Florian P. Kühn Sicherheit und Entwicklung in der Weltgesellschaft Politik und Gesellschaft des Nahen Ostens Die Herausgeber: Dr. Martin Beck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA Institut für Nahost-Studien und Privatdozent am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg Dr. Cilja Harders ist Professorin für Politikwissenschaft und Leiterin der „Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients“ am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin Dr. Annette Jünemann ist Professorin für Politikwissenschaft am Institut für Internationale Politik der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg Dr. Stephan Stetter ist Professor für Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr München Die Reihe „Politik und Gesellschaft des Nahen Ostens“ beschäftigt sich mit aktuellen Entwicklungen und Umbrüchen im Nahen Osten –einer Region, die von hoher globaler Bedeutung ist und deren Dynamiken insbesondere auch auf Europa ausstrahlen. Konflikt und Kooperation etwa im Rahmen der euro-mediterranen Partnerschaft, der Nahost- konflikt, energiepolitische Fragen, Umweltprobleme, Migration, Islam und Islamismus sowie Autoritarismus sind wichtige Stichworte. Der Schwerpunkt liegt auf politikwissenschaft- lichen Werken, die die gesamte theoretische Breite des Faches abdecken, berücksichtigt werden aber auch Beiträge aus anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die relevante politische Zusammenhänge behandeln. Florian P. Kühn Sicherheit und Entwicklung in der Weltgesellschaft Liberales Paradigma und Statebuilding in Afghanistan Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg sowie des Vereins der Freunde und Förderer der Helmut-Schmidt-Universität. Lektorat: Karina Schmidt Zugl.: Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, Diss., 2009 . 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Frank Schindler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesond ere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17254-5 Inhalt Vorwort 9(cid:3) 1(cid:3) Dank 11(cid:3) 2(cid:3) Einleitung 13(cid:3) 2.1(cid:3) Prolog 13(cid:3) 2.2(cid:3) Afghanistans Aufbau auf dem Prüfstand 15(cid:3) 2.3(cid:3) Aufbau und Fragestellung der Arbeit 17(cid:3) 2.3.1(cid:3) Die Kapitel zu Sicherheit und Entwicklung 18(cid:3) 2.3.2(cid:3) Das Konzept der Synthese von Sicherheits- und Entwicklungspolitik 21(cid:3) 2.3.3(cid:3) Fallstudie Afghanistan 28(cid:3) 2.4(cid:3) Erkenntnisinteresse und Wissenschaftsverständnis 34(cid:3) 2.5(cid:3) Stand der Literatur zu Afghanistan 38(cid:3) 3(cid:3) Sicherheitspolitik 42(cid:3) 3.1(cid:3) Der Sicherheitsbegriff 44(cid:3) 3.1.1(cid:3) Kritik der Internationalen Beziehungen 46(cid:3) 3.1.1.1(cid:3) Realistische Ansätze 47(cid:3) 3.1.1.2(cid:3) Liberale und institutionalistische Ansätze 49(cid:3) 3.1.2(cid:3) Verhältnis von Sicherheit und Frieden 52(cid:3) 3.1.3(cid:3) Bezugspunkte von Sicherheit und die Internationalen Beziehungen 55(cid:3) 3.1.3.1(cid:3) Die Erhaltung des Staates und des Systems 55(cid:3) 3.1.3.2(cid:3) Werte und ihre Referenzen 58(cid:3) 3.1.3.3(cid:3) Historizität und Geltung 59(cid:3) 3.1.3.4(cid:3) Politökonomischer Primas: Der Staat und die Gewalt 61(cid:3) 3.1.3.5(cid:3) Ausweitung der Sicherheit 63(cid:3) 3.2(cid:3) Ebenen von Sicherheitspolitik 64(cid:3) 3.2.1(cid:3) Sicherheit und das internationale System 65(cid:3) 3.2.1.1(cid:3) Strukturanalytische Diagnose: Anarchie 68(cid:3) 3.2.1.2(cid:3) Die Sicherheitsgemeinschaft 72(cid:3) 3.2.1.3(cid:3) Die Gesellschaftlichkeit der Sicherheit 76(cid:3) 3.2.1.4(cid:3) Normen, Werte, Ideen – und die Sicherheit im Staat 79(cid:3) 3.2.2(cid:3) Sicherheit als Aufgabe des Staates 80(cid:3) 6 Inhalt 3.2.2.1(cid:3) Die Begründung des Staates als Sicherheitsakteur nach innen 81(cid:3) 3.2.2.2(cid:3) Innere und äußere Sicherheit 90(cid:3) 3.2.3(cid:3) Die personale Ebene 102(cid:3) 3.2.3.1(cid:3) Personen im Staat 102(cid:3) 3.2.3.2(cid:3) Individuelle Sicherheit als internationale Aufgabe 104(cid:3) 3.2.3.3(cid:3) Konsequenzen für die personale Ebene von Sicherheit 108(cid:3) 3.3(cid:3) Zusammenfassung 109(cid:3) 4(cid:3) Entwicklungspolitik 112(cid:3) 4.1(cid:3) ‚Development as Freedom‘? 112(cid:3) 4.1.1(cid:3) Entwicklung als wissenschaftliches Projekt 112(cid:3) 4.1.1.1(cid:3) Die Entfaltung des Individuums 113(cid:3) 4.1.1.2(cid:3) Wissenschaft als Maßstab für intendierte Entwicklung 115(cid:3) 4.1.1.3(cid:3) Gesellschaftlichkeit und Entwicklung: historisch- materialistische Teleologie 116(cid:3) 4.1.1.4(cid:3) Wissenschaftsglaube und Entwicklungsprognostik 119(cid:3) 4.1.2(cid:3) Liberaler Fundamentalismus 120(cid:3) 4.1.3(cid:3) Wachstum als Indikator für Entwicklung 124(cid:3) 4.1.3.1(cid:3) „Stages of Growth“ – Rostows Entwicklungsentwurf 124(cid:3) 4.1.3.2(cid:3) Wachstum und Dependenz 127(cid:3) 4.1.4(cid:3) Staatlichkeit und Entwicklung 130(cid:3) 4.1.4.1(cid:3) Immanente und exogene Modernisierung 130(cid:3) 4.1.4.2(cid:3) Märkte als Ausdruck der Freiheit 131(cid:3) 4.1.4.3(cid:3) Pazifizierte Ausgleichsmechanismen freier Individuen? 133(cid:3) 4.1.4.4(cid:3) Konstruktion von Normen und Werten 134(cid:3) 4.1.5(cid:3) Zusammenfassung: Reduktion existenzieller Risiken 136(cid:3) 4.2(cid:3) Ebenen von Entwicklung 137(cid:3) 4.2.1(cid:3) Internationale Entwicklung 140(cid:3) 4.2.1.1(cid:3) Wirtschaftsboom nach 1945 als beschleunigender Faktor der ‚westlichen Entwicklung‘ 140(cid:3) 4.2.1.2(cid:3) Der Kalte Krieg und politisch motivierte Hilfe zur Entwicklung 142(cid:3) 4.2.1.3(cid:3) Dekolonisierung 144(cid:3) 4.2.1.4(cid:3) Wirtschaftliche Integration 146(cid:3) 4.2.1.5(cid:3) Diachrone Betrachtung von Entwicklung 149(cid:3) 4.2.1.6(cid:3) Politisches Imperium? 152(cid:3) Inhalt 7 4.2.1.7(cid:3) Dynamische Entwicklung im Weltmaßstab 153(cid:3) 4.2.2(cid:3) Staatliche Entwicklung 161(cid:3) 4.2.2.1(cid:3) Ideal und Praktiken des Staates und gesellschaftlicher Akteure 161(cid:3) 4.2.2.2(cid:3) Die Position des Staates in der internationalen politischen Ökonomie 163(cid:3) 4.2.3(cid:3) Personale Entwicklung 171(cid:3) 4.2.3.1(cid:3) Entwicklung und Nothilfe 171(cid:3) 4.2.3.2(cid:3) Nachhaltige Entwicklung und ‚needs-based aid‘ 174(cid:3) 4.2.3.3(cid:3) Freiheit zur Entwicklung 176(cid:3) 4.2.3.4(cid:3) Reduktion existenzieller Risiken 178(cid:3) 4.3(cid:3) ‚Mehrebenen‘-Politik und Risikoreduktion 181(cid:3) 5(cid:3) Liberales Paradigma und Statebuilding: Sicherheits- und entwicklungspolitische Synthese 187(cid:3) 5.1(cid:3) Weltgesellschaft und liberale Ansätze 188(cid:3) 5.2(cid:3) Externe Eingriffe und Souveränität 194(cid:3) 5.2.1(cid:3) Das Subjekt: Die Sicherheitsgemeinschaft 198(cid:3) 5.2.2(cid:3) Das Objekt: Fragile Staaten 205(cid:3) 5.2.3(cid:3) (Un-)Gleichheit in der liberalen Weltsicht 210(cid:3) 5.2.4(cid:3) Entwicklung als Modernisierung in der Weltgesellschaft 212(cid:3) 5.3(cid:3) Securitization und Developmentalization 216(cid:3) 5.4(cid:3) Gewaltmonopolisierung als Ausdruck der Staatlichkeitsdoktrin 228(cid:3) 5.4.1(cid:3) Gewaltmonopolisierung durch nichtstaatliche Akteure 230(cid:3) 5.4.2(cid:3) Das Sicherheitsdilemma auf den Ebenen von Staat und Gesellschaft 233(cid:3) 5.4.3(cid:3) Gewalt als Wirtschaftsfaktor 237(cid:3) 5.5(cid:3) Rentierstaatlichkeit und Staatsfinanzierung 241(cid:3) 5.5.1(cid:3) Die ökonomische Rente 243(cid:3) 5.5.2(cid:3) Die politische Rente 244(cid:3) 5.5.3(cid:3) Die Rente als Problem der internationalen Politik 245(cid:3) 5.5.4(cid:3) Die Rente als Hindernis kapitalistischer Vergesellschaftung 246(cid:3) 5.5.4.1(cid:3) Rent-seeking 247(cid:3) 5.5.4.2(cid:3) ‚Dutch disease‘ 250(cid:3) 5.5.4.3(cid:3) Nachhaltige Abhängigkeitsstrukturen 252(cid:3) 5.6(cid:3) Staatsaufbau als Risikofaktor 254(cid:3) 5.7(cid:3) Staatsaufbau in staatsferner Gegend: Widersprüche liberaler Weltpolitik 257(cid:3) 8 Inhalt 5.7.1(cid:3) Alle Menschen sind gleich, manche jedoch nicht 258(cid:3) 5.7.2(cid:3) Alle Staaten sollen sich ihre Regierungsform selbst geben, solange es Demokratie ist 260(cid:3) 5.7.3(cid:3) Demokratie bringt allen etwas, nur keinen Wohlstand 261(cid:3) 5.7.4(cid:3) Gewalt kann nur der Staat eindämmen oder externes Militär 262(cid:3) 6(cid:3) Afghanistan als sicherheitspolitischer Prüfstein 264(cid:3) 6.1(cid:3) Weltgesellschaft und liberaler Staatsaufbau 280(cid:3) 6.2(cid:3) Externe Eingriffe und Souveränität 289(cid:3) 6.3(cid:3) Securitization und Developmentalization 303(cid:3) 6.4(cid:3) Gewaltmonopolisierung als Ausdruck der Staatlichkeitsdoktrin 309(cid:3) 6.5(cid:3) Rentierstaatlichkeit und Staatsfinanzierung 314(cid:3) 6.6(cid:3) Staatsaufbau als Risikofaktor 330(cid:3) 6.7(cid:3) Staatsaufbau in staatsferner Gegend 333(cid:3) 6.7.1(cid:3) Alle Menschen sind gleich, manche jedoch nicht 335(cid:3) 6.7.2(cid:3) Alle Staaten sollen sich ihre Regierungsform selbst geben, solange es Demokratie ist 337(cid:3) 6.7.3(cid:3) Demokratie bringt allen etwas, nur keinen Wohlstand 339(cid:3) 6.7.4(cid:3) Gewalt kann nur der Staat eindämmen oder externes Militär 340(cid:3) 7(cid:3) Schluss 342(cid:3) 8(cid:3) Literatur 351(cid:3) Vorwort Die gegenwärtige Berichterstattung über das Afghanistanengagement der westli- chen Staatengemeinschaft ist von Ratlosigkeit geprägt. Ein Sieg über das interna- tional operierende Terrornetzwerk al Qaida ist ebenso wenig in Sicht wie eine vollständige Marginalisierung der Taliban. Auch die Bemühungen um den Auf- bau eines demokratischen Staates zeitigen keine nachhaltigen Erfolge. Ganz im Gegenteil ist die Situation in Afghanistan von wachsender Instabilität und zu- nehmender Gewalt, auch und vor allem gegen die internationalen Einsatzkräfte, geprägt. Somit hat die Afghanistan-Mission bislang weder einen nennenswerten Zuwachs an Sicherheit gebracht noch an Entwicklung. In der öffentlichen und veröffentlichten Meinung der westlichen Entsendestaaten, aber auch im wissen- schaftlichen Diskurs mehrt sich folglich die Kritik an diesem Einsatz. Die Reak- tionen auf die scheinbar ausweglose Situation changieren zwischen der Forde- rung nach Truppenabzug auf der einen und der Forderung nach einer Aufsto- ckung des Engagements auf der anderen Seite. Beide Lösungsansätze greifen jedoch zu kurz, weil sie die Antwort schuldig bleiben, was sie zur Lösung der Probleme vor Ort mitsamt ihren sicherheitspolitischen Implikationen für die westliche Staatengemeinschaft beitragen wollen. Geht es überhaupt um ein Mehr oder ein Weniger des bisherigen Engagements? Wo liegt der Kern der Problema- tik? Diese Frage liegt dem vorliegenden Buch von Florian Kühn zugrunde. Das Erkenntnisinteresse geht jedoch über den ‚Fall Afghanistan‘ hinaus. Es ist grund- sätzlicher Natur und zielt auf die strukturellen Gründe für die Defizite westlicher Interventionspolitik. Ausgehend von der These, dass die konzeptionellen Schwä- chen westlicher Interventionspolitik im Kern liberalen Denkens lägen, unterzieht Florian Kühn deren gedanklichen und theoretischen Grundlagen einer umfassen- den Durchsicht. Seine These mutet radikal an, weil sie den normativen Konsens über die (Höher-)Wertigkeit des liberalen Weltbildes auf den Prüfstand stellt. Diese Radikalität folgt jedoch keinem antiaufklärerischen Reflex, sondern er- weist sich als Voraussetzung, um aus den gängigen Denkschemata ausbrechen und die inneren Widersprüche liberaler Weltpolitik aufdecken zu können. Genau darin liegt der Mehrwert des Buches. Es zeigt dem öffentlichen, dem wissen- schaftlichen und dem politischen Diskurs über die westliche Interventionspolitik im Allgemeinen und in Afghanistan im Besonderen neue Perspektiven auf. Das Buch ist die Manifestation eines kritischen Wissenschaftsverständnis- ses, das den theoriegeleiteten Erkenntnisgewinn der praktischen Problemlösung 10 Vorwort überordnet. Indem es darlegt, dass die Wurzeln des Problems in der Hybris libe- raler Weltpolitik liegen, verweist es gleichwohl – und geradezu als Nebenpro- dukt – auf notwendige Schritte zum Politikwandel; in Afghanistan und überall dort, wo liberaler Überschwang zu Verwerfungen führt, die liberalen Werten diametral entgegenstehen. Durch die gelungene Zusammenführung von theoretischer Fundierung und empirischer Forschung vor Ort passt dieses Buch nach Ansicht der Herausgebe- rInnen hervorragend in die neue Reihe „Politik und Gesellschaft des Nahen Os- tens“. Denn alle in dieser Reihe erscheinenden Publikationen haben gemeinsam, dass sie die Regionalforschung mit Theorien der Politikwissenschaft, der Inter- nationalen Beziehungen oder anderer sozialwissenschaftlicher Disziplinen ver- knüpfen. Mit diesem Konzept sollen sowohl theoriegeleitete Analysen politi- scher Prozesse und Phänomene der Region angeregt werden als auch weiterfüh- rende Beiträge zu den aktuellen Theoriedebatten. Das vorliegende Buch wird beiden Ansprüchen gerecht. Annette Jünemann