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Städte und Stadtstaaten Zwischen Mythos, Literatur und Propaganda PDF

354 Pages·2020·3.472 MB·German
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Städte und Stadtstaaten zwischen Mythos, Literatur und Propaganda Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Susanne Daub, Michael Erler, Dorothee Gall, Ludwig Koenen und Clemens Zintzen Band 383 Städte und Stadtstaaten zwischen Mythos, Literatur und Propaganda Herausgegeben von Paolo Cecconi und Christian Tornau ISBN 978-3-11-065676-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065689-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-065781-4 ISSN 1616-0452 Library of Congress Control Number: 2020931458 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio- grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Inhalt Paolo Cecconi/Christian Tornau   Einleitung: Städte und Stadtstaaten zwischen Mythos, Literatur und Propaganda | 1  Angela Ganter   Καδμεία νίκη: Politicising the ‘Seven against Thebes’ in the 5th century B.C. | 11  Marion Meyer   Athen, Athena und die Athener. Identifikationsfigur(en) und Narrative | 29  Vanessa Zetzmann   Von Argos nach Athen: Von Manipulation zu Polis-Rhetorik zwischen Aischylos’ Agamemnon und Eumeniden | 75  Paolo Cecconi   „Wer baute das siebentorige Theben?“  Breve riflessione sulle origini della colpa e della catastrofe| 107  Johannes Buhl   Σοφίσματα θεῶν. Götterdämmerung, Kontingenzerfahrung und Kulturpessimismus in Euripides’ „Phönikierinnen“ | 139  Maria Paola Castiglioni   La metamorfosi di Cadmo nelle Baccanti di Euripide e il punto di vista ateniese | 163  P.J. Finglass   Phaedra between Homer and Sophocles: the Stesichorean connexion | 181  Jochen Schultheiß   Plebs Argiva – Thebana iuventus – verendi Cecropidae. Die „kleinen Leute“ in Statius’ Thebais | 191  Stefano Rocchi   Triptolemos und Europa in Tarraco. Stadtdarstellung, Politik und mythische Züge in Florus’ Vergilius: orator an poeta? | 223 VI | Inhalt Markus Hafner   Der ‚Mythos Athen‘ im literarischen Diskursfeld fiktionaler Erzählprosa der Kaiserzeit. Lukian, Chariton und Heliodor | 249  Chiara Ombretta Tommasi   Da indovino tebano a profeta universale. Alcune metamorfosi di Tiresia in età tardoantica | 269  Thomas Gärtner   Ethopoiie, Struktur und Mythopoiie in den profanen Epyllien des Nordafrikaners Dracontius | 293  Die Autorinnen und Autoren | 337  Index auctorum et operum | 339 Index nominum et rerum | 345 Paolo Cecconi/Christian Tornau Einleitung: Städte und Stadtstaaten zwischen Mythos, Literatur und Propaganda Inhalt dieses Bandes sind die im Rahmen des internationalen Workshops „Städte und Stadtstaaten zwischen Mythos, Literatur und Politik“ am 28.  29.10.2016 in Würzburg vorgestellten Beiträge. Untersucht wird die Repräsentation der „Stadt“ und ihrer Räume in Politik und Literatur anhand von griechischen und lateini- schen Texten vom 5. Jh. v. Chr. bis zum 5. Jh. n. Chr. aus der Sicht von Philologie, Geschichte, Literaturwissenschaft und Archäologie. Das Hauptinteresse gilt dem Einfluss politischer und propagandistischer Faktoren auf die Entwicklung kano- nischer Darstellungsformen von mit bestimmten Städten assoziierten Mythen in der griechischen Klassik und deren Rezeption und Transformation in der gewan- delten historischen Situation der römischen Kaiserzeit und der Spätantike. Die Stadt spielte eine zentrale Rolle für die Entwicklung kultureller Identität in der antiken Welt. Die Städte sind der Ort nicht nur der politischen Auseinan- dersetzung und der Vollzüge des täglichen Lebens, sondern auch der Ort, wo die Gründungsmythen der klassischen griechischen Kultur entstanden und ihre ka- nonischen literarischen Formen erhielten.1 Troja, Theben, Argos und Athen sind Orientierungspunkte für die Entstehung einer auch religiösen gemeingriechi- schen Identität, weil vor allem Troja und Theben die Schauplätze der großen identitätsstiftenden Erzählungen sind, die ein enges Zusammenwirken von Göt- tern und Menschen zeigen und damit die religiöse Vorstellungswelt der Griechen repräsentieren und prägen. Die Außen- und Selbstwahrnehmung dieser Städte schon als rein physischer Orte ist von den dort spielenden Mythen stark beeinflusst. Der politische Diskurs greift diese Wahrnehmungen auf und gestaltet sie in bestimmten politischen Konstellationen zu propagandistischen Selbst- oder Feindbildern aus der Sicht der politischen Gegner. Gerade Theben und Argos eignen sich als Beispiele sol- cher Konstruktionen, insofern der Ruf Thebens spätestens seit dem 6. Jh. v. Chr. unauflöslich mit der Tragödie der Ödipus-Familie verbunden ist, so dass die Stadt paradigmatisch für Gottlosigkeit, Bürgerkrieg und Wahnsinn zu stehen scheint. Der Ruf von Argos – der zweiten „Anti-Stadt“ insbesondere der Athener Darstel- lungen – ist einerseits mit Adrastos, dem Alliierten des Ödipus-Sohnes Polynei- kes, und andererseits mit dem tragischen Schicksal der Atridenfamilie verknüpft. || 1 Angeli Bernardini 2014. https://doi.org/10.1515/9783110656893-001 2 | Paolo Cecconi/Christian Tornau Hauptquellen für eine Analyse der Mythen der erwähnten Städte und ihrer literarischen Gestaltungen sind die homerischen Epen und v.a. die attischen Tra- gödien;2 überdies haben die archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts in The- ben (Kongress Urbino 1997)3 – und die neueren Forschungen zur mythologischen Geschichte von Argos (Kongress Urbino 2002)4 die Voraussetzungen für neue Un- tersuchungen der betreffenden Mythen sowie ihrer Überlieferung und Rezeption geschaffen. In der attischen Tragödie sind Politik und Literatur schon wegen der Praxis der Aufführung während der die Stadt und ihr Selbstverständnis repräsen- tierenden religiösen Feste bekanntlich eng verzahnt. Fasst man – wie es mehrere der in diesem Band versammelten Beiträge tun – die poetischen und politischen Interpretationen der Thebaner und Argiver Mythen in der Gattung Tragödie ins Auge,5 so drängen sich Fragen aus dem Bereich der Wechselwirkung von Politi- schem und Literarischem geradezu auf: Welche Relevanz hat das Politische bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte überlieferte Mythenversionen? Wie verhalten sich Fremd- und Selbstbild zueinander bei der Repräsentation eines Thebaner oder Argiver Mythos auf der athenischen Bühne vor einem gesamtgrie- chischen Publikum? In der athenischen Politik spielt der Mythos als Verkörpe- rung der Hoffnung auf eine bessere Zukunft bzw. als Erinnerung an vergangene Glorie seit jeher eine wichtige Rolle. Mythendarstellungen erfüllen in diesem Sinne nicht nur innenpolitisch die Funktion der Selbstvergewisserung, sondern zeichnen in Fortführung und Ausweitung dieser Funktion auch ein bestimmtes Bild der Orte, wo die betreffenden Mythen stattfanden, in ihrer Relation zu Athen.6 Insofern sind – worauf besonders David Konstan hingewiesen hat – My- then auf der Athener Bühne und auch sonst im hellenischen Raum7 jederzeit ak- tuell und bieten Einsicht in Identifikationssuchen und Identitätskonflikte politi- scher Gemeinschaften angesichts gegenwärtiger Krisen.8 Bekanntlich endet die „Arbeit am Mythos“ (Blumenberg) in der Antike nicht zugleich mit der Athener klassischen Literatur, sondern findet ihre Fortsetzung in hellenistischer, römischer und spätantiker Zeit bei Autoren wie Apollonios von || 2 Radke 2003; Abel-Wilmanns 1977; Föllinger 2003; Gödde 2000; Markantonatos 2002. 3 Angeli Bernardini 2000. Zu den von V. Aravantinos ausgegrabenen 250 Tafeln an der Akropo- lis von Theben vgl. Aravantinos 2000; Aravantinos 2006. 4 Angeli Bernardini 2004. 5 Hierzu auch Markantonatos/Zimmermann 2011. 6 Davies 2014. 7 Vgl. dazu etwa den Beitrag von Angela Ganter in diesem Band. 8 Konstan 2013. Einleitung: Städte und Stadtstaaten zwischen Mythos, Literatur und Propaganda | 3 Rhodos, Statius, Nonnos und Dracontius.9 Freilich geschieht dies unter veränder- ten Bedingungen. Gewiss bleibt es bei der kulturellen Bedeutsamkeit und Ver- bindlichkeit der tradierten Erzählungen, doch kommt als neuer Faktor die kano- nische Geltung der homerischen und tragischen Mythenversionen hinzu, die als klassische, bisweilen sogar als überwältigende Tradition empfunden werden. Po- litische Aktualität kann unter diesen Umständen von einer römischen oder spät- antiken literarischen Mythengestaltung wenigstens prima facie nicht erwartet werden. Andererseits sind die Fassungen der thebanischen und argivischen My- then in Rom und in der Spätantike nicht bloße Übernahmen der klassischen Ver- sionen, sondern rezipierende Stellungnahmen zu diesen in Affirmation oder Ab- grenzung und können dementsprechend in einem veränderten politisch- kulturellen Kontext grundsätzlich auch andere, bisweilen überraschende Bedeu- tungsebenen entwickeln.10 Der Frage, wie sich eine ursprünglich politische My- thendeutung unter neuen politischen Bedingungen, eventuell sogar in einem „unpolitischen“, rein literarischen oder theologisch-philosophischen Raum fort- setzt, gehen die der Kaiserzeit und Spätantike gewidmeten Beiträge dieses Ban- des nach. Neben der – durchaus auch politischen – Reinterpretation tradierter mythischer Stadtbilder (das Theben des Statius) steht dabei die Entwicklung neuer Bilder aus klassischen Bausteinen (das Athen der Attizisten und der Zwei- ten Sophistik) und die mythische Aufladung bis dahin literarisch wie politisch peripherer Orte (Tarraco). Die in diesem Band versammelten Studien eint also bei aller gewollten in- haltlichen und methodischen Vielfalt die gemeinsame Perspektive, dass die My- then nicht als statische Zeugnisse einer Kultur interpretiert, sondern als Korpus dynamischer Formen und sozialer Leitbilder analysiert werden, die für den poli- tischen und sozialen Alltag der Stadt modellhaft sind und ihrerseits in Relation zu diesem durch Anpassung oder Distanzierung eine eigene Dynamik entwi- ckeln. Die erste, dem klassischen Griechenland und der besonderen Dynamik der Mythengestaltungen im klassischen Athen gewidmete Gruppe eröffnet Angela Ganter mit einer Untersuchung der Wandlungen des Theben-Mythos vom 8. bis zum 5. Jh. v. Chr. unter Berücksichtigung literarischer Zeugnisse ebenso wie ar- chäologisch nachweisbarer Erinnerungsorte. Der interpretatorische Akzent liegt dabei auf dem Gebrauch von Mythen als Mittel der historisch-politischen Selbst- vergewisserung („intentional history“). Während in der Frühzeit die Uneinnehm- barkeit der gewaltigen thebanischen Mauern im Vordergrund stand, wandte sich || 9 Spanoudakis 2014; Chuvin 1991. 10 Castiglioni 2010; Castiglioni 2012; Dill/Walde 2009. Zur Rolle des Stadtraums in der Spätan- tike siehe Fuhrer 2012. 4 | Paolo Cecconi/Christian Tornau das Interesse in der Folgezeit den feindlichen Brüdern Eteokles und Polyneikes und damit dem Problem des innenpolitischen Konflikts (Stasis) zu und schließ- lich im 5. Jh. dem Motiv des den Angreifern verweigerten Begräbnisses und der Frage nach der Geltung ungeschriebener, universaler Gesetze in Kriegs- und Kri- senzeiten. Die attische Tragödie entwarf dabei Theben als negatives Spiegelbild Athens, als eine Polis, die wegen ihrer physischen und geistigen Abschottung in die Katastrophe gerät; in der Folgezeit scheinen jedoch trotz des Einflusses der Tragiker alternative Mythenversionen aus thebanischer Sicht weiterbestanden zu haben. Marion Meyer verfolgt aus archäologischer Perspektive, wie in einer politisch und ökonomisch besonders dynamischen Phase Athens auch die mit der Stadt- göttin verbundenen Mythen in ständiger Bewegung sind. Der Mythos von der Ge- burt des Erechtheus/Erichthonios stellt zunächst die beiden für die Techne zu- ständigen Hauptgottheiten Hephaistos und Athena zusammen, verbindet sich im Zusammenhang mit der Phylenreform mit dem Motiv des Streits der Götter Athena und Poseidon um Attika und entwickelt sich in der Zeit nach den Perser- kriegen zum Symbol der Athener Autochthonie, einem der Hauptargumente für den athenischen Hegemonialanspruch. Die Siegesthematik steht im Vordergrund bei den großen Athenadarstellungen des Phidias im 5. Jh.; eine Modifikation im Trojamythos akzentuiert Athena als Garantin des Athener Asyls. Neue Zwistmo- tive wie Kentauromachie und Amazonomachie greifen die aktuellen Fragen der Botmäßigkeit der Bündner und der erfolgreichen Abwehr der persischen Invaso- ren auf. Nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges bleiben Mythen, Kulte und Bilder weitgehend konstant – eine Spiegelung der abgeebbten politisch-öko- nomischen Dynamik, oder haben wir es hier mit einem sich verselbständigenden Prozess der Kanonisierung zu tun, etwa wegen des klassischen Rangs der Bau- werke und Bilder des Parthenons oder auch der Tragödie des 5. Jh.? Die folgenden vier Beiträge wenden sich dem weiten Feld der Rolle Thebens und Argos’ in der attischen Tragödie zu. Vanessa Zetzmann setzt bei Aischylos’ Verlagerung des Herrschaftssitzes des Agamemnon und damit der blutigen Handlungen von Agamemnon und Choephoroi nach Argos an. Aischylos nahm damit wohl einen direkten politischen Anlass auf (das Bündnis von Athen und Argos und die Signalisierung der Überlegenheit Athens), nutzte es aber vor allem dazu, Athen als den Ort einer neuen, positiven Art der Kommunikation, genauer der Problemlösung auf sprachlichem Wege, zu inszenieren: Der von Aischylos doch wohl erfundene aitiologische Mythos der Eumeniden zeigt Athena sowohl als die Leiterin als auch die kompetente Akteurin in einem Gerichtsverfahren, ei- nem Forum also, das Konflikte nicht mit Gewalt, sondern durch Rede und Gegen- rede löst. Dies kontrastiert mit Argos, dem Ort des Leidens, der Furcht und des

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