Orbis Biblicus et Orientalis 249 Walter Dietrich (Hg.) Seitenblicke Literarische und historische Studien zu Nebenfiguren im zweiten Samuelbuch Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung Gesamtkatalog auf Internet: Academic Press Fribourg: www.paulusedition.ch Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen: www.v-r.de Text und Abbildungen wurden vom Herausgeber als formatierte PDF-Daten zur Verfügung gestellt. © 2011 by Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Herstellung: Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN: 978-3-7278-1697-0 (Academic Press Fribourg) ISBN: 978-3-525-543XX-X (Vandenhoeck & Ruprecht) ISSN: 1015-1850 (Orb. biblicus orient.) Inhalt Vorwort des Herausgebers ...................................... 9 Zur Exegese des zweiten Samuelbuchs Rost Revisited: The Stylistic and Formal Features of the Succession Narrative ................................................. 12 Shimon Bar-Efrat, Jerusalem z”l Der Mord an Abner und Amasa. Literarische Dimensionen textlicher Abweichungen zwischen dem Massoretischen Text und der Septuaginta in der David-Geschichte? ....................... 24 Philippe Hugo, Fribourg / Göttingen King, Spear and Arrow in the Saul-David Narratives ............. 53 Frank H. Polak, Tel Aviv Personengruppen aus dem zweiten Samuelbuch Nähe zu David, Nähe zu Jahwe. Fremdstämmige in den David e r - zählungen ................................................ 71 Jürg Hutzli, Paris Davids Fünfte Kolonne beim Abschalom-Aufstand ............... 91 Walter Dietrich, Bern All the King’s Men: The Families of the Priests in Cross-Cultural Perspective .............................................. 121 Jeremy Hutton, Madison WI Die Hüter der Lade .......................................... 152 Yvonne Szedlàk-Michel, Bern Die Auslieferung der Sauliden und Rizpas Wache (2Sam 21,1–14) .......................... ............. 168 Georg Hentschel, Erfurt Davids Gefolgsleute (2Sam 23) ............................... 188 Protokoll einer gemeinsamen Exegese (Yvonne Szedlàk) 6 Inhalt Einzelfiguren des zweiten Samuelbuchs Michal im Fenster der Redaktion (2Sam 6,14.16.20-23) ......... 194 Alexander A. Fischer, Jena Nathan .................................................... 209 Wolfgang Oswald, Tübingen Batscheba – eine starke Frau ................................. 219 Thilo A. Rudnig, Göttingen “David Comforted Bathsheba” (2Sam 12:24). Gender and Parental Bereavement ............................................ 238 David Bosworth, Washington D.C. Batscheba und der Name ihres Sohnes Salomo ................. 256 Pekka Särkiö, Helsinki Amnon und Tamar .......................................... 263 Protokoll einer gemeinsamen Exegese (Sara Kipfer) – Schimi, der „Steine-Werfer“ eine unkonventionelle Nebenrolle in 2Sam 16,5–14; 2Sam 19,17–24; 1Kön 2,8f. und 1Kön 2,36–46 ........................................... 271 Sara Kipfer, Bern The Sons of Zeruiah ......................................... 293 Steven L. McKenzie, Memphis TN Abschalom – Aspekte seines literarischen Porträts .............. 314 Thomas Naumann, Siegen Ahitofel und die Ambivalenz des Ratschlags ................... 331 Ilse Müllner, Kassel Kimham – Barsillais Protégé ................................. 354 Ina Willi-Plein, Hamburg Scheba ben Belial (2Sam 20). Über nichtsnutzige Widerspenstigkeit und zielgerichtete Klugheit ............................... 374 Johannes Klein, Fogarasch / Bern Inhalt 7 Die weise Frau auf der Stadtmauer von Abel-bet-Maacha (2Sam 20,14–22) ............. .......................... 394 Silvia Schroer, Bern Der Prophet Gad und Davids dreifache Wahl ................... 412 Anneli Aejmelaeus, Helsinki Von den Samuelbüchern zum Psalmenbuch Freedom to Roam in a Wide Open Space: Psalm 31 Read in Conjunction with the History of David in the Books of Samuel and the Psalms .............................................. 424 Phil J. Botha, Pretoria Anhänge Abkürzungen ............................................... 443 Register – der Bibelstellen ........................................... 444 – von Namen, Orten und Sachen .............................. 450 Vorstellung der Autorinnen und Autoren ....................... 455 Dem Andenken Shimon Bar-Efrats, des feinsinnigen Erforschers biblischer Erzählkunst und Auslegers der Samuelbücher Vorwort Dieses Buch hat eine längere Vorgeschichte. Im Jahr 2003 trafen sich rund zwanzig in der Erforschung der Samuelbücher Ausgewiesene aus verschie- denen Ländern Europas und aus Übersee in Bern zu einem Symposium über die Exegese des ersten Samuelbuchs. Der Ertrag wurde der wissenschaftli- chen Öffentlichkeit in dem Sammelband „David und Saul im Widerstreit – Dia chronie und Synchronie im Wettstreit. Beiträge zur Auslegung des ersten Samuelbuchs“ (Fribourg/Göttingen 2004, OBO 206) zugänglich gemacht. Ein fast noch schönerer Ertrag war es, dass Teilnehmer der Tagung sich ent- schlossen, Folgekonferenzen zu organisieren. So trafen sich viele der in Bern Versammelten (und einige Weitere) im Jahr 2006 bei einer Fachtagung in Nijmegen und im Rahmen des „SBL International Seminar“ in Edinburgh; diese beiden Konferenzen fanden ihren Niederschlag in dem von Erik Eynikel und A. Graeme Auld herausgegebenen Sammelband „For and Against David. Story and History in the Book of Samuel” (Leuven 2010, BETL 232). Im Jahr 2007 organisierte Christa Schäfer-Lichtenberger im Rahmen des IOSOT-Kon- gresses in Ljubljana ein Panel, dessen Beiträge sie in dem Band „Die Samuel- bücher und die Deuteronomisten“ veröffentlichte (Stuttgart 2010, BWANT 188). Im Verlauf dieser Konferenzen bildete sich ein informeller, personell leicht fluktuierender Kreis von Samuelforschenden heraus: international und interkonfessionell, nach Lebensalter wie nach Forschungsansätzen bunt ge- mischt, über alle Unterschiede hinweg aber jederzeit gesprächswillig und -fähig. Ein solches, in seiner Art seltenes und kostbares Netzwerk verdiente es, alsbald wieder neu aktiviert zu werden. Das geschah an einem zweiten Berner Symposium im September 2009, für das die thematische Vorgabe lau- tete: „Nebenfiguren des zweiten Samuelbuchs“, d.h. es konnten alle Charak- tere in den Blick kommen ausser David und Gott (auch wenn diese beiden, mehr oder minder heimlich, ständig präsent waren). In drei dichtgedrängten Tagen wurden achtzehn Referate präsentiert und diskutiert und überdies zwei exegetische Workshops zu konkreten Textabschnitten abgehalten. Der vor- liegende Band dokumentiert diese Verhandlungen. Doch er bietet darüber hinausgehende Überschüsse. Weil damals nicht alle in Betracht Kommenden nach Bern eingeladen werden bzw. nicht dort anwesend sein konnten, reifte der Gedanke, einen Teil der Berner Tagung gewissermassen „auszulagern“: in ein Panel beim IOSOT-Kongress Anfang August 2010 in Helsinki, wozu freundlicherweise die Kongresspräsidentin, Frau Professor Raija Sollamo, Hand bot. Ausserdem fanden zwei thematisch einschlägige Vorträge, die in Helsinki abseits des Samuel-Panels gehalten wurden, ihren Weg in diesen 10 Vorwort Band. So erscheint das Autorentableau diesmal als besonders vielfältig und reichhaltig. An dieser Stelle ist mit Kummer zu vermelden, dass Shimon Bar- Efrat, Senior und von allen geschätztes Mitglied jenes informellen Samuel- Kreises, im August 2010 in Jerusalem verstorben ist. Seinem Andenken, das wir alle in Ehren halten werden, ist dieses Buch gewidmet. Nicht von ungefähr ist Shimon Bar-Efrats Beitrag der erste der hier präsen- tierten „Seitenblicke“ aufs zweite Samuelbuch. Er befasst sich mit einer wich- tigen Gestalt nicht dieses Buches, sondern der Geschichte seiner Erforschung: Leonhard Rosts These einer aus dem 10. Jahrhundert stammenden Thronfol- gegeschichte Davids, die so eminent einflussreich war, inzwischen aber stark angezweifelt wird, stand nach der Analyse des ausgewiesenen Erzählforschers Bar-Efrat von vornherein auf höchst unsicheren Füssen. Im Anschluss daran beschäftigen sich zwei Arbeiten mit übergreifenden Motiven: Philippe Hugo, vorwiegend unter textkritischen Gesichtspunkten, mit dem der Ermordung von Heerführern und Frank Polak mit dem von „Spiess“ und „Speer“ in den Händen verschiedener Protagonisten. Danach folgt eine Reihe von Aufsätzen zu grösseren Personengruppen im zweiten Samuelbuch: den „Fremdstämmigen“, d.h. Nichtisraeliten bzw. Nichti- judäern (Jürg Hutzli), der „Fünften Kolonne“ Davids beim Abschalom-Auf- stand in synchroner und diachroner Perspektive (Walter Dietrich), den Prie- sterfamilien Abjatars und Zadoks unter transkulturellem Blickwinkel (Jeremy Hutton), den priesterlichen „Hütern der Lade“ (Yvonne Szedlàk- Michel), den mit Billigung Davids hingerichteten Sauliden von 2Sam 21 (Georg Hentschel) und den in 2Sam 23 aufgelisteten „Gefolgsleuten Davids“ (in Gestalt eines Protokolls über einen exegetischen Workshop). Im nächsten, umfassendsten Teil des Bandes werden einzelne „Nebenfigu- ren“ des zweiten Samuelbuchs vor Augen gestellt, und zwar in kanonischer Reihenfolge: die Prinzessin und Königin Michal (Alexander A. Fischer), der Prophet Natan (Wolfgang Oswald, der hier eine gleichsam autorisierte, englischsprachige Kurzfassung seiner Dissertation „Nathan, der Prophet“ [AThANT 96] präsentiert), die unter obskuren an die Seite Davids gelangte spätere Königinmutter Batscheba (mit drei interessant variierenden Beiträ-n gen von Thilo A. Rudnig, David Bosworth und Pekka Särkiö), der Kronprinz Amnon und seine von ihm vergewaltigte Halbschwester Tamar (hier wieder das Protokoll einer gemeinsamen Exegese), der Saulide und „Steine-Werfer“ Schimi (Sara Kipfer), die „Söhne der Zeruja“, drei Neffen Davids in ho- hen militärischen Rängen (Steven L. McKenzie), Davids rebellischer Sohn Abschalom (Thomas Naumann), der hoch geachtete und doch gescheiterte königliche Ratgeber Ahitofel (Ilse Müllner), der von Davids Mentor Barsillai protegierte und in der Erzählung auffallend blass bleibende Kimham (Ina Willi-Plein), der aufständische Benjamit Scheba ben Bichri (Johannes Klein) und die „weise Frau“ von Abel-bet-Maacha, die Scheba förmlich um seinen Kopf brachte (Silvia Schroer), schliesslich der Prophet Gad, der David bei der Beendigung einer Pest und bei der Findung eines Tempelplatzes half (Anneli Aejmelaeus, wieder unter vorwiegend textgeschichtlichem Gesichtspunkt). Vorwort 11 Zum Abschluss wirft Phil Botha vom 31. Psalm her einen „Seitenblick“ auf die Samuelbücher, die frommen Kreisen der nachexilischen Zeit Leit linien für die Gestaltung des eigenen Glaubens und Lebens boten. Ein Buch wie das vorliegende ist dezidiert ein Gemeinschaftswerk. In erster Linie ist hier den Autorinnen und Autoren zu danken, die aus je ihrer Sicht einzelne Facetten des zweiten Samuelbuchs zum Aufleuchten gebracht haben. Sie haben sich nach Bern und/oder nach Helsinki bemüht, haben dort einen Forschungsbeitrag zur Diskussion gestellt und diesen dann für den Druck be- arbeitet und ergänzt, teilweise auch erheblich verändert oder umgeschrieben. Nach ihnen traten dann andere in Aktion. Die Manuskripte wurden von Sara Kipfer kontrolliert und vereinheitlicht und von Yvonne Szedlàk-Michel in das endgültige Layout gebracht. Letztere hat zudem englischsprachige Abstracts ins Deutsche übersetzt, David Bosworth und Steven McKenzie deutsche Zu- sammenfassungen ins Englische. Von Petr Jan Vinš stammen die nach Vor- gabe der Autorinnen und Autoren gefertigten Register. Allen Genannten sei mein herzlicher Dank ausgesprochen. Zu danken ist ferner dem Berner Beer-Brawand Fonds und dem Schwei- zerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung für die Ausrichtung der Berner Tagung 2009, Letzterem auch für den zur Druck- legung benötigten, namhaften Druckkostenzuschuss. Dank gebührt schliess- lich Prof. Christoph Uehlinger und den beiden Fachherausgebern von „Orbis Biblicus et Orientalis“, Prof. Thomas Römer und Prof. Bernd Schipper, für die Aufnahme des Bandes in diese Reihe. Mögen die hier präsentierten „Seitenblicke“ auf das zweite Samuelbuch nicht nur der Samuel-Forschung, sondern darüber hinaus der exegetischen und historischen, der literaturwissenschaftlichen und der theologischen For- schung von Nutzen sein. Bern, im Frühjahr 2011 Walter Dietrich Rost Revisited The Stylistic and Formal Features of the Succession Narrative Shimon Bar-Efrat, Jerusalem z”l In 1926 Leonhard Rost published his study concerning the tradition of the succession to the throne of David,1 in which he claimed that there exists an independent composition (a “source”) which deals with the question of the succession to David’s throne and which roughly comprises the chapters 9 to 20 of 2 Samuel and the chapters 1 and 2 of 1 Kings. Rost summed up the conclusions of his investigation as follows: “The above examination will have shown that the Succession Narrative is a self-contained composition, which is proved to be unified by its stylistic and formal singularities, and to be self- contained by the structure of the whole”.2 Rost’s principal conclusions have met with much approval, but also with criticism from biblical scholars.3 However, “the core of Rost’s hypothesis, namely, the notion of a large, continuous, self-contained, and distinctive ‛docu ment’ underlying a large part of 2 Samuel and perhaps the first two chap- ters of 1 Kings, remains largely intact”.4 In 1975 I wrote an article in Hebrew, which was published in 1983,5 and which dealt with three of Rost’s principal claims: 1) The composition is cha r ac terized by stylistic and formal singularities; 2) It is uniform and self- contained; 3) Its main subject is the succession to the throne of David. I intend to cite here from that article only what it says about the first claim (the composition is characterized by stylistic and formal singularities), be- cause if I would refer to all three issues, the paper would become exceedingly long. Moreover, other authors have meanwhile written about the second and the third issue and more or less exhausted them, so that there is no need for me to repeat those points. But nobody, as far as I know, has ever critically and systematically examined Rost’s stylistic and formalistic arguments. At the beginning of his study Rost states that a man’s style is always a personal matter, stamped by singularity and uniqueness. Therefore the style of 1 Rost 1926. 2 Rost 1926, 132. 3 A great deal of the literature that has been written on the subject is mentioned and de- scribed in DietRich / NaumaNN 1995, 169–295. See also De PuRy / RömeR (eds.) 2000. 4 FRolov 2002, 82–83. Similarly sweeNey 2007, 47, n. 1, who notes that “many scholars follow Leonhard Rost”. 5 BaR-eFRat 1983.