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Staat und Gluck: Politische Dimensionen der Wohlfahrt PDF

271 Pages·1998·8.469 MB·German
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Alfred Bellebaum . Hans Braun Elke GroB (Hrsg.) Staat und GlUck ;:erof. Dr. Arno Waschl,ul-m Elisabethstra!3e fl 99096 ErfUH Alfred Bellebaum . Hans Braun Elke GroB (Hrsg.) Gluck Staat und Politische Dimensionen der Wohlfahrt Westdeutscher Verlag AIle Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, OpladenlWiesbaden, 1998 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH. Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge schiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urhe berrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Dbersetzun gen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.westdeutschervlg.de Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Biicher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiB folie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Umschlagbild: Ambrogio Lorenzetti: Die gute Regierung (Der Frieden) Umschlaggestaltung: Horst-Dieter Biirkle, Darmstadt Druck und buchbinderische Verarbeitung: Rosch-Buch, ScheBlitz ISBN-13: 978-3-531-13214-3 e-ISBN-13: 978-3-322-85115-4 DOl: 10.1007/978-3-322-85115-4 Inhalt Alfred Bellebaum, Hans Braun Staat und Gluck: Politische Dimensionen der Wohlfahrt Zur Begriindung des Themas 7 Alfred Bellebaum Er6ffnung 12 Manfred Probst SAC GruBwort 14 Manfred Prisching Glucksverpflichtungen des Staates 16 HellaMandt Streben nach GlUck - Menschenrecht und staatliche Garantie 53 HellaMandt Menschenrecht auf Gluck? Eine Analyse kontinentaleuropaischer Staatsauffassungen 69 Rainer Waftner Zwischen Institutionalismus und Individualismus: Staat und GlUck in der Philosophie Ernst Cassirers 82 Hans Braun Der Sozialstaat: AusmaB und Probleme 109 6 Eckart Pankoke Des Gliickes Unterpfand: Einigkeit und Recht und Freiheit. Zum "Glanz des Glucks" deutscher und europaischer Einigungen 134 Klaus Dieter Diller Abgaben -Belastungen und Ungereimtheiten 157 Jiirgen G. Backhaus Der wirtschaftende Staat und die Gltickseligkeit der Hauser: Ein Essay uber Abgabengerechtigkeit 188 Reginald Hansen Abgabengerechtigkeit -Ein historischer AbriB 206 Martin Albrecht, Elke Groj3 Politische Dimensionen der W ohlfahrt: Die Rolle des Staates bei der Verteilung von Einkommen und Vermogen 240 Personenregister 265 Sachregister 267 Die Mitwirkenden 270 7 Alfred Bellebaum, Hans Braun Staat und Gliick: Politische Dimensionen der Wohlfahrt Zur Begriindung des Themas 1. GlUck -Ein Thema fiir die Staats-und Verfassungstheorie? Zu den unverauBerlichen Rechten der Menschen ziihlt die amerikanische Unabhiingigkeitserkliirung von 1776 neben dem Recht auf Freiheit und Leben das Streben nach Gluck (pursuit of happiness). In diese Tradition des amerikanischen Denkens stellte sich auch Bill Clinton in seiner ersten Rede als 42. Prasident der USA, als er auf drei zentrale amerikanische Werte ver wies: Leben, Freiheit und Streben nach Gluck. Zwar steht das Streben nach Gliick nicht in der amerikanischen Verfassung, doch gehort es zum Grund verstandnis der USA, daB der Staat jene Freiraume garantieren solI, die es dem Burger erlauben, sein Gliick zu verfolgen. In Europa findet sich der Verweis auf Gluck als "Ziel der Gesellschaft" in der Erklarung der Menschen- und Burgerrechte, die der franzosischen Revolutionsverfassung von 1793 vorangestellt ist: "Le but de la societe et Ie bonheur commun."\ Davon, wie so1ches Gliick aussehen kann, hatte Saint-Just eine ziemlich genaue Vorstellung: freies und geruhsames Leben, friedlicher GenuB der Erfolge der Revolution, Ruckkehr zur Natur. Obwohl sich in den zwei J ahrhunderten nach der Franzosischen Revolution der Bezug auf "Gliick" im Zusammenhang mit der Bestimmung von Staatszielen in dieser direkten Form nicht mehr findet, so schlieBt dies nicht aus, daB in programmatische A.uBerungen von politischen Theoretikem und Praktikem Vorstellungen eingehen, in denen "Gliick" der Sache nach eine BezugsgroBe darstellt. So sieht Helmut Klages denn auch im Glauben an die politische Herstellbarkeit von Gliick ein zentrales Element im Selbst verstandnis der "Modeme". Er weist aber auch darauf hin, daB im ProzeB der Ausweitung der Politik und der Staatsaktivitat deren "Glucksvermitt lungsfahigkeit" abgenommen habe.2 8 Alfred Bellebaum, Hans Braun 2. Sozialstaat und Sozialpolitik Auch was den Wohlfahrtsstaat oder, urn den in Deutschland bevorzugten Begriff zu verwenden, den Sozialstaat anbelangt,3 so gibt es kein Dokument, in dem ausdriicklich eine Verpflichtung des Staates auf das Gliick seiner Burger festgelegt ist. Wohl aber stehen hinter fur den Sozialstaat zentralen Konzepten - zum Beispiel "soziale Sicherheit", "soziale Gerechtigkeit", "sozialer Ausgleich" oder "Lebensqualitat" - Vorstellungen, die durchaus einen Bezug zur Gliicksidee aufweisen. Klages zufolge vollzog sich in der Entwicklung des Sozialstaats "eine fortgesetzte Annaherung an das Glucks vermittlungsprinzip".4 Freilich stehen die Zeichen der Zeit heute auf Sturm. 1m Laufe der Jahrzehnte zu einer Selbstverstandlichkeit gewordene Sozial leistungen gelten als nicht mehr finanzierbar. Die im ProzeB der Anpassung des Sozialstaats an neue gesellschaftliche und okonomische Rahmenbedin gungen unvermeidlichen Einschnitte in das Netz der sozialen Sicherungen rufen bei den betroffenen Menschen Gefuhle der Bedrohung hervor und nahren bei ihnen den Eindruck, die Qualitat ihres Lebens nehme ab, ihnen werde in gewisser Weise "Gluck" vorenthalten. Die Rolle, die der Gedanke der staatlich gefOrderten W ohlfahrt in diesem Jahrhundert in Westeuropa gespielt hat, kann nicht hoch genug ver anschlagt werden. Bis heute gibt es kaum eine politische Partei, die das Netz der sozialen Sicherung ganzlich auf10sen will. Wohl gibt es eine lebhafte Debatte urn die Reform bzw. die Weiterentwicklung des Sozialstaats. Der Reformbedarf wird dabei gewohnlich an drei Sachverhalten festgemacht. Zunii.chst einmal geht es urn die finanziellen GroBenordnungen. So beliefen sich die direkten und indirekten Sozialleistungen in Deutschland im Jahre 1994 auf 1.106 Milliarden DM.5 Dies waren rund ein Drittel des Bruttoin landsprodukts. Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang insbeson dere durch die aus der Tradition des deutschen Sozialleistungssystems her riihrende Belastung des Faktors Arbeit und darnit die Konkurrenzfahigkeit unserer Wirtschaft im international en Wettbewerb. Ein zweiter Sachverhalt kann als die Krise des wohlfahrtsstaatlichen BewuBtseins bezeichnet werden. Obwohl es in den letzten vier J ahrzehnten zu einem fUr breite Bevolkerungskreise nie gekannten W ohlstand gekom men ist, sind Ressentiments und Verdrossenheit weit verbreitet.6 Ein dritter Sachverhalt ist schlieBlich in den beobachtbaren Widerstanden gegenuber sozialstaatlichen Zumutungen zu sehen. Vor einiger Zeit brach Konrad Adam eine Lanze fUr einen bestimmten Typ von Schwarzarbeiter. Dieser zahlt zwar keine Steuern, nimmt aber auch nicht das soziale Netz nicht in Wohlfahrt und Gluck 9 Anspruch. Zwar sei nicht zu leugnen, daB dieser Schwarzarbeiter schma rotze, doch erinnere er die Regierung auch an ihre Pflichten und verweise auf das MiBverstandnis zwischen Wort und Tat, das er, so gut es geht, zu verringem trachte. Die Misere des Sozialstaats hat fUr den Autor viel zu tun mit der W ohlfahrtsburokratie, die in gewisser Weise staatlich genormtes Gluck verrnittle. Der Schwarzarbeiter hingegen lasse sich von niemanden befehlen und auch von niemanden etwas wegnehmen. Insofem sei er tat sachlich ein freier Mann.7 1m Grunde ist sich auch Konrad Adam im klaren dartiber, daB ein Staat, in dem die Schwarzarbeiter die Oberhand haben, nicht die Aufgaben erfullen kann, die nun einmal ein modemes Gemeinwe sen, und nicht nur im Sozialbereich, erfullen muB. Doch ist nicht zu verken nen, daB die Abgabenbelastung des Burgers, die in starkem MaBe durch sozialstaatliche Aufgaben bestimmt wird, Ausweichstrategien unterschied licher Art hervorruft. 3. Abgabenbelastung und Finanzpolitik Ein Staat, der uber die Aufrechterhaltung eines Grundbestands an Infra struktur und uber die Garantie eines Existenzminimums hinaus sich die Gestaltung der Lebensbedingungen seiner Burger zur Aufgabe macht, hat naturgemliB einen hohen Finanzbedarf. In Deutschland ist die W ohlfahrts funktion des Staates sicherlich ausgepragt. Dies bedeutet eine im intematio nalen Vergleich beachtliche Belastung der Burger durch Sozialbeitrage und Steuem. Lag etwa im Jahre 1992 die Abgabenbelastung, ausgedrtickt als Anteil der Steuem und Sozialversicherungsbeitrage am Bruttosozialprodukt, in Deutschland bei 39,6 Prozent, so machte der entsprechende Wert in den USA 29,4 Prozent und der Schweiz 32,0 Prozent aus. Allerdings hatten von den 15 heute zur Europaischen Union zahlenden Landem zehn eine noch hohere Abgabenbelastung als Deutschland, darunter Schweden mit 50,0 Prozent, Danemark mit 49,3 Prozent und Luxemburg mit 48,4 Prozent.8 DaB Deutschland, was die Abgabenbelastung anbelangt, in Europa bei weitem noch nicht an der Spitze steht, trostet die Burger hierzulande freilich wenig. Unter ihnen macht sich Verdrossenheit breit, sie sehen sich durch die Abgaben in ihren Lebensmoglichkeiten beeintrachtigt. 1st fUr sie bei Sozial beitragen und Gebuhren noch ein Zusammenhang zu einer derzeitigen oder zukunftigen Leistung zu sehen,9 so ist dies bei Steuem aufgrund der fehlen den Funktionsbindung kaum der Fall. Was das Steuersystem in Deutschland anbelangt, so wird zunachst einmal die Unubersichtlichkeit des Steuerrechts 10 Alfred Bellebaum, Hans Braun beklagt. Hier sehen auch Fachleute einen dringenden Reformbedarf. Von grundsatzlicher Bedeutung ist dabei die Frage nach der Steuergerechtigkeit. In der hiertiber gefuhrten Diskussion spielen Gesichtspunkte eine Rolle, die weit uber die Frage der technischen Ausgestaltung eines Steuersystems hin ausgehen. Dazu gehort etwa der Ausgleich zwischen Leistungsgerechtigkeit und Bedarfsgerechtigkeit. Ein drittes Thema, das in Deutschland wie in vielen Landem auch in den letzten Jahren verstarkt diskutiert wird, ist das der Steuermoral. Kaum widersprochen wird dabei der These, mit wachsender steuerlicher Belastung der Burger nehme deren Steuerehrlichkeit abo Weiterhin wird auf die hohen Steuerverluste verwiesen, in diesem Zusammenhang ist von 100 Milliarden DM jahrlich die Rede, die den Offentlichen Haushalten wegen mangelnder personeller Ausstattung der Steuerverwaltung entstehen. Nicht nur die Hin terziehung von Steuem stellt indessen ein Problem dar. Offentliche Auf merksarnkeit findet auch das Phanomen der legalen Vermeidung von Steu em, die in aller Regel weniger den Beziehem kleinerer oder mittlerer Ein kommen als vielmehr den Beziehem hoherer Einkommen und Inhabem groBer Vermogen zugute kommt. Dies ist auf der einen Seite die Folge der Unubersichtlichkeit des Steuerrechts, wirft auf der anderen Seite aber wie derum die Frage nach der Steuergerechtigkeit auf. SchlieBlich wird bei der Gestaltung des Steuerrechts ein Problem sichtbar, das sich im Sozialstaat besonders nachhaltig auswirkt: der EinfluB partikularer Interessen.lO Die Gestaltung des Steuersystems und noch allge meiner der Zuschnitt sozialstaatlicher Leistungen dienen im politis chen Pro zeB auch der Bindung von Loyalitaten und der Beschaffung von Mehrheiten. Dies konnte solange als ein handhabbares Problem angesehen werden, als steuerliche Vergunstigungen und soziale Leistungen aus wirtschaftlichen Zuwachsen finanziert werden konnten. Von diesen Zeiten werden wir wohl Abschied nehmen mussen. Das heiBt, daB Offentliche Auseinandersetzungen urn die Ausgestaltung der Wohlfahrtsfunktion des Staates in Zukunft fur jeden sichtbar das sein werden, was sie auch in der Vergangenheit, wenn gleich eher unter der Oberflache, gewohnlich waren: Verteilungskampfe. Das durch den Sozialstaat befOrderte Gluck, ubersetzt in Konzepte wie "soziale Sicherheit", "sozialer Ausgleich" oder "Lebensqualitat", wird teuer - nicht nur finanziell, sondem auch sozial. SchlieBlich schlagen die Vertei lungskampfe gesellschaftliche Wunden. Oder sind kurzzeitige Siege in der Auseinandersetzung urn die Verteilung von Belastungen und Vergunstigun gen dabei, zu einer neuen Quelle des Glucks zu werden? Wohlfahrt und Gluck 11 Anmerkungen 1 Faustin Adolphe Helie: Les constitutions de la France, Paris 1879, S. 377. 2 Helmut Klages: Gluckserzeugung durch Politik - ein imrner vergeblicheres Unterfan gen? Thesen auf der Grundlage der empirischen Gliicksforschung, in: Alfred Bellebaum (Hrsg.): Gluck und Zufriedenheit. Ein Symposion, Opladen 1992, S. 104, 115. 3 Zum Umgang mit den Begriffen "Wohlfahrtsstaat" und "Sozialstaat" in Deutschland siehe Jens Alber: Der Sozialstaat in der Bundesrepublik 1950 - 1983, Frankfurt am Main, New York 1989, S. 27. 4 Helmut Klages, a.a.O., S. 103 f. 5 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1996 fiir die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1996, S. 454. 6 Manfred Prisching: Das wohlfahrtsstaatliche Weltbild, in: Alfred Bellebaum, Klaus Barheier (Hrsg.): Lebensqualitiit. Ein Konzept fiir Praxis und Forschung, Opladen 1994, S. 41 ff. 7 Konrad Adam: Lob der Schwarzarbeit. Wie man die Freiheit mit der Sicherheit verbin det, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. September 1995. 8 Institut der Deutschen Wirtschaft: Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundes republik Deutschland, Ausgabe 1996, Koln 1996, Tabelle 145g. 9 Hans Braun: Soziologische Untersuchung, in: Hans F. Zacher (Hrsg.): Die Rolle des Beitrags in der sozialen Sicherung. Colloquium der Projektgruppe fiir Internationales und Vergleichendes Sozialrecht der Max-Planck-Gesellschaft, Tutzing 1979, Berlin 1980, S. 359-363. 10 Reginald Hansen: Gustav Schmoller und die Sozialpolitik von heute, in: Jiirgen G. Backhaus (Hrsg.): Gustav Schmoller und die Probleme von heute, Berlin 1993, S. 174.

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