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Staatsgeheimnisse: Arkanpolitik im Wandel der Zeiten PDF

242 Pages·2017·2.32 MB·German
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Staat – Souveränität – Nation Rüdiger Voigt Hrsg. Staatsgeheimnisse Arkanpolitik im Wandel der Zeiten Staat – Souveränität – Nation Beiträge zur aktuellen Staatsdiskussion Herausgegeben von R. Voigt Netphen, Deutschland S. Salzborn Göttingen, Deutschland Weitere Bände in dieser Reihe: http://www.springer.com/series/12756 Zu einem modernen Staat gehören Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk (Georg Jellinek). In Gestalt des Nationalstaates gibt sich das Staatsvolk auf einem bestimmten Territorium eine institutionelle Form, die sich über die Jahrhunder­ te bewährt hat. Seit seiner Etablierung im Gefolge der Französischen Revolution hat der Nationalstaat Differenzen in der Gesellschaft auszugleichen vermocht, die andere Herrschaftsverbände gesprengt haben. Herzstück des Staates ist die Souve ­ ränität (Jean Bodin), ein nicht souveräner Herrschaftsverband ist kein echter Staat (Hermann Heller). Umgekehrt ist der Weg von der eingeschränkten Souveränität bis zum Scheitern eines Staates nicht weit. Nur der Staat ist jedoch Garant für Si­ cherheit, Freiheit und Wohlstand der Menschen. Keine internationale Organisation könnte diese Garantie in ähnlicher Weise übernehmen. Bis vor wenigen Jahren schien das Ende des herkömmlichen souveränen Natio­ nalstaates gekommen zu sein. An seine Stelle sollten supranationale Institutionen wie die Europäische Union und – auf längere Sicht – der kosmopolitische Welt­ staat treten. Die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu weiterer Integration schwindet jedoch, während gleichzeitig die Eurokratie immer mehr Macht anzu­ häufen versucht. Die demokratische Legitimation politischer Entscheidungen ist zweifelhaft geworden. Das Vertrauen in die Politik nimmt ab. Wichtige Orientierungspunkte (NATO, EU, USA) haben ihre Bedeutung für die Gestaltung der Politik verloren. In dieser Situation ist der souveräne Nationalstaat, jenes „Glanzstück occidentalen Rationalismus“ (Carl Schmitt), der letzte Anker, an dem sich die Nationen festhalten (können). Dabei spielt die Frage nur eine unter ­ geordnete Rolle, ob die Nation „gemacht“ (Benedict Anderson) worden oder ur ­ sprünglich bereits vorhanden ist, denn es geht nicht um eine ethnisch definierte Nation, sondern um das, was Cicero das „Vaterland des Rechts“ genannt hat. Die „Staatsabstinenz“ scheint sich auch in der Politikwissenschaft ihrem Ende zu nähern. Und wie soll der Staat der Zukunft gestaltet sein? Dieser Thematik will sich die interdisziplinäre Reihe Staat – Souveränität – Nation widmen, die Mono­ grafien und Sammelbände von Forschern und Forscherinnen aus unterschiedlichen Disziplinen einem interessierten Publikum vorstellen will. Das besondere Anlie­ gen der Herausgeber der Reihe ist es, einer neuen Generation von politisch interes­ sierten Studierenden den Staat in allen seinen Facetten vorzustellen. Rüdiger Voigt Samuel Salzborn Rüdiger Voigt (Hrsg.) Staatsgeheimnisse Arkanpolitik im Wandel der Zeiten Herausgeber Rüdiger Voigt Netphen, Deutschland Staat – Souveränität – Nation ISBN 978­3­658­16234­4 ISBN 978­3­658­16235­1 (eBook) DOI 10.1007/978­3­658­16235­1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d­nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham­Lincoln­Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rüdiger Voigt Arcana Imperii. Das Staatsgeheimnis als Instrument der Arkanpolitik . . . . . . . 5 Rüdiger Voigt I Geschichte der Arkanpolitik Das Geheimnis in der Politik. Die Genese der Arkanpolitik bei Niccolò Machiavelli und Giovanni Botero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Konrad Göke Legitimität der arcana imperii und des Diskurses. Über die arcana imperii bei Gabriel Naudé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Norbert Campagna Arcana, secreta, mysterii. Geheimkonstellationen in imperialen Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Eva Marlene Hausteiner V VI Inhalt II Arkanpolitik im Zeichen des Terrorismus Das monarchische arcana imperii Prinzip versus das demokratische Transparenzprinzip. Zum Verhältnis von Staat und bürgerlicher Freiheit nach Snowden ............................................... 111 Bettina Koch Zwang zur Konzession? Die Auswirkung der Schutzpflicht auf staatliche Handlungsoptionen bei terroristischen Entführungen ................... 131 Jan Hecker Imperium Arcanum? Realität und Mythos verdeckter Militäreinsätze der USA ........................................................... 153 Jochen Kleinschmidt und Sebastian Huhnholz III Staatsgeheimnisse in Demokratien Das Geheimnis und die Demokratie. (In-) Transparenz als politische Herausforderung im digitalen Zeitalter ................................ 179 Claudia Ritzi Demokratie und Geheimnis .......................................... 205 Jörn Knobloch Geheimdienste in liberaldemokratischen Staaten ........................ 225 Wolfgang Krieger Autoren/Autorinnen ................................................. 237 Einleitung Rüdiger Voigt „Das Geheimnis wirkt als Schutz für und Schutz gegen das Heilige.“ (Assmann/Assmann 1997, S. 7) Nicht nur in den Kulturen indigener Völker (z. B. in der Südsee) gibt es Tabus, die bei religiös-gesellschaft licher Strafe nicht gebrochen werden dürfen. Es handelt sich dabei um Plätze, Gebäude, Natur und Kunstgegenstände, die als unantastbar gelten (Dingeldein/Emrich 2015). So dürfen z. B. Frauen in diesen Kulturen die geheiligten Plätze nicht betreten, geheiligte Gegenstände nicht berühren. In der westlichen Welt gibt es ebenfalls Tabus, die aber eine andere Funktion haben. Sie schützen ein Th ema vor dem Diskurs in der Gesellschaft , es kommt dann in der öff entlichen Diskussion nicht vor. Wer das Th ema trotzdem behandeln möchte, setzt sich dem Unwerturteil oder zumindest dem Unverständnis der Mehrheit aus. Eine sachliche politische Diskussion ist somit nicht möglich. Off ensichtlich können und dürfen die Bürger nicht über alles Bescheid wissen, was mit Staat und Regierung zu tun hat. Th omas Hobbes hatte bereits im Titelbild zu seinem Leviathan (1651) zum Ausdruck gebracht, dass es Bereiche der Macht gibt, die dem Auge des Betrachters entzogen werden (müssen). Carl Schmitt hat den Vorhang im unteren Mittelfeld des Frontispiz des Leviathan, das sich auf der zweiten, dem Titelblatt gegenüberliegenden Seite befi ndet und einige Berühmtheit erlangt hat, als Zeichen für die geheime Machtpolitik des Staates (Arcanum imperii) gedeutet (Schmitt 1995). Aleida und Jan Assmann sprechen von einem „Schleier“, wenn sie die Grenzen des Wissbaren bezeichnen wollen. In diesem geistigen Um- feld ist auch das Staatsgeheimnis angesiedelt. Staatsgeheimnis und Öff entlichkeit sind allerdings komplementäre Begriff e. Es ist daher auch sicher kein Zufall, dass Geheimdienste und eine durch Zeitungen vermittelte bürgerliche Öff entlichkeit ungefähr zur gleichen Zeit etabliert worden sind. Die Anfänge der Arkanpolitik 1 © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 R. Voigt, Staatsgeheimnisse, Staat - Souveränität - Nation, DOI 10.1007/978-3-658-16235-1_1 2 Rüdiger Voigt sind allerdings viel früher zu finden. Wenn man von der Antike absieht, finden bereits mit Beginn der Neuzeit Diskussionen über die Zulässigkeit von (politischen) Geheimnissen und von Handlungen des Fürsten, die den Rahmen allgemeiner Zulässigkeitsregeln verlassen, statt. Insbesondere in der Außenpolitik und noch stärker im Krieg soll bzw. darf der Gegner nicht im Voraus die Strategie der Regierung kennen. Bestimmte Informationen werden der Allgemeinheit nicht zugänglich gemacht, sondern als schützenswerte Geheimnisse des Staates behandelt. Vor allem den Amtsträgern, aber auch Privatpersonen, wird dann – bei Androhung von Strafe – verboten, diese Geheimnisse auszuplaudern. Die Frage ist allerdings, ob dies – z. B. in innenpoliti- schen Fragen – auch für die eigenen Staatsbürger gilt. Und wie weit darf die Fest- legung von Geheimnissen gehen? Sind wirklich nur staatsrelevante Informationen gemeint, bei deren Bekanntwerden der Bestand der Republik gefährdet wäre, oder geht es auch um solche Informationen, deren Bekanntwerden den Machtanspruch der Regierung und der in ihr vertretenen Parteien in Frage stellen könnten? Mit anderen Worten: Dürfen die Herrschenden durch das Erklären von Informationen zu „Staatsgeheimnissen“ ihre persönliche Machtposition sichern und womöglich auf Dauer stellen? Oder ist nicht – umgekehrt – in einer liberalen Demokratie, die auf dem Öffentlichkeitsprinzip beruht, nur äußerst sparsam von diesem Herr- schaftsinstrument, der Arkanpolitik, Gebrauch zu machen? In der Demokratie gilt zwar grundsätzlich das Öffentlichkeitsgebot, dennoch gibt es auch hier das Staatsgeheimnis, das man – um in derselben Terminologie zu bleiben – secretum nennen könnte. Der gewissermaßen hell beleuchteten Seite der Macht, dem „guten Staat“, steht eine dunkle Seite, der „böse Staat“ gegenüber, der notfalls mit Polizeigewalt nicht nur die staatliche Ordnung, sondern auch die Herrschaft der Machthaber schützt. Der Titel „Staatsgeheimnisse“ für diesen Band ist bewusst gewählt, er soll deutlich machen, dass damit mehr als der von Tacitus stammende Begriff arcana imperii gemeint ist. Es liegt nämlich nahe, arcana imperii mit der „guten Staatsräson“ in Verbindung zu setzen, wie es Tacitus vorgegeben hat. Vor allem in seinem berühmtesten Werk Il Principe hat Niccoló Machiavelli diese Diskussion später aufgegriffen. Dem Fürsten sind Herrschaftstechniken der arcana imperii erlaubt, die dem Bürger verboten sind, wie z. B. Lügen, Täuschen, Tarnen und Vertuschen. Allerdings handelt es sich dabei um ein notwendiges Übel und keineswegs um eine normale Regierungstechnik. Der Fürst darf sich auf die arcana imperii vor allem dann berufen, wenn er damit das öffentliche Wohl schützt und fördert. Die Erhaltung des bestehenden Gemeinwesens und seiner eigenen Macht sind dabei zwar zulässig, aber dem Gemeinwohl nachgeordnet. In drei Teilen wird die Arkanpolitik des Staates von ihrer Entstehung über ihre Blütezeit und ihre Exzesse in Kriegszeiten bis zu ihrer vorgeblichen Abschaffung, Einleitung 3 tatsächlich aber ihrer Wiederauferstehung in den liberalen Demokratien des Westens im Zeichen des globalen Terrorismus behandelt. Dabei wird eine chronologische Vorgehensweise innerhalb der Teile mit einer diachronen Betrachtungsweise im Gesamtkonzept kombiniert. Die Autoren bzw. Autorinnen der Beiträge dieses Sammelbandes sind Politik- und RechtswissenschaftlerInnen, HistorikerInnen, SoziologInnen und PhilosophInnen. Literatur Assmann, A., Assmann, J. i.V.m. Hahn, A. und Lüsebrink, H.-J. (Hrsg) 1997. Schleier und Schwelle. Bd. 1: Geheimnis und Öffentlichkeit. München: Wilhelm Fink. Bredekamp, H. 2012. Thomas Hobbes Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder 1651-2001. Berlin: Akademie Verlag. Dingeldein, A., Emrich, M. (Hrsg.) 2015. Texte und Tabu. Zur Kultur von Verbot und Über- tretung von der Spätantike bis zur Gegenwart. Bielefeld: Transcript. Horn, E. 2007. Der geheime Krieg. Verrat, Spionage und modern Fiktion. Frankfurt am Main: Fischer. Schmitt, C. 1995. Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols. 2. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta. Simmel, G. 1923. Das Geheimnis und die geheime Gesellschaft (1908). In: Ders., Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. 3. Aufl. München und Leipzig: Duncker & Humblot. Stolleis, M. 1980. Arcana imperii und ratio status. Bemerkungen zur politischen Theorie des frühen 17. Jahrhunderts. Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht. Stolleis, M. 1980. Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Tacitus: Annalen, 1. Buch, 6. Kapitel, 2. Buch, 36. Kapitel. Westerbarkey, J. 2015. Geheimnisse. Dunkelkammern der Öffentlichkeit. Berlin: LIT-Verlag.

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einer politiktheoretischen und empirischen Perspektive. Konkret sind Arcana Imperii die Geheimnisse der Herrschaft einer Politik, die sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Geheimdiplomatie, Geheimverträge und Geheimdienste kennzeichnen die dunkle Seite der Macht. Der Wirkungsraum ‚unsichtba
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