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Staat und Gesellschaft. >Contrat Social PDF

198 Pages·1959·46.086 MB·German
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ROUSSEAU I Contrat Social Grundlegende • Gedanken zu einer neuen Gesellschaftsordnung GOLDMANNS GELBE TASC H E N B U C H E R I GOLDMANNS GELBE TASCHENBÜCHER Band 532 Rousseau, Staat und Gesellschaft JEAN JACQUES ROUSSEAU hat mit seinen staatspolitischen Ideen die Französische Revolution vorbereitet. Der Philosoph und Dichterwurde am 28.6. 1712 in Genf geboren und starb a?n 2.7. 1778 in Ermenonville bei Paris. JEAN JACQUES ROUSSEAU STAAT UND GESELLSCHAFT >Contrat Social« Übersetzt und kommentiert von Kurt Weigand Foederis, aequas dicamus leget. Aeneid. XI, 321 (Laßt uns die gerechten Gesetze des Vertrages nennen.) MÜNCHEN WILHELM GOLDMANN VERLAG Das Einstellen von »Goldmanns Taschenbüchern« In Leihbücherelen und Lesezirkel ist vom Verlag ausdrücklich untersagt Ungekürzte Ausgabe 1959 Madein Germany Umschlagentwurf von HerbertLorenz. Gesetztaus derLinotype-Garamond-Antiqua. Druck: Presse-Druck- undVerlags-GmbH. Augsburg. EINLEITUNG Das Wort »sozial« - eines der großen Worte unserer Zeit -scheint sich von selbst in Umlauf gesetzt zu haben. Zwar ist sich jeder über seine jetzige Bedeutung im klaren, doch niemand weiß so recht, was es ur- sprünglich besagte. Man hat längst vergessen, daß es durch den Buch- titel »Du Contrat social« eingebürgert wurde. Allerdings wußte der Autor des Buches, Jean-Jacques Rousseau, noch nicht, was Sozialismus einmal sein würde. Sozial war für ihn etwa gleichbedeutend mit gesell- schaftlich, und zwar mit dem Nebensinn, den das Wort im Franzö- sischen hat: moralisch. Indessen war der Gesellschaftsvertrag, den er damit charakterisieren wollte, der erste Hinweis auf gewisse, bislang unentdeckte Geheimnisse im Verhältnis der Staatsbürger, der socii, zu- einander. Erst auf Grund solcher Entdeckertätigkeit kam es später zu sozialistischen Forderungen, obwohl Rousseau selbst am Eigentums- recht lediglich die Rechtsgrundlage änderte. Er hätte sein Werk ebensogut Contrat national nennen können, denn auch dieses andere große Wort erhielt durch sein Werk eine neue Klangfarbe. Die Lehre vom Gemeinwillen, wie sie der Contrat social entwickelt, stellt die größtmögliche nationale Zusammengehörigkeit her. Zugleich schafft sie absolute Grenzen zwischen den verschiedenen, im Naturzustand verbleibenden Vertragsgesellschaften. Allerechtlichen und moralischen Bindungen werden nun weniger aus allgemeinen. Naturrechten des Menschen hergeleitet als vielmehr aus dem Ideal- vertrag; sie haben daher nur noch zwischen den Vertragspartnern Geltung. Somit erschallten auch die Fanfaren der allgemeinen Wehr- pflicht hier zuerst. Einheit heißt ja nebenbei auch Uni-form. Viele politische Vorurteile wurden hier also aufgeklärt, aber die nationalen Mythen haben dann mehr Opfer verschlungen als die grausamsten mexikanischen Götter. Man macht es sich aber gewiß zu leicht, wenn man all dieseOpfer als die Folgen einesDenkfehlers hinstellt.Rousseau hätteseinWerk auch Contrat moral nennen können, denn nie wurde so radikal wie hier die Politik auf die Moral verpflichtet und die Tugend, d. h. die Freiheit des Menschen, zum Eckstein des politischen Gebäudes gemacht. In seiner unübertroffenen Seibscbiographie hat Jean-Jacques Rous- seau ohne Zurückhaltung die Erlebnisse geschildert, die ihn, einen etwas wehleidigen Musikus und Literaten, dazu brachten, sich mit einem so aggressiven Buch in die Politik zu mischen. - 1743 hatte er durch Protektion den Posten eines Gesandtschaftssekretärs in Venedig erhalten. Derfranzösische Gesandte, ein Graf Montaigu, war kein gro- 1 6 ßes Licht; er brauchte dringend jemand, der ihm zur Hand ging. Für Rousseau war es die erste Stellung, die ihm gefiel und in der er eine Zukunftvorsieh sah.Abergerade sein Feuereifer führte schon nach eini- gen Monaten zum Zerwürfnis. Wie ein Domestik wurde er weggejagt. Zudem war ihm der Gesandte die ganze Lohnzahlung schuldig geblie- ben,undRousseaustecktenun in Schulden.SoreisteRousseauschleunigst nach Paris zurück, um dort mit Hilfe der Ministerien und Salons zu seinem Recht zu kommen. Dabei machte er unvorhergesehene Erfah- rungen. Man verstand und bedauerte ihn, man hielt den Grafen für einen Kümmerling und - fand im übrigen alles in bester Ordnung. Der Graf war eben ein Graf und er, Rousseau, ein Mann ohne Stand und ein Ausländer obendrein. Er war mit den Verhältnissen zusammen- gestoßen, nicht mit dem Grafen. »Die Justiz und die Zwecklosigkeit meiner Beschv/erden hinterließen in meiner Seele einen Keim der Ent- rostung über unsere dummen politischen Einrichtungen. Das wahre öffentliche Wohl und die wahrhafte Gerechtigkeit werden ich weiß nicht welcher Scheinordnung geopfert, die in der Tat jede Ordnung zerstört und lediglich zur Unterdrückung der Schwachen und zur Falschheit der Starken die Bestätigung der Staatsautorität fügt.« - So schrieb er noch zwanzig Jahre später. Einem altmodischen Psychologen würde dieses Eingeständnis genügen, um den ganzen Contrat social zu »erklären«. Rousseau selbst war allerdings nicht der Meinung, daß sein Ressentiment schöpferisch geworden sei. Zwei Gründe, sagt er, hätten damals die Entfaltung seiner Ideen gehemmt: »Das erste war, daß es sich bei dieser Geschichte nur um mich handelte. Das Privatinteresse hat niemals etwas Großes und Edles hervorgebracht und vermochte in meinem Herzen nicht den göttlichen Schwung zu entfachen, der nur der reinsten Liebe zur Gerechtigkeit und Schönheit innewohnt.« Unser Philosoph hat nie erfahren, warum ihm der Graf Montaigu sein Geld so lange vorenthielt. Die Forschung (Eugene Ritter) hat den wahren Grund entdeckt: Der allerchristüchste König hatte leider nicht die Angewohnheit, seine Beamten pünktlich zu bezahlen. Auch der Gesandte wartete jahrelang auf sein Gehalt. Da er aber ein Mann von Adel und ergebener Diener seines Königs war, gestattete ihm seine Ehre nicht, einen Sekretär diese Schattenseite sehen zu lassen. Er schwieg. Sobald er sein Geld vom König bekam, entlohnte er Jean-Jac- ques unverzüglich, genauso prompt wie dieser daraufhin seine Freunde. Man kann angesichts dessen über die Ironie des Zufalls in der Welt- geschichte Geistreiches sagen, denn die Folgen des so keimenden Werkes waren welthistorisch. Jakob Burckhardt hielt den Contrat social für wichtiger als den ganzen Siebenjährigen Krieg. Rousseau ist der Ver- künder aller jener Werte geworden, die Nietzsche ein Jahrhundert . 7 darauf umwerten wollte. Aber auch Rousseau war ein Umwerter. Man könnte die moderne Geschichte als Auslegungsstreit über einzelne Punkte dieses Buches darstellen. Jedenfalls gehört der Contrat social zu den wenigen Werken, die einmal eine Zeitlang die Autorität einer Bibel erlangt haben. Während der Revolution ließ Marat Kapitel daraus in den Straßen von Paris verlesen. Das Werk wurde eine Heilslehre,als man eine brauchte.Schon 1767, fünf Jahre nach dem Erscheinen bzw. Verbot, berichtete Rous- seaus ehemaliger Freund Diderot: »Der Contrat wird immer neu ge- druckt und sogar im Vorhof des Palastes der Souveräns für einen Hel- ler verteilt.« Währenddessen befand sich sein Verfasser ständig auf der Flucht. Diegrößte Wirkung aber strahlte das Werk erst nach dem Tode Rousseaus aus. Die neuen Gedanken wurden nun zudialektischen Waf- fen im Kampf der Emanzipationsbestrebungen der europäischen Völker. Es darf nicht vergessen werden, was dieses Buch für die deutsche Geistesgeschichte bedeutet. Nicht nur Frankreich hat damit seine poli- tische Formel gefunden, ganz zu schweigen auch von den amerikani- schen Revolutionären, die den Contrat social gelesen haben. Schillers »Wilhelm Teil« bietet ein Beispiel, wie der begrifflich abstrakte Gehalt des Contrat social in dichterische Szenen und Gestalten transponiert wurde. Und selbst der Idealstaat, den Kleist in der »Penthesilea« ent- wirft, entstammt dem Gedankengut dieses Buches. - Die Kantianer erinnern sich, daß der kategorische Imperativ jenen »Gehorsam gegen das selbstgegebene Gesetz« definiert, von demRousseaugeträumt hatte. Fichtes »Geschlossener Handelsstaat«, zum Teil auch seine »Reden an die deutsche Nation«, sind von Rousseauschen Ideen durchdrungen. Und an der Wiege der Dialektik, der Hegeischen Zauberkunst, stand jenes ziemlich dialektische Glück des Staatsbürgers, der souve- räner Untertan und untertäniger Souverän zugleich ist. Und Marx? Die Vorstellung von einer Selbstentfremdung des Menschen und deren Aufhebung führt in den Umkreis der Rousseauschen Philosophie. Daß Marx sich nicht mehr über Freiheit und Gleichheit zu verbreiten brauchte, war nur durch Rousseau möglich, der sie gründlich genug durchdacht hatte. Bemerkenswert ist die Anziehungskraft, die dies Werk auf seine po- litischen Gegner ausübte. Die Idee einer Staatsreligion hat auch heute noch ihre Anhänger unter denen, die nichts von einem Vertrag wissen wollen. Sie sind mit Rousseau der Ansicht, daß alle Politik ohne einen religiösen Ankergrund nicht halten kann, was sie verspricht. Vor Rousseau gibt es mehrere Darstellungen eines Urvertrages. Nach ihm hat niemand mehr den Vertragsgedanken, der während einesJahr- . 1 9 tausends die rechtsstaatliche Entwicklung begleitete, weiterzubilden vermocht, so sehr hat ihm Rousseau das Siegel der Vollendung aufge- drückt. In seinen Formulierungen hat er etwas Endgültiges, so daß die Vertragsidee mit seinem Namen verknüpft blieb, obwohl er weder den Vertrag noch die Volkssouveränität als erster entdeckt hat. Während Rousseau in seinen anderen Werken durchweg als ein Beginner und Anreger auftritt, ist der Contrat social Vollendung und Krönung des Naturrechts. Der Künstlerschaft Rousseaus gelang es, eine platonische Höhe auch in der Form zu erreichen, auch wenn dadurch sein W7erk nicht leichter lesbar wird. Das Hohelied vom souveränen Volk kann kein Volkslied werden. Man hüte sich übrigens, überall im Contrat social die verbindliche Lehre Rousseaus zu erblicken, ein Fehler, den viele Historiker begehen. Als guter Advokat läßt sich Rousseau von seinem Thema fortreißen, auch wrenn es zu seiner Philosophie schlecht paßt. Manche Interpreten haben deshalb versucht, den Contrat social außerhalb des Gesamtwer- kes zu stellen, denn von Natur und natürlicher Würde verlautet hier nicht viel. Rousseaus große Erkenntnis, die Vergesellschaftung des Menschen stelle eine künstliche, krankhafte Metamorphose der mensch- lichen Natur dar, hat er hier sozusagen eingeklammert. Freilich kann er sich noch nicht ganz von seinem sozialen Pessimismus frei machen. Wäre er aber ein strenger Schüler seiner selbst gewesen, so hätte er dieses Buch gar nicht schreiben dürfen. Man lasse sich auch nicht vom regelmäßigen, strengen Aufbau des W7erks imponieren. Es ist voll ungezügelter Dynamik, fast jedes Kapitel ist ein neuer Ansatz, der sich um das Vorausgehende und Nachfolgende nicht kümmert. Immer neue Themen, immer neue Variationen gehen ineinander über. Nicht zuletzt enthält diesWerk eine erfüllte Prophezeiung: Rousseau hat den kommenden Jahrhunderten erstmalig ihren neuen Herrn vor- gestellt: den Gemeinwillen (volonte generale), der zum Nachfolger der Kaiser und Könige wrerden sollte. Ob er ein milder Herr geworden ist, ob er uns ohne Unfreiheit frei und ohne Ungleichheit gleich gemacht hat, steht immer noch zur Diskussion. Am Grabe Rousseaus verweilend, meinte Napoleon, es wäre besser gewesen, wenn dieser Mann nicht gelebt hätte. Denn er sei am Terror schuld. Einer der Umstehenden erwiderte, Napoleon selbst dürfe nicht vergessen, daß er ohne die Revolution nicht Kaiser geworden wäre. Darauf wußte Napoleon nichts zu sagen. Geht es nicht den meisten Kritikern Rousseaus ebenso? „Kurt WwTei.gand,

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