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Schräge Töne: Jazz und Unterhaltungsmusik in der Kultur der Weimarer Republik PDF

312 Pages·2000·30.884 MB·German
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Schrage Tone Cornelius Partsch Schrage Tone Jazz und Unterhaltungsmusik in der Kultur der Weimarer Republik Verlag 1. B. Metzler Stuttgart . Weimar Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Partsch, Comelius: Schräge Töne: Jazz und Unterhaltungsmusik in der Kultur der Weimarer Republik I Comelius Partsch -Stuttgart ; Weimar: Metzler, 2000 ISBN 978-3-476-45237-5 ISBN 978-3-476-01897-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-01897-7 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. M & P Schriftenreihe für Wissenschaft und Forschung © 2000 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel VerlagGmbH in Stuttgart 2000 -- Meinen Eltem -- DIESE GESCHICHTE KONNTE MAN EIGENTLICH NUR UNTER JAZZBANDBEGLEITUNG RICHTIG ERZAHLEN. SIE IS'r VON A BIS Z POETISCH. SIE FANGT AN MIT ZIGARRENRAUCH UND GELACHTER UND ENDET MIT EINEM 'rODESFALL. Bertolt Brecht (1926) Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 I. Dada und Jazz: Kulturkritik und der "Rhythmus der Zeit" 1. Am Anfang war das Gerausch: Dada in ZUrich 17 2. Erste Beriihrungen: Dada in Berlin 45 II. "Berlin halt ein!": Die Rezeption der Jazz- und Radaumusik nach dem Krieg 1. Die Jagd nach der "Tschetzpend" 55 2. Die "schwarze Schmach": Tagespolitik, "Jazz" und Expressionismus 75 3. Musik und Parodie 93 III. Das Unbehagen in der Massenkultur: Die zweite Hiilfte der zwanziger Jahre 1. Jazz und "Girlkultur": Neue Sachlichkeit und die Schaupliitze des Amerikanismus 102 2. Josephine Baker und die Erfahrung des Authentischen 141 3. Die Philosophie des "Jonnysmus": Jazz in der neusachlichen Gebrauchsmusik 174 IV. Auf dem Weg in die Emigration 1. Exit Jazz: Der Eingriff der Politik 213 2. Die Musikwelt nimmt Abschied vom Jazz irn "Mannesalter" 225 3. Kritische Reprisen 247 Literaturverzeichnis 273 EINLEIT1JNG S ie kommen von weither iibers Meer The Jazzband -the jazzband und blasen wie das wilde Heer und rasen wie ein Wildenheer. -Walter Mehringl Die Passage aus Walter Mehrings Kabarett-Chanson "Jazz-Band" markiert kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges die Ankunft eines neuartigen, vitalen musikalischen Idioms auf dem kulturellen Terrain der Weimarer Republik. Die drangende Rhythmik des Textes, seine insistenten Binnen und AuBenreime sowie die schlagzeilenartige Wucht des englischen W ortes verweisen allesamt auf eine sensationelle, moglicherweise skandalose Musik, die, in der Benennung ihrer personellen Besetzung, untrennbar mit der Art und Weise ihrer Auffiihrung verbunden ist. Mehrings Text, den man sich durchaus als friihen Schlagertext vorstellen kann, skizziert eine Simultaneitat von spielerischer Ausgelassenheit, entfesselter Sinnlichkeit und bedrohlicher Obermacht und ist in dieser biindigen Polyvalenz bezeichnend fur das heterogene Textgewebe, in das die Begegnungen zwischen Jazz und deutscher Kultur in den zwanziger J ahren eingeschrieben werden. Diese geschaftige Dialogik im Einzelnen auszuleuchten und zu analysieren ist das Ziel der vorliegenden Studie. Die grundlegende Komplexitat dieser Vorgange ist nicht zuletzt auf die semantische Bedeutungsvielfalt des Wortes 'jazz" selbst zuriickzufiihren. Damals wie heute erstreckt sie sich iiber ein weites Feld der Enkodierung, das von der iibergreifenden Bezeichnung einer schwer deftnierbaren Palette musikalischer Formen und Praktiken bis zu (ver)urteilenden Wertungen wie "Aufregung," "Perversion," "Unsinn" und "Chaos" reicht. 1m Einklang mit einer solchen Schliipfrigkeit stellt der Begriff 'jazz" im iiberaus vielschichtigen textlichen Gefuge der Weimarer Kultur eine osmotisch veranlagte Vokabel dar, die sich frohgemut in unzahlige Richtungen verlauft, die verschiedenartigsten Bereiche durchdrangt und weite, unentdeckte Assoziationsraume Offnet. 1 WaIter Mehring, Die Chronik der Lustbarkeiten. Die GedidJte, Lieder und Chansons 1918- 1933, hg. v. Christoph Buchwald (Dusseldorf: claassen, 1981) 128. 1 Umgekehrt gesehen: der ''Jazz,'' das in ihm perzipierte "Sujazztive"2 und seine Interpreten tiben auf die zeitgenossische Imagination eine geradezu unausweichliche Faszination aus und werden in Um-Schreibungen von teilweise fantastischer Extravaganz gerahmt. Der signiftkatorische Komplex "Jazz" wird in gliihenden und heiter unwissenden Diskursen abwechselnd damonisiert, glorifiziert, kolonisiert, neutralisiert, kommodifiziert und normativ re-synkopisiert und somit fast ausschlieBlich zur Attikulation auBermusikalischer, ideologischer Zwecke in Dienst genommen. Die Einteilung der vorliegenden Arbeit folgt unter Zurkenntnisnahme der Elastizitat der gesetzten Chronologie und der soziokulturellen Rahmung einer andernorts bereits ausfiihrlich erorterten und grundierten Periodisierung det Weimater Republik:3 Eine Anfangsphase irn Zeichen einer krisenhaften wirtschaftlichen und politis chen Isolation (1918-1925); eine mittlere Periode, gekennzeichnet durch prekare wirtschaftliche Stabilitat und Toleranz fur kiinstlerische Moderne und Vielfalt (1925-1929); die letzten vier Jahre der Republik, eine Zeit, die vor dem Hintergrund einer neuerlichen Wirtschaftskrise und des zunehmenden Verfalls det Regierungsfahigkeit der Demokratie mit der vorlaufigen Verbannung des Jazz schlieBt (1929-1933). Es sollen innerhalb dieses Oberbaus diachrone Spuren und synChrone Kontexte, Briiche und Kontinuitaten in der Jazzrezeption herausgearbeitet werden. In einer Kultur, die die offentliche Diskussion und kritische Problematisierung ihrer grundlegenden Parameter, wie beispielsweise die Frage nach Sinn und Funktion der Kunst, bis zum Ende des Weltkrieges weitgehend vermieden oder sogar unterbunden hat, signalisieren ''Jazz'' und das Jazzerlebnis tiberall Auflockerung, Vielstimmigkeit und Subversion. Als der ''Jazz'' als modischer Tanz nach dem Krieg in Deutschland bekannt wird, symbolisiert er in der zerrutteten und kriegsgezeichneten Nation, die sich in der neuen Arena des demokratischen Meinungsaustauschs versucht, zunachst Weltoffenheit, Fremdartigkeit und Modetnitat. Er betritt an einem intensiv empfundenen historischen Umschlagpunkt die Szene und wird als 2 Franz Wolfgang Koebner, Hg., Jai!{ und Shimmy. Brevier der neuesten Tjjn~ (Berlin: Eysler, 1921) 120. 3 Unter der reichhaltigen Literatur sei hingewiesen auf: Detlev J. K. Peukert, Die Weimarer &publik (Frankfurt: Suhrkamp, 1987); Eberhard Kolb, Die Weimarer &pub/ik (Miinchen: Oldenbourg, 1984); Jost Hermand und Frank Trommler, Die Kulturder Weimarer &publik (Miinchen: Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, 1978). 2 Vehikel der Destabilisierung und Zerstorung von diskursiv fest verankerten Bedeutungsmustern der traditionellen, hegemonischen Hochkultur der Vatergeneration in die zeitgenossischen Debatten assimiliert. In diesem Rahmen spielt er eine herausragende Rolle in der heftig umstrittenen Konfrontation mit den technischen und symbolischen Manifestationen des "Amerikanismus," sprich den medialen Umwiilzungen einer sprungartig wachsenden Massenkultur, die durch die technische Reproduzierbarkeit der Musik ertnoglicht und geformt wird. Die Verbreitung von "leichter" Unterhaltungsmusik verwischt kulturelle und soziale Abgrenzungen zwischen "hoher" und "niedriger" Kunst und rekoordiniert die klassen- und geschlechtergebundenen Modalitiiten von Konsumtion, Rezeption und Ausiibung grundlegend. Das revolutioniire Potential der Jazzmusik ist trotz aller Zahmungs- und Sauberungsversuche in samtlichen AuBerungen zu spiiren und beschaftigt noch die nationalsozialistischen Verwalter der "deutschen" Kultur eingehend als "Entartete Musik." Peter Gays interpretatives Modell der Weimarer Kultur als Terrain einer ins Rampenlicht getretenen Peripherie umfaBt somit auch die prekare AuBenseiterrolle des "Jazz" und seine unverweigerliche Verwicklung in Artikulationen von politischer, nationaler und kultureller Identitat: "Weimar culture was the creation of outsiders, propelled by history into the inside, for a short, dizzying, fragile moment."4 Das Organisationsprinzip der folgenden Untersuchungen der Jazz und Unterhaltungsmusik der Weimarer Republik vereint drei in der Forschung gemeinhin privilegierte analytische Ansatze zur Investigation der Popmusik: Die institutionelle Analyse der Produktion der Popmusik und ihrer politischen Okonomie, die textliche· Analyse der reprasentativen und symbolischen Bedeutungsebenen popularer Formen und die ethnographische Analyse der rezeptiven, rituellen Funktionalisierung von Popmusik in soziokulturellen Kontexten. In der kritischen Zusarnmenfuhrung dieser Kategorien kann Popmusik als institutionell produzierte Ware, die als bedeutungstragender kultureller Artefakt fungiert und die von den Harern konsumiert und aktiv interpretiert wird, analysiert werden. Es ist wohl nicht iibertrieben, daB die Untersuchungen von Theodor Wiesengrund Adorno und der Frankfurter Schule den historischen und konzeptionellen Ausgangspunkt fUr fast siimtliche folgenden Forschungsinitiativen im Bereich der Massen- und 4 Peter Gay, Weimar Culture: The Outsider as Insider (New York: Harper & Row, 1968) xiv. 3

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