Heike Kahlert Fritz Scholz Säure-Base- Diagramme Ein Leitfaden für die Praxis und für Studierende Säure-Base-Diagramme Heike Kahlert · Fritz Scholz Säure-Base-Diagramme Ein Leitfaden für die Praxis und für Studierende Heike Kahlert Fritz Scholz Institut für Biochemie Universität Greifswald Greifswald, Deutschland ISBN 978-3-642-37703-7 ISBN 978-3-642-37704-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-37704-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. 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Geburtstag als Dank dafür, dass er uns in seinen Vorlesungen an der Humboldt Universität zu Berlin für pH-lgc-Diagramme begeistert hat. i Heike Kahlert und Fritz Scholz Vorwort Das Verständnis von Säure-Base-Gleichgewichten ist von grundlegender Bedeutung für die Chemie und damit auch für die Biochemie, Biologie, Umweltwissenschaften usw. Kaum ein chemisch-technisches Verfahren, kaum ein biochemischer Prozess, kaum ein umweltchemisches Phänomen kann ohne ein klares Bild der beteiligten Säure-Base- Gleichgewichte verstanden werden. Dabei ist es besonders wichtig, diese Gleichgewichte quantitativ zu beschreiben. Schon für einfache Systeme können die mathematischen Berechnungen jedoch recht verwickelt sein, und es tritt der Wunsch nach einer nähe- rungsweisen Beschreibung auf, bei der die gewählten Näherungen jedoch wohlbegründet sein müssen. Für alle diese Fragen gibt es ein Hilfsmittel, die so genannten Säure-Base- Diagramme (pH-lgc-Diagramme), die eine elegante und einfache Darstellung der i Zusammenhänge zwischen den Konzentrationen der Säuren und Basen und dem pH- Wert in wässrigen Lösungen erlauben. Mit ihrer Hilfe kann man auch leicht die Nähe- rungen finden, die in mathematischen Berechnungen für bestimmte konkrete Fälle erlaubt sind. Sie gestatten es ebenfalls, den Verlauf von Titrationen mit Hilfe von Dia- grammen zu konstruieren. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis langjähriger Erfah- rungen der Autoren in der Lehre, die ihnen gezeigt haben, welche Verständnisprobleme bei der Nutzung von pH-lgc-Diagrammen auftreten können und wie diese Diagramme i am verständlichsten vermittelt werden sollten. Das Buch wurde verfasst, weil kein exis- tierendes Lehrbuch die Grundlagen und Anwendungen von pH-lgc-Diagrammen in i genügender Tiefe und gebotener Einfachheit darstellt. Es war nicht beabsichtigt, hier eine umfassende Darstellung und Diskussion aller möglichen Fälle von Säure- und Baselösun- gen zu bringen, sondern eine klare Anleitung zum Umgang mit pH-lgc-Diagrammen zu i geben. Wir hoffen, dass dieses Buch den Studierenden der Fachrichtungen Chemie, Bio- chemie, Biotechnologie, Biologie, Pharmazie, Physik, Umweltwissenschaften, Geowissen- schaften/Hydrologie und Medizin hilft, pH-lgc-Diagramme besser zu verstehen und zu i ihrem Nutzen anzuwenden. Greifswald, Januar 2013 Heike Kahlert Fritz Scholz VII Inhaltsverzeichnis 1 Einführung ........................................................... 1 2 Die Mathematik und Chemie hinter den pH-lgc-Diagrammen ............ 3 i 3 Konstruktionsvorschrift für pH-lgc-Diagramme ......................... 17 i 3.1 Einbasige Säuren ................................................. 17 3.2 Zweibasige Säuren ................................................ 20 3.3 Dreibasige Säuren ................................................ 23 3.4 Vierbasige Säuren ................................................. 27 4 Die Anwendung von pH-lgc-Diagrammen zur graphischen i Ermittlung des pH-Wertes und zur Ableitung geeigneter Näherungsgleichungen ................................................ 33 4.1 Einbasige Säuren und deren korrespondierende Basen ................. 36 4.1.1 Sehr starke Säuren und deren korrespondierende sehr schwache Basen ........................................ 36 4.1.2 Starke Säuren und deren korrespondierende schwache Basen .... 40 4.1.3 Schwache Säuren und deren korrespondierende starke Basen .... 46 4.1.4 Sehr schwache Säuren und deren korrespondierende sehr starke Basen ........................................... 51 4.1.5 Gültigkeitsbereiche für die Näherungsgleichungen für einbasige Säuren ........................................ 54 4.2 Zweibasige Säuren, Ampholyte und zweisäurige Basen ................. 55 4.2.1 Zweibasige Säuren ......................................... 55 4.2.2 Näherungslösungen für Ampholyte ........................... 62 4.2.3 Zweisäurige Basen .......................................... 68 4.3 Salzlösungen mit protolysierenden Anionen und Kationen ............. 72 4.4 Beispiele ......................................................... 75 4.4.1 Das pH-lgc-Diagramm für Wasser ........................... 75 i 4.4.2 Essigsäure/Acetat .......................................... 76 4.4.3 Schwefelwasserstoff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.4.4 Phosporsäure .............................................. 78 4.4.5 Ascorbinsäure ............................................. 79 IX X Inhaltsverzeichnis 4.4.6 Acetylsalicylsäure ......................................... 80 4.4.7 Benzoesäure .............................................. 82 4.4.8 Glycin ................................................... 82 4.4.9 Asparaginsäure ........................................... 83 4.4.10 Ethylendiamintetraessigsäure (EDTE) ....................... 84 5 Die Anwendung von pH-lgc-Diagrammen zur Konstruktion i von Titrationskurven .................................................. 87 5.1 Titration von Salzsäure in unterschiedlichen Konzentrationen mit Natronlauge .................................................. 89 5.2 Titration von Natronlauge mit Salzsäure ............................. 91 5.3 Titration von Essigsäure in unterschiedlichen Konzentrationen mit Natronlauge .................................................. 92 5.4 Titration mittelstarker Säuren mit unterschiedlichen pK -Werten S mit Natronlauge .................................................. 94 5.5 Titration von Schwefelsäure ........................................ 96 5.6 Titration von zweibasigen Aminosäuren ............................. 97 5.7 Vergleich des Titrationsverlaufes einer Säure und der korrespondierenden Base: (a) Ammoniumionen mit Natronlauge und (b) Ammoniak mit Salzsäure ....................... 98 6 Titrationsfehler ....................................................... 101 6.1 Systematische Titrationsfehler ...................................... 101 6.1.1 Systematische Titrationsfehler bei Titrationen von Säuren mit pK -Werten zwischen 0 und 14 mit sehr S starker Base (z. B. NaOH) .................................. 102 6.1.2 Systematische Titrationsfehler bei Titrationen von Basen mit pK -Werten zwischen 0 und 14 mit sehr B starker Säure (z. B. Salzsäure) ............................... 104 6.1.3 Systematische Titrationsfehler bei Titrationen von sehr starken Säuren mit sehr starker Base und umgekehrt ........... 106 6.2 Zufällige Titrationsfehler .......................................... 108 Anhang ................................................................. 111 Literatur ................................................................ 131 Sachverzeichnis .......................................................... 133 Einführung 1 Säure-Base-Diagramme, genauer gesagt pH-lgc-Diagramme, zählen zu den n ützlichsten i Hilfsmitteln, die für die Beschreibung von Säure-Base-Gleichgewichten entwickelt wur- den. pH-lgc-Diagramme stellen den Zusammenhang zwischen den Gleichgewichts- i konzentrationen c aller in einer Lösung vorliegenden Spezies i (genauer, zwischen den Logarithmen der Konzentrationen von c) und dem pH-Wert der Lösungen dar. Sie i erlauben es einerseits, ohne mathematische Berechnungen den pH-Wert von Säure- und Baselösungen und von Puffern mit sehr guter Näherung zu bestimmen. Andererseits kann man sie sehr vorteilhaft dazu nutzen, bei den mathematischen Ableitungen von pH-Näherungsgleichungen die möglichen Näherungen zu finden. Mit Hilfe von pH-lgc- i Diagrammen lassen sich auch Titrationskurven von Säure-Base-Titrationen konstruie- ren. Ein geübter Umgang mit pH-lgc-Diagrammen ist unerlässlich für Studierende aller i Fachrichtungen, bei denen die Behandlung von Säure-Base-Gleichgewichten Bestandteil des Studienstoffes ist. Das vorliegende Buch gibt eine Anleitung, wie diese Diagramme konstruiert und angewendet werden und illustriert das dargebotene Wissen anhand von Beispielen. Die pH-lgc-Diagramme haben mehrere Väter (Abb. 1): Vor allem zu nennen sind der i dänische Chemiker Niels Bjerrum, der ein entsprechendes Koordinatensystem bereits 1915 einführte [1], die schwedischen Chemiker H. Arnfelt [2] und G. A. Ölander [3], die sie weiterentwickelten, und schließlich die schwedischen Chemiker G. Hägg [4] und L. G. Sillén [5, 6], die sie weltweit bekannt machten, weshalb sie in Deutschland oft als Hägg-Diagramme und in den USA als Sillén-Diagramme [7] bezeichnet werden. Das vorliegende Buch ist in sich konsistent und der Leser muss keine zusätzliche Lite- ratur konsultieren. Natürlich gibt es eine Reihe von Lehrbüchern und monographischen Darstellungen, die diesen Stoff ebenfalls berühren [7, 9–16] und deren Lektüre ergänzend empfohlen werden kann, genauso wie auch einige zitierte Originalpublikationen in wis- senschaftlichen Zeitschriften. Alle folgenden Ausführungen basieren auf der Säure-Base- Theorie von Brønsted (Brönsted) und Lowry, nach der Säuren Protonendonatoren und H. Kahlert und F. Scholz, Säure-Base-Diagramme, 1 DOI: 10.1007/978-3-642-37704-4_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 2 1 Einführung Abb. 1 a Niels Bjerrum (* 11.03.1879 in Kopenhagen, Dänemark; † 30.09.1958 in Kopenhagen, Dänemark). Bjerrum studierte Chemie in Leipzig, Zürich, Paris und Berlin. Er promovierte 1908 an der Universität Kopenhagen. Von 1914 bis 1949 war er Professor am Königlichen Veterinär- und Landwirtschaftskolleg in Kopenhagen. Bjerrum forschte über Säure-Base-Gleichgewichte und Elek- trolytlösungen. (Copyright Morten J. Bjerrum, reproduziert nach [8]) b Gunnar Hägg (* 14.12.1903 in Stockholm, Schweden; † 28.05.1986 in Uppsala, Schweden) studierte Chemie in Stockholm und ging 1936 als Professor nach Uppsala. Sein Hauptarbeitsgebiet war die Röntgendiffraktome- trie. (Archiv, Universität Uppsala) c Lars Gunnar Sillén (* 11.07.1916 in Stockholm, Schweden; † 23.07.1970 in Danderyd, Schweden) studierte Chemie in Stockholm und war seit 1950 Professor für anorganische Chemie an der Königlich Technischen Hochschule in Stockholm. Zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn beschäftigte er sich mit der Röntgendiffraktometrie, wurde dann spä- ter vor allem bekannt durch seine Forschungen über chemische Gleichgewichte in Lösungen und zur Meereschemie. Sillén war ein Pionier der Anwendung von Computerprogrammen zur Berech- nung chemischer Gleichgewichte und die in seinem Arbeitskreis bestimmten Gleichgewichtskons- tanten sind bis heute von höchstem Wert. Kemivärlden Biotech med Kemisk Tidskrift Basen Protonenakzeptoren sind. Die verschiedenen Säure-Base-Theorien können hier nicht vorgestellt werden und es wird auf die Literatur verwiesen [9, 17, 18].