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Sprache und Kommunikation im Internet PDF

234 Pages·1998·3.51 MB·German
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Jens Runkehl • Peter Schlobinski • Torsten Siever SPRACHE UND KOMMUNIKATION IM INTERNET . . N . . . . NW NO . W . eb @ . O . SW SO . . . . . . S . prache . . . . . . (cid:220)BERBLICK UND ANALYSEN Westdeutscher Verlag Inhalt Vorwort ............................................................................... 7 1 Das Internet als neues Medium .............................................. 9 1.1 Geschichte und Entwicklung des Internet ............................................ 9 1.1.1 Die Idee ................................................................................ 9 1.1.2 Das Problem .......................................................................... 10 1.1.3 Das Projekt ........................................................................... 11 1.1.4 Der Erfolg ............................................................................ 12 1.1.5 Das Inter-Netz ........................................................................ 13 1.2 Vom LANzum WAN ................................................................. 16 1.3 Die Oldies Telnet & FTP .............................................................. 18 1.3.1 Login (cid:150) Logout ....................................................................... 18 1.3.2 Daten auf Reisen ..................................................................... 18 1.4 Mit TCP/IPrund um den Globus .................................................... 19 1.5 Wege ins Internet ...................................................................... 23 2 Zentrale Kommunikationspraxen ........................................... 27 2.1 E-Mail-Kommunikation ............................................................... 28 2.1.1 Electronic Mail ....................................................................... 28 2.1.2 Junk-Mail ............................................................................ 43 2.1.3 Mailing-Listen........................................................................ 45 2.1.4 E-Mail (cid:150) eine (cid:155)v(cid:246)llig neue Kommunikationsform(cid:139)? .................................... 51 2.2 News-Kommunikation ................................................................ 53 2.3 Chat-Kommunikation ................................................................. 72 2.4 Chat-, Newsgroup- und E-Mail-Kommunikation (cid:150) ein Res(cid:252)mee ................. 115 2.5 MUD-Kommunikation .............................................................. 117 2.6 Neue Datenwege f(cid:252)r Fax, Telefon und Videokonferenz ........................... 121 2.6.1 Internet-Fax ........................................................................ 121 2.6.2 Internet-Telefonie ................................................................... 122 2.6.3 Internet-Konferenz .................................................................. 123 2.6.4 Dienstleistung Internet ............................................................. 124 2.7 Multimedium Internet .............................................................. 125 2.7.1 Das World Wide Web ............................................................... 125 2.7.2 Basis HTML ........................................................................ 129 2.7.3 Sp(cid:252)rnasen .......................................................................... 131 2.7.4 Alles unter einem Dach ............................................................. 131 6 Inhalt 3 Online-Radio und Web-TV ................................................. 135 3.1 Radio (cid:150) (cid:155)on air(cid:139) ...................................................................... 135 3.1.1 Nationale Sender.................................................................... 136 3.1.2 Internationale Sender ............................................................... 138 3.1.3 Res(cid:252)mee ............................................................................ 140 3.2 Fernsehen im Internet ............................................................... 141 3.2.1 Nationale Angebote ................................................................. 141 3.2.2 Internationale Angebote............................................................. 143 3.2.3 Internet im Fernseher ............................................................... 144 4 Web-Redaktionen ........................................................... 145 4.1 Zeitschriften online .................................................................. 145 4.2 Netz-Zeitschriften oder E-Zines .................................................... 153 5 Literatur und Internet ....................................................... 155 5.1 Einf(cid:252)hrung in die neuzeitliche Mediengeschichte ................................. 155 5.2 Hypertext/Hyperfiction ............................................................. 157 5.3 Der (cid:155)neue(cid:139) Leser ..................................................................... 159 5.4 Der (cid:155)neue(cid:139) Autor .................................................................... 162 5.5 Netzliteratur/Literatur im Netz/Netz und Literatur .............................. 164 6 Web-Sites und digitale M(cid:228)rkte ............................................ 173 6.1 Von Adressen und Namen .......................................................... 175 6.2 Informationen ....................................................................... 176 6.3 Datenbanken ......................................................................... 177 6.4 Unterhaltung ........................................................................ 179 6.5 Bildung ............................................................................... 179 6.6 Electronic Commerce ................................................................ 181 7 Werbung im Internet ....................................................... 185 7.1 WWW-Werbung ..................................................................... 185 7.2 Analyse .............................................................................. 196 8 Das Internet als Kommunikationsgemeinschaft ......................... 205 Anmerkungen ..................................................................... 213 Anhang ............................................................................ 221 Literaturverzeichnis ............................................................... 223 Register (mit Glossar) ............................................................. 233 Vorwort In der modernen Physik werden immer neue Dinge im Mikro- und Makrokosmos entdeckt. Was Science Fiction war, ist heute Bestandteil physikalischen Denkens und seiner Fachsprache: Raum-Zeit-Kr(cid:252)mmungen, Wurml(cid:246)cher, (cid:220)berlichtgeschwin- digkeitseffekte, Parallel-Universen (cid:150) all dies sind Begriffe f(cid:252)r Modellierungen kom- plexer Eigenschaften der Welt des Gro(cid:223)en und ganz Kleinen. Nahezu unbemerkt haben sich die Menschen vor rund 30 Jahren selbst ein neues Universum geschaffen, den Cyberspace, bestehend aus elektromagnetischen Schwingungen, aber dennoch f(cid:252)r uns so real wie der Mond oder die Sonne. Dieses neue Universum besteht aus Informationen, die auf elektronischem Wege ausgetauscht werden, das elektronische Kommunikationsnetz seinerseits besteht aus verkabelten Computern (cid:150) dem Internet. Mit der explosionsartigen Entwicklung der digitalen Medien und der Telekommuni- kation in den 90er Jahren ist die ˜ra der globalisierten Informations- und Kom- munikationsgesellschaft eingel(cid:228)utet worden, und der Cyberspace expandiert in Geschwindigkeiten, die in Bit pro Sekunde gemessen werden. Man mu(cid:223) kein Prophet sein, um zu prognostizieren, da(cid:223) das Internet als neues Medium grundlegende Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Kommunikationsverh(cid:228)ltnisse haben und bereits mittelfristig Kommunikationsformen in radikaler Weise beeinflussen wird. Obwohl in den Natur- und Technikwissenschaften, in der Wirtschaft, in der Psychologie und Soziologie die M(cid:246)glichkeiten der zweiten digitalen Revolution teil- weise umgesetzt und deren Auswirkungen untersucht werden, haben die Kommuni- kations-, Medien- und Sprachwissenschaften dies weitgehend ignoriert; von den Philologien ganz zu schweigen. Hier besteht ein Desiderat, an dem wir mit unserem Buch ansetzen wollen, denn wir sind der Meinung, da(cid:223) all jene, die sich mit Sprache und Kommunikation besch(cid:228)ftigen (cid:150) insbesondere Studierende (cid:150) das Internet nicht nur selbst zur Kommunikation nutzen, sondern da(cid:223) sie das neue Medium und die damit verbundenen Kommunikationsformen zum Gegenstand von Analysen machen sollten. Bisher liegen nur vereinzelt systematische Analysen zur Sprache und Kommunikation im Internet vor. Die meisten der bisherigen und durchaus nicht zahl- reichen Publikationen gehen von empirisch ungepr(cid:252)ften Hypothesen aus und kommen folglich zu fragw(cid:252)rdigen Generalisierungen. In dem vorliegenden Buch wird das Internet als (cid:155)neues(cid:139) Medium hinsichtlich sei- ner Kommunikationspraxen und sprachlichen Strukturierungen untersucht. Dabei sind wir empirisch vorgegangen, wobei die hier durchgef(cid:252)hrten Analysen nur einen ersten Einstieg in die Thematik bieten und zu weiteren Forschungen anregen sollen. Das Buch, an dem zwei Studenten als Autoren mitgearbeitet haben, wendet sich explizit an Studierende, die sich mit Sprache und Kommunikation in ihrem Studium besch(cid:228)ftigen (m(cid:252)ssen oder wollen), und all jene, die sich f(cid:252)r dieses Thema interessie- ren. In einem einf(cid:252)hrenden Kapitel wird zun(cid:228)chst das Internet als (cid:155)neue(cid:139) Informations- technologie und Hypermedium vorgestellt. Hier versuchen wir, die technischen Grundlagen, die unverzichtbar f(cid:252)r ein grundlegendes Verst(cid:228)ndnis sind, anschaulich darzustellen. Im Hauptteil steht die empirisch fundierte Analyse der zentralen 8 Vorwort Kommunikationspraxen; namentlich der E-Mail-Kommunikation, der Kommunika- tion in Newsgroups sowie der Chat-Kommunikation. Dar(cid:252)ber hinaus werden MUDs und MOOs sowie Internet-Telefonie und Videokonferenzen behandelt. Ein zweiter Schwerpunkt bildet die Darstellung von Netzliteratur, Online-Zeitschriften und Web- Radio/TV einerseits sowie die Analyse von Homepages und einer neuen Form von Werbung andererseits. Hier steht im Zentrum die Fragestellung, wie in dem neuen Medium Hypertext-Strukturierungen und multimediale Anwendungen umgesetzt werden. Der Band wird abgeschlossen mit der Betrachtung des Internet als Kommu- nikationsgemeinschaft und der Diskussion der Frage, inwieweit das Internet zu einem Sprach- und Kommunikationswandel f(cid:252)hrt. Das Buch enth(cid:228)lt zahlreiche Ab- bildungen und Screenshots sowie ein ausf(cid:252)hrliches Register mit Glossar. Ebenfalls eingearbeitet wurden Ergebnisse einer eigenen Umfrage an der Universit(cid:228)t Hannover, die f(cid:252)r die Frage der Nutzung von Computer und Internet innerhalb verschiedener Fakult(cid:228)ten interessant ist. Zwar liegen zahlreiche Internet- Umfragen sowohl in der Literatur als auch im Netz vor, jedoch beschr(cid:228)nken sich diese weitestgehend auf diejenigen, die bereits das Internet nutzen. Besonders wurde in unserer Umfrage deutlich, da(cid:223) Geisteswissenschaftler dieses Medium augenblick- lich nur in mangelhaftem Ma(cid:223)e zur Kenntnis nehmen. Das Kapitel 1.1 wurde von Jens Runkehl, die Folgekapitel 1.2-1.5 sowie 2.6 und 2.7 wurden von Torsten Siever ausgearbeitet. Die Kapitel 2.1-2.5 und 8 wurden von Peter Schlobinski verfa(cid:223)t, die Kapitel 3 und 5 erarbeitete Jens Runkehl; Torsten Siever erstellte des weiteren die Kapitel 6 und 7. Am vierten Kapitel sowie am Satz und der vollst(cid:228)ndigen Gestaltung des vorliegenden Buches haben Jens Runkehl und Torsten Siever gemeinsam gearbeitet. Wir danken Klaus Bayer und Matthias Wehrhahn f(cid:252)r die kritische Kommentierung und Korrektur einiger Teile und ferner all jenen Studen- ten, die in Seminaren durch Diskussionen und Seminararbeiten zum Gelingen des Buches beigetragen haben. Da das Internet einem st(cid:228)ndigen Wandel unterliegt, kann f(cid:252)r alle angegebenen Adressen keine dauerhafte Existenz in der beschriebenen Art garantiert werden. Schon w(cid:228)hrend unserer Untersuchungen kam es zu Neugestaltungen bzw. Adre(cid:223)(cid:228)nderungen. Wir haben uns bem(cid:252)ht, solche Web-Sites anzuf(cid:252)hren, die eine gewisse Best(cid:228)ndigkeit vermuten lassen. Aufgrund des schnellebigen Internet bieten wir auf unserer Web-Site (cid:150) http://www.websprache.uni-hannover.de/buch/(cid:150) Aktualisie- rungen an, die unter anderem s(cid:228)mtliche in diesem Buch aufgef(cid:252)hrten Adressen bein- haltet. Osnabr(cid:252)ck/Seelze, im August 1998 1 Das Internet als neues Medium 1.1 Geschichte und Entwicklung des Internet »Like distant islands sundered by the sea, We had no sense of one community. We lived and worked apart and rarely knew That others searched with us for knowledge, too.« Vinton G. Cerf 1.1.1 Die Idee In Vinton G. Cerfs »Requiem for the ARPANET«1 kommt ein Gedanke zum Aus- druck, der den weitreichenden Gesellschaftswandel durch das Internet ausdr(cid:252)ckt: Eine Idee, die sich zu einer Technologie entwickelt hat, schickt sich an, den »Ausbau der Informationsgesellschaft auf eine historisch einzigartige Weise synchron im glo- balen Rahmen [zu] vollzieh[en]« (M(cid:252)nker/Roesler 1997: 7). Einzelne Computer sollten in die Lage versetzt werden, in einen (cid:155)Dialogbetrieb(cid:139) zu treten, also miteinander zu kommunizieren. Der Weg dorthin war ebenso spannend wie langwierig; denn nat(cid:252)rlich ist das »Internet nicht vom Mond gefallen« (M(cid:252)ller 1997: 277). Vor dem Hintergrund des Sputnik-Schocks wurde 1957 unter dem wissenschafts- freundlichen Pr(cid:228)sidenten Dwight D. Eisenhower die ARPA(Advanced Research Pro- jects Agency; http://www.arpa.mil/) gegr(cid:252)ndet, um den technologischen Vorsprung und damit die Sicherheit der westlichen Welt in der Zeit des eskalierenden R(cid:252)stungs- wettlaufs zwischen den USAund der Sowjetunion sowie dem damit verbundenen Szenario einer weltweiten nuklearen Vernichtung zu gew(cid:228)hrleisten. W(cid:228)hrend diese Institution sich anf(cid:228)nglich mit Fragen der Raketenabwehr oder Problemen der milit(cid:228)rischen Kommando- und Kontrollstruktur besch(cid:228)ftigte, wurde 1962 dem Leiter der zentralen Abteilung (cid:155)Command and Control(cid:139) bei der ARPA, J. C. R. Licklider, das Forschungsprojekt vorgeschlagen, »Nutzungsm(cid:246)glichkeiten f(cid:252)r Computer zu finden, die (cid:252)ber numerische Berechnungen f(cid:252)r wissenschaftliche Zwecke hinausging« (Hafner/Lyon 1997: 43). Dabei herrschte (cid:252)ber das zu erreichen- de Ziel eine noch mehr als vage Vorstellung: »Der Computer sollte mit den Informa- tionen verschiedener Geheimdienstinformanten gef(cid:252)ttert werden, etwa Party- ger(cid:252)chten oder Beobachtungen bei Paraden zum 1. Mai. Daraus sollte er so gut wie m(cid:246)glich berechnen, was die Sowjets im Schilde f(cid:252)hrten. (cid:155)Die Grundidee war die: Man nimmt einen leistungsf(cid:228)higen Computer, f(cid:252)ttert ihn mit Unmengen qualitativer Informationen wie (cid:155)Der Luftwaffenchef trank zwei Martinis(cid:139) oder (cid:155)Chruschtschow liest montags keine Prawda(cid:139), [...]. (cid:155)Dann sollte der Computer Sherlock Holmes spie- len und aus all dem schlie(cid:223)en, da(cid:223) die Russen eine MX-72-Rakete bauten, oder so was(cid:139)« (Hafner/Lyon 1997: 43). Nachdem man allerdings solchen (cid:155)Eseleien(cid:139) schnell den R(cid:252)cken kehrte, begann Licklider die f(cid:252)hrenden Zentren der amerikanischen 10 1 Das Internet als neues Medium Computerindustrie ausfindig zu machen und sie f(cid:252)r die ARPAzu verpflichten, um deren Materialressourcen und (cid:150) noch wichtiger (cid:150) deren Wissenspotential zu nutzen. Hierzu z(cid:228)hlten neben einer Handvoll Firmen Informatiker der Universit(cid:228)ten Stanford (http://www.stanford.edu/), des Massachusetts Institute of Technology (MIT, http://www.mit.edu/), der Universit(cid:228)t von Kalifornien in Los Angeles (UCLA, http://www.ucla.edu/) (cid:150) an der seit 1960 auch Vinton Cerf arbeitete (cid:150) und die Universit(cid:228)t Berkeley (http://www.berkeley.edu/). 1.1.2 Das Problem Licklider bem(cid:228)ngelte schnell die seiner Meinung nach viel zu ausufernde Anzahl von Programmiersprachen, Betriebssystemen, Fehlersuchprogrammen u.v.m. Jede Ein- richtung verf(cid:252)gte (cid:252)ber einen eigenen sogenannten Mainframe (Gro(cid:223)rechner) (cid:150) und an einheitliche Standards auf diesem Sektor war im entferntesten nicht zu denken. So kam es, da(cid:223) beispielsweise mehrere gleich konzipierte Arbeiten zu teuren For- schungsprojekten an verschiedenen Unis keine Seltenheit waren. Mehr und mehr ent- wickelte sich hieraus die Idee, ein (cid:155)integriertes Netzwerk(cid:139) zu schaffen, um teure Hardwareressourcen und akademische Schaffenskraft (cid:246)konomischer einzusetzen. 1964 wurde der Name Command and Control in Information Processing Techniques Office (B(cid:252)ro f(cid:252)r Grundlagen der Datenverarbeitung, kurz IPTO) umge- wandelt. 1966 nahm Bob Taylor als Direktor des IPTO seine Arbeit auf. Er und Larry Roberts, Spezialist f(cid:252)r Daten- und Kommunikationstechnik, trieben die Netzwerk- experimente ma(cid:223)geblich voran. Auch die 1948 ins Leben gerufene RANDCorporation (Forschungsgesellschaft f(cid:252)r Beratungs-, Planungs- und Prognoseaufgaben; http://www.rand.org/) besch(cid:228)ftigte sich vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs in ihrer Kommunikationsabteilung fr(cid:252)hzeitig mit der (cid:220)berlebensf(cid:228)higkeit von Kommunikationssystemen. »Nach An- sicht der Strategiefach- leute bei RAND mu(cid:223)ten die Kommunikations- systeme zum Einsatz strategischer Waffen un- bedingt einen Angriff (cid:252)berstehen k(cid:246)nnen, da- mit das Land immer noch einen Vergeltungs- schlag f(cid:252)hren k(cid:246)nnte« (Hafner/Lyon 1997: 63). zentrales Netz dezentrales Netz verteiltes Netz Paul Baran, der seit 1959 Abb. 1-1: Netzwerkarten bei der RAND arbeitete, widmete sich deshalb der Frage, »wie sich Kommunikationsstrukturen aufbauen lie(cid:223)en, in denen Teilbereiche auch nach einer gr(cid:246)(cid:223)eren Zerst(cid:246)rung anderer Teile noch als zusammengeh(cid:246)rige Einheit funktionierten« (Hafner/Lyon 1997: 65). Die von ihm entworfene Idee einer Netzwerkstruktur war revolution(cid:228)r: Die herk(cid:246)mmlichen zen- 1.1 Geschichte des Internet 11 tralen und dezentralen Netzwerkmodelle wiesen immer einen eklatanten Schwach- punkt auf. Durch die Verkn(cid:252)pfung mittels eines oder mehrerer zentraler Knoten kommt es beim Ausfall dieser Knoten zum partiellen oder gar totalen Netzausfall. Ein verteiltes Netzwerk mit einem Redundanzniveau von drei bis vier (was bedeutet, da(cid:223) jeder Knoten wiederum mit drei bis vier anderen Knoten verbunden war) w(cid:252)rde den herk(cid:246)mmlichen Netzmodellen gegen(cid:252)ber eine bislang nie gekannte Zuverl(cid:228)ssigkeit und Sicherheit bieten. Der Vorteil dieser Idee lag auf der Hand: war ein Knoten belegt oder zerst(cid:246)rt, folgte der n(cid:228)chstbeste als (cid:220)bertragungsweg. Selbst nach einem Ausfall gro(cid:223)er Teile des Netzes besteht hier noch immer die M(cid:246)glichkeit f(cid:252)r die Daten, einen Weg durch das Netzwerk zu seinem Ziel zu finden (s. Abb. 1-1). Barans zweite revolution(cid:228)re Idee war es, die Daten nicht mehr in Form eines gleich- m(cid:228)(cid:223)igen Stroms von Signalen durch die Leitungen zu senden, sondern die Bot- schaften in einzelne Nachrichtenbl(cid:246)cke2aufzuteilen. Diese sollten erst bei ihrem Ein- treffen am Zielort zusammengesetzt werden. Diese beiden Prinzipien (cid:150) das des verteilten Netzes sowie das der Nachrichten- block-(cid:220)bermittlung (cid:150) beruhen zwar auf einem hochgradig ineffizienten System, ver- b(cid:252)rgen daf(cid:252)r jedoch eine bislang nie gekannte Sicherheit bei der Daten(cid:252)bertragung (cid:150) und genau darauf kam es an. Die American Telephone and Telegraph Company (AT&T, http://www.att.com/), der damals nahezu ausschlie(cid:223)lich das gesamte Leitungsnetz in den USAgeh(cid:246)rte, fand diese Idee jedoch v(cid:246)llig absurd. »Daten in Form kleiner Pakete zu versenden, kam ihnen etwa so logisch vor, wie (cid:214)l tassenweise durch die Pipeline zu pumpen. Die AT&T-Oberen kamen zu dem Schlu(cid:223), da(cid:223) Baran keinen Schimmer von der Funktionsweise des Telefonsystems hatte. (cid:155)Sie standen auf dem Standpunkt, da(cid:223) sie alles wu(cid:223)ten und alle, die nichts mit dem Bell-System zu tun hatten, nichts(cid:139)« (Hafner/Lyon 1997: 72f.). So hat die Ignoranz eines Gro(cid:223)konzerns in diesem Fall wohl etwas Positives nach sich gezogen: die Freiheit des Internet. 1.1.3 Das Projekt Als die ARPA 1968 eine Ausschreibung verteilte, um die Entwicklung eines Netz- werkes voranzutreiben, bewarb sich u.a. auch die Firma Bolt Beranek und Newman (BBN), die nahezu ein ebenso gro(cid:223)es wissenschaftliches Renommee besa(cid:223) wie die Universit(cid:228)t Havard oder das MIT. Bei BBN arbeitete auch Bob Kahn, Professor f(cid:252)r Elektrotechnik, an dem Paketvermittlungskonzept. Auf Seite der ARPAbegann man 1966 sogenannte IMPs (interface message proces- sors) zu entwerfen. Dies waren (schrankhohe) Computer, die den eigentlich mitein- ander kommunizierenden Mainframes zwischengeschaltet werden mu(cid:223)ten. Man mu(cid:223) bedenken, da(cid:223) zu jener Zeit jeder Mainframe sich f(cid:252)r den (cid:155)einzigen Computer auf der Welt(cid:139) hielt, also alle anderen Peripherieger(cid:228)te (auch andere Computer) zu (cid:155)dummen Terminals(cid:139) degradierte. Um die Mainframes zu einer Kommunikation mit anderen Computern zu bewegen, bedurfte es dieser zwischengeschalteten Rechner. So wurden 1969 die Computer des Stanford Research Institute (SRI) und der UCLA zum ersten wirklichen Netzwerk zusammengeschlossen (s. Abb. 1-2). 12 1 Das Internet als neues Medium Gegen Ende des Jahres 1969 hatte die Forschergruppe noch immer kein Host-zu- Host-Protokoll zustande gebracht, stand aber unter dem Druck, der ARPAetwas vor- weisen zu m(cid:252)ssen. So (cid:155)schusterte(cid:139) man ein Protokollnamens Telnetzusammen, das einen ersten elementaren Dialog zwischen zwei Rechnern erlaubte. Telnet war zwar insofern bahnbre- chend, als man von einem einzigen Terminal aus viele entfernte Com- puter erreichen konnte, doch brach- te man damit immer noch nicht zwei Computer zur Zusammenarbeit. Ei- nes der n(cid:228)chstgr(cid:246)(cid:223)eren Probleme bestand anschlie(cid:223)end darin, ganze Dateien zwischen zwei Rechnern zu transferieren. Denn erst der Aus- tausch von Dateien w(cid:252)rde einem Abb. 1-2: Das erste (cid:155)echte(cid:139) Netzwerk Netzwerk einen wirklichen Sinn verleihen. Bei diesem Entwicklungsschritt w(cid:252)rden die beiden beteiligten Computer erstmals gleichberechtigt miteinander arbeiten und nicht einen der beiden zu einem (cid:155)dummen Terminal(cid:139) abwerten (cid:150) die theoretische Pr(cid:228)sentation des sogenannten File Transfer Protocol, kurz FTP, fand schlie(cid:223)lich 1972 statt. 1.1.4 Der Erfolg Im Oktober desselben Jahres sollte vor der internationalen Konferenz (cid:252)ber Com- puterkommunikation (ICCC) eine Pr(cid:228)sentation des bis zu diesem Zeitpunkt ent- wickelten ARPA-Netzwerkes stattfinden. Einige hundert Menschen nahmen an der Konferenz teil, und es stellte sich heraus, da(cid:223) die Besucher mit gro(cid:223)em Interesse mit den Computern interagierten und nach einer Beobachtung Bob Kahns mit Vorliebe f(cid:252)r elektronische Post benutzten. Ein Ingenieur von BBN, Ray Tomlinson, entwickelte die M(cid:246)glichkeit der elektroni- schen Postzustellung. »Dieses Postprogramm bestand aus zwei Teilen: Um Nach- richten zu senden, ben(cid:246)tigte man SENDMSG(MSG=message), um Post zu empfan- gen, das andere Teilprogramm READMAIL. Tomlinson war es auch, der in der E- Mail-Adresse den Namen des Nutzers von dem der Maschine trennen mu(cid:223)te und sich dabei f(cid:252)r das@-Zeichen entschied. »Tomlinson hatte keine Ahnung, da(cid:223) er damit das Symbol f(cid:252)r die vernetzte Welt schlechthin schuf.« (Hafner/Lyon 1997: 228) Schon 1973 bestanden drei Viertel des Datenverkehrs innerhalb des ARPA-Netzes aus E- Mails. Doch erst in den fr(cid:252)hen 80er Jahren, als die Verarbeitung von E-Mails immer komplexer wurde, begann man Mails von dem bis dahin nur bekannten (cid:155)Lastkahn(cid:139) FTPzu entkoppeln (cid:150) man erfand SMTP. Auf der ICCC bewies man, da(cid:223) elektronische Paketvermittlung innerhalb eines Landes funktionierte. Jetzt kam es darauf an, da(cid:223) dieses auch au(cid:223)erhalb des ARPA- Netzes m(cid:246)glich werden mu(cid:223)te. 1.1 Geschichte des Internet 13 Noch im Jahr 1972 gr(cid:252)ndete man die International Network Group(INWG), in der sich die f(cid:252)hrenden K(cid:246)pfe aus ver- schiedenen L(cid:228)ndern trafen, die ebenfalls alle an Vernetzungsm(cid:246)glichkeiten arbei- teten. Der Leiter dieser Institution wurde Vinton Cerf. Man wollte sich nun der Aufgabe zuwenden, die isolierten natio- nalen Netzwerke zu verbinden. So ent- stand das Projekt des (cid:155)Concatenated Abb. 1-3: Kopplung von verschiedenen Netzen Network(cid:139) (Verbundnetzwerk), kurz auch CATENET, um eine »Zusammenschaltung von Netzen mit unterschiedlichen Tech- nologien und Geschwindigkeiten« (Hafner/Lyon 1997: 264) zu erm(cid:246)glichen. Man entwickelte (cid:155)Zwischenst(cid:252)cke(cid:139), die sogenannten Gateways (Netzkoppler), die in der Lage waren, die verschiedenartigen Nachrichten zwischen den verschiedenen Netzen zu (cid:252)bergeben (s. Abb. 1-3). 1.1.5 Das Inter-Netz Allerdings stand man nun auch vor dem Problem, da(cid:223) man Protokolle ben(cid:246)tigte, die mit den »autonomen, nach ihren eigenen Regeln arbeitenden Netzwerken zurechtka- men, dabei aber gleichzeitig Standards festzusetzen, die den Hosts in den verschie- denen Netzwerken den Dialog miteinander erm(cid:246)glichten« (Hafner/Lyon 1997: 266). Cerf und Kahn arbeiteten bei der Entwicklung eines einheitlichen Protokolls eng miteinander zusam- men. Als sie Ende 1973 gemeinsam einen Artikel ver(cid:246)ffentlichten, der ein Protokoll vorstellte, wel- Abb. 1-4: Arbeitsweise von TCP/IP ches die Verbindung von Paketvermittlungsnetzwerken erm(cid:246)glichte, bestimmten sie durch den Wurf einer M(cid:252)nze, wessen Name der erstgenannte sein sollte. Cerf gewann und gilt so noch heute als (cid:155)Father of the Internet(cid:139). Das Endergebnis dieser Forschung ist das TCP/IP- Protokoll. Das TCP(Transmission Control Protocol) (cid:252)berpr(cid:252)ft, ob alle Daten empfangen wur- den. Ist dies nicht der Fall, werden die fehlenden Pakete erneut angefordert. Das IP(Internet Protocol) ist verantwortlich f(cid:252)r die Aufteilung wie auch die (cid:220)ber- tragung der zu versendenden Daten. Es regelt, wie die Dateien aufgeteilt werden und da(cid:223) jedes Paket f(cid:252)r sich betrachtet wird (s. Abb. 1-4). Beide Protokolle wurden im Laufe der Zeit immer wieder (cid:252)berarbeitet und verbessert. 1977 demonstrierten Cerf und Kahn die Funktionst(cid:252)chtigkeit ihres Inter-Netzes, indem sie Daten unter Umgehung einer toten Stelle auf eine weltweite Rundreise ver-

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Das Internet als Kommunikationsgemeinschaft wir auf unserer Web-Site – http://www.websprache.uni-hannover.de/buch/ – Aktualisie- rungen an
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