Innovation und Gesellschaft Melanie Jaeger-Erben Jana Rückert-John · Martina Schäfer Hrsg. Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum Wissenschaftliche Perspektiven, Strategien der Förderung und gelebte Praxis Innovation und Gesellschaft Herausgegeben von R. John, Berlin, Deutschland J. Aderhold, Berlin, Deutschland H. Braun-Thürmann, Berlin, Deutschland I. Bormann, Berlin, Deutschland Weitere Bände in dieser Reihe: http://www.springer.com/series/10422 Die Reihe „Innovation und Gesellschaft“ wird vom Institut für Sozialinnovation e.V. (Berlin) verantwortet. Ziel ist es, Beiträge zu versammeln, die sich mit Innovationen in der Gesellschaft auseinandersetzen und damit sozialen Wandel beobachten. Ausgangspunkt ist ein umfassendes Verständnis von Innovationen, das diese als weitreichende strukturelle Veränderungen begreift. Dabei stehen die Bedingungen, das Zustandekommen, die Formen und Folgen sowie die planerischen Möglichkeiten der Gestaltung von Innovation und gesellschaftlichem Wandel im Mittelpunkt des Interesses. Herausgegeben von Dr. René John Dr. Jens Aderhold Dr. Holger Braun-Thürmann Institut für Sozialinnovation e.V., Berlin, Deutschland Prof. Dr. Inka Bormann Freie Universität Berlin, Deutschland Melanie Jaeger-Erben Jana Rückert-John · Martina Schäfer (Hrsg.) Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum Wissenschaftliche Perspektiven, Strategien der Förderung und gelebte Praxis Herausgeber Melanie Jaeger-Erben Martina Schäfer Berlin, Deutschland Berlin, Deutschland Jana Rückert-John Berlin, Deutschland ISSN 2193-6625 ISSN 2193-6633 (electronic) Innovation und Gesellschaft ISBN 978-3-658-16544-4 ISBN 978-3-658-16545-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-16545-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Inhaltsverzeichnis Melanie Jaeger-Erben, Jana Rückert-John und Martina Schäfer Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum: Wissenschaftliche Perspektiven, Strategien der Förderung und gelebte Praxis ................................ 9 Teil 1: Wissenschaftliche Perspektiven Melanie Jaeger-Erben, Jana Rückert-John und Martina Schäfer Do-it-yourself oder do-it-together? – Eine Typologie sozialer Innovationen für nachhaltigen Konsum ................................................................................... 23 Gerd Scholl und Maike Gossen Wie kann die Umweltpolitik soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum fördern? ............................................................................................................. 51 Martina Schmitt, Kristin Leismann, Carolin Baedeker und Holger Rohn Sharing – eine innovative, soziale Praktik für einen ressourcenschonenden, nachhaltigeren Konsum? .................................................................................... 71 Bettina Brohmann und Martin Gsell Neue Konzepte für nachhaltiges Wohnen und für nachhaltige Mobilität: Optionen der ökologischen und ökonomischen Bewertung ............................... 97 Moritz Boddenberg, Max Heinrich Frauenlob, Lenard Gunkel, Sarah Schmitz, Franziska Vaessen und Birgit Blättel-Mink Solidarische Landwirtschaft als innovative Praxis – Potenziale für einen sozial-ökologischen Wandel ............................................................................ 125 Daniel Dorniok Energiegenossenschaften als soziale Innovation und Initiator sozialer Innovationen – Neo-Institutionalistische Untersuchung von Energiegenossenschaften und ihrer funktionalen Wirkungen .......................... 149 6 Inhaltsverzeichnis Gabriele Tils und Regine Rehaag Nachhaltige Mobilität durch soziale Innovationen – Potenziale des Carsharing aus Sicht von Konsument/innen..................................................... 169 Mundo Yang und Sigrid Baringhorst Politischer Konsum im Netz als Ausdruck des Wandelns politischer Partizipation ..................................................................................................... 191 Teil 2: Perspektiven von Multiplikator/innen Ralph Wilhelm und Thomas Schulz Nachhaltige Entwicklung braucht soziale Innovationen – die Sozial-ökologische Forschung als Wegbereiter.......................................... 217 Andrea Baier und Christa Müller Vom Haus der Eigenarbeit zur Stadt der Commonisten – Zum Forschungsverständnis der anstiftung ...................................................... 243 Martin Klug und Sarah Gartner Soziale Innovationen als Herausforderung für die Verbraucherarbeit ............. 263 Thomas Jorberg und Werner Landwehr Die Rolle von Investoren zur Förderung sozialer Innovationen am Beispiel der GLS Bank ..................................................................................... 287 Teil 3: Gelebte Praxis sozialer Innovationen nachhaltigen Konsums Christian Hiß Regionalwert AG Bürgeraktiengesellschaft in der Region Freiburg ................ 297 Dörte Martens und Miren Artola Nachhaltig wirtschaften ... auch ohne gute Vorsätze? – Urban Gardening als Nährboden für nachhaltiges Handeln ............................. 305 Tobias Hartkemeyer Handlungspädagogik und Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft ................ 315 Inhaltsverzeichnis 7 Christian Grundmann und Daniel Reitmeier Die Carrotmob-Akademie – eine Aktionsform für den Klimaschutz macht Schule .................................................................................................... 325 Nina Lage-Diestel Das Glückslokal – Vom Kaufrausch zum bewussten Konsum ........................ 333 Elisabeth Redler Selbermachen und viel mehr – Anspruch und Realität des Modellprojekts Haus der Eigenarbeit ........................................................................................ 343 Ariane Piper und Jenny Weber „Vergissmeinnicht“ – Ein Projekt der youngcaritas zur Aufwertung und Wiederverwendung von Kleidung.................................................................... 359 Frank Becker, René Scheumann, Johannes Dietrich und Gerhard Kast Kann das weg – oder ist das Re-use? ............................................................... 367 Katja von Helldorff, Simone Kellerhoff, Anja Carsten und Johannes Dietrich Material Mafia – Kreisläufe für die Weiterverwendung von Ressourcen ........ 383 Janett Kalina und Hendrik Mlasowsky Fahrradverleihsysteme – Wegbereiter für geteilte Mobilität ............................ 393 Jana Rückert-John, Melanie Jaeger-Erben und Martina Schäfer Gelebte Praxis nachhaltigen Konsums – Systematisierende Zusammenschau ................................................................. 409 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren......................................................... 431 Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum: Wissenschaftliche Perspektiven, Strategien der Förderung und gelebte Praxis Melanie Jaeger-Erben, Jana Rückert-John und Martina Schäfer Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass es mit den vorrangig eingesetzten Strategien der Entwicklung nachhaltiger Produkte, effizienter Tech- nologien sowie der Vermittlung von Wissen oder Appellen an das Umweltbe- wusstsein bisher nicht gelungen ist, eine umfassende Trendwende in Richtung nachhaltigerer Lebensstile einzuleiten (Jackson 2005; Bilharz 2006; Leitschuh 2013). Die Ursachen hierfür werden vor allem darin gesehen, dass konsumbezo- gene Entscheidungen und Handlungen Teile sozialer Praktiken sind, die in indi- viduelle Alltagsabläufe und infrastrukturelle Rahmenbedingungen eingebettet sind und als Routinen relativ erfolgreich funktionieren und dadurch nur schwer veränderbar sind (John 2013, Jaeger-Erben 2010; Spaargaren/van Vliet 2000). Seit einigen Jahren haben sich zunehmend alternative Formen des Konsums entwickelt, bei denen die Nutzung von Produkten nicht mehr mit ihrem Besitz einhergeht. Diese alternativen Konsumformen verändern so auch die Vorstellun- gen vom Eigentum. Praktiziert werden sie von Initiativen und Projekten in Kon- sumfeldern, wie Mobilität, Energie, Wohnen, Ernährung und Freizeit, in Form von Nischen- oder Marktlösungen (Rückert-John et al. 2014). Sie reichen von Tauschnetzwerken und Teilbörsen, Werkstätten der Eigenarbeit, Carsharing oder Fahrradverleihsystemen bis hin zu Bioenergiedörfern, Gemeinschaften der soli- darischen Landwirtschaft, Energienachbarschaften oder Carrotmobs. Von vielen Initiativen und Projekten werden vor allem gesellschaftliche Probleme der Wachstumsökonomie, wie Wegwerfmentalität und Massenproduktion, unmün- dige und abhängige Konsument/innen, Anonymität und Entfremdung von Pro- duktionsprozessen oder Energie- und Ressourcenverschwendung, aufgegriffen. Viele verfolgen die Absicht, dass sich Konsummuster, wie Tauschen und Teilen, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 M. Jaeger-Erben et al. (Hrsg.), Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum, Innovation und Gesellschaft, DOI 10.1007/978-3-658-16545-1_1 10 Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum Verschenken und Leihen, Nutzen statt Besitzen, Selbermachen und Wiederauf- werten oder Reparieren, als Alternativen in der Gesellschaft etablieren. Auf diese Weise sollen die auf Besitz und Ressourcenverbrauch beruhenden und darum als problematisch erachteten Wirtschafts- und Konsumpraktiken sinnvoll erweitert oder ersetzt werden (Heinrichs/Grunenberg 2013; Botsman/Rogers 2011). Die Projekte und Initiativen werden häufig von Massenmedien und beglei- tender Forschung, vor allem aber von der Politik auf nationaler und EU-Ebene als „soziale Innovationen“ bezeichnet (Barroso 2011; Hochgerner 2011; Ho- waldt/Schwarz 2010). Doch nur vereinzelt haben diese Ansätze bislang den Mas- senmarkt erreicht. Ein Beispiel ist die Entwicklung der geteilten Autonutzung vom klassischen standortbasierten Carsharing hin zu neuen flexiblen Mietange- boten großer Automobilunternehmen und Start-up-Firmen. Von sozialen Innovation wird etwa erwartet, dass insbesondere über digitale Plattformen und Netzwerke mittels Teilen und Tauschen sich das seit Jahrzehnten sinkende zwischenmenschliche Vertrauen wieder erhöhen und eine effizientere oder gar suffizientere und damit nachhaltigere Konsumkultur etabliert werden können. Hoffnungen sind auch damit verbunden, dass die alternativen Konsum- formen als Treiber einer Transformation der Gesellschaft zur Nachhaltigkeit wir- ken. Sie werden als gesellschaftliche Experimente angesehen, bei denen ein ge- sellschaftlicher Wandel in Richtung Nachhaltigkeit bereits heute im Alltag der Konsument/innen praktiziert wird. Eine neuere politische Strategie besteht des- halb darin, die Entstehung von sozialen Innovationen in der Gesellschaft zu be- obachten und von diesen Experimenten zu lernen. Dabei sollen Möglichkeiten der gezielten Förderung und Verstärkung der Experimente sowie deren gesellschaft- liche und ökologische Wirkungen entdeckt werden. Die Vorteile sozialer Innovationen werden beispielsweise darin gesehen, dass sie „aus der Gesellschaft heraus“ neue Lösungen für gegenwärtige Probleme kreieren (BEPA 2010), womit die Erwartung verbunden wird, dass sie sich dadurch schneller verbreiten und eine stärkere Akzeptanz finden (Ho- waldt/Schwarz 2010; Howaldt/Jacobsen 2010). Im Gegensatz zu gängigen Be- strebungen, den Konsum mittels neuer Verkehrs-, Kommunikations- oder Ener- gietechnik nachhaltiger zu gestalten, werden durch soziale Innovationen alltägli- che Praktiken direkt angesprochen und damit wirksamer verändert (Rückert-John et al. 2014). Es wird daher angenommen, dass Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Initiativen, von neuen Start-ups und Peer-to-Peer-Netzwerken einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigeren Produktions- und Konsumpraktiken leisten können (Heinrichs/Grunenberg 2012).