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Schizophrenie und Mord: Ein Beitrag zur Biopsychopathologie des Mordes PDF

192 Pages·1938·11.326 MB·German
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Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie Nikola Schipkowensky Schizophrenie und Mord Ein Beitrag zur Biopsychopathologie des Mordes MONOGRAPHIEN AUS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE HERAUSGEGEBENVON 0. BUMKE · 0. FOERSTER · E. RÜDIN · H. SPATZ HEFT 63 SCHIZOPHRENIE UND MORD EIN BEITRAG ZUR BIOPSYCHOPATHOLOGIE DES MORDES VON DR. NIKOLA SCHIPKOWENSKY Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1938 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. ISBN 978-3-662-41945-8 ISBN 978-3-662-42002-7 (e Book) DOI 10.1007/978-3-662-42002-7 Softcoverreprint ofthe hardcover Istedition 1938 AUS DER PSYCHIATRISCHEN UND NERVENKLINIK DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN (DIREKTOR: GEHEIMRAT PROFESSOR DR. OSWALD BUMKE). MEINEM LEHRER OSWALD BUMKE Vorwort. Diese Monographie wurde durch das Zusammenwirken der Direktion der Volksgesundheit Bulgariens, des Akademischen Austauschdienstes in Berlin und der Direktion der Psychiatri schen und Nervenklinik der Universität München ermöglicht. Den Leitern dieser Institutionen bin ich für ihr großzügiges Entgegenkommen zu Dank verpflichtet. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Geheimrat BuMKE, danke ich aufrichtig für die liebenswürdige Überlassung des gesamten klinischen Materials. Ebenso bin ich allen Kollegen, deren Beobachtungen meiner Arbeit zugrunde liegen, nicht weniger Dank schuldig. Nicht zuletzt möchte ich Herrn Oberarzt Dr. MAx MrKOREY meine herzlichste Dankbarkeit ausdrücken, nicht nur weil er sein Ein verständnis dazu gab, zwei von ihm schon bearbeitete Fälle in dieser Arbeit mit zu verwerten, sondern weil er mir auch immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Trojan, im März 1938. Dr. NIKOLA SCHIPKOWENSKY. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung . . . . 1 I. Leben und "Todestrieb". . 4 II. Traum - Psychose - Mord 16 III. "Naturgeschichte" des Mordes 31 IV. Schizophrenie und Mord . 54 Zusammenfassung . 179 Schriftennachweis . . . . . . 184 Einleitung. Das Problem des Mordes beschäftigt seit jeher nicht nur die Phantasie und das moralische Empfinden des Volkes, sondern auch das wissenschaftliche Interesse der Theologen, Philosophen, Ärzte und Juristen. Einerseits nämlich sind zwischen Täter und Tat die inneren Verbindungen so tief verankert und andererseits erfolgt beim Mord die schärfste Wendung biopsychischer, in der menschlichen Wesenheit wurzelnder Vorgänge, so daß es wirklich unmöglich ist, eine Erforschung dieses Deliktes durchzuführen, ohne die beständige Berück sichtigung jener Grundkräftc, welche alle Lebewesen und insbesondere den homo sapiens bewegen. Bei unserer Erforschung der Lebensgeschichten aller von 1906-1937 in der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität München beobachteten Mörder erwies sich die Notwendigkeit, sich immer wieder allgemein biologischen und -psychologischen Fragestellungen zuzuwenden, um die Mord handlungen in ihrer persönlichen und allgemeinen Gestaltung verstehen zu können. Außerdem haben die meisten Kriminalpsychologen ihre Theorien ebenfalls auf allgemein-biologische und -psychologische Grundgesetze aufzubauen versucht; im übrigen strebten sie danach, aus jeder Analyse einzelne Fälle die Bestätigung für ihre eigenen weltanschaulichen Voraussetzungen zu finden. Wir gingen dagegen einen diametral entgegengesetzten Weg: Von den Lebens schicksalen unserer Kranken, dem Inhalt und der Dynamik ihres Mord-Erlebens ausgehend, kamen wir erst am Ende zu allgemein-theoretischen Überlegungen. Es erwies sich nämlich, daß unter der jeweils so verschiedenen Gestaltung des Morddeliktes, in welche viele normalpsychologisch verständliche und unter geordnete psychotische Vorgänge mit hereinspielen, sich eine allen Kranken gemeinsame Linie der Tatentstehung verbirgt. Auf diesen induktiven Weg führen uns die Analysen der Mordtaten psychopathischer und geisteskranker Persönlichkeiten zur Ablehnung der kriminologischen Theorien von LoMBRoso und FREUD und anderer Forscher. Dann mußten wir auch die weltanschaulichen Voraussetzungen dieser Theorien prüfen und uns deshalb mit manchen grundsätzlichen biologischen und soziologischen Problemen auseinandersctzen. Um die Richtigkeit der FREunschen Anschauung von dem Primat des Todestriebes erforschen zu können, mußten wir auf die wichtigsten Arbeiten, welche sieh mit dem Unsterb lichkeitsproblem beschäftigen, etwas näher eingehen. Auch die Aufhellung der verschiedenen Beziehungen zwischen Traum, Psychose und Tat bedurfte einer allgemeinen biopsychologischen Betrachtung der Schlaf-Traumproblematik. Ebenso erwies sich eine Berücksichtigung der Biosoziologie primitiver Volks stämme als notwendig, um LoMBROSOs und FREUDs Anschauungen von dem Vorhandensein einer immanenten Getriebenheit des Menschen zum Verbrechen nachprüfen zu können. Wir bezweckten, die Mordproblematik in allihren Dimensionen zu erforschen - auch durch gelegentliche Abweichungen von der führenden Linie unserer 2 Einleitung. Arbeit, soweit diese zur Vertiefung der Ergebnisse beitragen konnten. Dabei stützten wir uns nicht nur auf die Lebensschicksale der geisteskranken Mörder, deren größere Hälfte wir sowohl in der Klinik als auch in den zuständigen Heil- und Pflegeanstalten persönlich untersuchten, sondern auch auf ver schiedene Statistiken und gleichzeitig auf die Schöpfungen namhafter Dichter. Die Berechtigung für die Heranziehung poetischer Werke finden wir in den Worten BuMKEs (1): "Kein Zweifel, daß jeder wahre Dichter die Psychologie mehr fördert als 100 Gelehrte und 1000 Laboratorien." Die Dichter werden ja deswegen der Welt gegeben, um die instinktiven Erkenntnisse der Lebens wahrheiten, welche in allen Menschen schlummern, mit der ewigen Schönheit ihrer Offenbarungen klar aufzuhellen. Dem Körperbau unserer Kranken widmen wir hier kein großes Interesse, weil wir dadurch für unsere Zwecke nicht viel erreichen können; dagegen schildern wir so ausführlich wie nur möglich die Erlebnisse der Mörder, um über den Reichtum der individuellen Überbauten hinaus nach den gemeinsamen Gesetzen, welche sie zum Morde treiben, schürfen zu können. Die Tat entsteht als Re sultante allgemein menschlicher Kräftegegenwirkungen und persönlicher Ele mente, welche sich aus dem Zusammenstoß der individuellen Entwicklung mit der Milieuatmosphäre ergeben. Wenn die Tat verschiedener Gruppen von Mördern- von den politischen über die psychopathischen bis zu den geistes kranken- sich auf einem für jede Gruppe spezüischen Kraftfeld abspielt, das aber für alle Gruppenangehörigen gemeinsam ist, so sind Wahl des Opfers, Ausführung des Mordes und Reaktion auf diesen immer wieder grundsätzlich individuell verschieden gestaltet. Wie die gesunden Menschen trotz der ver schiedenartigen Persönlichkeitsgestaltung in ihrer Wesenheit gleich sind, so zeigen auch die Mörder - seien sie auch geisteskrank - zwar die Besonderheiten ihrer Persihilichkeit in der Tat, sind aber immer wieder der Auswirkung einer überindividuellen Gesetzmäßigkeit unterworfen. Im Anschluß an die allgemeinen Ausführungen beginnen wir mit der Schil derung des schizophrenen Mordes 1, nicht nur weil er die häufigste Mordtat von Geisteskranken darstellt, sondern weil er eine einheitliche Dynamik besitzt. Das schizophrene Morddelikt erfolgt nämlich unter der Wirkung der destruktiven Tendenz der Psychose, die den Kranken gesetzmäßig in die unheimliche Ge triebenheit eines Schwankens zwischen Selbstmord und Mord versetzt. Unter diesem Gesichtswinkel stellt der schizophrene Mord den äußersten Pol aller möglichen Enthemmungen der urtümlichen "Mordfertigkeit2" dar. Wie be kannt, bekommt diese ihre einzige biologische Berechtigung ausschließlich durch die Notwendigkeit einer Notwehr oder des Artschutzes. Von der Tat eines 1 In dieser Abhandlung werden die Begriffe Mord, Totschlag und Tötung nicht in juristi schem Sinne gebraucht. Wir sprechen von einem Morddelikt der Geisteskranken in jenen Fällen, wo der Tat eine psychotische ,;Überlegung" vorausgeht: Die zum Mord getriebenen Kranken erleben die Tat schon vor deren Ausführung und handeln unter dem Einfluß eines primären Dranges oder verschiedener untergeordneter psychotischer Gebilde. Der schizo phrene Totschläger begeht weder eine Affekthandlung wie die Psychopathen, noch "über legt" er seine Tat in der angedeuteten Art, wie das der schizophrene Mörder macht, sondern er greüt in dem Augenblick an, in welchem ihn seine tiefe biopsychische Disharmonie wegen momentaner Anlässe dazu zwingt. 2 Unter Mordfertigkeit verstehen wir die biopsychische Bereitschaft des Menschen und die damit verbundene Geschicklichkeit, jemanden zu töten. Einleitung. 3 Schizophrenen bis zu dieser biopsychologisch berechtigten Entsperrung der Mordfertigkeit gibt es alle denkbaren Übergangsformen des Mordes. Abgesehen von einer kleinen Anzahl von Mördern - darunter manche politische, jedoch nicht alle, weil häufig unter der Maske einer politischen Tat sich eine psychotische Auswirkung oder Persönlichkeitsabnormität verbirgt -, sind auch die unauf fälligsten Täter, selbst wenn sie sich nicht im Prodromalstadium einer Geistes krankheit befinden, wenigstens minderwertige Personen. Solche Individuen überschreiten das "Jenseits des Guten und Bösen" nicht, weil sie weit über die konventionellen "Moralnormen" hinaus gewachsen sind, sondern weil sie an einer unvollkommenen oder sogar verkrüppelten Entwicklung gesunder bio psychischer Kräfte leiden. Es ist vielmehr die Schwäche oder das vollständige Fehlen des instinktiven Widerstandes gegen den Mord - letzteres ist allerdings sehr selten - und nicht sosehr die Unzulänglichkeit der Vernunft bei Psycho pathen, welche ihre Mordtaten ermöglichen. Die intellektuellen Fähigkeiten solcher Individuen sind zwar meistens unzureichend entwickelt, sie können aber, wenn sie auch anscheinend gut erhalten sind, die verbrecherischen Neigungen nie binden. Die Natur des Menschen setzt sich nicht nur aus zerstörenden und vernichtenden Trieben zusammen, wie das FREUD, LüMBROSO u. a. glauben, sondern vielmehr im wesentlichen aus schöpferischen und aufbauenden Kräften. Noch mehr: Unter gesunden Verhältnissen werden die destruktiven Tendenzen lediglich als eine unbedingt notwendige Voraussetzung für die schaffende Tätig keit des Menschen entsperrt und benützt. So sind die zerstörenden Kräfte letzten Endes Mittel einer bauenden Aktivität und entgleisen als dem Selbst zweck der Vernichtung dienende Auswirkungen nur bei abnormen Zuständen statischer oder dynamischer Art. Im Gegensatz zu LüMBROSO und FREUD betrachten wir also die positiven Kräfte des Menschen nicht ausschließlich als Auswirkung seiner Vernunft - diese ist nichts anderes als ein Überoau seiner instinktiven Natur - sondern als biopsychische Gegebenheiten, deren Stärke gerade in ihrer urtümlichen, vitalen Struktur und Dynamik liegt. Einer Ent wicklung und erzieherischen Beeinflussung unterliegen lediglich Eigenschaften, welche als Keime - es sei uns erlaubt, diesen Vergleich zu gebrauchen - in die menschliche Wesenheit "eingewickelt" sind. Bei gesunden Kindern und Menschen-ganz gleich, ob es sich um "Wilde" oder Kulturmenschen handelt ist unzweideutig die Macht schöpferischer Kräfte weitaus größer und beherrschen der als jene der vernichtenden und zerstörenden Tendenzen und allein aus diesem Überwiegen entspringt das Fortschreiten der Menschheit, welche im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe blühender Kulturen als Etappen ihrer Evolution zu schaffen vermochte. Die Kultur ist weder aus der Metamorphose verbrecherischer Triebe noch aus krankhaften Zuständen abzuleiten, wie das viele noch glauben: Sie fließt aus der unerschöpflichen Quelle gesunder menschlicher Schaffenskraft. Die ewige Sehnsucht des homo sapiens nach jener Schönheit, welche, wie DosTO JEWSKI glaubt, die Welt retten wird und nach dem "großen, klaren, heiligen, uferlosen Meer der Liebe", wie das KASPROWITSCH singt, treibt ihn dazu, durch Vervollkommnung und durch die vitale Stärke seiner Persönlichkeit das echte Glück zu erreichen. I. Leben und "Todestrieh". Die potentielle Unsterblichkeit der Tier- und Pflanzenkeimbahnen steht fest. Daß es viele ausgestorbene Arten gibt, ist eine bekannte Tatsache, die jedoch nicht auf einer inneren Gesetzmäßigkeit des Lebens beruht, sondern aus der gelegentlichen Diskrepanz zwischen den veränderten Umweltbedingungen und der Unfähigkeit der entsprechenden Tiere oder Pflanzen, sich dieser neuen Umgebung anzupassen, herrührt. Der Tod ist also keine innere Notwendigkeit, die aus den Lebensgesetzen unbedingt und unmittelbar hervorgeht. Er erscheint erst in der Artentwick lung als eine natürliche Folge der Differenzierung des Somas (Individuum) und der Keimbahnen (Art). Keinesfalls ist aber der Tod an sich eine Eigen schaft des lebenden Protoplasmas, wie das manche Forscher behaupten, und noch weniger ein unvermeidlicher Ausdruck und die Folge eines primären Todestriebes, welchen S. FREUD (4) als den ersten Urtrieb der Lebewesen ge funden zu haben glaubt. Diese Theorie des Todestriebes finden wir im Werke FREUDs ziemlich spät: seine Abhandlung "Jenseits des Lustprinzips" erschien nämlich erst im Jahre 1920. Durch die Erfahrungen des Weltkrieges wurde die Wunschtheorie des Traumes, diese Schöpfung FREUDs (2), an welcher er so stark hängt, gründ lich erschüttert. Während die Träume der Kriegsneurotiker den Kranken immer wieder in die Situation der die Neurose verursachenden Katastrophe versetzen, müßten sie ja nach der FEEUDsehen Wunschtheorie dem Kranken "Bilder aus der Zeit der Gesundheit oder der erwünschten Genesung vorführen". FREUD (4) sucht einen Ausweg aus dieser seiner Theorie widersprechenden Tatsache in einer durch Krankheit entstandenen Erschütterung der Traumfunktion oder in einer "rätselhaften masochistischen Tendenz des Ichs". Er gibt selbstverständ lich nicht zu, daß auch die Angstträume sowie die "Strafträume" eine Aus nahme sind von dem "Gesetz", der Traum sei eine Wunscherfüllung. "Aber die obenerwähnten Träume der Unfallsneurotiker lassen sich nicht mehr unter den Gesichtspunkt der Wunscherfüllung bringen, und ebensowenig die in den Psychoanalysen vorfallenden Träume, die uns die Erinnerung der psychischen Traumen der Kindheit wiederbringen . . . So wäre also auch die Funktion des Traumes, Motive zur Unterbrechung des Schlafes durch Wunscherfüllung der störenden Regungen zu beseitigen, nicht seine ursprüngliche; er konnte sich ihrer erst bemächtigen, nachdem das gesamte Seelenleben die Herrschaft des Lustprinzips angenommen hatte. Gibt es ein ,Jenseits des Lustprinzips', so ist folgerichtig auch für die wunscherfüllende Tendenz des Traumes eine Vorzeit zuzulassen." Jetzt versucht FREUD (4) auch die biologische Unterlage dieses Phänomens zu finden. Er setzt die konservative Natur aller Triebe vor aus: "Ein Trieb wäre also ein dem belebten Organischen innewohnender Drang zur Wiederherstellung eines früheren Zustandes . . . " Die Entwicklung erscheint FREUD (4) als Folge äußerer störender und "ab lehnender" Einflüsse, denn es wäre ein Widerspruch zur konservativen Natur der Triebe, wenn "das Ziel des Lebens ein noch nie zuvor erreichter Zustand wäre".

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