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Schwarze Sonne : Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik PDF

352 Pages·1999·2.429 MB·German
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Rüdiger Sünner Schwarze Sonne Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik HERDER / SPEKTRUM Herder Freiburg • Basel • Wien Alle Rechte vorbehalten – Printed in Germany © Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1999 Herstellung : Freiburger Graphische Betriebe 1999 ISBN 3–451–27186–9 Inhalt 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. »Germanischer Frühling« : Neuheidnischer Aufb ruch um die Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . 14 »Ariosophie«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 »Adler und Falken« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die »Artamanen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Die »Th ule-Gesellschaft « . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. »Licht vom Norden« : Mythen zur Herkunft und Überlegenheit der »Arier« . . . . . . . . . . . . . . . 43 Der »göttliche Funke« des »Ariers« . . . . . . . . . . . . 43 Die Legende von »Th ule« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Atlantis-Forschung in der SS . . . . . . . . . . . . . . . . 59 »Die Sage von den Riesen« : Hitlers »Arier«-Glaube . . . 72 »Nordmänner herrschen im Süden« : Der »Arier«-Mythos in der NS-Erziehung . . . . . . . 81 4. Entwürfe und Praktiken einer neuen Kultreligion 91 »Steinerne Heiligtümer« : Kultstätten und Sakralbauten . . . . . . . . . . . . 91 Anrufungen des »Lichtgottes« : Rituale und Weihefeiern . . . . . . . . . . . . . . . 108 »Sonnenrad« und »Runenwissen« : Symbole und Sinnbilder. . . . . . . . . . . . . . . . 116 5. »Ordensburg« und »reines Blut« : Der Mythos vom »Heiligen Gral« . . . . . . . . . . 126 6. »Mittelpunkt der Welt« : Die SS-Kult- und Schulungsstätte Wewelsburg . . . 141 7. Krieg als »Gottesdienst« . . . . . . . . . . . . . . . . 150 »Die nordische Seele im Kampfe« : Germanische Kriegerethik. . . . . . . . . . . . . . . . 150 »Drachentöter« : Siegfried und Arminius als mythische Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . 156 »Die letzte Schlacht« : Heldenopfer und Apokalypse . 162 8. »Schwarze Sonne« : NS-Esoterik nach 1945 . . . . . 187 Der Mythos der »Schwarzen Sonne« . . . . . . . . . . 194 »Rebellen für Th ule« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 »Esoterischer Hitlerismus«. . . . . . . . . . . . . . . .206 Kamen die Deutschen von den Sternen ? (Rechte Ufologie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 9. Die Wiederkehr der alten Götter . . . . . . . . . . . 230 »Artgemäße Religion« : Neuheidnische Glaubensgemeinschaft en . . . . . . . 230 »Nordischer Nietzscheanismus« : Neuheidentum in der Pop-Musik . . . . . . . . . . . 249 »Nordland-Blues« : Die Sängerin Mari Boine . . . . . 272 »Fährten im Traum-Harz« : Der Dichter Rolf Schilling . . . . . . . . . . . . . . 276 10. Vom Mißbrauch und Gebrauch der Mythen. . . . 288 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Ausgewählte Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Einleitung Auf einer einsamen Heidelandschaft steht ein wuchtiges Hünengrab. Es ist älter als die ägyptischen Pyramiden, und bis heu- te wissen wir wenig darüber, wie Menschen der Steinzeit tonnenschwere Platten in diese Position brachten und sie nach bestimmten Aufgangspunkten von Sonne und Mond ausrichteten. Jahrhundertelang erzählten die Sa- gen der Umgebung von »Riesen«, die einst hier gelebt ha- ben sollen und mit ihren übermenschlichen Kräft en Gra- nitblöcke wie Spielzeuge hin und her bewegten. In einer Bibelstelle (1. Mose 6), die mythische Erzählungen auf- greift , entstanden »Riesen« aus der Paarung von »Gottes- söhnen« mit »Menschentöchtern« und werden als »Hel- den der Vorzeit« bezeichnet. Angeblich verschwanden sie mit der Sintfl ut, die ebenfalls bei fast allen Völkern der Erde erwähnt wird und die das abrupte Ende eines para- diesischen »Goldenen Zeitalters« andeutet. Auch der grie- chische Philosoph Platon erwähnt eine solche glückliche Urzeit und die sie verschlingende Katastrophe in seinem Bericht über das sagenhaft e »Atlantis«, das vor ca. 9000 Jahren untergegangen sein soll. Haben wir es hier mit Er- gebnissen dichterischer Phantasie zu tun, mit verschlüs- selten historischen Erfahrungen – oder greift das eine kaum unterscheidbar ins andere über ? Es sind große und rätselhaft e Bilder solcher Art, aus de- nen Mythen bestehen : suggestive Szenarien von dramati-  scher und hochemotionaler Kraft , vieldeutige Erzählun- gen vom Anfang aller Zeiten und von heroischen Urah- nen, die göttlichen Geschlechtern entstammten und die Schöpfungsordnung in erbitterten Kämpfen immer wie- der gegen Riesenschlangen, Drachen und Dämonen be- wahren mußten. Die Helden heißen Marduk, Herakles, Siegfried oder Heiliger Michael und treten – stellvertre- tend für ihre Gemeinschaft – mit Schwert, Feuer und List gegen die Mächte der Finsternis an. Dabei machen sie zuweilen auch Wandlungen und neue Erfahrungen durch : Siegfried etwa badet im Blut des er- legten Drachen und versteht danach die Sprache der Vö- gel, die ihm den Weg zu neuen Mutproben weisen, in de- nen er sich vom Jüngling zum Mann entwickelt. Die Mythen enthalten Initiationsmuster und Bilder archetypischer Erfahrungen, die auch in unseren Träu- men und Märchen wiederkehren. Es sind keine naturali- stischen Geschichten, sondern ineinander verschlungene Metaphernströme, in denen wir manchmal umherirren wie in einem Labyrinth mit Tausenden von Türen, hinter denen sowohl die Schönheit als auch das Grauen lauern. Mythologie ist faszinierend und gefährlich zugleich. Ohne sie gäbe es keine Religion, keine Kunst und kein modernes Kino, aber ohne sie wäre auch weniger Blut in der Geschichte der Menschheit vergossen worden. Un- ter ihrem suggestiven Bann schufen Künstler wie Homer, Dante, Hölderlin, Wagner, Picasso oder Joyce ihre Mei- sterwerke, und in ihrem Namen wurden Völker ausge- löscht und sprengten sich Sekten in kollektivem Selbst- mord in die Luft . Im Kraft strom ihrer Bilder gedeihen so-  wohl Selbsterkenntnis und Läuterung als auch Psychose, Größenwahn und »ethnische Säuberung«. Das Haken- kreuz, mythologisches Symbol für zyklische Bewegung und kosmische Regeneration, ziert die Tempelräume des Dalai Lama – und war das wichtigste Emblem unter Hit- ler, der darin ein »heiliges Zeichen der Germanen«1 sah und in seinem Schatten millionenfachen Mord beging. Mythen können gebraucht und sehr leicht mißbraucht werden. Ihre Suggestivkraft und Mehrdeutigkeit verführt zu noch so abwegig erscheinenden Interpretationen, und der Nationalsozialismus ist eines der eklatantesten und lehrreichsten Beispiele dafür, welchen Zündstoff sie be- reithalten, wenn man allzu schnell und fanatisch Ge- wünschtes hineinprojiziert. Neben den ökonomischen, politischen, historischen und ideologischen Hintergründen hat man die mythologische Komponente des »Dritten Reiches« bisher nur unzulänglich untersucht. Der Nationalsozialismus war aber nicht nur ein politisches Programm, das Arbeitsplätze und kollektiven Zusammenhalt versprach, sondern auch eine »Bewegung« der großen Legenden, Bilder, Symbole und Rituale. Aus verschiedenen Elementen wurde eine Art Ersatz- Mythologie zusammengebaut, die Fragen nach dem Ur- sprung und der Zukunft beantworten wollte und die Hel- den der Vorzeit zu Identifi kationsmustern für die Ge- genwart verklärte. Ein »messianischer« Führer versprach einem suchenden Volk geistige Orientierung, siegreiche Kämpfe gegen vermeintliche Mächte der Dunkelheit und die Errichtung eines in die Ewigkeit reichenden »Tau- sendjährigen Reiches«. Man entwarf einen »arischen« Ur-  sprungsmythos, der die eigene Nation in eine erhabene Traditionslinie stellte und den man in gewaltigen Zeremo- nien und Massenritualen immer wieder beschwor und er- neuerte. Dazu wurden eigene »Tempel«, »Kultstätten« und »Ordensburgen« errichtet, Symbole und Heilszeichen be- reitgestellt. Die eigenen Ahnen wurden als unversiegbare Kraft quelle zu einem der Mittelpunkte des Lebens erklärt. Weihestätten und Weiheveranstaltungen suggerierten die Unsterblichkeit der eigenen Volksseele und spornten den idealistischen Geist junger Menschen an, die am Ende je- doch nicht ins Kriegerparadies »Walhall« einzogen, son- dern auf den Schlachtfeldern verbluteten. Die »politische Religion«2 des Nationalsozialismus ist nicht nur auf ein Element zu reduzieren, egal ob man die- ses nun »heidnisch-germanisch«, »gnostisch«3, »okkult«4 oder »christlich-apokalyptisch«5 nennt. Hitler äußerte sich über die römische Kirche sowohl respektvoll aner- kennend als auch mit vernichtendem Sarkasmus. Er ver- spottete völkisch-germanische Sektierer und ihre Wieder- belebung des »Wotankultes«, bezeichnete sich aber auch als »Heide« und liebte die von keltisch-germanischer Sa- genwelt durchdrungenen Opern Richard Wagners.6 Tat- sache ist, daß im »Dritten Reich« zahlreiche mythologi- sche Elemente zur Glorifi zierung einer »arischen Herren- rasse« benutzt wurden und in die Wiederbelebung von Kult- und Symbolformen einfl ossen, die diese Ideologie tief im Gefühlsleben der Bevölkerung verankern sollten. Dazu gehörten Legenden vom Ursprung der »Arier«, prähistorische Spekulationen, Deutungen heidnischer 

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