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Sprache und Raum: Psychologische und linguistische Aspekte der Aneignung und Verarbeitung von Räumlichkeit; Ein Arbeitsbuch für das Lehren von Forschung PDF

300 Pages·1985·32.2 MB·German
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Sprache und Raum Harro Schweizer (Hrsg.) Sprache und Raum Psychologische und linguistische Aspekte der Aneignung und Verarbeitung von Räumlichkeit Ein Arbeitsbuch für das Lehren von Forschung J.B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung Stuttgart CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Sprache und Raum : psycholog. u. Iinguist. Aspekte d. Aneignung u. Verarb. von Räumlichkeit ; e. Arbeitsbuch filr d. Lehren von Forschung I Harro Schweizer (Hrsg.). - Stuttgart : Metzler, 1985. ISBN 978-3-476-00549-6 NE: Schweizer, Harro [Hrsg.] ISBN 978-3-476-00549-6 ISBN 978-3-476-03189-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03189-1 ©Springer-Verlag GmbH Deutschland 1985 Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersehe Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1985 Vorbemerkung Erst im Zuge einer nicht-linguistische Kontexte einbeziehenden Sprachwis senschaft ist das Problem von Sprache und Raum in dieser übergreifenden, linguistische Teilbereiche integrierenden Form für die Sprachforschung interessant geworden. Im vorliegenden Band kommen Wissenschaftler ver schiedener Disziplinen zu Wort, insbesondere aber Linguisten und Psycho logen (bzw. solche, die sich im Schnittbereich der beiden Fachrichtungen definieren) mit oft recht unterschiedlichen Interessen, Standpunkten und Arbeitsbereichen. Sie mögen Gewähr bieten für die hier angestrebte breite Diskussion. Was dem einen Teil der Leser eine Auseinandersetzung mit neuen Überlegungen ermöglichen oder Anregungen für den laufenden For schungsprozeß bedeuten kann, kann anderen einen neuen Einstieg in den Wirkungs- und Funktionszusammenhang von Sprache und sprachlichem Handeln bieten. Insofern ist der Band als »Arbeitsbuch fiir das Lehren von Forschung« konzipiert-seine Zielgruppe sind Forschende, Lehrende und Lernende glei chermaßen; in nahezu allen Beiträgen wird auf offene Fragen und sich eröff nende Problemstellungen verwiesen und finden sich kritische Würdigungen des jeweils erreichten Standes der Forschung. Meine Bemühungen gelten der Verbindung von aktuellen Forschungsbeiträgen zu unterschiedlichen Theo rie-, Gegenstands-und Empiriebereichen mit dem Gesichtspunkt der >Lehr barkeit< als einem ganz zentralen, jedoch oft vernachlässigten Beurteilungs kriterium wissenschaftlichen Arbeitens. Mein besonderer Dank gilt Helmut Richter, dem ich überhaupt mein Interesse fiir die hier behandelte Thematik verdanke und der mich zur Verwirklichung dieses Bandes ermutigt hat, sowie Horst Ebbinghaus, der mir über seine sorgfältigen Übersetzungen hinaus ein ideenreicher und ver trauter Gesprächspartner war. Berlin (West) und Okrug Gornij im April 1983 H. Sch. Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung V Harro Schweizer Ein-Leitung: Was bedeutet dem Menschen der Raum? I. Raum als kognitives und sprachliches Problem Roger M. Downs, David Stea Kognitive Karten und Verhalten im Raum - Verfahren und Resultate der kognitiven Kartographie 18 Charlotte Linde, William Labov Die Erforschung von Sprache und Denken anband von Raumkonfigurationen 44 II. Syntaktische und semantische Aspekte: zum Lexikon der Raumrepräsentation Dieter Wunderlich Raum, Zeit und das Lexikon 66 Peter Ralf Lutzeier Sprachliche Vermittler von Räumlichkeit - Zur Syntax und Semantik lokaler Präpositionen 90 J. Peter Denny Was ist universal am raumdeiktischen Lexikon? lll 111. Die Bedeutung des sprachlichen und nicht-sprachlichen Handeins im Raum Veronika Ehrich Zur Linguistik und Psycholinguistik der sekundären Raumdeixis 130 VIII Inhaltsverzeichnis Dirk Wegner Der persönliche Raum als Modell nonverbaler Proxemik 162 IV. Das kognitive, interaktive und sprachliche Raumkonzept bei Kindern Thomas Thiel Räumliches Denken und das Verständnis von Lokativen beim Spracherwerb 184 Jürgen Weissenborn »Ich weiß ja nicht von hier aus, wie weit es von dahinten aus ist« - Makroräume in der kognitiven und sprachlichen Entwicklung des Kindes 209 V. Die kulturgeschichtliche Aneignung des natürlichen und sozialen Raumes Konrad Eh/ich Literarische Landschaft und deiktische Prozedur: Eichendorff 246 Joachim Gessinger, Wolfert von Rahden Über die Geselligkeit von Stachelschweinen - Ansichten einer kulturhistorisch-interpretativen Proxemik 262 Harro Schweizer Ein-Leitung: Was bedeutet dem Menschen der Raum? »Da, da, da« (Neue deutsche Welle) » Vun drinne noh drusse« (BAP) »Weggehen um anzukommen« (Filmtitel) »Bringt mich fort, Wege!« (Marceline Debordes-Valmore) »Wie vorne ist hinten?« (H.L. Gremliza in Konkret) »Zellen - ab in die Bewegung!« (Radikal) »Da ist nirgends nix gewesen außer hier!« (Geschichte eines schwäbischen Arbeiterdorfes) Wir möchten wissen, »wo's lang geht«; wir müssen sagen, woher wir kom men, wohin wir gehen; wir erzählen über eine Ferienreise, über den neuen Laden um die Ecke, berichten über den Hergang eines Unfalls oder die Bilder einer Ausstellung; wir wollen uns über das Einrichten einer neuen Wohnung verständigen, einen gemeinsamen Treffpunkt vereinbaren oder auch nur einem Kind erklären, was eine Wendeltreppe ist. Mit unterschiedlichem Erfolg meistem wir diese und ähnliche alltägliche Situationen; in unseren Denkprozessen und den entsprechenden sprachli chen Umsetzungen haben wir Probleme zu bewältigen, die in ihrer Komple xität noch keineswegs erschöpfend erforscht sind. Wie verwirklichen sich räumliche Konstellationen in unserem Denken und in unserer Sprache, wie hilft die Sprache bei der Aneignung unserer Lebensräume, wie können wir uns sprachlich, d.h. als soziale Wesen, im Raum zurechtfinden, ja, nutzt Sprache picht auch Räumlichkeit, um Unräumliches zu bewältigen? Dies sind Fragen, denen sich der Mensch im Alltag nicht stellen muß; es sind aber Fragen, die wir zu beantworten haben, wenn wir das Funktionieren der menschlichen Sprache erklären und verstehen wollen. Raum umgibt uns, wir sind stets ein Teil davon. Insofern haben wir zunächst einmal gar kein sprachliches Problem vor uns. Vielmehr stellen sich die Fragen, wie wir Räume erfahren, wie sie für uns erfahrbar werden und wie wir mit ihnen umgehen. Das Kommen und Gehen, Verweilen und Aufbrechen, Suchen, Greifen und Umräumen sind körperliche Tätigkeiten, in denen sich die räumliche Umgebung fiir den Menschen realisiert. »Bewegung gestaltet Raum«, sagt Gosztonyi (1957, 541). Doch damit wären bereits idealistische Fußangeln gelegt: schaffen wir mit unseren Tätigkeiten erst die Räume? Gosztonyi 2 Harro Schweizer (ebd.): »Raum liegt keineswegs von sich aus, vorgegeben vor, er tritt erst mit dem Leib auf.« Gewiß besitzen nicht alle Menschen ein identisches Bild von gleichen Räumen, schon weil sie prinzipiell nicht den gleichen Standort einnehmen. Doch Raum, der auch ohne ein Raumbewußtsein vorhanden ist, bringt unserer Wahrnehmung eine Fülle bewußtseinsbildender Eindrük ke, Raum mag die zentrale Rolle unserer Wahrnehmung spielen. Eine wichtige Eigenschaft des Raumes, die auf die alltägliche menschliche Raumerfahrung wirkt, ist seine Materialität. Ein Blick in die Physik zeigt, daß bereits Aristoteles eine solche Auffassung entwickelte: »Raum ist bestimmt durch die Lagerung von Objekten<<, umschrieb Einstein (1953) dieses klassische Raumkonzept, nach dem es leere Räume nicht geben kann. Doch auch nach der abstrakten Raumauffassung von Newton - »Raum ist bestimmt als >Behälter< fiir Objekte« (Einstein ebd.) - wird Materialität nicht ausgeschlossen: vorstellbar sind materielle Ränder der Behälterobjekte innerer Räume, die selbst jedoch leer sein können. Materialität als Eigen schaft von Räumlichkeit ist Voraussetzung fiir das Tasten und Abgreifen von Objekten und Objektanordnungen durch das Kleinkind als Vorform seiner räumlichen Wahrnehmung. Und ganz ähnlich ist der Blinde bei seiner taktilen Orientierung auf die materielle Manifestation des Raumes angewie sen. Aus der Materialität als erfahrener Raumeigenschaft folgt filr das Klein kind sehr bald die Wahrnehmung der Dreidimensionalität des Raumes, wenngleich diese- in der modernen Physik heftig diskutierte (vgl. Jammer 1953/1960, 193 ff.) - Raumeigenschaft auch durch optische Effekte und Täuschungen über zweidimensionale Flächen suggeriert werden kann. Dar stellung und Erfassung der Tiefe des Raumes sind Raumprobleme, die etwa von Architekten, Malern, Fotografen auf unterschiedliche Weise zu lösen sind. Für die menschliche Wahrnehmung spielen die vertikale und horizontale Auszeichnung des Raumes eine gleichermaßen bedeutende Rolle. Der Fall der Dinge, der aufrechte Gang des Menschen, das Wachsen von Pflanzen, die Kopf-Füße-, die Himmel-Erde-Relation lassen die Vertikalität erfahrbar werden. Schon die Anordnung unserer raumwahrnehmenden Sinnesorgane ver weist auf den Stellenwert der Horizontalität: der Blickwinkel der Augen vermag in der Horizontalen eine größere Reichweit~ als in der Vertikalen zu erfassen, das Gehör nimmt Stereo-Effekte, Echo, Schall etc. zur Orientierung und Erfassung räumlicher Konstellationen primär in rechts/links-, vom/ hinten- und nahlfern-Differenzierung wahr, und selbst Tastsinn und Eigen bewegung sind primär horizontal ausgerichtet. Die Lage des Äquators auf dem Globusmodell der Erde, der Wasserspiegel sowie der alltäglich geschau te Horizont selbst sind zusätzliche Aspekte unserer spezifischen Erfahrung der Horizontalität des Raumes. Ein weiterer Gesichtspunkt von Räumlichkeit in Bezug auf den wahmeh- Ein-Leitung: Was bedeutet dem Menschen der Raum 3 menden, sich orientierenden und handelnden Menschen besteht in der Strukturiertheil des Raumes. In der Entwicklung der kindlichen Raumvor stellung stehen topalogische Raumbegriffe wie >Nachbarschaft<, >Trennung<, >Umgebung< und >Reihenfolge< als erste Form der Abstraktion von den vertrauten Gegenständen. Erst sehr viel später werden euklidische Formen wie Kreis, Quadrat, Gerade oder Winkel definiert (Piaget/lnhelder 1948/ 1975). Damit in engem Zusammenhang stehen projektive und perspektivi sche Relationen, die nicht mehr jedem Gegenstand oder jeder räumlichen Anordnung für sich eigen sind, sondern eine Koordinierung zwischen unter schiedenen räumlichen Gegenständen und Konfigurationen voraussetzen. Raum repräsentiert sich aber auch als Geflecht von Wegen, bestehend aus Ausgangs-und Zielpunkten, Kreuzungen, Kurven, Umgehungen, Überbrük kungen, Unterführungen, womit das Weg-Konzept in die Topologie des Raumes einzuordnen ist. Raum ist schließlich metrisch erfaßbar nach Maß einheiten, und damit treten Begriffe der Entfernung, der Drehung und der Spiegelung oder der Parallelität auf, verbunden mit entsprechender Meßbar keit. Mit der erkenntnistheoretischen Trennung von Raum und Zeit droht der Aspekt der Zeitlichkeit von Raum aus dem Blickfeld zu geraten. Während sich ein Autofahrer in einer fremden Stadt noch am Tage an den Ampeln orientieren kann, ist er bei Nacht, wenn ein Teil der Anlagen abgeschaltet ist, auf zusätzliche Orientierungsmerkmale angewiesen. Veraltete Stadtpläne, auf denen Einbahnstraßen, Fußgängerzonen und neuangelegte Straßen feh len, können den Fremden auf Irrwege führen. Der Weg vom Cafe Kranzier zum Alexanderplatz in Berlin hat sich gegenüber 1940 grundlegend verän dert; heute liegen Ausgangs- und Zielort in verschiedenen Städten zweier Staaten, was eine Grenzüberschreitung erforderlich macht; die direkte Weg strecke ist darüber hinaus unpassierbar geworden. Ein ähnliches Problem, wenn auch nicht in gar so gravierender Weise, stellt sich jedem, der nach Jahren der Abwesenheit in eine einst vertraute Umgebung zurückkehrt. Der Übergang vom Aspekt der Zeit zum Aspekt der Geschichte ist eng. Man vergegenwärtige sich die unterschiedliche Wahrnehmung einer Land schaft, einer ganzen Region vor und nach der Erfmdung von Eisenbahn oder Flugzeug; die geraffte Erfahrung von Raum in der Zeit durch Geschwindig keit führt hier zur Umwälzung menschlichen Raumwahrnehmens und Raumerlebens. Und man denke an die in der Geschichte des Menschen zurückliegende ptolemäische Vorstellung von der scheibenfdrmigen Erde als Zentrum allen Daseins - eine Raumvorstellung, die zur Weltanschauung im durchaus wörtlichen Sinne verwandt werden konnte. Wir sehen, daß sich Räume dem menschlichen Denken auch entsprechend dem historischen Entwicklungsstand der Gesellschaft präsentieren und erschließen. Damit wäre aber unter dem Aspekt der Zeitlichkeit zugleich die Veränderlichkeit des Raumes an sich wie auch die Veränderlichkeit seiner Wahrnehmung zu fassen.

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