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Schreib-Arbeit: Jean Pauls Erzählen als Inszenierung ‚freier‘ Autorschaft PDF

266 Pages·1996·6.216 MB·German
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Preview Schreib-Arbeit: Jean Pauls Erzählen als Inszenierung ‚freier‘ Autorschaft

Andreas Erb Schreib-Arbeit Andreas Erb Schreib-Arbeit Jean Pauls Enählen als Inszenierung, freier' Autorschaft f[)fl rYl DeutscherUniversitätsVerIag ~ GABLER 'VIEWEG 'WESTDEUTSCHER VERLAG Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme Erb, Andreas: Schreib-Arbeit: Jean Pauls Erzăhlen als Inszenierung "freier" Autorschaft / Andreos Erb. - Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 1996 Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1994 ISBN 978-3-663-01630-4 ISBN 978-3-663-01629-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01629-8 025 Der Deutsche Universităts-Veriag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation. © Deutscher Universităts-Veriag GmbH, Wiesbaden 1996 Dos Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu I.ăssig und slrafbar. Dos gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorarm gebleichtem und săurefreiem Pa pier ISBN 978-3-663-01630-4 Inhalt Vorwort 9 I. Einleitung 10 1. Jean Pauls Entwicklung zum freien Schriftsteller 18 2. Sozio-ökonomische Voraussetzungen der Brot-Schreiberei 26 3. Exkurs: (Schreib)Arbeit 30 ll. Die Erzählkonzeption des Hesperus 38 1. Der Erzähler des Hesperus: "Jean Paul" 40 1.1 Der Biograph zwischen Selbst- und Fremdbestimmung 44 1.2 Die Insel der Vereinigung: Autonomie als Schlußpunkt 53 2. Der Gesamtroman 57 2.1 Jean Paul und "Jean Paul" (I) 58 2.2 Jean Paul und "Jean Paul" (11) 60 ID. Die Vorreden J ean Panis 64 1. Literatur 65 2. Der Autor "Jean Paul Fr. Richter" 72 3. Überarbeitung als SchreibArbeit 77 3.1 Anstrengungen und Dimension der Überarbeitung 78 3.2 Publikum - Vorredner 82 4. Schreib-Weisen 88 4.1 Der Entwurf 88 Schreibrausch und "Relektüre " 88 Die Entwuifs-Vorrede: Prozeß vs. Resultat 96 4.2 Die " Arbeitloge" 99 4.3 Der mythische Schöpfungsvorgang 104 5 IV. Die SchreibArbeit des Erzählers 107 1. Literaturmarkt 108 1.1 Pränumeration und Subskription 109 1.2 Das Rezensionswesen 112 Die Magenfrage 112 Die Rezensenten 115 1.3 Publikum 119 Publikums-Arbeit I: Die Biographen mühen sich für die LeserInnen ab 123 Anhang zu Publikums-Arbeit I: Freundschaft 130 Publikums-Arbeit ll: Trennungen 134 Anhang zu Publikums-Arbeit ll: "Jean PauZ" als Leser 138 Publikums-Arbeit lll: LesEr -Ein Ausblick 141 1.4 Resümee und Vorschau 146 2. Belastungen im Schreibprozeß: Krankheit und Erschöpfung 148 2.1 Vorbemerkung 148 2.2 'Jean Paul und Krankheit' als Thema der Forschungsliteratur 153 2.3 Der 'schreibselige Kränkling' der Unsichtbaren Loge 157 Verstopfungen: "es ist fast alles an mir zu" 159 (1) Schreiben zwischen Innen- und Außenwelt 161 (2) Schreiben zwischen den Messeterminen 172 Tod und Wiedergeburt des Biographen 176 3. Schreibhilfen 183 3.1 Alkohol 183 'Gaumen- und GehimkizeZ' 186 Mäßigung 190 3.2 Musik 193 Exkurs: Das Stamitz-Konzert im Hesperus 198 6 4. Frauen schreibender Männer 208 4.1 Philippine und "Jean Paul" in der Unsichtbaren Loge 213 Philippine I: Mosaikstücke aus einem unbeschwerten Leben 214 Philippine II: Schreibhilfe für den Bruder 216 Philippine III: Die Kokette 221 4.2 Siebenkäs und Lenette 224 Exkurs: Siebenkäs und Natalie 231 4.3 Anhang: Leserinnen 234 5. Abschließender Ausblick 241 5.1 Frauenbilder 241 5.2 Schlußüberlegungen 243 Nachsatz 246 v. Zitierte Literatur 247 1. Jean Paul (Zitierweise; Siglen) 247 2. Sonstige 248 7 Vorwort Die Untersuchung setzt über die Konstruktion SchreibArbeit die für Jean Paul so charakteristische Subjektivität zu seinen Bemühungen um die Selbst versorgung durch literarische Arbeit in Beziehung. Subjektivität wird verstan den als notwendige Voraussetzung und Grundbestandteil marktorientierten Schreibens; an ihren Erscheinungsformen in den Romanen lassen sich Markt prozesse und gesellschaftliche Veränderungen im kommunikativen Bereich gleichermaßen ablesen. Jean Pauls Texte sind dabei nicht bloß zu verstehen als ein 'Sprechen' über den literarischen Markt und seine Folgen für die konkurrierenden 'freien' Schriftsteller, vielmehr nimmt er die öffentlich ge führte Debatte in sein Schreiben auf, macht sie zu Material seiner Phantasie produktion, verwandelt sie zu poetischem Stoff und lagert sie in die Fiktions ebenen seiner Romanwelten ein. Erzähltheoretisch als metafiktionales Verfah ren charakterisierbar, entsteht gleichsam unauffällig ein verschlüsselter Subtext über Autorschaft um 1800, der seinerseits entscheidende Einblicke in die kul turelle Praxis des angehenden 19. Jahrhunderts gestattet. Zentraler Ort dieser Auseinandersetzung mit den Realien künstlerischer Produktion ist der Körper, der verschiedenen Semantisierungen unterliegt; das Leiden des schaffenden Subjekts erscheint als hypochondrisches Spektakel, seine Reaktivierung und In standhaltung als Diskurs über Drogen und Musik, schließlich bedarf es der Frau, deren Tod für die männliche Kunst konstitutiv wird oder die den Körper des Genies ersetzt. Jean Pauls exzentrische Subjektivität ist hiernach zu kenn zeichnen als eine mit den Erzähltechniken der Moderne verfahrende Inszenie rung künstlerischer Produktion vor dem Hintergrund einer sich ökonomisch und sozial im Umbruch befindenden Gesellschaft, die das erschaffende Subjekt zu ihrer Leitfigur erhebt: Ich arbeite wie ein preußischer Unterthan - nämlich stark. 9 I. Einleitung Was die Originalität angeht, kann es bestimmt keine Fragen geben im Vergleich der Ansprü che Richters mit denen der anderen deutschen Autoren. Er ist niemandes Vertreter als sein eigener; auch glaube ich nicht, daß er jemals einen Nachfolger haben wird. Von seinem Stil könnte man nachdrücklich und mit nahezu vollkommener Angemessenheit sagen, daß es ihn gar nicht gibt, wenn er nicht im Geist vollendeter Freiheit seinen Weg findet, -wenn er sich nicht infolge eines autonomen Impul ses bewegt, kann er sich schlechthin nicht be wegen.! Spätestens mit Erscheinen der Unsichtbaren Loge werden Jean Paul und seinem Werk eine außergewöhnliche - eine andere - Position innerhalb des lite rarischen Geschehens um 1800 zugesprochen. Sie ist dabei ebenso Anlaß zu vernichtender Schmähung wie gleichzeitig zu euphorischer Überhöhung des Autors und seiner Romane. Dabei entzünden sich bis heute die meisten Urteile an einem gemeinsamen Brennpunkt, dem hohen Grad an Subjektivität, der Jean Pauls Schreiben immanent ist und der als Charakterisierungsmerkmal von der Forschung unangefochten geteilt wird. Schwieriger gestaltet sich die Beant wortung der damit verknüpften Frage, die im übrigen auch de Quincey stellt, was genau die Subjektivität des Autors ausmache und in welcher Form sie sich im Roman objektiviere. Der Illustration (und der Schönheit der Bilderfülle) we gen noch einmal de Quincey: Aber das unbändige, wirbelnde, bizarre, kapriziöse, unberechenbare Aufschnel len, Springen, Taumeln, Tanzen, Walzern, Kapriolenschlagen, Pirouettendrehen, Feuerwerksraketensteigen der Gernse, des Harlekins, der Vestris, des sturmlie benden Raben - des Raben? nein, der Lerche [. .. ] - mit wenigen Worten: des Tb. de Quincey, John Paul Frederick Richter, (1821) 1990, S. 143. 10 Proteus, des Ariel, des Monstrums, lohn Pauls -kann mit nichts verglichen wer den im Himmel und auf Erden oder im Wasser unter der Erde [. .. ].2 De Quinceys spielerischer Versuch, das Schreiben Jean Pauls zu charakterisie ren, erfolgt hier ausschließlich über Bilder, die Bewegung und Dynamik aus drücken. Sie betonen eine anarchische Regellosigkeit auf der einen, eine nicht genau benennbare, unbändige, produktive Kraft und Energie auf der anderen Seite. Auf diese Weise schaffen sie einen bezeichnenden Zugang zur Phanta sietätigkeit des Autors, der sich zudem gleichermaßen auf Form und Inhalt der Romane Jean Pauls beziehen läßt und ihn gleichzeitig von zeitgenössischer Literaturproduktion abhebt. Zu den Wesensmerkmalen des Romans des 18. Jahrhunderts gehören ganz all gemein die Narrativität, das heißt zum einen das Bestreben, Geschichten zu er zählen und zum anderen, alle Stilmittel eben auf jenes Erzählen hin auszu richten; das Muster solcher Geschichten beruht dabei auf dem Prinzip von Ur sache und Wirkung. Diese durchgängige und überall durchscheinende Kau salität bewirkt die Linearität des Erzählten mit einem Anfang, einer Mitte und einem (motivierten) Ende. Zudem erfordert es ein psychologisch stimmiges Fi gurenkabinett, das heißt Personen, die sich in bestimmten und bestimmbaren Rollenmustern bewegen, wobei jede Abweichung begründet werden muß. Die Aufhebung dieser Linearität -und hier nähere ich mich wieder Jean Paul an - ist durch vielerlei 'Eingriffe' in die Form des Textes möglich und betrifft dabei immer auch die Art und Weise der Rezeption: So kommt es auf die Mittel des phantasierenden und organisierenden Autors an, ob sie es vermögen, Raum und Zeit der Geschichte zu durchkreuzen und dergestalt die Kontinuität des Erzähl ten zu durchbrechen, um damit wiederum eine einfache Identifikations möglichkeit der Rezipierenden zu erschweren, etc. - Wird die Aufhebung von Linearität zum Formprinzip, stehen die RezipientInnen unter dem Eindruck (dem Schock!?) des dynamischen, alles in Bewegung setzenden Romans, der sie entweder zum Abbruch der Lektüre zwingt oder sie derart zum Objekt des Textes macht, daß sie sich selbst nicht mehr kennen und ver-rückt werden. Jean Pauls Exkurse, Kommentare, Fußnoten, Einschübe, Verweise, Ab schweifungen usw. haben auf diese Weise erheblich dazu beigetragen, daß er 2 Tb. de Quincey,JolmPaulFrederickRichter, (1821) 1990, S. 146f. 11 als Autor beständig dem Verdikt der überbordenden Subjektivität ausgesetzt war, als fremder Sonderling und exzentrischer Außenseiter eher mitleidig be handelt als wirklich ernst genommen wurde und daß sein Werk immer nur eine zwiespältige Aufnahme fand. Neben der Subjektivität des Autors gehört das Wissen um Jean Pauls Stellung als 'erster freier Schriftsteller' zum Allgemeingut der (literaturwissen schaftlichen) Forschung über das 18./frühe 19. Jahrhundert. Dabei handelt es sich jedoch um ein Wissen, aus dem bisher nur bedingt und vor allem in bio graphischer Hinsicht Konsequenzen gezogen worden sind. Die Verknüpfung von spezifischer Schreibweise (als Ausdruck der Subjektivität) mit der allge meinen Entwicklung im Bereich der Buchvermittlung war demgegenüber bis lang nicht Gegenstand der Jean Paul-Forschung. Aber gerade durch diese Ver knüpfung rücken ästhetische Kategorien und Fragen nach der ökonomischen Beschaffenheit eines Gesellschaftssystems und eines sich hierin bewegenden Autorsubjekts in einen direkten, sich wechselseitig bedingenden Zusammen hang. In geistesgeschichtlicher Hinsicht versachlicht der Autor Jean Paul den (idealistisch-ästhetischen) Schreib-Kunst-Begriff seiner Zeit. Dies geschieht vor allem dann, wenn er seine Tätigkeit mit ihren jeweiligen Bedingungen, ihren Formen und ihren Ergebnissen unmittelbar mit Marktprozessen in Beziehung stellt und als materiell lebenswichtige SchreibArbeit begreift. Schreib-Kunst vs. SchreibArbeit. Hier wird zum einen eine Diskussion über Autorschaft in Gang gebracht: Es geht ganz allgemein um jenen für Jean Paul so typischen Widerspruch von Authentizitätsanspruch einerseits und dem dro henden Verlust literarischer (und persönlicher) Selbstbestimmung andererseits. Die Frage, die im folgenden an Jean Pauls Schreiben zu stellen ist, muß dann darauf abzielen, ob der Autor seine Kenntnisse um die Marktförmigkeit seines Tuns und seines Werkes einsetzt, um sich den Erfordernissen des Marktes zu beugen oder ob er sich dagegen verwehren kann. Zu fragen ist, inwieweit, auf weIche Weise und bis zu weIchem Grad es Jean Paul gelingt, diese ihm entge gentretende Situation künstlerisch zu bewältigen oder mit Adomo: ob und wie Jean Paul in der Lage ist, 'Entfremdung zu gestalten'. - Zum anderen bedingt eine solche Unterscheidung eine Reihe von Themen, die zum Teil bereits ange deutet wurden und die sich quer durch die vorliegende Arbeit durchziehen. 12

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