Skript zur Vorlesung Analysis 2 Sommersemester 2013 Prof. Dr. Benjamin Schlein Inhaltsverzeichnis 1 Fourier-Reihen 2 2 Gew¨ohnliche Differentialgleichungen 10 2.1 Differentialgleichungen erster Ordnung, elementare L¨osungsmethoden . . 11 2.2 Existenz und Eindeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Differentialgleichungen h¨oherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.4 Lineare Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5 Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten . . . . . . . 26 2.6 Grundlagen der Stabilit¨atstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3 Differentialrechnung in mehreren Ver¨anderlichen 38 3.1 Definition der Ableitung fu¨r Funktionen auf Rn . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2 Mittelwertsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.3 H¨ohere Ableitungen, Taylor Entwicklung, lokale Extrema . . . . . . . . 51 3.4 Umkehrabbildung und Satz u¨ber implizite Funktionen . . . . . . . . . . 59 3.5 Mannigfaltigkeiten in Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.6 Extrema mit Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.7 Integrale, die von einem Parameter abh¨angen. . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.8 Konservative Vektorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.9 Holomorphe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1 1 Fourier-Reihen Wir betrachten in diesem Kapitel periodische Funktionen. Eine Funktion f : R → C heisst periodisch, mit Periode T > 0, falls f(t+T) = f(t) fu¨r alle t ∈ [0;T). Jede auf [0;T) definierte Funktion f kann durch die Definition f(t+kT) := f(t) fu¨r alle k ∈ Z, und alle t ∈ [0;T) periodisch fortgesetzt werden. EinwichtigesBeispieleinerperiodischenFunktionistdieExponentialfunktionf(t) = eit. f hat die Periode T = 2π, weil ei(t+2π) = eite2πi = eit fu¨r alle t ∈ [0;2π). T = 2π ist die Fundamentalperiode der Funktion f, d.h. es existiert keine Periode T(cid:101) > 0 mit T(cid:101) < T. Fu¨r j ∈ Z ist die Funktion f(t) = eijt auch periodisch. Die Fundamentalperiode von f(t) = eijt ist 2π/|j|. T = 2π ist auch eine Periode von f(t) = eijt, fu¨r alle j ∈ Z. In der Tat eij(t+2π) = eijte2πij = eijt fu¨r alle j ∈ Z. {eijt}j∈Z ist damit eine unendliche Familie von 2π-periodischen Funk- tionen. Analog, fu¨r ein beliebiges L > 0, ist {eijt/L}j∈Z eine unendliche Familie von Funktionen mit Periode T = 2π/L. Lemma 1.1. Seien j,k ∈ Z. Dann gilt (cid:90) 2π (cid:26) 2π falls j = k eikxe−ijxdx = 0 sonst 0 Bemerkung (aus Analysis 1): eine C-wertige Funktion f : [a;b] → C ist integrierbar, falls Re f und Im f integrierbar sind. In diesem Fall definieren wir (cid:90) b (cid:90) b (cid:90) b fdx = Re f(x)dx+ Im f(x)dx a a a Beweis: Wir haben eikxe−ijx = ei(k−j)x = cos((k−j)x)+isin((k−j)x). Fu¨r k (cid:54)= j gilt (cid:90) 2π 1 cos((k−j)x)dx = (sin(2π(k−j))−sin(0)) = 0 k−j 0 und analog, (cid:90) 2π sin((k−j)x)dx = 0 0 Dagegen, fu¨r k = j ist ei(k−j)x = 1 und (cid:90) 2π ei(k−j)xdx = 2π 0 2 Definition 1.2. Sei f : R → C eine 2π-periodische Funktion, auf [0;2π] integrierbar. Fu¨r ein beliebiges j ∈ Z ist dann die Funktion e−ijxf(x) auch 2π-periodisch und auf [0;2π] integrierbar. Wir definieren den j-ten Fourierkoeffizienten von f durch 1 (cid:90) 2π f(cid:98)(j) = f(x)e−ijxdx 2π 0 Weiter, fu¨r N ∈ N, definieren wir die N-te Fourier Partialsumme N (cid:88) (FNf)(x) = f(cid:98)(j)eijx j=−N Konvergiert die Folge (F f)(x) fu¨r N → ∞, dann wird der Grenzwert durch N ∞ (cid:88) (Ff)(x) = f(cid:98)(j)eijx = lim (FNf)(x) N→∞ j=−∞ bezeichnet. (Ff) wird die Fourier-Reihe von f genannt. Wirwerdensehen,dassuntergeeigneterAnnahmederFunktionf,dieFourier-Reihe von f mit f u¨bereinstimmt; die Fourier-Reihe gibt also eine nu¨tzliche Darstellung von periodischen Funktionen als Limes von Linearkombinationen von den Funktionen eijx (¨ahnlich wie die Taylorreihe eine nu¨tzliche Darstellung von analytischen Funktionen gibt). Um zu zeigen, dass Ff = f gilt, brauchen wir das folgende Lemma. Lemma 1.3 (Lemma von Riemann-Lebesgue). Sei f : [a;b] → C integrierbar. Dann gilt (cid:90) b lim e±ikxf(x)dx = 0 k→∞ a Bemerkung: Die Idee hinter dem Lemma von Riemann-Lebesgue ist die folgende: Die Funktion eikx hat (Fundamental-) Periode 2π/k. Deswegen gilt (cid:82) eikxdx = 0 fu¨r je- I des Intervall der L¨ange 2π/k. Wenn wir annehmen k¨onnen, dass f auf diesen kleinen Intervallen n¨aherungsweise konstant ist, dann muss auch (cid:82) f(x)eikxdx n¨aherungsweise I verschwinden. Da wir [a;b] in kleine Intervalle der L¨ange (2π)/k zerlegen k¨onnen, muss auch das Integral (cid:82)bf(x)eikxdx klein sein. Wenn man eine regul¨are Funktion f betrach- a tet,dannkannmandieAussagedesRiemann-LebesgueLemmasverfeinern.Istf m-Mal differenzierbar, dann existiert eine Konstante C mit m (cid:12)(cid:90) b (cid:12) (cid:12)(cid:12) f(x)eikxdx(cid:12)(cid:12) ≤ Cm|k|−m (cid:12) (cid:12) a Wir werden zuru¨ck zur Beziehung zwischen Regularit¨at und Abfall von oszillierenden Integralen in den U¨bungen kommen. Beweis: O.B.d.A. betrachten wir eine reelwertige Funktion f : [a;b] → R. Sei ε > 0 fest gew¨ahlt. Aus Analysis 1 (Proposition 9.3) existiert eine Teilung T = {a = x < x < 0 1 ··· < x = b} von [a;b], mit n ε (cid:90) b S(T)− ≤ f(x)dx ≤ S(T) 2 a 3 D.h. es existieren h = sup f(x ), mit j x∈[xj−1;xj] j (cid:88)n ε (cid:90) b (cid:88)n h (x −x )− ≤ f(x)dx ≤ h (x −x ) j j j−1 j j j−1 2 a j=1 j=1 Mit anderen Worten, fu¨r beliebige ε > 0 existiert eine Treppenfunktion n (cid:88) g(x) := h 1 (x) j [xj−1;xj) j=1 auf [a;b] mit g(x) ≥ f(x) fu¨r alle x ∈ [a;b] und (cid:90) b (cid:90) b |g(x)−f(x)|dx = (g(x)−f(x)) ≤ ε/2 (1) a a Hier benutzen wir die Notation 1 (x) fu¨r die charakteristische Funktion des Intervalls I I, definiert durch 1 (x) = 1, falls x ∈ I und 1 (x) = 0, falls x (cid:54)∈ I. I I Nun bemerken wir, dass (cid:90) b (cid:88)n (cid:90) b (cid:88)n (cid:90) xj (cid:88)n eikxj −eikxj−1 g(x)eikxdx = h 1 (x)eikx = h eikxdx = h j [xj−1;xj] j j ik a j=1 a j=1 xj−1 j=1 und damit (cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:90) bg(x)eikxdx(cid:12)(cid:12)(cid:12) ≤ 2 (cid:88)n |hj| → 0 (cid:12) (cid:12) |k| a j=1 fu¨r k → ∞ (oder k → −∞). Also existiert K > 0 gross genug, mit (cid:12)(cid:12)(cid:12)(cid:90) bg(x)eikxdx(cid:12)(cid:12)(cid:12) ≤ ε (cid:12) (cid:12) 2 a fu¨r alle k > K. Aus (1) bekommen wir (cid:12)(cid:90) b (cid:12) (cid:12)(cid:90) b (cid:12) (cid:12)(cid:90) b (cid:12) (cid:12)(cid:12) f(x)eikxdx(cid:12)(cid:12) ≤ (cid:12)(cid:12) (f(x)−g(x))eikxdx(cid:12)(cid:12)+(cid:12)(cid:12) g(x)eikxdx(cid:12)(cid:12) (cid:12) (cid:12) (cid:12) (cid:12) (cid:12) (cid:12) a a a (cid:90) b (cid:12)(cid:90) b (cid:12) ≤ |f(x)−g(x)|dx+(cid:12)(cid:12) g(x)eikxdx(cid:12)(cid:12) (cid:12) (cid:12) a a ≤ ε Satz 1.4. Sei f : R → C (2π)-periodisch und differenzierbar. Dann gilt lim (F f)(x) = f(x) N N→∞ fu¨r alle x ∈ [0;2π]. 4 Beweis: Es gilt (cid:88)N 1 (cid:90) 2π (cid:88)N FNf(x) = f(cid:98)(k)eikx = dtf(t) eik(x−t) 2π 0 k=−N k=−N Aus Lemma 1.1 gilt 1 (cid:90) 2π (cid:88)N f(x) = dtf(x) eik(x−t) 2π 0 k=−N Damit 1 (cid:90) 2π (cid:88)N F f(x)−f(x) = dt(f(t)−f(x)) e−ik(t−x) N 2π 0 k=−N 1 (cid:90) 2π−x (cid:88)N = ds(f(x+s)−f(x)) e−iks 2π −x k=−N 1 (cid:90) π (cid:88)N = ds(f(x+s)−f(x)) e−iks 2π −π k=−N wobei wir die Periodizit¨at von f und eiks im letzten Schritt benutzt haben. Wir berech- nen nun (cid:88)N e−iks = e−iNs(cid:0)1+eis+···+e2iNs(cid:1) = e−iNs eis(2N+1)−1 = sin(s(N +1/2)) eis−1 sins/2 k=−N Damit gilt 1 (cid:90) π f(x+s)−f(x) F f(x)−f(x) = ds sin((N +1/2)s) N 2π sins/2 −π Wir definieren (cid:40) f(x+s)−f(x) falls s (cid:54)= 0 g(s) := sin(s/2) 2f(cid:48)(x) falls s = 0 Da f differenzierbar ist, ist g stetig bei s = 0,weil f(x+s)−f(x) f(x+s)−f(x) s/2 lim = 2lim · = 2f(cid:48)(x) s→0 sin(s/2) s→0 s sin(s/2) f differenzierbar impliziert insbesondere, dass f stetig ist. Damit ist g auf [−π;π] stetig, und deswegen sicher integrierbar. Lemma 1.3 impliziert also, dass (cid:90) π 1 (cid:20)(cid:90) π (cid:90) π (cid:21) dsg(s) sin((N +1/2)s) = dsg(s)eis(N+1/2)− dsg(s)e−is(N+1/2) → 0 2i −π −π −π fu¨r N → ∞. Wir haben in Satz 1.4 die punktweise Konvergenz der Fourier-Reihe gegen f. Unter der Annahme, dass f differenzierbar ist, ist die Konvergenz eigentlich gleichm¨assig. Um das zu zeigen, werden wir die zwei folgenden Lemmata brauchen. 5 Lemma 1.5. Sei f ∈ C1(R;C) 2π-periodisch. Wie u¨blich bezeichnen wir mit f(cid:98)(j) die Fourier Koeffizienten von f. Weiter bezeichnen wir mit f(cid:98)(cid:48)(j) die Fourier Koeffizienten von f(cid:48). Es gilt f(cid:98)(cid:48)(j) = ijf(cid:98)(j) Proof. Durch partielle Integration bekommen wir 1 (cid:90) 2π f(2π)−f(0) ij (cid:90) 2π f(cid:98)(cid:48)(j) = f(cid:48)(x)e−ijxdx = + dxf(x)e−ijx = ijf(cid:98)(j) 2π 2π 2π 0 0 Lemma 1.6. Sei f : R → C 2π-periodisch. Dann gilt (cid:90) 2π (cid:90) 2π N (cid:88) |f(x)−FNf(x)|2dx = |f(x)|2dx−2π |f(cid:98)(k)|2 (2) 0 0 k=−N und (cid:90) 2π N (cid:90) 2π (cid:88) |FNf(x)|2 = 2π |f(cid:98)(k)|2 ≤ |f(x)|2 (3) 0 0 k=−N Beweis: Wir berechnen (cid:90) 2π (cid:90) 2π (cid:32) N (cid:33) N (cid:88) (cid:88) |f(x)−FNf(x)|2dx = dx f(x)− f(cid:98)(k)e−ikx f(x)− f(cid:98)(j)eijx 0 0 k=−N j=−N (cid:90) 2π N (cid:90) 2π (cid:88) = |f(x)|2dx+ f(cid:98)(j)f(cid:98)(k) dxeix(j−k) 0 0 j,k=−N N (cid:90) 2π N (cid:90) 2π (cid:88) (cid:88) − f(cid:98)(j) f(x)e−ijx− f(cid:98)(k) f(x)e−ikxdx 0 0 j=−N k=−N (cid:90) 2π N (cid:88) = |f(x)|2dx−2π |f(cid:98)(j)|2 0 j=−N Das zeigt (2). Analog finden wir (cid:90) 2π N (cid:90) 2π N (cid:88) (cid:88) |FNf(x)|2 = f(cid:98)(k)f(cid:98)(j) dxeix(j−k) = 2π |f(cid:98)(j)|2 0 0 j=−N j=−N Aus (2) folgt nun (3). Satz1.7. Seif ∈ C1(R;C)2π-periodisch.DannkonvergiertdieFunktionenfolgeF f → N f gleichm¨assig, fu¨r N → ∞. Beweis: Wir haben schon punktweise Konvergenz gezeigt, d.h. N ∞ (cid:88) (cid:88) f(x) = lim FNf(x) = lim f(cid:98)(j)eijx = f(cid:98)(j)eijx. N→∞ N→∞ j=−N j=−∞ 6 Es gilt (cid:88)N (cid:88)N 1 (cid:90) 2π |kf(cid:98)(k)|2 = |f(cid:98)(cid:48)(k)|2 ≤ |f(cid:48)(x)|2. 2π 0 k=−N k=−N Damit konvergiert die Summe (cid:80)∞ |k|2|f(cid:98)(k)|2 absolut. Wir erhalten k=−∞ (cid:12) (cid:12) ∞ (cid:12) (cid:88) (cid:16) (cid:17)(cid:12) |FNf(x)−f(x)| = (cid:12)(cid:12) f(cid:98)(k)eikx+f(cid:98)(−k)e−ikx (cid:12)(cid:12) (cid:12) (cid:12) k=N+1 ∞ (cid:88) (cid:16) (cid:17) ≤ |f(cid:98)(k)|+|f(cid:98)(−k)| k=N+1 ∞ ∞ (cid:88) (cid:16) (cid:17) (cid:88) 1 ≤ |k|2 |f(cid:98)(k)|2+|f(cid:98)(−k)|2 + → 0 |k|2 k=N+1 k=N+1 fu¨r N → ∞. Hier haben wir die Ungleichung 2|f(cid:98)(k)| ≤ |k|−2+|k|2|f(cid:98)(k)|2 benutzt. Was k¨onnen wir nun sagen u¨ber die Fourier-Reihe, falls die periodische Funktion f nicht differenzierbar ist? Im n¨achsten Satz zeigen wir, dass wir immer noch Konver- genz von F f gegen f haben, aber in einem schw¨acheren Sinn; wir erhalten n¨amlich N Konvergenz im Sinn von quadratischem Mittel. Satz 1.8. Sei f : R → C 2π periodisch und u¨ber [0;2π] integrierbar. Dann gilt (cid:90) 2π lim dx|f(x)−F f(x)|2 = 0 (4) N N→∞ 0 und die Parsevalsche Identit¨at (cid:88)N 1 (cid:90) 2π lim |f(cid:98)(k)|2 = |f(x)|2dx N→∞ 2π 0 k=−N Ist f differenzierbar, so folgt (4) aus der gleichm¨assigen Konvergenz F f → f. Im N Allgemeinen zeigen wir (4) indem wir zun¨achst f durch eine differenzierbare Funktion approximieren. Dazu benutzen wir das folgende Lemma. Lemma 1.9. Sei f : R → C 2π-periodisch und auf [0;2π] integrierbar. Sei ε > 0. Dann existiert g ∈ C1(R;C), 2π-periodisch, so dass (cid:90) 2π |f −g|2dx ≤ ε 0 Beweis: Sei K := sup |f(x)| < ∞. Wie im Beweis von Lemma 1.3, finden wir x∈[0;2π) zun¨achst eine Teilung 0 = x < x < ··· < x = 2π, und eine Treppenfunktion h(x) = 0 1 n (cid:80)n h 1 (x) mit |h | ≤ K fu¨r alle j = 1,...,n, so dass j=1 j [xj;xj−1) j (cid:90) 2π ε |f(x)−h(x)|dx ≤ . 8K 0 7 Dann gilt |f(x)−h(x)| ≤ |f(x)|+|h(x)| ≤ 2K und damit (cid:90) 2π (cid:90) 2π ε |f(x)−h(x)|2dx ≤ 2K |f(x)−h(x)|dx ≤ . 4 0 0 Nun approximieren wir fu¨r ein beliebiges j ∈ {1,...,n} die charakteristische Funk- tion 1 durch eine differenzierbare Funktion. Wir setzen δ = ε/4(cid:80)n h2. Ist [xj−1;xj) j=1 j |x −x | < δ dann setzen wir einfach θ (x) = 0. Sonst setzen wir j j−1 j 0 falls x ∈ [0;x ] j−1 sin2((x−xj−1)π/δ) falls x ∈ [xj−1;xj−1+δ/2] θ (x) = 1 falls x ∈ [x +δ/2;x −δ/2] j j−1 j sin2((x−xj)π/δ) falls x ∈ [xj −δ/2;xj] 0 falls x ∈ [x ,2π] j Wir setzen θ durch Periodizit¨at auf R fort. Nach einfacher Rechnungen ist θ ∈ C1(R), j j 2π-periodisch, mit (cid:90) 2π(cid:12) (cid:12)2 ε (cid:12)θ (x)−1 (x)(cid:12) ≤ δ = (cid:12) j [xj−1;xj) (cid:12) 4(cid:80)n h2 0 j=1 j Wir definieren nun g(x) = (cid:80)n h θ (x). Offenbar gilt g ∈ C1(R), 2π-periodisch. j=1 j j Weiter n (cid:88) (cid:16) (cid:17) h(x)−g(x) = h 1 (x)−θ (x) . j [xj−1;xj) j j=1 Da die verschiedenen Summanden auf disjukten Intervallen getragen werden, gilt auch n (cid:88) (cid:12) (cid:12)2 |h(x)−g(x)|2 = h2(cid:12)1 (x)−θ (x)(cid:12) j (cid:12) [xj−1;xj) j (cid:12) j=1 und damit (cid:90) 2π (cid:88)n (cid:90) 2π(cid:12) (cid:12)2 (cid:88)n ε |h(x)−g(x)|2dx = h2 (cid:12)1 (x)−θ (x)(cid:12) dx ≤ δ h2 ≤ j (cid:12) [xj−1;xj) j (cid:12) j 4 0 0 j=1 j=1 Das gibt (cid:90) 2π (cid:90) 2π (cid:90) 2π |f(x)−g(x)|2dx ≤ 2 |f(x)−h(x)|2dx+2 |h(x)−g(x)|2dx ≤ ε 0 0 0 Hier haben wir benutzt, dass |f(x)−g(x)| ≤ |f(x)−h(x)|+|h(x)−g(x)| und also, dass |f(x)−g(x)|2 ≤ (|f(x)−g(x)|+|g(x)−h(x)|)2 ≤ 2|f(x)−g(x)|2+2|g(x)−h(x)|2. 8 Beweis von Satz 1.8: Sei ε > 0 festgew¨ahlt. Dann finden wir g ∈ C1(R;C) mit (cid:90) ε |f(x)−g(x)|2dx < 9 Das impliziert auch, dass (cid:90) (cid:90) (cid:90) ε |F f(x)−F g(x)|2 = |F (f −g)(x)|2 ≤ |f(x)−g(x)|2 ≤ N N N 9 Weiter, da g differenzierbar ist, gilt F g → g gleichm¨assig. Aus Analysis 1 (Satz 9.13) N folgt, dass (cid:90) |F g(x)−g(x)|2dx → 0 N fu¨r N → ∞. Fu¨r N gross genug ist also (cid:90) ε |F g(x)−g(x)|2dx ≤ N 9 Insgesamt, (cid:90) |F f(x)−f(x)|2dx N (cid:90) ≤ (|f(x)−g(x)|+|g(x)−F g(x)|+|F g(x)−F f(x)|)2dx N N N (cid:90) (cid:90) (cid:90) ≤ 3 |f(x)−g(x)|2dx+3 |g(x)−F g(x)|2dx+3 |F g(x)−F f(x)|2dx N N N ≤ ε falls N gross genug ist. Bemerkungen: • 2π-periodische Funktionen k¨onnen als Funktionen auf dem Einheitskreis S1 = {eiϕ : ϕ ∈ R} gedacht werden. • Ganz ¨ahnlich kann man auch periodische Funktionen mit einer beliebigen Periode L > 0 betrachten (solche Funktionen werden mit Funktionen auf dem Kreis von Radius L/2π identifiziert werden). In diesem Fall wird die Fourier-Reihe durch die Funktionen {e2πijx/L}j∈Z definiert. • Sei V := {f : R → C : f 2π-periodisch und auf [0;2π] stetig} Es ist einfach zu sehen, dass V ein unendlich dimensionaler Vektorraum ist. Fu¨r f,g ∈ V definieren wir das Skalarprodukt (cid:90) 2π (cid:104)f,g(cid:105) = f(x)g(x) 0 9 Die Funktionen {eijx}j∈Z sind wegen Lemma 1.1 ein Orthonormalsystem auf V bezu¨glich dem Skalarprodukt (cid:104).,.(cid:105). Satz 1.8 besagt dann, dass {eijx}j∈Z eine Or- thonormalbasis von V ist, d.h., dass jedes Element von V beliebig gut durch end- liche lineare Kombinationen von den orthonormal Funktionen {eijx}j∈Z approxi- miert werden kann. Die Fourier-Reihe f(x) = (cid:80)∞ f(cid:98)(j)eijx gibt dann einfach j=−∞ die Darstellung von f als Grenzwert von endlichen linearen Kombinationen der Basis-Funktionen. Die Fourierkoeffizienten werden deswegen durch die Produkte f(cid:98)(j) = (cid:104)eijx,f(cid:105) gegeben. Bemerke, dass V bezu¨glich der vom Skalarprodukt in- duzierten Metrik nicht vollst¨andig ist. Um dieses Problem zu l¨osen, kann man die Vervolls¨andigung V(cid:101) von V betrachten (jeder Skalarproduktraum kann ver- vollst¨andigtwerden).V(cid:101) isteinVektorraum,miteinemSkalarprodukt[.,.]so,dass: 1)V(cid:101) vollst¨andig,bezu¨glichdervon[.;.]induziertenMetrikist,2)V kannmiteinem dichten Unterraum von V(cid:101) identifiziert werden, 3) Fu¨r f,g ∈ V gilt [f;g] = (cid:104)f;g(cid:105). V(cid:101) ist ein sogenannter Hilbertraum (ein Skalarproduktraum, der vollst¨andig ist, bezu¨glich der aus dem Skalarprodukt induzierten Metrik); es wird mit L2([0;2π]) bezeichnet. Mehr zu diesem Thema in der Vorlesung Funktionalanalysis. • Ein Grund, warum Fourier-Reihen sehr nu¨tzlich sind, ist die Tatsache, dass Ab- leitungen auf Fourierkoeffizienten sehr einfach wirken. Aus Lemma 1.5 folgt, dass die Fourierkoeffizienten von f(m)(x) einfach durch (ij)mfˆ(j) gegeben sind. Diffe- rentialoperatoren sind, in diesem Sinn, diagonal im Fourierraum (wo die Funktion f durch ihre Fourierkoeffizienten {fˆ(j)}j∈Z parametrisiert wird). 2 Gew¨ohnliche Differentialgleichungen Differentialgleichungen sind Gleichungen, bei denen die Unbekannten Funktionen sind. Die Differentialgleichung definiert eine Beziehung zwischen den gesuchten Funktionen undihrenAbleitungen.Gew¨ohnlicheDifferentialgleichugen(aufEnglisch“ordinarydiffe- rential equations” oder einfach ODEs) sind Differentialgleichungen, wo die unbekannten Funktionen einer einzelnen reellen Variablen sind. Bei partiellen Differentialgleichungen sind dagegen die unbekannten Funktionen von mehreren Variablen. Hier werden wir nur gew¨ohnlicheDifferentialgleichungenbetrachten(partielleDifferentialgleichungenwerden erst im vierten Semester untersucht). Differentialgleichungen haben sehr viele Anwendungen. Die ganze Physik wird z.B. durch Differentialgleichungen formuliert: Die Newtonsche Gleichung der klassischen Me- chanik, die Maxwell Gleichungen der Elektrodynamik, die Schr¨odingergleichung der Quantenmechanik, die Einsteingleichung der allgemeinen Relativit¨atstheorie sind al- le Beispiele von Differentialgleichungen. Dabei ist nur die Newtonsche Gleichung ei- ne gew¨ohnliche Differentialgleichung, die anderen sind partielle Differentialgleichungen. Die Newtonsche Gleichung beschreibt die Bewegung von Teilchen und K¨orpern unter der Wirkung von Kr¨aften. Seien x(t) = (x (t),x (t),x (t)) ∈ R3 die Koordinaten eines 1 2 3 Teilchens mit Masse m zur Zeit t. Sei F(x) = (F (x),F (x),F (x)) ein Kraftfeld. D.h. 1 2 3 F(x) ist die Kraft, die im Punkt x auf das Teilchen wirkt. Dann besagt die Newtonsche Gleichung, dass die Beschleunigung des Teilchens, die aus der zweiten Ableitung x(cid:48)(cid:48)(t) gegeben ist, proportional zur wirkenden Kraft ist. Genauer, mx(cid:48)(cid:48)(t) = F(x(t)) (5) 10
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