Sebastian Uhrich Stadionatmosphäre als verhaltenswissenschaftliches Konstrukt im Sportmarketing GABLER EDITION WISSENSCHAFT Marketing und Innovationsmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Martin Benkenstein Die Schriftenreihe „Marketing und Innovationsmanagement“ soll drei für die Betriebswirtschaftslehre richtungsweisende Forschungsfel- der integrieren: die marktorientierte Unternehmensführung mit Fragen der Kunden- und der Wettbewerbsorientierung, die marktori- entierte Technologiepolitik mit allen Fragen des Innovationsmanage- ments und schließlich das internationale Marketing mit einer speziel- len Fokussierung auf den Ostseeraum und Osteuropa. Die Schriften- reihe will dabei ein Forum für wissenschaftliche Beiträge zu diesen Themenbereichen des Marketing-Managements bieten, aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren und zur Diskussion stellen. Sebastian Uhrich Stadionatmosphäre als verhaltens- wissenschaftliches Konstrukt im Sportmarketing Entwicklung und Validierung eines Messmodells Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Martin Benkenstein GABLER EDITION WISSENSCHAFT Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Dissertation Universität Rostock, 2008 1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWVFachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler /Sabine Schöller Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe- sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. indiesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1236-7 Geleitwort Der Spitzensport hat weltweit eine enorme Kommerzialisierung erfahren. Sportveran- staltungen wie Fußballweltmeisterschaften oder auch Olympische Spiele haben mitt- lerweile einen Etat von deutlich über einer Milliarde Euro. Auch die europäischen und amerikanischen Profiligen im Fußball, Basketball oder Eishockey haben Etats von bis zu über einer Milliarde Euro. Diese Etats werden im Wesentlichen aus vier Quellen gespeist: dem Verkauf von Übertragungsrechten, dem Sponsoring, dem Verkauf von Fanartikeln sowie den Zuschauereinnahmen. Vor allem kleinere Veranstaltungen und Sportvereine, die am Verkauf von Übertragungsrechten und am Sponsoring nur unter- proportional partizipieren, sind vornehmlich auf Zuschauereinnahmen und die korres- pondierenden Fanartikelverkäufe angewiesen, um ihre Etats zu decken. Für diesen Kreis von Veranstaltern bzw. Vereinen ist es deshalb besonders wichtig, der Frage nachzugehen, warum Zuschauer in die Stadien strömen. Diese Zusammenhänge haben letztlich dazu geführt, dass sich auch die Käuferverhaltensforschung mit der Frage auseinander setzt, welche käuferverhaltenstheoretischen Konstrukte zur Erklärung der Fanloyalität herangezogen werden können. Insbesondere mit dem Zufriedenheitskon- strukt haben sich ganze Forscherkohorten auseinander gesetzt, um die Loyalität von Kunden und damit auch von Sportfans zu erklären. Lange Zeit galt die Zufriedenheit als wesentlicher Treiber der Kundenloyalität. Dieser Fragestellung – der Erklärung des Zuschauerverhaltens – hat sich auch die wis- senschaftliche Diskussion auf dem Gebiet des Sportmarketing gewidmet. Hierzu lie- gen eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen aus dem US-amerikanischen, aber auch aus dem deutschsprachigen Raum vor, die u.a. ausweisen, dass ein wesentli- cher, wenn nicht gar der zentrale Beweggrund für den Stadionbesuch die besondere Atmosphäre im Stadion ist. Letzteres wird immer wieder auch von Sportmarketing- praktikern betont. Allerdings liegen bislang keinerlei wissenschaftliche Untersuchun- gen vor, die der Frage nachgehen, was die Stadionatmosphäre überhaupt ist, wie sie operationalisiert werden kann und ob darauf aufbauend eine Messung der Stadionat- mosphäre möglich ist. Vor diesem Hintergrund hat sich Uhrich mit der vorliegenden VI Geleitwort Schrift das Ziel gesetzt, die Forschungslücke zur Stadionatmosphäre zu schließen, in- dem er ein Messmodell für das Konstrukt Stadionatmosphäre entwickelt und validiert. Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen geht Uhrich zunächst auf hedonische Kon- sumerlebnisse ein, verdeutlicht deren Stellenwert für das Kaufverhalten in verschie- densten Konsumsituationen und kennzeichnet den Einfluss von „Konsumumwelten“ auf den hedonischen Aspekt des Konsums. Dabei weist er auch darauf hin, dass spe- ziell zum Einfluss der Laden- bzw. Einkaufszentrenatmosphäre vielfältige Untersu- chungen vorliegen, die die Einflüsse der Atmosphäre auf das Kaufverhalten nachwei- sen. Diesen Erkenntnisstand voraussetzend geht Uhrich dann auf die Atmosphäre bei Sportveranstaltungen ein und verdeutlicht auch die ökonomische Bedeutung der Stadi- onatmosphäre, um dann die Forschungslücke zu kennzeichnen, die zum Atmosphäre- konstrukt bei Sportveranstaltungen herrscht. Diese Lücke aufgreifend entwickelt Uhrich ein exaktes Konzept des Atmosphärekon- strukts und seines theoretischen Kontextes. Dazu setzt er sich zunächst mit den wis- senschaftlichen Erkenntnissen der Umweltpsychologie auseinander. Sie liefern ihm eine theoriegeleitete Basis zur Definition und weiteren Konzeptionalisierung des Kon- strukts. Weiterhin werden Untersuchungen aufgearbeitet, die sich aus der Perspektive der Käuferverhaltens-, aber auch der Ästhetikforschung mit der Atmosphäre auseinan- der setzen. So gelingt es Uhrich, das Atmosphärekonstrukt aus verschiedenen wissen- schaftlichen Perspektiven näher einzugrenzen und auch theoretisch stärker zu fundie- ren. Eine generalisierbare Definition des Phänomens „Atmosphäre“ gelingt so relativ leicht. Nachdem diese Grundlagen gelegt sind, ist es für Uhrich ein leichtes, sein gene- relles Begriffsverständnis von Atmosphäre auf die Stadionatmosphäre zu übertragen. Stadionatmosphäre wird als ein Konstrukt abgegrenzt, „das den Einfluss der besonde- ren Eigenschaften der Umwelt Sportstadion auf ein präferenzgerechtes gefühlsmäßiges Ergriffensein der Stadionbesucher abbildet“. An diese Begriffsbestimmung anknüp- fend setzt er sich dann mit den beiden Perspektiven, die die Stadionatmosphäre kenn- zeichnen, auseinander und geht einerseits auf das Reizbündel der Umgebungseigen- schaften in Sportstadien und andererseits auf das Empfinden dieses Reizbündels durch den Stadionbesucher ein. Geleitwort VII Im weiteren Verlauf der Schrift widmet sich Uhrich dann der Entwicklung eines Messmodells für das Konstrukt der Stadionatmosphäre. Er macht sehr schnell deutlich, dass er die Stadionatmosphäre – konsequent seinem zweiseitigen Begriffsverständnis folgend – sowohl über formative als auch über reflektive Indikatoren messen will. Diese Indikatoren werden in akribischer Arbeit empirisch generiert. Weiterhin zeigt sich, dass Uhrich sich sehr umfassend in die Konzepte der Konstruktoperationalisie- rung und Messmodellkonzeptionalisierung eingearbeitet hat. Dies belegen nicht zuletzt seine Ausführungen zur Problematik fehlspezifizierter Messmodelle. Darauf aufbau- end wird dann – der Theorie zur Messung latenter Konstrukte folgend – ein MIMIC- Modell entworfen, in das gleichzeitig die Ausprägungen von Umgebungsreizen in Sportstadien und die Empfindungen der diesen Reizen ausgesetzten Stadionbesucher eingehen. Schließlich führt Uhrich die empirische Prüfung des entworfenen MIMIC-Modells durch. Dazu kennzeichnet er zunächst Kriterien und Verfahren zur Beurteilung der Güte derartiger Messmodelle. Er geht dabei besonders auf die Reliabilität und Validi- tät des Modells sowie die Gütebeurteilung reflektiver und formativer Messmodelle ein. Darauf aufbauend werden dann die Datenerhebung, insbesondere die Fragebogenent- wicklung sowie die Durchführung der Zuschauerbefragung bei Hansa Rostock näher gekennzeichnet. Der so erhobene Datensatz wird dann eingesetzt, um die Reliabilität und Validität des Messmodells zu prüfen. Dazu setzt Uhrich einen ganzen Kranz mul- tivariater Verfahren ein, um so das Messmodell sowohl auf der formativen als auch auf der reflektiven Seite anzupassen und nochmals empirisch auf der Grundlage eines wei- teren Datensatzes zu prüfen. Insgesamt entwirft die vorliegende Schrift ein umfassendes Modell zur Messung und Validierung des Konstrukts der Stadionatmosphäre. Damit liefert der Verfasser einen wesentlichen Baustein zur Erklärung des Fanverhaltens. Darüber hinaus zeigt sein An- satz aber auch auf, wie das Sportmanagement die Atmosphäre in Sportarenen gezielt steuern kann. Deshalb ist zu wünschen, dass die vorliegende Schrift nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Praxis des Sportmanagements eine weite Verbrei- tung findet. Prof. Dr. Martin Benkenstein Vorwort Werden die Zuschauer professioneller Teamsportveranstaltungen nach ihren Beweg- gründen für einen Besuch im Stadion gefragt, so ist beständig von der „besonderen“ Atmosphäre zu hören, die es im Stadion zu erleben gilt. In kaum einer Fußball Live- Übertragung im Fernsehen unterlässt es der Kommentator zumindest kurz seine Ein- drücke von der Atmosphäre im Stadion zu schildern. Nicht selten äußern sich auch die an den Veranstaltungen beteiligten Sportler in Interviews nach dem gerade zu Ende gegangenen Spiel oder Wettkampf zur „unglaublichen“ Atmosphäre im Stadion, die vermeintlich einen wesentlichen Einfluss auf das Spielgeschehen ausgeübt hat. Die Organisatoren von Sportveranstaltungen versuchen ihrerseits alles dafür zu tun, dass eine „tolle“ Atmosphäre in ihrem Stadion entsteht, um den Stadionbesuch für die Zu- schauer zu einem außergewöhnlichen Erlebnis zu machen. Schließlich nutzen viele Sponsoren die offenbar „einzigartige“ Atmosphäre in Sportstadien zur Platzierung ih- rer Werbebotschaften. Für die wesentlichen Beteiligten am professionellen Teamsportgeschäft erscheint die Bedeutung des Phänomens Stadionatmosphäre also eine ausgemachte Sache zu sein. So häufig und selbstverständlich der Begriff Stadionatmosphäre auch gebraucht wird, so unklar ist, was sich hinter diesem Konzept eigentlich genau verbirgt. Trotz der au- genscheinlich hohen Relevanz der Stadionatmosphäre für die Erklärung des Vor-Ort- Sportkonsumverhaltens hat die Wissenschaft das Konzept Atmosphäre im Kontext von Sportveranstaltungen bisher vernachlässigt. Im Blickpunkt der marketingorientierten Atmosphäreforschung stehen bislang vor allem Verkaufsräume und Einkaufszentren. An dieser Problematik setze ich mit der vorliegenden Arbeit an und entwickle den All- tagsbegriff der Stadionatmosphäre zunächst zu einem käuferverhaltenstheoretischen Konstrukt. Dabei integriere ich die Perspektiven von drei Forschungsrichtungen, die sich dem Konzept Atmosphäre bislang gewidmet haben: die Umweltpsychologie, die Ästhetiktheorie sowie die marketingorientierte Konsumentenverhaltensforschung. Im Kern der Arbeit steht die grundlagenwissenschaftliche Aufgabe ein Messmodell für das Konstrukt der Stadionatmosphäre zu entwickeln. Mit der Bearbeitung dieser Auf- X Vorwort gabenstellung schafft die Arbeit den Ausgangspunkt für künftige empirische Untersu- chungen im Bereich der sportorientierten Marketingforschung, in denen die Ursachen und Konsequenzen von Stadionatmosphäre näher beleuchtet werden können. Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2007 an der Wirtschafts- und Sozialwis- senschaftlichen Fakultät der Universität Rostock als Dissertationsschrift angenommen und im Januar 2008 erfolgreich verteidigt. Zum Gelingen der Arbeit hat eine Reihe von Personen und Institutionen beigetragen, bei denen ich mich an dieser Stelle herz- lich bedanken möchte. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Professor Benkenstein, der das Dissertationsprojekt von der Themenfindung bis zum Abschluss mit großem En- gagement und persönlichem Interesse begleitet hat. Herrn Prof. Nerdinger möchte ich für die Anfertigung des Zweitgutachtens – insbesondere die sehr schnelle Abwicklung – herzlich danken. Zu besonderem Dank bin der Quistorp-Stiftung und Frau Alexandra Gräfin Lambs- dorff verpflichtet. Die Quistorp-Stiftung hat mir durch ihre finanzielle Unterstützung während der Promotionszeit die Teilnahme an zwei internationalen Konferenzen er- möglicht. Auf diesen Konferenzen hatte ich die Gelegenheit die Arbeitsschritte und Erkenntnisse meiner Dissertation zu präsentieren und mit Fachwissenschaftlern aus aller Welt zu diskutieren. Diese Kongressreisen haben zur Verbesserung der Qualität der Arbeit und zu meiner Motivation maßgeblich beigetragen. Die groß angelegte empirische Datenerhebung wäre ohne die Unterstützung des Fuß- ballvereins FC Hansa Rostock nicht möglich gewesen. Sämtlichen Interviewern wurde uneingeschränkter Zutritt zum Stadion des FC Hansa Rostock gewährt. Dem gesamten Verein und vor allem Herrn Ralf Gawlack sowie Herrn Stefan Bobzin gilt dafür mein großer Dank. Bei meinen aktuellen und ehemaligen Kollegen am Institut für Marketing & Dienst- leistungsforschung möchte ich für ihre Diskussionsbereitschaft und ihr Engagement für meine Arbeit im Rahmen unserer Forschungskolloquien bedanken. Darüber hinaus danke ich Ihnen sowie unserer früheren Sekretärin, Frau Eva-Marie Schröder, und un- serer derzeitigen Sekretärin, Frau Jutta Tesche, für das sehr angenehme Arbeitsumfeld, Vorwort XI in dem die Dissertationsschrift entstehen konnte. Unsere gute Arbeitsatmosphäre hat das erfolgreiche Arbeiten nicht nur möglich gemacht, sondern stets befördert. Schließlich möchte ich allen Personen in meinem privaten Umfeld für ihre große Un- terstützung während der gesamten Promotionszeit danken. Meiner Freundin Hanna Milimonka danke ich für die motivierenden Besuche während der langen Nachmit- tagsstunden. Hervorheben möchte ich meine Eltern, die mir stets den Rücken frei gehalten haben und beim Korrekturlesen der Arbeit eine große Hilfe waren. Sebastian Uhrich