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Stimmen der Geschichte: Funktionen Von Reden in Der Antiken Historiographie PDF

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Stimmen der Geschichte Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ludwig Koenen, Clemens Zintzen Band 284 De Gruyter Stimmen der Geschichte Funktionen von Reden in der antiken Historiographie Herausgegeben von Dennis Pausch De Gruyter ISBN 978-3-11-022417-7 e-ISBN 978-3-11-022418-4 ISSN 1616-0452 LibraryofCongressCataloging-in-PublicationData StimmenderGeschichte:FunktionenvonRedeninderantikenHistoriogra- phie/hg.vonDennisPausch. p.cm.−(BeiträgezurAltertumskunde,1616-0452;Bd.284) Includesbibliographicalreferencesandindex. ISBN978-3-11-022417-7(hardcover:alk.paper) 1. Oratory, Ancient. 2. Rhetoric, Ancient − Historiography. 3. His- toriography−Rome. 4.Historiography−Greece. 5.Speeches,addresses, etc., Greek − History and criticism. 6. Speeches, addresses, etc., Latin − Historyandcriticism. I.Pausch,Dennis. PA3038.S75 2010 930.072−dc22 2010041116 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2)2010WalterdeGruyterGmbH&Co.KG,Berlin/NewYork Druck:Hubert&Co.GmbH&Co.KG,Göttingen (cid:2)GedrucktaufsäurefreiemPapier PrintedinGermany www.degruyter.com Inhaltsverzeichnis Einleitung...............................................................................................................1 I. Griechische Geschichtsschreibung Carlo Scardino: Die Rolle der Reden in Herodots Erzählung des Skythenfeldzuges...17 Thomas Schmitz: The Mytilene Debate in Thucydides.........................................................45 Nicolas Wiater: Speeches and Historical Narrative in Polybius’ Histories. Approaching Speeches in Polybius ..........................................................67 Peter Kuhlmann: Die Maecenas-Rede bei Cassius Dio: Anachronismen und intertextuelle Bezüge............................................109 II. Römische Geschichtsschreibung Chrysanthe Tsitsiou-Chelidoni: Macht, Rhetorik, Autorität: (cid:391)ur Funktion der Reden Caesars und seiner Gegner in De Bello Gallico......................................................125 Ulrike Egelhaaf-Gaiser: Non sunt composita verba mea: Gespiegelte Erzählkunst in der Mariusrede des Sallust....................................................................157 Dennis Pausch: Der Feldherr als Redner und der Appell an den Leser. Wiederholung und Antizipation in den Reden bei Livius...................183 Rhiannon Ash: Fighting Talk: Dillius Vocula’s Last Stand (Tacitus Histories 4.58).....211 III. Übergreifende Fragestellungen Christoph Leidl: Von der (Ohn)macht der Rede. Hörerreaktionen in der Historiographie.................................................235 John Marincola: The Rhetoric of History: Allusion, Intertextuality, and Exemplarity in Historiographical Speeches....................................259 Register...............................................................................................................291 Einleitung Dennis Pausch 1. Die Tagung und ihre thematischen Schwerpunkte ‚Und seine Worte waren ungefähr die folgenden: ...‘ – mit Formulierungen dieser Art wird in antiken Geschichtswerken häufig die auktoriale Erzäh- lung unterbrochen, um nach der bloßen Mitteilung, dass eine historische Person in einer bestimmten Situation eine Rede gehalten hat, diese nun in ihrem vermeintlichen Wortlaut wiederzugeben.1 Dabei dürfte den meisten Produzenten wie auch Rezipienten antiker Historiographie gleichermaßen bewusst gewesen sein, dass die in direkter oder indirekter Rede gehaltenen Ausführungen zwar auf geschichtliche Plausibilitäten Rücksicht nehmen, im Wesentlichen aber auf den Autor des jeweiligen Werkes zurückgehen und damit letztlich fiktiver Natur sind. Diese Perspektive auf das Phäno- men der Reden in antiker Geschichtsschreibung, in der die Frage nach der Authentizität weitgehend ausgeblendet bleibt, um stattdessen ihre Funk- tion als Teil der literarischen Darstellung und narrativen Technik besser in den Blick nehmen zu können, bildete den Ausgangspunkt einer Tagung, die vom Institut für Altertumswissenschaften der Justus-Liebig-Universi- tät Gießen ausgerichtet wurde und unter dem Titel ‚Perspektive, Poly- phonie, Performativität. Funktionen von Reden in antiken Geschichts- werken‘ vom 25. bis 27. September 2008 auf Schloss Rauischholzhausen stattgefunden hat. _____________ 1 Zur Funktion solcher relativierender Formulierungen bei der Wiedergabe einer Re- de vgl. LAIRD 1999, 123–126, v.a. 124f.: „The use of an expression like fertur locutus to embed a reported utterance tells us almost nothing. The presence or absence of such an expression in connection with presentations of speech in historiography is really no criterion at all for the faithfulness of the rendering to anything that might have been originally uttered. It has everything to do with a historical narrator’s rhetoric and virtually nothing to do with the truth of the case.“ 2 Dennis Pausch Dieser neue Blick auf die verschiedenen ‚Stimmen der Geschichte‘ in den historiographischen Texten aus der Antike ergibt sich mit einer gewis- sen Zwangsläufigkeit aus der allgemeinen Diskussion um den Einfluss der sprachlichen Form auf die Vermittlung historischen Wissens, wie sie unter dem Schlagwort des ‚linguistic turn‘ in den letzten Jahrzehnten intensiv geführt wurde. Denn vor diesem Hintergrund hat auch die Interpretation der antiken Geschichtsschreibung vielfältige neue Impulse erfahren. Dabei wurde nicht zuletzt ihr ambivalenter Status zwischen Wissenschaft und Li- teratur, der ihr früher angesichts eines stärker positivistischen Erkenntnis- interesses häufig zum Vorwurf gemacht wurde, differenzierter erfasst und adäquater bewertet.2 In diesem Zusammenhang haben jedoch bislang die den historischen Personen in den Mund gelegten Reden wenig Beachtung gefunden,3 obwohl sie bereits quantitativ eine große Rolle spielen und ihre Verwendung im Vergleich mit den Darstellungsprinzipien der modernen Geschichtswissenschaft zudem besonders erklärungsbedürftig ist.4 Hier möchten die auf der Tagung 2008 gehaltenen und nun in diesem Band versammelten Beiträge anknüpfen. Die grundlegende Idee bei der Zusammenstellung des Programmes hat dabei in dem Versuch bestanden, die in der Forschung bislang vorherrschende Konzentration auf jeweils einen Autor dadurch zu überwinden, dass bei dieser Gelegenheit die ver- _____________ 2 Bei der Beurteilung der antiken Historiographie ist eine neue communis opinio aller- dings noch nicht in Sicht; zu den beiden ‚Schulen‘ in der gegenwärtigen For- schungslandschaft vgl. z.B. MARINCOLA 2001, 1–8, v.a. 4f.: „To speak in broad terms, one group believes that ancient historiography is more or less similiar to its modern counterpart, and the other sees the writing of history in antiquity as fundamentally different from the way history is practised today.“; sowie ferner PITCHER 2009, vii–viii, u. FELDHERR 2009a, 6–9. 3 Vgl. aber MARINCOLA 2007; LAIRD 2009 u. PITCHER 2009, 103–111. Das hier benannte Desiderat gilt natürlich nur für eine übergreifende Betrachtungsweise. Doch auch die einzelnen Reden, die häufig zu den prominentesten und daher am intensivsten besprochenen Stellen in einem Geschichtswerk gehören, können – wie in vielen Beiträgen dieses Bandes vorgeführt – in einem neuen Licht erschei- nen, wenn sie nicht isoliert betrachtet, sondern im Kontext des Textes und als Teil einer literarischen Darstellungstradition gesehen werden. 4 Vgl. GENETTE 1992, 79: „Am relevantesten ist hier sicherlich die Unterscheidung des Niveaus, denn die Bemühung um Wahrscheinlichkeit oder Einfachheit ver- bietet der faktualen Erzählung im allgemeinen einen allzu massiven Gebrauch der Narration zweiten Grades: ein Historiker oder Memoirenverfasser, der es einer seiner Personen überließe, einen wichtigen Teil der Erzählung vorzutragen, ist schwer vorstellbar, und seit Thukydides weiß man, welches Problem die einfache Wiedergabe einer etwas längeren Rede für den Historiker darstellt.“; u. ferner COHN 1999, v.a. 119. Einleitung 3 schiedenen Interpretationsansätze vorgestellt und auf ihre Übertragbarkeit auf andere antike Geschichtswerke überprüft werden, um so wechselseitig Anregungen aufnehmen, aber auch Unterschiede erkennen zu können. Dabei sind im Rahmen der Tagung vor allem die folgenden Ansätze, die im Anschluss noch ausführlicher vorgestellt werden, häufiger erörtert worden und haben auf diese Weise eine übergreifende Bedeutung gewon- nen: 1) Die Interpretation der Reden sollte nicht isoliert erfolgen, sondern den jeweiligen Kontext und die Interaktion beider Teile stärker berück- sichtigen. 2) Trotz der Gemeinsamkeiten, die sich für die Geschichts- schreibung in der gesamten Antike beobachten lassen, sollte nicht davon ausgegangen werden, dass Reden von allen Autoren in der gleichen Weise verwendet werden, vielmehr ist mit – zum Teil recht großen – Unter- schieden von Werk zu Werk auszugehen. 3) Auch wenn die Frage nach der Authentizität der Reden nicht ohne Wert oder Interesse ist, hat es sich doch als gewinnbringender erwiesen, das Augenmerk im Rahmen dieser Tagung vor allem auf die Wirkung dieser narrativen Technik auf den Leser und mit ihr verbundenen Vorteile für die Darstellung des historischen Geschehens zu richten. 1.1 Betonung des Kontextes statt isolierter Betrachtung der Rede Die isolierte Betrachtung der Reden – sei es aus geschichtswissenschaft- licher Perspektive mit Blick auf ihren historischen Aussagewert, sei es aus philologischer Pespektive mit Blick auf ihre stilistische und rhetorische Ausgestaltung – kann in der Forschung nicht nur auf eine lange Tradition zurückblicken, sondern auch bereits antike Vorbilder für sich reklamie- ren.5 Vor allem die Wahrnehmung der Reden als stilistische lumina oder ‚rhetorische Kabinettstücke‘, deren vom zeitgenössischen Leser erwarteter Präsentation sich auch die besten Historiker nicht hätten entziehen kön- nen, hat dazu geführt, dass diese Abschnitte häufig entweder ohne ihren Kontext oder ihr Kontext ohne sie interpretiert wurden. Demgegenüber stellt es ein verbindendes Element der hier verfolgten Ansätze dar, dass _____________ 5 Vgl. z.B. Pol. 36,1,1: (cid:916)(cid:393)(cid:434)(cid:440)(cid:433) (cid:419)(cid:829) (cid:435)(cid:424)(cid:428)(cid:420)(cid:433) (cid:730)(cid:431)(cid:424)(cid:421)(cid:422)(cid:435)(cid:430)(cid:937)(cid:434)(cid:424) (cid:431)(cid:952)(cid:433) (cid:747)(cid:427)(cid:420)(cid:922)(cid:433) (cid:430)(cid:794)(cid:425) (cid:730)(cid:428) (cid:714)(cid:418)(cid:440)(cid:428)(cid:833)(cid:434)(cid:427)(cid:416)(cid:435)(cid:424) (cid:425)(cid:420)(cid:438)- (cid:432)(cid:831)(cid:427)(cid:420)(cid:423)(cid:416) (cid:431)(cid:432)(cid:430)(cid:437)(cid:420)(cid:432)(cid:835)(cid:427)(cid:420)(cid:428)(cid:430)(cid:424) (cid:435)(cid:430)(cid:836)(cid:433) (cid:425)(cid:416)(cid:435)(cid:826) (cid:427)(cid:829)(cid:432)(cid:430)(cid:433) (cid:426)(cid:835)(cid:418)(cid:430)(cid:436)(cid:433), (cid:435)(cid:430)(cid:424)(cid:416)(cid:837)(cid:435)(cid:422)(cid:433) (cid:795)(cid:431)(cid:430)(cid:423)(cid:829)(cid:434)(cid:420)(cid:440)(cid:433) (cid:730)(cid:431)(cid:420)(cid:424)(cid:426)(cid:422)(cid:427)(cid:427)(cid:829)(cid:428)(cid:430)(cid:424) (cid:425)(cid:416)(cid:832) (cid:435)(cid:422)(cid:426)(cid:424)(cid:425)(cid:416)(cid:837)(cid:435)(cid:422)(cid:433) (cid:431)(cid:432)(cid:827)(cid:429)(cid:420)(cid:440)(cid:433)· (cid:783)(cid:431)(cid:420)(cid:432) (cid:430)(cid:763) (cid:431)(cid:426)(cid:420)(cid:922)(cid:434)(cid:435)(cid:430)(cid:424) (cid:431)(cid:430)(cid:424)(cid:430)(cid:937)(cid:434)(cid:424) (cid:435)(cid:952)(cid:428) (cid:434)(cid:436)(cid:418)(cid:418)(cid:432)(cid:416)(cid:437)(cid:829)(cid:440)(cid:428), (cid:420)(cid:762)(cid:433) (cid:714)(cid:427)(cid:437)(cid:835)(cid:435)(cid:420)(cid:432)(cid:416) (cid:435)(cid:826) (cid:427)(cid:829)(cid:432)(cid:422) (cid:419)(cid:424)(cid:416)(cid:435)(cid:424)(cid:423)(cid:829)(cid:427)(cid:420)(cid:428)(cid:430)(cid:424) (cid:435)(cid:430)(cid:836)(cid:433) (cid:730)(cid:428)(cid:835)(cid:428)(cid:435)(cid:416)(cid:433) (cid:426)(cid:835)(cid:418)(cid:430)(cid:436)(cid:433). („Vielleicht werden manchen fragen, warum wir nicht, einen solchen Stoff in Händen, zu einem Ereignis von solcher Bedeutung gelangt, die Gelegenheit benutzen und die Reden, die jeder einzelne gehalten hat, zu Prunkstücken unserer rhetorischen Kunst ausgestalten, wie es die meisten Historiker machen, die alle in der Sache liegenden Argumente nach beiden Seiten hin entwickeln.“ Übersetzung DREXLER 1963). 4 Dennis Pausch die Reden konsequent in den Zusammenhang des ganzen Werkes gestellt und daraufhin befragt werden, wie ihre Verwendung auf einen Rezipien- ten wirkt, der sie nicht als separate und eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen- de Episoden, sondern als wesentlichen und integralen Teil der historiogra- phischen Darstellung wahrnimmt. Der in dieser Weise berücksichtigte Kontext beginnt bereits mit der unmittelbaren narrativen Rahmung, in der die Reaktionen der internen Rezipienten auf die Rede geschildert werden kann, so dass sich für den externen Leser die Möglichkeit ergibt, seine Wahrnehmung mit derjenigen der historischen Figuren zu vergleichen. In den meisten Fällen fehlt aller- dings ein expliziter Hinweis auf die Wirkung der Rede bei ihren primären Adressaten, so dass ein größerer Abschnitt des Textes in den Blick ge- nommen werden muss, um zu beurteilen zu können, ob die Rede erfolg- reich war oder ob sie möglicherweise gar keine Veränderung am Lauf der historischen Entwicklung bewirkt hat. Wenn letzteres – wie beispielsweise bei Thukydides – häufiger der Fall ist, ergibt sich daraus die Frage, welche Funktionen mit der Wiedergabe der Reden sonst verbunden sein können. Der für eine solche Untersuchung relevante Kontext geht aber über das unmittelbare Umfeld der jeweiligen Rede deutlich hinaus und erstreckt sich auch auf andere Partien des gleichen – oder auch eines anderen – Geschichtswerkes, zu denen sich über die Identität des Sprechers, die Ver- gleichbarkeit der Situation oder durch sprachliche Anleihen intertextuelle Parallelen ergeben. Außerdem können auch andere literarische Gattungen und Formen der gesellschaftlichen Kommunikation über Geschichte hier einen wichtigen Bezugspunkt bilden.6 1.2 Betonung der Unterschiede zwischen den einzelnen Historikern Auch wenn einem antiken Leser durchaus unterstellt werden kann, dass er mehr als nur ein Geschichtswerk gelesen hat, so sollte die prinzipielle Verfügbarkeit einer großen literarischen Tradition nicht zu der Annahme verleiten, die antike Geschichtsschreibung als allzu homogen in Hinsicht auf ihre Darstellungstechnik zu verstehen. Vielmehr lassen sich bei einem genauerem Hinsehen im Laufe der rund sechs Jahrhunderte, aus denen die in diesem Band untersuchten Autoren stammen, trotz aller Gemeinsam- keiten auch große Unterschiede erkennen, wie sich nicht zuletzt bei der Gestaltung und Funktionalisierung der Reden zeigt. Aus diesem Grund ist auch die von der Forschung oft vorgenommene Übertragung der theoreti- _____________ 6 Zu den hiermit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeit s. unten S. 8.

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