber Einzeldarstellungen hinaus soil auch der Gesamtzusammenhang der Probleme und Losungsansatze vermittelt werden. Durch den ausdruck- lichen Theorie- und Praxisbezug stehen neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Ziel der konkreten, praktischen Anwendbarkeit im Mittelpunkt. Thomas Tlefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements Deutscher Universitats-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. I.Auflage August 2006 Alle Rechte vorbehalten (S) Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat Ute Wrasmann / Frauke Schindler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulSssig und strafbar. Das gilt insbe- sondere fur Vervieifaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in eiektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebieichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8244-0823-6 ISBN-13 978-3-8244-0823-8 Vorwort Seit den 1990er Jahren kann sowohl in Europa, als auch in den USA imd Japan, ein sehr starker Anstieg an Patentanmeldimgen beobachtet werden. Im gleichen Zeitraum haben jedoch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unter- nehmen nur moderat zugenommen. In Folge stieg der volkswirtschaftliche Indi- kator ,J^atentintensitat", welcher als Quotient der beiden GroBen definiert ist, deutlich an. Als Erklarungen fur dieses Phanomen wurden zuerst eine den Nen- ner reduzierende, gesteigerte Effizienz der FuE-Prozesse und eine den Zahler erhohende Ausdehnung der Patentaktivitat auf neue Technologiefelder (z.B. Biotechnologie oder EDV) diagnostiziert. Neuere Studien liefem einen dritten Begriindungsansatz: Die mit der Patentierung verbundenen Strategien haben sich verandert. Sie gehen mittlerweile deutlich iiber die Fokussierung auf die Nut- zung der patentimmanenten Schutzfunktion hinaus und sind dadurch vielschich- tiger bzw. umfangreicher geworden, was sich wiederum in einer erhohten An- meldeaktivitat niederschlagt. Vor diesem Hintergrund entstehen fiir das Patentmanagement neue strategi- sche Aktionsfelder, die es zukiinftig in der Untemehmenspraxis verstarkt zu beriicksichtigen gilt, und die daher im vorliegenden Band erortert werden. Der Einstiegsbeitrag „Technologie- und Erfindungsevaluierung in der Friihphase des Innovationsprozesses" richtet den Fokus auf den Zeitraum, in dem das Potenzial zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere die Kom- plexitat der in diesem Zusammenhang mit dem Patentschutz zu beantwortenden Fragen. Der darauf folgende Aufsatz , Ansatze der Patentportfolio-Analyse" gibt Hinweise, wie man mit der Wahl des richtigen strategischen Werkzeugs nicht nur die Effizienz, sondem auch die Eflfektivitat des FuE- und des Patentmana- gements verbessem kann. Er liefert einen Uberblick iiber acht verschiedene Portfolio-Ansatze, wobei gezeigt wird, wie diese inhaltlich konzipiert sind und wo ihr jeweiliges Einsatzgebiet liegt. Im Kontext der Ausdehnung der Patentak- tivitaten auf neue Felder und den daraus resultierenden Implikationen steht der mit dem Titel „Wettbewerbsstrategische Wirkungen der Patentierbarkeit von innovativen Geschaftsmethoden" iiberschriebene dritte Beitrag. Neben okono- misch-strategischen Aspekten wird in diesem auch die aktuelle patentrechtliche Situation auf dem Gebiet der Geschaftsmethoden in Deutschland bzw. Europa und den USA analysiert. Wie sich die Nutzungsschwerpunkte des strategischen Funktionsspektrums von technischen Schutzrechten deutlich verschieben konnen, veranschaulicht zuerst der Artikel „Kapitalmarktgestutzte Patentverwertung". Dort steht nicht die Schutz- sondem die finanzwirtschaftliche Funktion von Patenten im Vorder- grund. Ein breiteres Bild zeichnet der daran anschlieBende Beitrag , J^atente als VI WafFen?", der sich mit der jiingst wieder zu beobachtenden Adaption militari- scher Strategieansatze in der Managementlehre auseinandersetzt imd in diesem Kontext auch auf die RoUe von gewerblichen Schutzrechten eingeht. Lenkt man den Blick auf die kommunikative AuBenwirkung von geistigen Eigentumsrech- ten so ist zu erkennen, dass deren marketingtechnische Nutzung mittlerweile eine grofie Bedeutung zukommt. In welchem rechtlichen Rahmen die (exteme) Reputations- bzw. DifFerenzieningsfunktion insbesondere von Patenten ihre Entfaltung finden kann, zeigt daher der Artikel, J)ie Werbung mit gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten". Aber auch untemehmensintem wirken Patente, da sie entscheidend zur Motivation der Mitarbeiter beitragen konnen. Den dazugehorigen gesetzlichen und praktischen Handlungsraum fiir monetare Konpensationen beschreibt der Aufsatz „Erfindervergutung in der Praxis". Da auch die Informationsfimktion von Patenten zukiinftig weiter an Bedeutung gewinnen wird, stellt diese die Klammer fiir die letzten beiden, technisch orien- tierten Artikel dar. Der Beitrag ,J^atentinformationen aus China und Korea" erlautert, wie und wo entsprechende Daten gewonnen werden konnen und der Aufsatz ,^ltemative Kraftstoflfe und Hybridfahrzeuge" beschaftigt sich mit der Patentsituation und dem Weiterentwicklungspotenzial von neuen Antriebskon- zepten im Fahrzeugbereich. An dieser Stelle mochte ich auch meinen Dank aussprechen. Dieser gilt alien mitwirkenden Autoren, die sich, trotz ihrer auBerst Zeit konsumierenden Unter- nehmens-, Forschungs- und Lehraktivitaten, einem strengen Termindiktat unter- warfen und fristgerecht ihre hochaktuellen Beitrage iibersandten. Zudem mochte ich mich fur die wie immer sehr gute imd vor allem imkonplizierte Zusammen- arbeit mit dem Team des DUV bedanken. Thomas Tiefel Inhaltsverzeichnis Okonomische Aspekte Wolfgang Knappe Technologic- und Erfindungsevaluienmg in der Friihphase des Innovationsprozesses 1 Thomas Tiefel / Rainer Schuster Ansatze der Patentportfolio-Analyse - Eine vergleichende Ubersicht aus der Perspektive des strategischen Technologie- und Innovationsmanagements 21 Thomas Tiefel / Philip Haas Wettbewerbsstrategische Wirkimgen der Patentierbarkeit von innovativen Geschaftsmethoden 55 Stephan Lipfert/ Dirk Loop Kapitalmarktgestiitzte Patentverwertimg - Ein Uberblick aus der Bewertimgspraxis 87 Thomas Tiefel Patente als Waffen? - Die Adaption militarischer Strategieansatze in der Managementlehre 105 Rechtliche Aspekte Andrea Klug Die Werbung mit gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten - Eine Bestandsaufhahme 133 Gerhard Hofrnann Erfindervergiitung in der Praxis - Die Richtlinien fur die Vergiitung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst 179 Technische Aspekte Ursula Versch Patentinformationen aus China und Korea 193 Peter Kurzweil Alternative Kraftstoffe und Hybridfahrzeuge - Innovation im Fahrzeugbereich mit neuen Antriebskonzepten 251 Autoren und Herausgeber 279 Technologie- und Erfindungsevaluierung in der Frtthphase des Innovationsprozesses Wolfgang Knappe 1 Die Motivation fiir Innovationen , J'orschung ist die Transformation von Geld in Wissen - Innovation ist die Transformation von Wissen in Geld" - mit diesem Schlagwort lasst sich der komplexe Prozess vom Erkennen eines Defizits bzw. eines potenziellen Bedarfs, der Problemstrukturienmg, einer Losimgsidee bis zur ersten Umsetzung imd schlussendlich bis zur Inq)lementiening eines entsprechenden Produkts bzw. einer Dienstleistung im Marktgeschehen apostrophieren. Damit wird aber auch eine Vielzahl von Fragen erkennbar, die mit einer erfolgreichen Innovation untrennbar verbimden sind. Dies schon insbesondere deshalb, weil bei dieser Sichtweise keinerlei Beschrankungen, weder hinsichtlich der Auspragung (z. B. in Form einer Ware oder Dienstleistung)^ noch hinsicht lich der Technologie oder Branche einer Innovation verbunden ist. 1.1 Technologien und Erfindungen Besondere Verhaltnisse liegen fur Aufgaben (,J^robleme") und Losungen („Ideen") auf dem groBen Gebiet der Technik vor. Zum einen findet auf diesem Gebiet ein hoher Anteil der Produktivitat und Wertschopfung (z. B. in Deutsch- land und Europa) statt, zum anderen gibt es gerade fur technische Losungen wirkungsvolle Moglichkeiten, sie durch gewerbliche Schutzrechte^ abzusichem, wenn die technische Losung gewisse Eigenschaften aufweist. Insbesondere das Patent und das Gebrauchsmuster erfreuen sich hierzu einer steigenden Nachfra- Die Anmeldezahlen von Patenten und Gebrauchsmustem spiegeln zwar das Erfindungspotenzial einer Volkswirtschaft wider, ein direktes MaB fiir realisierte Innovationen ist damit nicht verbunden. Auf Grund der Regelungen im Patent- und Gebrauchsmustergesetz ist ein antizyklisches Anmeldeverhalten erforder- lich, um insbesondere die Forderung nach Neuheit des Anmeldegegenstandes ^ Waren und Dienstleistungen lassen sich durch Marken schutzen, s. a. § 3 MarkenG. Fiir eine systematisierte Ubersicht iiber die gewerbhchen Schutzrechte in Deutschland siehe Tiefel (2005), S. 43. ^ Vgl. DPMA (2005), S. 8-17. Wolfgang Knappe zum Anmeldetag^ erfiillen zu konnen. Das bedeutet in sehr vielen Fallen, dass sich die technische Losung in Form des Anmeldegegenstandes noch weitgehend in der Ideenphase befindet und eine praktische Realisienmg bzw. Erprobung noch nicht erfolgt ist. Die weiteren Uberlegungen konzentrieren sich auf technische Erfindimgen, soweit sie in Deutschland (bzw. Europa) dem Patentschutz zuganglich sind. 1.2 „ Patentfahigkeit" und „ Patentwurdigkeit" Patente werden fur Erfindimgen erteilt, die neu sind (§ 3 PatG), die auf einer erfinderischen Tatigkeit beruhen (§ 4 PatG) und gewerblich anwendbar sind (§ 5 PatG).^ Keine Erfindung und daher vom Patentschutz ausgeschlossen (auf den Gebrauchsmusterschutz wird nicht explizit abgehoben, es sei dann, eine beson- dere Eigenheit des Gebrauchsmusters ware betroffen) sind die als Ausschluss- griinde formulierten Sachverhalte,^ wie z. B. asthetische Formschopfungen oder Geschaftsideen, also Ergebnisse menschlicher Verstandestatigkeit bzw. Kreativi- tat, die ebenfalls geeignet sind, Innovationen hervorzubringen. Das Patentgesetz formuliert die Bedingungen fur die Patentfahigkeit einer Erfindung. Die Frage ob eine Patentanmeldung bzw. ein darauf erteiltes Patent den vom Anwender gewiinschten Zweck erfuUt bzw. iiberhaupt erfiillen kann bleibt offen. Das Kriterium der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 5 PatG) hat insbesondere nichts mit einem zukunftigen wirtschaftlichen Erfolg des geschiitz- ten Gegenstandes zu tun und ist vor allem kein Garant hierfiir. Der Zweck dieser Rechtsvorschrift ist es „den Erfindergeist fiir das Gewerbe in nutzbringender Weise anzureizen und nicht die reine Theorie um eine neue Methode zu berei- chem"l Die Motivation des Anmelders warum er ein Schutzrecht erlangen will, ist im Lichte des Patentgesetzes imerheblich. Dem Anmelder wird vielmehr eine in den Grenzen des Patentgesetzes autonome Position als , Jlerr des Verfahrens" zuge- wiesen, der eine erhebliche Gestaltungsfreiheit (z. B. bei der Formulienmg der Patentanspriiche) besitzt. Mit der Verfahrensherrschaft imtrennbar verbunden ist schon aus wirtschaft- lichen Grunden ein Zwang, die gegebenen Moglichkeiten auch auszuschopfen. Anhand der wohl wichtigsten Eigenschafl eines erteilten Patentes, namlich sei nes Schutzbereichs zeigt sich beispielhaft die Tragweite der Verfahrensherr schaft: „Offenbart die Beschreibung eine iiber den Rahmen der Anspriiche hi- ^ § 3 PatG, Schulte, S. 203 ff. bzw. § 3 GebrMG, Mes, S. 725 ff. ^ §1(1) PatG bzw. Art. 52 (1) EPU, Schulte, S. 87 ff. ^ § 1 (2) PatG bzw. Art. 52 (2) EPU und § 2 PatG bzw. Art. 53 EPU, Schulte, S. 87 ff. ^ § 5 PatG bzw. Art. 57 EPU, Schulte, S. 286 ff Technologic- und Erfindungsevaluierung in der Friihphase des Innovationsprozesses 3 nausgehende Erfindung, die durch den auszulegenden Patentanspruch nicht gedeckt ist, so gehort dieser Uberschuss nicht in den Schutzbereich des Patents. Wer es bei der Abfassung der Patentanspriiche vor der Erteilung versaumt, den Schutzbereich der Erfindung dem Umfang der Erfindung entsprechend zu defi- nieren, der kann spater nicht mehr damit gehort werden, dass das erteilte Patent einen weitgehenden, aber eben nicht beantragten Schutz habe."* „Ein Erfin- dungsgedanke, der sich erst und nur aus dem Gesamtinhah der Patentschrift erschlieBt, aber in den Anspriichen keine konkrete Stiitze findet, ist nicht ge- schutzt"^ Die auf einen wirtschaftUchen Erfolg ausgerichtete Verfahrensherrschaft er- fordert daher Kenntnisse und Informationen, die deutUch iiber das Patentrecht hinausgehen. Das Patentamt legt im Wechselspiel mit dem Anmelder (ggf. mit seinem Pa- tentanwalt als zugelassenem Vertreter) ledighch fest, ob ein konkretes Schutzbe- gehren patentfahig ist. Der Anmelder dagegen muss aus seinem Umfeld heraus die Entscheidung treffen, ob der Anmeldegegenstand unter Zugrundelegung des verfugbaren Informationsstandes jeweils unter Zugrundelegung der spater von einem erteilten Patent gewiinschten Wirkungen nach seiner Einschatzung pa- tentwurdig ist und das Patentierungsverfahren entsprechend lenken. Ein wesentliches Kriterium hierfur bieten die aufzuwendenden Kosten, zu- nachst fiir die Schutzrechtsanmeldimg, die Verfolgung des Erteilungsverfahrens und schliefilich die laufenden Gebiihren fur die Aufrechterhaltung iiber die Lauf- zeit. AUein die Jahresgebiihren fur ein deutsches Patent summieren sich iiber die maximal mogliche Laufzeit von 20 Jahren auf iiber 13.000 .€'® Die professionel- le Ausarbeitung und Vertretung einer Patentanmeldimg bis zur Erteilung sowie die kalkulatorischen Kosten fiir die Verfahrensfuhrung und das Schutzrechtsma- nagement in einem Untemehmen konnen zusammen durchaus nochmals in die- selbe GroBenordnung kommen. 1.3 Informationen als Entscheidungsgrundlage Schon die mit einer Patentanmeldung verbundene Kostenbelastung erfordert eine fundierte Entscheidung iiber die Art und den Umfang von Schutzrechtsan- meldungen zu einer Erfindung. Gerade fiir kleine imd mittelstandische Unter- nehmen (KMU) bedeuten Schutzrechtskosten eine erhebliche Zusatzbelastung, da sie je nach UntemehmensgroBe bereits einen erheblichen Anteil am Rohge- winn aus der regularen Geschaftstatigkeit ausmachen konnen. ^ BGH, GRUR 1992, S. 305 (II sc), „Heliumeinspeisung". ^ BGH, GRUR 1987, S. 626 (III 1), „Rundfunkubertragungssystem". *® DPMA: P2795/7.04: Hinweise zu Gebuhren in Patentsachen.